Am kommenden Samstag ist eine große Anti-Nazi-Demonstration in Dortmund geplant. Ein Zusammenschluss aus mehr als 30 Organisationen ruft unter dem Motto „Es reicht!“ zum Protest gegen rechte Gewalt auf. Nun gibt es Streit um den Auftritt einer türkischen Band bei der Abschlusskundgebung der Demo. Eine Antifa-Gruppe wirft der Band Antisemitismus, Antiamerikanismus und die Unterstützung des Assad-Regimes vor.
Grup Yorum gehört zu den bekanntesten Bands in der türkischen Linken. Die Band besteht seit über 30 Jahren und hat unzählige Mitglieder. In unterschiedlicher Besetzung tritt die Band auch immer wieder auf Festen der eher orthodoxen Linken in Deutschland auf. Immer wieder haben Mitglieder der Band dabei Schwierigkeiten mit der Einreise in die Bundesrepublik. Die Band steht, das macht sie auch in Liedern klar, der stalinistischen DHKP-C nahe. Die DHKP-C steht auf der Liste terroristischer Organisationen der EU. Die „Antifaschistische Union Dortmund“ fordert die „Es reicht!“-Kampagne in einem ausführlichen „Offenen Brief“ dazu auf, die Band nicht bei der Demo auftreten zu lassen. Die Nähe zur DHKP-C belegt für die „Antifa Union“ einen verfestigten Antiamerikanismus bei der Band, in einem Lied über Palästina singt die Band über „explodierende Märtyrer“ im Kampf gegen die „Besatzer“, und im Sommer 2013 trat die Gruppe, bei einem vermeintlichen Antikriegskonzert in Syrien, unter einem riesigen Banner des syrischen Diktators Assad auf. Für die „Antifa Union“ wäre eine Absage an Grup Yorum „auch eine Absage an Antiamerikanismus, Israelfeindlichkeit und Assad-Solidarität sowie eine Distanzierung der Verherrlichung von Selbstmordattentaten“.
Eine andere Position als die „Antifa Union“ vertritt die „Autonome Antifa 170“. Sie ist Teil der „Es reicht!“-Kampagne, hat zur Demonstration allerdings einen eigenen Aufruf verfasst, in dem sie sich gegen „Rassismus aus der Mitte der Gesellschaft“ positioniert und auch das „populistisch-rassistische Geschwätz“ der Linkspartei Frontfrau Sahra Wagenknecht kritisiert. Trotz der Kritik, auch an Bündnispartnern, bezeichnet die Gruppe es allerdings als wichtig, „innerhalb einer solchen Kampagne unsere Inhalte zu vertreten und die Diskussion zu suchen“.
Die „Es reicht!“-Kampagne ist für Dortmunder Verhältnisse tatsächlich eine Besonderheit. Am kommenden Samstag ziehen die Nazi-Gegner zwar ohne einen rechten Aufmarsch durch die Stadt, sie tun dies aber so breit aufgestellt wie keine andere Demonstration in Dortmund in den letzten zehn Jahren. Vom „Arbeitskreis gegen Rechts“, dem vom DGB bis zur CDU beinahe alle etablierten Organisationen angehören, über migrantische Organisationen, bis zu einzelnen „autonomen Gruppen“ ist fast alles vertreten. Der Grund dafür, dass die Organisationen sich zusammengerauft haben, ist allerdings kein erfreulicher. Neonazis verübten seit Anfang August so viele körperliche Angriffe auf Andersdenkende wie schon seit Jahren nicht. Auch gab es mehrere Farbattacken. Sollte es gelingen, den „Es reicht!“-Zusammenschluss zu verfestigen, könnte es für Neonazis in Dortmund bald nicht mehr so leicht sein, ihre Aufmärsche stattfinden zu lassen. Aber auch über Antisemitismus und stumpfe Kritik wird man in der Kampagne früher oder später reden müssen.
"Aber auch über Antisemitismus und stumpfe Kritik wird man in der Kampagne früher oder später reden müssen."
Falsch: Nicht später, mithin nach dem Auftritt einer antisemitischen Kapelle, muss darüber diskutiert werden, sondern davor. Die Nichtakzeptanz von Antisemitismus sollte bei einem Bündnis gegen Rechtsextremismus genauso Selbstverständlichkeit sein, wie die Ablehnung der Glorifikation von Selbstmordattentätern. Dass über den Auftritt von Grup Yorum überhaupt diskutiert wird (den Streit gibt es ja buchstäblich seit Jahren), hat wohl eher mit innerlinken Grabenkämpfen um die Machtverteilung im Revier zu tun. Dafür entbehrt sich meinerseits jedwedes Verständnis…
Mit antisemitischen Anhängern von Diktatoren gegen Nazis zu demonstrieren – das als Fortschritt zu sehen, kann ich nicht nachvollziehen. Die "Es reicht" Demo wird an den Zuständen in Dortmund nichts ändern und Gruppen legitimieren, die in ihrer Widerwärtigkeit von den Nazis nicht weit entfernt sind. Warum sich Organisationen wie der DGB und die CDU für so etwas hergeben ist mir ein Rätsel. Die Fragen, die die Antifa-Union aufwirft müssten sie sich erst Recht stellen. Sie liefern den Rahmen, in dem sich ein paar Politsekten profilieren.
Kritikpapierpolitik kann man machen. Ist halt Konfrontation. Ob es nicht hilfreicher wäre mal mit Leuten ins Gespräch zu kommen, die der Gruppe nahestehen? Solche gibt's auch in Dortmund.
Gleich weiter:
Stefan: Du hast hier eine interessante Perspektivverschiebung. Glaubst du, dass eine gemeinsame Demonstration gegen Neonazis hauptsächlich den Politsekten und nicht etwa den Angegriffenen Antifaschist_innen nutzt?
TKB: Ja, diskutiert werden muss. Dass was hier gemacht wird, ist aber was anderes. Hier kommt eine Gruppe an und will gar nicht in den Dialog treten, sonder ihre Abgrenzung deutlich machen und andere Auffordern, ihnen in der Abgrenzung zu folgen. Einfache Wahrheiten statt Kritik im Handgemenge.
@Tobi: Ja, das glaube ich. Die Sekten erfahren durch die Akzeptanz eine Legitimierung. Gruppen wie die MLPD leben davon, dass sie, obwohl es ja widerwärtige Stalinisten sind, die für blutige Diktaturen eintreten, in solchen Zusammenhängen als Partner geduldet werden. Als ich im AStA war, haben wir eine Pro-Asyl Demo unterstützt und wir haben sie finanziert. Irgendeine "KPD/hassenichtgesehenwasfüridioten" wollte als Unterstützer genannt werden. Ich machte klar: Entweder fliegt die Sekte raus oder es gibt kein Geld. Sie flog raus und niemand hat sie vermisst 🙂
PS: Ich seh gerade – Eispickel sind ja auch dabei. Gruselig…
Der Antisemitismus war immer schon Teil des linken Antifaschismus. Jetzt wird er durch den Antisemitismus auch vieler linker deutscher Muslime noch weiter verstärkt. Dabei könnte Multikultur so schön sein.
Das ist aus der Machtposition dessen, der das notwendige Geld kontrolliert, auch deutlich einfacher. Nichtdestotrotz: Sich an anderen Linken abzuarbeiten stärkt nicht die eigene Politik sondern zieht nur alle ins gleiche Loch mit rein. Es ist durchaus möglich, klare Worte zu finden, ohne den das Abgrenzungstheater in der xten Wiederholung aufzuführen..
@Tobi: Keine Ahnung, was an Linken so toll sein soll, die sich für Diktatoren einsetzen und Ideologien anhängen, die Menschen in Lager bringen wollen. Solche Leute stärken nicht meine Politik, die freie Individuen schätzt, die selbst entscheiden, wie sie leben wollen.
Stefen: Niemand hier hat gesagt das die Toll sind. Die Stärken auch nicht meine Politik. Mich statt auf eine Arbeit gegen Nazis auf eine Abgrenzung zu diesen Leuten um jeden Preis zu konzentrieren, schwächt meine Position aber erheblich.
Arnold: Da weiss man ja gar nicht wo man anfangen soll. Schon mal was von Antismitismusdebatten in der Linken gehört? ist so ein Ding seit ein paar Jahrzehnten. Es soll Antifaschist_innen geben die da beteiligt sind. Am Rande. Irgendwie.
Deine Pauschalurteile über "linke muslime" (meint das Grup Yorum und ihre Fans?) lass ich einfach mal so stehen.
Ich bin da gerade ein bisschen leidenschaftslos. Zwei Punkte würde ich aber gerne in der Diskussion anbringen:
1. Mit türkischen Linken wird nicht seit 20 Jahren über Antisemitismus, verkürzte Kritik, Stalinismus usw debattiert, so wie in der deutschen Linken. Die deutsche Debatte habe ich mitgemacht, sie war oft mühevoll und nervig, hat aber viel gebracht. Ganz dumme Positionen z.B. zu Israel sind heute längst nicht mehr so verbreitet.
Es wäre vielleicht einen Versuch wert auch mit türkischstämmigen Linken die Debatte über diese Themen zu suchen und sie davon zu überzeugen wieso ihre Ansichten nicht so klug sind. Ein breiter Entschluss von Linksradikalen, nach dem Auffliegen des NSU war es ja stärker auf Migranten zu zugehen. Das sollte man dann auch machen und sich gerne auch mit den Leuten streiten.
2. Im Kampf gegen Nazis hat man oft ziemlich verrückte Bündnispartner. Das ist schade. Ich würde mich auch freuen, wenn gegen den nächsten Naziaufmarsch plötzlich 5000 FDP-Mitglieder auf die Straße gehen und die Nazis blockieren würden. Machen die aber leider nicht…
@Sebastian Weiermann: Die FDP Mitglieder könnten etwas viel effektiveres als eine Straßenblockade machen. Wenn ich mir anschaue wer da bei den Nazis mitläuft könnten ein paar kleine Änderungen in der Sozialgesetzgebung dafür sorgen, dass diese Leute den ganzen Tag damit beschäftigt sind ihr Essen und ihre Unterkunft zu sichern und Abends dann so müde sind, dass sie nicht mehr auf dumme Gedanken kommen,. Die meisten von denen werden doch durchgefüttert… Die Neoliberale-Antifa hat da die effektivsten Konzepte 🙂
@Tobi#9
Ich habe sie lange genug mitgemacht, Tobi, um zu wissen, dass ich von manchen sogenannten Antifaschisten genauso genervt bin wie von den Faschisten selbst. Der Antisemitismus bei vielen Muslimen, egal ob links oder rechts, ist auch kein Vorurteil. Ich weiss nicht wo du lebst. Ich lebe mit ihnen seid Jahrzehnten in den selben Vierteln zusammen.
@Stefan: In wievielen Bundesländern regiert die FDP gerade mit?
Also, als bundesweit außerparlamentarische Kraft sollte deine Partei dann vielleicht doch lieber auf die Straße gehen. Ein paar Sympathiepunkte könnte sie da auch sammeln.
@Arnold: Na bitte, geht doch. Manche Antifaschisten, viele Muslime, das klingt doch deutlich differenzierter. Jetzt noch den Übergang, dass auch bei den migrantischen Linken Leute rumlaufen, die mit Religion so gar nichts anfangen können.
@Stefan: Sozialchauvinismus gegen rechts, bester Plan. nicht.
œTobi: Effektiv und spart Geld. Und man könnte die Steuern und Abgaben senken – das führt nebenbei zu mehr Wachstum 🙂
Warum hat die braune Soße eigentlich in den letzten 10 Jahren, also schon vor der sogenannten Flüchtlingskrise, in Deutschland wieder zu- statt abgenommen,Leute? Oder anders gefragt: wieso war die Antifa so wenig erfolgreich? Weil sie alles richtig gemacht hat? Oder vielleicht doch, weil sie schon von ihrer politischen Zusammensetzung und ihrer Vorgehensweise her zu wenig überzeugen konnte?
@ Tobi, lies doch nochmal # 6 Schon da steht nicht alle sondern v i e l e Muslime.
@Arnold: Da würde ich eher in Richtung Polizei, Verfassungsschutz und Politik schauen. Die Worte vom Dortmunder OB, dass Aufmärsche hier nur wegen der verkehrsgünstigen Lage stattfänden sind ja mittlerweile berühmt.
Und wenn man in die extreme Rechte schaut findet man auch immer schnell V-Leute.
Antifa Gruppen können nur einen Teil des Kampfes gegen Rechts führen. Aber da haben die beiden Gruppen um die es oben geht meistens einen verdammt guten Job gemacht.
@arnold Voss:
#6: ja, stimmt.
Jetzt gibt es natürlich auch noch andere Faktoren als die Antifa, die auf das politische Klima Einfluss nehmen. Aber angenommen das wäre der einzige Faktor: Ob die Antifa versagt hat, weil die rechten seit Jahren erstarken, oder ob sie bis ende 2014 erfolgreich darin war, schlimmeres zu verhindern, ist vermutlich interpretationssache.
Lustig ist hier zu sehen das eines überall gleich ist. Leute können mit Kritik nicht umgehen, vor allem scheinbar linke.
Direkt wird etwas auf Angriffe gegen Bündnise gewertet (göhnt euch mal die FB kommentare) und dann im nachhinein gesagt das es die nazis stärk… merken diese leute noch was.
KP wo dortmund wäre würde es die antifa ebend nicht geben und man muss sicherlich nicht auf einer linie mit den oben genanten sachen sein, aber fakt ist die kritik ist berechtigt und sollte schlichtweg beantwortet werden. auf dem gleichen niveau wie sie gestellt wurde, damit scheinen sich aber einzelne schwer zu tun.
Darüber hinaus ist es erschreckend mit zu bekommen wie hier mit migrantischen linken umgegangen wird. wer glaubt das wir alle irgendwelche stalinos oder in bekloppten parteien organisiert wären hat leider verloren, denn da hat die antifa in den letzten 10 jahren schon was geleistet, gezeigt das es auch anders geht und das zu recht.
ich würde mich freuen wenn die kritik von dem bündnis ernst genommen wird, bspw. könnte mindestens auf dieses unsägliche lied verzichtet werden, eine absage ist wohl nicht drinne und wäre vllt zu viel des guten verlangt.
und eine bitte noch an die biodeutsche linke: hört auf euch immer vor uns zustellen und um uns vor irgendeiner kritik zu schonen, davon kann sich niemand was kaufen. wenn es den genossen der tkip, tkp, dkhp-c, mlkp, aufbau etc. so wichtig ist sollen diese sich an die antifa union wenden und mit ihnen vernünftig diksutieren. es ist aber davon auszugehen das diese gruppen es nicht machen werden, weil sie in ihrem ganz eigenen kosmos schweben, wo für kritik wenig platz ist.
wir sehen uns am samstag!
@Stefan Laurin (#11)
Du bist nicht im ernst gegen Sozialhilfe?
@san holo: Wenn sie demonstrieren können, können sie auch arbeiten. Irgendwas findet sich schon – die Agenturen können das sehr kreativ sein. Unser Sozialsystem ist für Menschen gemacht, die nicht arbeiten können oder keine Arbeit finden. Es ist nicht dafür da Leute zu finanzieren, die arbeiten können es aber nicht wollen. Und nein, ich bin kein Freund des bedingungslosen Grundeinkommens.