‚Mündige‘ Sportler sind in den vergangenen Jahren quer durch alle Sportarten, Länder und Ligen ziemlich rar geworden. Ihre Interviews werden von den Medianabteilungen der Vereine und Verbände ‚reingewaschen‘. Kontroverse Aussagen werden aus Interview immer wieder herausgestrichen, bis zur völligen Belanglosigkeit vieler Texte.
Daher freut sich die Fan- und Medienlandschaft immer, wenn einmal wieder jemand in Erscheinung tritt, der eine klare Meinung zu politischen oder gesellschaftlichen Vorgängen vertritt. Also, so ganz grundsätzlich.
Freiburgs Trainer Christian Streich ist schon seit Jahren einer der rar gewordenen Vertreter seiner Zunft, dem die große Mehrheit im Lande sehr gerne zuhört, der nie um eine fundierte Meinung verlegen ist. Dabei trifft Streich häufig den sprichwörtlichen Nagel auf den Kopf, gibt auf den Pressekonferenzen und Interviews im Breisgau häufig relevante Dinge zum Besten, die zumindest ein paar Minuten des Innehaltens rechtfertigen und die in sie investierte Aufmerksamkeit lohnen.
Dass das aber längst nicht immer so sein muss, das beweisen in diesen Stunden einmal mehr aktuelle Worte von Fußball-Nationalspieler Leon Goretzka, der aktuell zwar auch von vielen Seiten für sein offenkundiges Engagement gegen rechte Umtriebe in Deutschland gelobt wird, dessen Aussagen aber zum zweiten Mal innerhalb vergleichsweise kurzer Zeit von einer gewissen Naivität zeugen.
Der erfahrene Profi des FC Bayern München, der in der Vergangenheit auch schon für den VfL Bochum und den FC Schalke 04 die Fußballschuhe geschnürt hat, belegt gerade bereits zum zweiten Mal, dass es nicht immer von großer Bedeutung oder Relevanz sein muss, wenn sich Profisportler zu aktuellen, politischen Themen äußern.
Im Frühjahr 2019 erst gab Goretzka nach mehreren rassistischen Äußerungen gegen die Nationalspieler Leroy Sane und Ilkay Gündogan zu Protokoll: „Dagegen sollte man aktiv vorgehen. Ich kann nur alle aufrufen, mit viel Mut dagegen vorzugehen und solche Leute in die Schranken zu weisen“, so der damals 24-Jährige, um dann fortzufahren: „Ich bin ein Kind des Ruhrgebiets. Da antwortet man auf die Frage nach der Nationalität Schalke, Dortmund oder Bochum. Für uns ist Integration kein Thema, sondern Selbstverständlichkeit.“
Aussagen, die davon zeugten, dass Goretzka in den Sportstadien des Ruhrgebiets offenkundig noch nie mit offenen Ohren dabei war. Denn natürlich hörte und hört man auch im Ruhrgebiet rassistische Aussagen in den stadien. Recht viele sogar.
An diesem Wochenende folgte dann der nächste Fall von, nun, nennen wir es der Einfachheit halber ‚Naivität‘. In der ‚Welt am Sonntag‘ äußerte sich der 25-Jährige in Richtung der von ihm kritisierten AfD offenbar mit den Worten:
„Wir müssen den Leuten klar vor Augen führen, dass wir in einer Demokratie leben, die durch nichts und niemanden kaputt gemacht werden kann.“
Wenn das doch nur so einfach wäre, wie der Nationalspieler es scheinbar annimmt. Offenbar hat dem Profi noch nie jemand vermittelt, dass Demokratie ein grundsätzlich fragiles Gebilde ist, das täglich verteidigt und geschützt werden muss.
Gerade die aktuellen Zeiten der Aufgeregtheit und des Aufstiegs von diversen Querdenkern und Zweiflern an der Politik in unserem Lande zeigen uns doch Tag für Tag eindrücklich, wie sehr unsere Demokratie Ende 2020 Leute braucht, die sich aktiv für sie einsetzen und unsere Werte gegen jedwede Angriffe von Extremisten leidenschaftlich verteidigen.
Zu glauben, dass unsere seit Jahrzehnten scheinbar fest etablierte Gesellschaftsordnung inzwischen gar nicht (mehr) zu erschüttern sei, ist zumindest naiv.
Dass Goretzka für eine solche Stellungnahme nun von etlichen Leuten massiv gefeiert wird, lässt vermuten, dass vielen das traurige Schicksal der Weimarer Republik inzwischen nicht mehr präsent ist…. Bedenklich!
Guter Hinweis, das sollte man bedenken.
Ich will meinen Kommentar mit einem Zitat aus dem Originalartikel beginnen:
> Der Mittelfeldspieler hat sich zuletzt häufiger in diese Richtung geäußert. Das sei wichtig, damit sich die deutsche Geschichte nicht wiederholt, appellierte er vor einigen Monaten.
Dort warnt Goretzka doch genau davor, dass sich die Geschichte nicht wiederholen soll. In seinem Artikel greift Herr Patzwaldt diese Aussage jedoch nicht auf, sondern kritisiert stattdessen folgendem Satz:
> „Wir müssen den Leuten klar vor Augen führen, dass wir in einer Demokratie leben, die durch nichts und niemanden kaputt gemacht werden kann.“
Diesen Satz kann man meiner Meinung nach auch als Aufruf verstehen, sich von der AfD abzuwenden und gegen sie zu kämpfen, weil die Demokratie stärker als die AfD sei. Dies in Kombination mit dem von mir oben angebrachten Zitat von Goretzka, dass sich Geschichte nicht wiederholen soll, führt dazu, dass ich der Argumentation von Herrn Patzwaldt in diesem Artikel nicht folgen kann.
Ich muss meinem Vorredner zustimmen. Die Argumentation ist für mich ein wenig an den Haaren herbeigezogen.
Wir reden hier über einen Fußballspieler und niemanden, der sonst ein Politikwissenschafts-Proseminar leitet. Da dermaßen in die Exegese zu gehen, ist doch deplatziert. Er hat sich vielleicht ein paar rhetorische Standard-Versatzstücke zurechtgelegt, weil er sie sich abgeschaut hat. Aber seine Haltung finde ich ziemlich authentisch. Und gerade da finde ich es eben doch relevant, wenn sich so jemand positioniert. Vielleicht gerade in dem Wissen, dass das zahlreiche Fans vergraulen könnte.
Wenn die Toten Hosen auf ihren Konzerten irgendwas "gegen Rechts" brüllen, ist der billig erkaufte Applaus sicher. Im rusikalen "man-wird-ja-wohl-noch-sagen"-Fußball-Umfeld sieht das schon anders aus.
Niemand bestreitet die 'gute Absicht‘ von Leon Goretzka. Doch wenn ein so prominenter Kicker innerhalb einiger Monate Rassismus in den Stadien des Ruhrgebiets zunächst quasi als nicht existent und unsere Demokratie, in Zeiten in denen man sie eigentlich dringend aktiv verteidigen sollte, wenig später faktisch als 'unkaputtbar' bezeichnet, dann ist das zumindest sehr unglücklich.
OK, dann eben doch Exegese. Es geht ja hier wohl um diesen Satz:
„Wir müssen den Leuten klar vor Augen führen, dass wir in einer Demokratie leben, die durch nichts und niemanden kaputt gemacht werden kann.“
Man muss sich schon die Hose mit der Kneifzange zumachen, um hier Dümmlichkeit entdecken zu wollen. In meinen Augen steht hier die Appellfunktion (Aussage: Wir werden die Demokratie nicht kampflos hergeben) und nicht die Aussage auf der Sachebene (die Demokratie ist unkaputtbar) im Vordergrund. Den Beleg für diese Deutung hat Pascal bereits erbracht. Es ist ungeschickt formuliert, aber im Eifer eines Interview-Gefechts kann das schon mal passieren.
Im Übrigen, wenn man die rhetorische Höhe dieses Satzes betrachtet, gibt es wahrlich schlimmeres: Da klingt die typische Gewerkschafter-Phrase "Eine Werksschließung ist mit uns nicht zu machen" vergleichsweise dämlicher. Natürlich ist die Schließung ohne die Gewerkschaft zu machen, was denn sonst?!
@5: „im Eifer eines Interview-Gefechts kann das schon mal passieren.“. Also, sorry, Psychologe. Das ist nun aus meiner Sicht wiederum völlig weltfremd. Diese Zeiten sind ja in der modernen Medienwelt nun schon lange vorbei. Solche Aussagen erfolgen doch längst nicht mehr spontan und unbedarft. Schon gar nicht in der vielbeachteten ‚Welt am Sonntag‘.
@Patzwald
Ich sehe keinen Grund Goretzka besonders wichtig zu nehmen.
Ja manches Gebrülle in den Stadien ist unhaltbar.
wie weit das Rassismus ist, lässt sich trotz allem aber nicht an diesem Gebrülle festmachen, das sit eine fundamentaler Irrtum!
Es ist möglich, das sich daran das Festsetzen einer rassistischen Einstellung abbilden könnte.
Aber es ist ohne Belang sich dort über den Rassismus oder nur schlichte Primititvität aufzuregen.
Denn die Vorurteile entstehen dort nicht, sondern verschaffen sich dort nur Ausdruck.
Und es gibt Gründe dafür, das sie im sozialen Umfeld der Fans entstehen und für die sind viele derjenigen, die sich so gerne darüber empören deutlich mehr verantwortlich, als die Grölenden selbst.
Statt sich also über die Symptome aufzuregen, wäre Ursachenbehebung nötig. Aber die wurden ignoriert weil es Geld gekostet hätte und man für "faule Leute" nicht einsah Sozialhilfe zu zahlen etc.
Bedanken sie sich bei Herrn Schröder und der SPD und den Grünen für ihre verblödete moralische Ignoranz.
Wie kommt man wohl darauf, zu behaupten, LG würde verneinen, dass es in den Stadien NRWs Rechtsextremismus und Rassimus gibt? Es ist ja deutschlandweit bekannt, dass gerade die Anhängerschaft von Borussia Dortmund sich wahlweise von SS-Siggi oder Riot0185 dirigieren lässst.
Wie kommt man wohl darauf, zu unterstellen, LG würde behaupten wollen, die Demokratie sei quasi unzerstörbar? (Warum warnt er dann eigentlich vor der AfD?)
Es ist müßig, zu spekulieren, ob beim Artikel-Verfasser Dummheit oder Bösartigkeit der Antrieb war. Jedenfalls steht er mit seiner Kritik in einer Reihe mit so manchem AfD-Twitterer. Herzlichen Glückwunsch.
@6 Sie beweisen ja selbst, mit ihrem Artikel, dass in modernen Medienzeiten immer noch Aussagen getätigt werden, die beim zweiten Hinsehen (hoffentlich) nicht mehr so passieren würden (und damit meine ich nicht 1,5 Jahre als wenige Monate zu bezeichnen oder die falsche Nutzung des Wortes "scheinbar", die den Satz ja absurd macht). Da sind Sie Autor und LG gibt halt nur ein Interview.
Als mir der Artikel angezeigt wurde, dachte ich, dass da jemand mit der Überschrift Leute fangen will und im eigentlichen Text dann steht, warum das Blödsinn ist. Aber leider nicht. Dass jemand die Worte von LG so verfremdet und in eine völlig falsche Richtung zieht, ist starker Tobak oder mit Ihren Worten "naiv". In der Einleitung bedauern, dass mündige Sportler rar geworden sind, um anschließend jedes Wort auf die Goldwaage zu legen. Sogar die Bedeutung und Relevanz klein zu machen. Doch es ist sehr bedeutsam, wenn sich Menschen des öffentlichen Lebens klar gegen Parteien wie die AfD positionieren und für eine wehrhafte Demokratie einstehen.
Glauben Sie allen Ernstes, dass LG nicht weiß, dass unter Fußballfans auch Rassisten sind und man das auch immer wieder in Stadien hört? Nur ist es eben fraglich, ob man lieber denen seine Stimme gibt, so wie sie (auch mit einem Titelbild der AfD, welches jedes mal erscheint, wenn man diesen Artikel in sozialen Medien postet) oder eben der breiten Masse die eben als Nationalität Schalke, Dortmund oder Bochum angibt. Auch die Position der "Querdenkern" so als "Aufstieg" zu glorifizieren ist bedenklich, die breite Masse geht doch die Maßnahmen mit trotz weitreichender Einschränkungen. Im übrigen ist auch eine Lehre der Weimarer Republik, die ja immer als Republik oder Republikaner bzw. Demokratie ohne Demokraten galt, dass man den antidemokratischen Kräften zu viel Stimme gegeben haben. Da können Sie sich jetzt auch mal selbst hinterfragen, wie weit sie daraus gelernt haben und ob LG so falsch liegt, wenn er den Menschen den Rücken stärkt, die in einer starken am liebsten unzerstörbaren Demokratie leben wollen. Mag auch sein, dass bloße Apelle für eine wehrhafte Politik nicht ausreichen, kann man in einem Interview aber auch erst mal nicht mehr verlangen. Da könnte ein Artikel das Thema tiefgreifender betrachten, da haben Sie leider die Chance verpasst. Dass Sie die verächtlich machen, die eben den Aussagen von LG zustimmen, ist dann wohl der Tiefpunkt. Zeigt auch, dass allein das Erinnern an Weimar nicht genug ist, sondern auch schauen, warum es scheiterte.
Ich lehne Querdenken als rücklsichtslos ab (was die Gesundheit anderer betrifft die man selbst anstecken könnte) und mag auch vieles am Gebaren der AfD nicht.
Aber das, was hier von Goretzka und Followern gegen die AfD geschmäht wird, erinnert mich doch stark an "shoppe nicht beim Gebrandmarkten" und genau da sehe ich auch die Gefahr für die Demokratie. Demokratie ist nicht die Einbahnstrasse zum "Guten". Was früher als "Gut" galt, wie Eroberungen z.B., wird heute als rassistisch verstanden. Dasgleiche kann dem heutigen Verständnis von "Gut" widerfahren.
Die AfD ist erst dann unwählbar, wenn man sie auf keinem Wahlzettel mehr findet. Bis dahin darf jeder selbst entscheiden wo er sein Kreuzchen macht.
Für mein Empfinden wird der AfD weitaus mehr Hass entgegengebracht, als sie selber austeilt. Das fängt schon damit an, dass man sie im Bundestag nicht grüsst wenn man sich begegnet zu Beginn des Tages. Das ist persönliche Verachtung und nicht nur andere Meinung.
Zunächst einmal ist es überaus lobenswert, wenn ein 25jähriger junger Mann seine Medienpräsenz nutzt, um dem Rassismus entgegenzutreten.
Diese Aktion an sich ist mutig und hat Vorbildcharakter.
Ob er dabei die perfekten Worte verwendet hat, ob er den Ernst der Lage in seiner Gesamtheit erkannt hat, ob er naiv ist … egal, Karl!
Herr Goretzka positioniert sich gegen Rechts! Gut so! Fertig!
Ein 25jähriger Profisportler muss nicht in Gänze über die Entstehung, die historische Entwicklung, die aktuellen Hintergründe etc. dieses gesellschaftlichen Problems Bescheid wissen. Seine Statements sind emotional, authentisch und nicht völlig dämlich – insbesondere im Vergleich zu dem, was z.B. andere "prominente" Köche, TV-Moderatoren und Schauspieler bei "Markus Lanz" o.ä. TV-Formaten zu solchen Themen wie Rechtsradikalismus, Globalisierung, Umwelt- und Wirtschaftskrise usw. von sich geben.
Die hier geäußerte Kritik an den Aussagen von Leon Goretzka finde ich überzogen. Ich stimme vorherigen Beiträgen zu, dass die vom Author angesetzte Erwartungshaltung an einen Fußballprofi zu hoch ist. Auf mich wirken die Aeussserungen von Leon Goretzka eher authentisch, und im Rahmen dessen verortet, was man von einem Berufssportler erwarten darf.
Was macht der da…. Als Profi-Fußballer ist man doch wohl berühmt genug. Da muss man sich doch nicht noch als junger reicher Schnösel wichtig machen indem man die Welt erklären will ! Der soll sich mal auf's Tore-Schießen konzentrieren !! Sehr naiv und schädlich für den Verein, absolut !!
Meine Meinung ! Ich grüße Alle !