In den 70er Jahren traten die Stadtmagazine an, die Medienlandschaft in Deutschland zu erneuern. Nun hat mit Prinz das auflagenstärkste Magazin dieser Gattung geschlossen. Seine Geschichte begann im Ruhrgebiet.
Nach mehr als zehn Jahren als freier Mitarbeiter des Stadtmagazins Prinz erfuhr Michael P. Anfang November vom Aus des Magazins aus dem Internet: „Überrascht hat mich das nicht mehr, die Gerüchte über das Ende des Prinz gab es schon Tage vorher und das es mit dem Heft zu Ende geht, hat ja jeder mitbekommen.“
Den Qualitätsverfall habe er als Prinz-Mitarbeiter hautnah erlebt: „Als Nicole Zepter 2008 Chefredakteurin beim Prinz wurde, gab es einen zweiten Frühling. Die Redaktion wurde wieder ernst genommen, das Heft war wieder ein richtiges Magazin mit lokalen Inhalten.“ Die Freude der Mitarbeiter hielt nicht lange vor, obwohl die Auflage unter Zepter nicht weiter sank. 2011 übernahm dann Jörg Schumacher die Führung des Heftes: „Schumacher hat das Heft mit seinem „Nutzwertjournalismus“ ruiniert. Der Preis wurde fast verdoppelt, das Heft verkleinert und die Leser rannten uns weg.“
Damit endete eine Geschichte, die 1978 im Ruhrgebiet begonnen hatte: Wer damals wissen wollte, in welcher Kneipe am Wochenende spannende Bands spielen, in welchem Kino der neue Godard gezeigt wird und wo ein Zimmer in einer Studenten-Wohngemeinschaft frei ist, hatte ein Problem: Die Tageszeitungen ignorierten die damals boomende Jugendkultur, Rock und Pop galten als schmuddelig und randständig: Im Feuilleton kamen sie nicht vor und Wohngemeinschaften standen im Ruf, das dort haschrauchende Rebellen die kurzen Pausen zwischen zwei Orgien zum Bau von Brandbomben nutzten. Also begannen in dieser Zeit Studenten eigene Magazine zu gründen. Zwei gingen 1978 im Ruhrgebiet zeitgleich an den Start. Der Prinz-Vorläufer Guckloch in Dortmund und das Marabo-Magazin in Bochum, wo beide später ihren Redaktionssitz hatten. Was beide von ihren oft radikal-politischen Vorläufern unterschied, war, dass es neben Politik vor allem um Kultur ging. Der Veranstaltungskalender war das Herzstück der beiden ursprünglich im Format kleiner Schulhefte erschienenen Magazine, die seit 1979 ruhrgebietsweit erschienen und zu Konkurrenten wurden. Marabo ist längst Geschichte, das Heft stellte, von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, sein Erscheinen 2005 ein.
Peter Krauskopf, der ehemalige Chefredakteur des Marabo erinnert sich an die Zeit: „Die Stadtmagazine entstanden weil es eine Kultur gab, die von den Medien ignoriert wurde. Also haben wir die Magazine die wir lesen wollten selbst gemacht.“ Neben der Szene-Kultur berichteten die Magazine auch über Politik, deckten Skandale auf und machten sich mit aufwendigen Reportagen auch journalistisch einen Namen.
Nach dem Ende des Prinzen begann die Diskussion, ob Stadtmagazine nicht mittlerweile überflüssig geworden sind: Einen eigenen Kalender kann sich heute jeder auf Facebook zusammenstellen, Filmtrailer gibt es auf YouTube und längst haben auch etablierte Tageszeitungen und Magazine die einstmalige Subkultur für sich als Thema entdeckt.
Der Düsseldorfer Medienexperte Thomas Knüwer meint nein: „Beim Prinz wurde so oft das Konzept geändert und die redaktionelle Qualität gesenkt, dass es kaum noch einen Unterschied zu den kostenlosen Titeln gab, die in jeder Kneipe ausliegen. Es gab am Ende keinen Grund mehr, den Prinz zu kaufen.“
Größere redaktionelle Ambitionen hatte der Jahreszeiten-Verlag mit dem 1986 von Guckloch in Prinz umbenannten Magazin nie. Nach der Übernahme 1989 sagte eine Sprecherin des Verlages der Wochenzeitung Die Zeit:“ „Für uns geht es nicht um ein bahnbrechendes Zeitschriften-Konzept, sondern um einen interessanten Anzeigenmarkt.“
Das Ende von Prinz war selbstverschuldet, sagt Knüwer, über die Zukunft der Stadtmagazine sagt es wenig aus: „Ein gut gemachtes Stadtmagazin mit einer engen lokalen Bindung hat auch heute noch gute Chancen.“
Ein solches Magazin, unabhängig, engagiert und in der Stadt verwurzelt ist die Kölner Stadrevue. 1976 gegründet, ist es heute eines der ältesten Stadtmagazine Deutschlands. Über das Prinz-Aus freut man sich in den Büros im Belgischen Viertel Kölns nicht: „Da verlieren ja jetzt viele ihren Job“, sagt Stadtrevue-Geschäftfsührerin Monika Peters. Als aus dem Guckloch der Prinz wurde und der Jahreszeiten-Verlag das Heft 1989 übernahm und es zu einem bundesweiten Titel machte, hätten davon alle Stadtmagazine profitiert: „Wir gerieten in den Fokus der Anzeigenkunden. Damit begannen gute Jahre für fast alle Titel.“ Eine Konkurrenz sei der Prinz für die Stadtrevue in Köln nie gewesen, dafür sei das Blatt in der Stadt immer zu wenig verankert gewesen.
Allerdings seien die goldenen Zeiten der Stadtmagazine vorbei. „Wir müssen uns viel einfallen lassen, um klar zu kommen, da geht es uns nicht anders als anderen Zeitungen und Magazinen.“ Die Auflage sei auch bei der Stadtrevue rückläufig, allerdings nicht so stark wie bei anderen Titeln. Schlimmer sei der Rückgang der Anzeigen: „Vor allem das Tabakwerbeverbot war für die Stadtmagazine ein Desaster.“
Die Stadtrevue bringt heute nicht nur ein monatliches Magazin heraus. Es gibt Sonderveröffentlichungen zu Restaurants in Köln, Design und Hochschule. Die Stadtrevue veranstaltet in Lange Nacht der Kölner Museen und mit Le Bloc eine Mode und Design-Show im Belgischen Viertel. Nach jeder Ausgabe diskutiert die Redaktion seit Sommer mit den Lesern auf einer Veranstaltung ein Thema der Ausgabe.
Ein Leben im Luxus kann sich die Stadtrevue trotzdem nicht leisten: Monika Peters: „Wir leben, weil alle Mitarbeiter extrem viel arbeiten und ihre Ideen in das Heft einbringen.“
Daran, das mit einem Dienst nach Vorschrift ein Stadtmagazin nicht zu machen ist, erinnert sich auch Peter Krauskopf: „Stadtmagazine werden mit sehr viel Leidenschaft und Selbstausbeutung gemacht.“
Und die könnte noch weiter um sich greifen, wenn die Magazin-Macher dem Rat von Thomas Knüwer folgen: „Wichtig ist auch, mit dem Magazin online präsent zu sein. Die Redaktion eines Stadtmagazin sollte in der Lage sein, ein bis zwei Artikel am Tag im Internet zu veröffentlichen, die nicht im Magazin stehen. Wer das konsequent macht hat dann nicht nur die Homepage zum Heft, sondern auch noch ein aktuelles Blog“
Einen Garant für den Erfolg gibt es allerdings auch durch eine hohe online Präsenz nicht: Marabo war das erste tagesaktuelle Online-Angebot im Ruhrgebiet und berichtete im März 1998 mit einem Live-Ticker über den Atomtransport nach Ahaus – es war der erste Liveticker in den deutschen Mediengeschichte und sorgte seinerzeit für bundesweite Beachtung. Prinz war damals noch nicht einmal im Internet – seinen alten Konkurrenten Marabo hat der Prinz trotzdem mehr als um sieben Jahre überlebt.
Dieser Artikel erschien in ähnlicher Version bereits in der Welt am Sonntag.
Ich kenne die Prinz aus Berlin (Anfang 90er), dort war sie für mich aber nie eine Alternative zur Zitty, die meinen kulturellen Geschmack besser traf und m.M.n. auch bei den redaktionellen Anteilen deutlich interessanter war.
Die Entwicklung des Prinz seit 1989 ließ sich im Ruhrgebiet sehr genau verfolgen. Seit Beginn der nuller Jahren habe ich das Magazin kaum noch gekauft. Der Grund: Der Prinz ist mehr und mehr zu einem Hochglanzmagazin geworden, vergleichbar mit den austauschbaren überregionalen Titeln, die es am Bahnhofkiosk in Massen gibt.
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Vereinzelte Exklusivgeschichten von guten Journalisten konnten da auch nichts mehr ändern. Wenn es zwischendrin noch Kurswechsel gab, dann haben das wohl leider zu wenige potenzielle Leser registriert. Es tut mir leid für die engagierten Mitarbeiter. Kulturell war das Ende des Marabo 2005 ein ungleich höherer Verlust für das Ruhrgebiet.
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Der Coolibri besteht weiterhin, neue Formate werden kommen. Eine Hoffnung: Web to Print. Im Netz entstehen neue Formate, wie eben auch die Ruhrbarone. Die Unis, hier insbesondere die Ruhr-Uni, waren immer Keimzellen für neue Projekte und Entwicklungen. Dort werden neue Medien für das Ruhrgebiet entstehen. Wetten, dass?
@Osteoporose: Die Ruhrbarone wurden vor allem von Autoren aus zwei zu dem Zeitpunkt beendeten Projekte gegründet. Die taz-ruhr und das Marabo sind quasi unsere Wurzeln. Schön finde ich, dass wir mittlerweile viel Autoren haben, die mit beiden Projekten nie etwas zu tun hatten. Viele kennen nicht einmal mehr das Marabo. Und das ist sehr, sehr gut: Es geht weiter und es wird anders als es war.
Ich bitte um Informationen zum Stadtteilmagazin „Mein Bochum.de“.
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