Für seine „Kunst des dialogischen Denkens“ zeichnet die Evangelische Kirche den Publizisten und Schriftsteller Navid Kermani aus. Preisverleihung am 31. Mai in der Christuskirche Bochum am Platz des europäischen Versprechens mit Bundestagspräsident a.D. Norbert Lammert und der Ratsvorsitzenden der EKD, Präses Annette Kurschus.
„Navid Kermani mit dem Preis zu ehren, der Hans Ehrenberg erinnert, bedeutet für uns, die Kunst des dialogischen Denkens zu feiern“, sagt Gerald Hagmann, Superintendent der Evangelischen Kirche in Bochum, die den mit 5000 € dotierten Preis gemeinsam mit der Evangelischen Kirche von Westfalen verleiht. Geehrt werden Persönlichkeiten, „die in öffentlicher Auseinandersetzung protestantische Position beziehen“, heißt es in den Statuten. Zu den bisherigen Preisträgern zählen – neben hochrangigen Repräsentanten der verfassten Kirche wie dem heutigen Vorsitzenden des Weltkirchenrats, Heinrich Bedford-Strohm – u.a. die kürzlich verstorbene Politikerin Antje Vollmer, der Regisseur und Autor Wim Wenders sowie die Publizistin und langjährige Leiterin des „Hauses jüdisches Kultur“ in Essen, Edna Brocke. Dass mit dem habilitierten Orientalisten Navid Kermani nun ein bekennender und äußerst schriftgelehrter Muslim geehrt wird, zeige, so Hagmann, „worum es Ehrenberg ganz wesentlich ging: um ein mitfühlendes, ein dialogisches Denken“. Kermani, heißt es in der Begründung für dessen Ehrung, sei jederzeit bereit, dem, der Widerspruch einlege, dasselbe Maß an Wahrheit zugute zu halten wie sich selbst, sei aber eben deshalb bereit, „scharfe Grenzen zu ziehen gegenüber einem totalitären und fundamentalistischen Denken“. In dieser Haltung, so Hagmann, „erkennen wir Hans Ehrenberg wieder“.
Der Bochumer Pfarrer Hans Ehrenberg (1883-1958) war Vordenker des evangelischen Widerstands gegen die Nazis, ein reichsweit bekannter Publizist, den die Nazis 1938 ins KZ Sachsenhausen verschleppt haben. Ehrenberg konnte mit seiner Familie in das demokratische England entkommen. Weniger bekannt, dass er – jüdisch aufgewachsen, ab 1918 Professor für Philosophie in Heidelberg – die Dialog-Philosophie mitbegründet hat, eine philosophische Schule, die das Denken jedes Einzelnen nicht in sich selber, sondern in der Beziehung auf das Denken anderer begründet hat.
Die Laudatio auf den Kölner Schriftsteller und Essayisten Kermani, dessen Eltern 1959 aus dem iranischen Isfahan in die Bundesrepublik ausgewandert waren, hält der langjährige Präsident des Deutschen Bundestages, Norbert Lammert. Der bekennende Katholik war 2019 selber mit dem Hans-Ehrenberg-Preis ausgezeichnet worden dafür, dass er den demokratischen Dialog mit „Leidenschaft, Esprit und Stil“ zu führen vermag. Präses Annette Kurschus, Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), wird die Verleihung des protestantischen Preises an Navid Kermani theologisch laudatieren.
Für die evangelische Kirche ist die Frage nach der Zukunft der Demokratie eine wesentliche. Gerade die Erinnerung an Hans Ehrenberg zeige, so formuliert dies Superintendent Hagmann, „dass Demokratien sterblich waren und sterblich sind“. In der Tat, nur wenige Tage vor der Preisverleihung an Navid Kermani, den deutsch-iranischen Autor, ist eben da, wo Ehrenberg sein Leben riskiert hat gegen die Nazis, eine Demonstration von Nazi- und Nazi-ähnlichen Konglomeraten angemeldet worden unter der Nazi-gleichen Parole „NRW erwacht“. Ein solches Nazi-Erwachen, sagt Hagmann, „kann es wieder geben, aber nur dann, wenn unsere Erinnerung schläft“.
Der Festakt anlässlich der Preisverleihung am 31. Mai, 19 Uhr in der Christuskirche Bochum – die Kirche war Predigtstätte von Hans Ehrenberg, heute beginnt in ihr der Platz des europäischen Versprechens – ist für alle Interessierten frei zugänglich, gebeten wird um eine formlose Anmeldung per Mail an info@christuskirche-bochum.de