Zehn Vorstrafen in elf Jahren unter anderem wegen Volksverhetzung, Beleidigung oder Widerstand gegen Polizeibeamte reichten dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen in Münster aus: Das Gericht entschied gestern, Sascha Krolzig, Führungskraft der Nazi-Partei Die Rechte aus Hamm wird nicht in den juristischen Vorbereitungsdienst zugelassen. Und ohne den absolviert zu haben, kann Krolzig kein Volljurist werden. Eine Laufbahn als Nazi-Anwalt ist damit für ihn unmöglich geworden. Die Begründung des OVGs fasst das Fachmagazin Juraforum zusammen:
„Der juristische Vorbereitungsdienst sei „nicht völlig unbeschränkt zugänglich“, so die Münsteraner Richter. Die Aufnahme könne „im Interesse einer geordneten Rechtspflege“ auch von Voraussetzungen abhängig gemacht werden, „die in der Person des Bewerbers begründet liegen“. Der Bewerber müsse auch während seiner Ausbildungszeit dem Berufsbild des Volljuristen gerecht werden.“
Mal schauen wie es dann aussieht, wenn Michael Brück in den Vorbereitungsdienst möchte. Brück studiert Jura in Bochum. Als prominenter Nazi und Parteigenosse von Krolzig gibt es gute Gründe, die in seiner Person liegen, ihn ebenfalls nicht in den Vorbereitungsdienst zu übernehmen.
Immerhin kann sich Krolzig nun auf den typischen Nazi-Berufsweg „Sozialfall“ konzentrieren.
Man muss bei der Beurteilung dieser Entscheidung des OVG NRW allerdings auch beachten, dass die "Gründe in der Person" für das Gericht offenbar nicht in der politische Einstellung und seinem "Engagement" in der Partei "Die Rechte" lagen, sondern einzig und allein in seinen Vorstrafen. Ich habe den Beschluss gerade selbst nicht vorliegen, aber wie die Artikel bei Legal Tribune Online und Udo Vetters Blog nahelegen, hat das Gericht die politische Einstellung nicht zum tragenden Grund für den Auschluss vom juristischen Vorbereitungsdienst gemacht – zumindest nicht offiziell in den Urteilsgründen.
Das darf es so ohne weiteres auch gar nicht tun: Solange eine Partei vom Bundesverfassungsgericht nicht ausdrücklich als verfassungswidrig verboten wurde, ist sie als verfassungskonforme Partei zu behandeln. Von Polizei, Behörden, und anderen Gerichten. Und da "Die Rechte" (noch) nicht verboten wurde, wäre bzw. ist die bloße Mitgliedschaft in dieser Partei rechtlich kein der Person liegender Grund zum Auschluss vom Referendariat gewesen. Deshalb hat (bzw.: musste) sich das Gericht bei seiner Entscheidung eben vor allem auf die Vorstrafen Sascha Krolzigs stützen.
Man wird allerdings auch sagen müssen, dass die aktive Mitgliedschaft in so einer Partei und die entsprechenden Straftaten ohnehin Hand in Hand gehen. Auch wenn es das Bundesverfassungsgericht nicht immer feststellt: Für viele Parteien dieser Art sind Volksverhetzung, Beleidigung und Körperverletzung ja geradezu politische Leitlinie.
Mit Blick auf Michael Brück wird es also nicht seine Parteimitgliedschaft sein, auf die es ankommt (sofern "Die Rechte" bis dahin noch nicht als verfassungswidrig eingestuft wurde), sondern eben auf seine Vorstrafen. Ich weiß leider gerade nicht, wie viele das so sind, aber so viele wie Sascha Krolzig wird er womöglich noch nicht gesammelt haben? Vielleicht hält er ja nach diesem Beschluss auch gerade deshalb die Füße still… wenn sich rechtskonformes Verhalten und Funktionärstätigkeit bei "Die Rechte" überhaupt miteinander vereinbaren lassen. Zweifeln kann man daran ja.
Udo Vetter hat auf seinem Blog allerdings auch noch unangenehme Nebenkonsequenzen angedeutet, die der Beschluss haben könnte. Denn wenn nun nicht mehr ausschließlich die Verurteilung zu einer Gefängnisstrafe von mindestens einem Jahr die regelmäßige Grenze für die Zulassung zum Referendariat sein soll, sondern nun auch Vorstrafen unterschwellig dazu eine Rolle spielen, so kann das nicht nur die Rechtsextremen treffen. Denn was ist dann mit dem Demonstranten, der Jahr für Jahr auf Demos an Sitzstreiks oder ähnlichen Aktionen teilnimmt, und so eine beträchtliche Anzahl von Vorstrafen wegen Nötigung und Widerstand gegen Polizeibeamte ansammelt? Man kann nur hoffen, dass die neu eingeschlagene Rechtsprechung des OVG NRW nun nicht Türöffner ist, um auch solche Leute vom Referendariat auszuschließen.
Rein rechtlich gesehen könnte man sich da mit der Unterscheidung helfen, dass eine Nötigung auf einer Demo schon etwas anderes ist als Straftaten wie Volksverhetzung oder beispielsweise die öffentliche Aufforderung zu Straftaten, die im Nazi-Milieu ja auch keine Seltenheit ist. Von daher habe ich da schon noch Vertrauen, dass die Justiz da unterscheiden kann, ohne sich außerhalb der gesetzlich gebotenen Grenzen parteipolitischer Neutralität zu bewegen. Wollen wir hoffen, dass dieses Vertrauen nicht enttäuscht wird…
@Cristos Pie: Herr Vetter als jemand, der schon die Nazi-Organisation "Besseres Hannover" – erfolglos – in einem Verbotsverfahren vertrat, ist für mich bei diesem Thema niemand, dessen Meinung mich interessiert. Andere Länder, andere Sitten: In Ländern wie Bayern wird vor der Aufnahme in den Vorbereitungsdienst ein Bekenntnis zur Verfassung verlangt. Das würde man auch einem Brück nicht abnehmen. Davon ab: Das eine Partei nicht verboten ist, heißt nicht dass sie "verfassungskonform" ist. Die Rechte wird ausführlich in Verfassungsschutzberichten behandelt.
http://www.welt.de/regionales/nrw/article138390448/Verfassungsfeind-und-Rechtsreferendar.html
@Stefan Laurin: Vielen Dank für den Hinweis bezüglich Udo Vetter. Das wusste ich noch nicht. Da bin ich ja fast schon froh, dass ich seinen Blog schon seit langer Zeit nicht mehr regelmäßig verfolge.
Indes: Bloße Meinung, die er in diesem Fall geäußert hat, ist es ja nicht. Sondern tatsächlich eine mögliche Konsequenz, dass nun auch Vorstrafen unterhalb der Regelgrenze sozusagen wiederum "regelmäßig" zu einem Ausschluss vom Justizdienst führen können. Und das kann dann eben alle betreffen und nicht nur Nazis. Und wer auf Demos "unbequem" ist, der hat schnell mal strafrechtliche Vorwürfe am Hals. Vor allem darum ging es mir! Wie gesagt, man kann eben hoffen, dass da auch differenziert wird, für welche Straftaten da jemand vorbestraft ist.
Selbstverständlich kann eine Partei auch tatsächlich verfassungsfeindlich oder sogar -widrig zu sein, ohne verboten zu sein. Nur gilt eben doch das Parteienprivileg, dass die Partei in erster Linie vor einem Verbot schützt, was dann aber auch abgestuft auf andere staatliche Entscheidungen ausstrahlt. Wenn man beispielsweise in keiner Behörde mehr einen Job kriegt, einem das Bauamt keine Baugenehmigung erteilt oder einem das Gewerbe geschlossen wird, "nur" weil man Mitglied bei "Die Rechte" ist, dann kommt sowas eben einem faktischen Verbot gleich – welches aber gerade durch Artikel 21 GG verhindert werden soll. Man kann sich die juristischen Auseinandersetzungen also vorstellen, würde ein Gericht einem "Die Rechte"-Mitglied die Zulassung zum Justizdienst aufgrund seiner Parteimitgliedschaft verweigern.
Die Überwachung durch den Verfassungsschutz ist bei solchen Sachen wohl ein Grenzfall. Dieser soll ja gerade auch Tatsachen ermitteln, die ein Verbotsverfahren stützen (zumindest in der Theorie, seufz). Wollte man aber nun die Mitgliedschaft in einer Gruppierung, die vom Verfassungsschutz überwacht wird, als Grund für eine Verweigerung zum Justizdienst anführen, ist noch einmal mehr Vorsicht geboten. Denn auch hier sind es nicht nur (man kann schon fast sagen: gerade nicht) die Rechtsextremen, die überwacht werden. Auch zahlreiche Abgeordneten der "Linken" wurden lange Zeit vom Verfassungsschutz überwacht. Und darunter ein Großteil von Leuten, bei denen es selbst nach den zweifelhaften Maßstäben der Verfassungsschutzämter absolut hanebüchen war.
Zum Thema Brück: Ich wäre mir gar nicht so sicher, ob man ihm das Bekenntnis zur Verfassung nicht doch abnehmen würde. Der gesunde Menschenverstand spricht dagegen, aber der ist ja nicht immer deckungsgleich mit dem Verstand der Justiz… aber das ist ja leider eh alles nur hypothetisch, da Brück ja in NRW agiert und nicht in Bayern. Dass in NRW ein Bekenntnis zur Verfassung nicht mehr notwendig ist, ist übrigens weniger bewusste politische Entscheidung sondern einfach eine unglückliche rechtstechnische Konsequenz: Als Referendare noch Beamte auf Widerruf waren, ergab sich die Pflicht zur Verfassungstreue eben aus dem Beamtenrecht. Als der Status der Referendare umgestellt wurde, fiel diese Pflicht dann weg. Und der Gesetzgeber hat es leider versäumt, sie dafür dann im JAG NRW einzuführen. Und hält es offenbar seit Jahren nicht für nötig, das nachzuholen…
@Cristos Pie: Der Verfassungsschutz beobachtet Verfassungsfeinde. Parteienverbote gab es bislang zwei in der Geschichte der Bundesrepublik – KPD und SRP. Beide in den 50ern gern.
Was ich an Vetters Argumentation dumm finde: Er ignoriert das Schutzbedürfnis der Bürger. Während des Vorbereitungsdienst erhalten Referendare den Zugriff auf die verschiedensten Daten von Bürgern, können Katastrophenschutzpläne einsehen (Je nachdem wo sie eingesetzt werden), erhalten Einblick in die Arbeit von Staatsanwaltschaften und vielleicht auch der Polizei. Es ist vollkommen ok, dass dabei strengere Maßstäbe angelegt werden. Und es macht einen unterschied aus, ob ein Referendar vielleicht ein paar Mal schwarz gefahren ist oder wegen politisch motivierter Delikte verurteilt wurde. Diesen Unterschied hat das OVG offensichtlich erkannt. Manchmal macht es Sinn, einfach mal den Verstand zu benutzen und sich zu überlegen, was ein Krolzig in einer städtischen Behörde alles anrichten kann. Wenn Vetters Verstand dafür nicht ausreicht, ist es das Problem von ihm und seinen Mandanten.
@Stefan Laurin: Da gebe ich Ihnen recht, gerade auch mit Blick darauf, dass als Referendar die Möglichkeit besteht, sich Daten der persönlichen, ideologischen Feinde zu beschaffen – und diese dann an Parteifreunde weiterzugeben. Ich wollte auch wirklich kaum mehr als nur auf mögliche "Risiken und Nebenwirkung" des Beschlusses hinweisen. Er liegt mir ja wie gesagt auch nicht im Volltext vor. In der verlinkten Zusammenfassung von Juraforum wird ja zwar erwähnt, dass auch die Qualität der begangenen Straftaten maßgeblich für die Entscheidung des Gerichts war. Stutzig hat mich eben nur gemacht, dass auch auf die "Summe der Verurteilungen" abgehoben wurde. Und eben die Tatsache, dass ganz verschiedene Straftaten schnell als "politisch motiviert" eingestuft werden können.
Im Übrigen, nicht dass der falsche Eindruck entstanden ist: In der Sache ist der Beschluss des OVG ja auch aus den von Ihnen genannten Gründen vollkommen richtig. Mir war nur die Unklarheit darüber aufgestoßen, wie sehr die rechtlichen Erwägungen denn auch tatsächlich auf solche Sachverhalte wie diesen eingegrenzt sind.
Und bitte nicht an Herrn V. festbeißen! Ich wollte ihn gar nicht als Autorität zitieren (jetzt natürlich erst recht nicht mehr). Bei der Suche nach dem Volltext des Beschlusses war ich lediglich auf seinen Blogeintrag gestoßen und hatte dann dementsprechend den Faden aufgenommen und das hier erwähnt.
@Cristos Pie: Ist doch in Ordnung, ich möchte keine Richter, die schon jede Menge Straftaten begangen haben, egal ob rechts- oder linksextrem. Richter sollten eigentlich eine komplett weisse Weste haben.
@Qubik: Ein notorischer Straftäter als Richter ist logischerweise nicht das, was man will. Stefan Laurin selbst hat aber bereits ein gutes Beispiel für eine Straftat genannt, die zwar eine ist, aber wohl von einem Großteil der Leute einmal oder mehrmals begangen wurde: Nämlich das Schwarzfahren. So gut wie jeder macht sich im Laufe seines Lebens mal hier und da strafbar (das ist kriminologisch belegt) – es kommt dann eben nur in weit aus selteneren Fällen tatsächlich zu einer Bestrafung. Den Menschen mit der komplett weißen Weste muss man also erst einmal finden.
Man muss da also schon wirklich auch auf die Art der Straftat schauen. Niemand will einen Schläger, Volksverhetzer oder notorischen Betrüger als Richter. Jemand, der eine Summe von Vorstrafen allein durch Schwarzfahren, illegalen Besitz von Betäubungsmitteln, im Rausch begangenen Beleidigungen oder bloß fahrlässigen Körperverletzungen durch Unachtsamkeiten gesammelt hat, ist sicher nicht allein dadurch für das Richteramt oder vergleichbare Tätigkeiten ungeeignet.
Nebenbei:
Ich hab noch miterlebt, wie die "Berufsverbote" erfunden wurden mitsamt den ersten Forderungen nach "Verfassungskonformität" – so als ob unsere Verfassung nicht gerade den Sinn hat, uns ein nonkonformes Leben möglich zu machen.
Was mir damals auffiel: Die Rechten wie die Linken waren zwar dagegen, dass diese neuen Vorschriften auf sie selbst angewandt wurden. Sie waren aber vor allem eisern überzeugt, dass diese Vorschriften ganz zu Recht auf die Gegenpartei angewandt wurden. Und so rissen sie sich selbst unrettbar mit in den Untergang.
Die Rechte ist in dieser Hinsicht vielleicht besserungsfähig. Die Linke ist es sicher nicht. Sie wird die Folgen neuer Berufsverbote tragen müssen, und zwar durch eigenes Verschulden.
Was ist an einer gewaltverherrlichenden, ausländerhassenden HartzIV-Bande "besserungsfähig"? Der eklige Mundgeruch?