Als jemandem der schon im Jahre 1996 aus der Katholischen Kirche ausgetreten ist, könnte es mir eigentlich völlig egal sein, was der Papst sagt. Doch als gestern die Nachricht die Runde machte, dass es Papst Franziskus entgegen der Hoffnung vieler Gläubiger nicht über das Herz gebracht hat seine Organisation zu modernisieren, da hat mich das schon einige Zeit beschäftigt.
Franziskus ist damit nicht dem Votum der Amazonas-Synode vom Oktober gefolgt, die wünschte, dass in Ausnahmefällen auch verheiratete Männer der Eucharistie vorstehen können. Nur geweihten und damit zölibatär lebenden Priestern bleibt das vorbehalten.
Auch dem Wunsch vieler verbliebener Aktiver ein Weiheamt für Frauen zumindest zu diskutieren lehnte das Kirchenoberhaupt ab. Der Papst fand in seiner Erklärung viele freundliche Worte. Konkrete Schritte der Modernisierung fanden kritische Geister darin hingegen kaum.
Hat er damit die letzte Chance auf eine Neuausrichtung der Kirche verpasst, bevor sie in unseren Breiten endgültig in der Bedeutungslosigkeit verschwindet?
Schon als ich in den 1970er- und 1980er-Jahren hier im Ruhrgebiet aufwuchs, äußerten die damals in der Katholischen Kirche engagierten Menschen vielfach den Wunsch nach Modernisierung der Organisation.
In meiner Heimatgemeinde war das nicht anders. Hier lebte unser Priester zum Beispiel schon gemeinsam mit seiner Haushälterin. Jedem in der Gemeinde war bekannt, dass es seine Geliebte war. Gestört hat das keinen. Zumindest niemanden, den ich gekannt hätte. Offen sprechen durfte er darüber trotzdem nicht.
Wir hatten zudem eine Zeit lang einen Kaplan, der ungewöhnlich offen und kirchenkritisch war. Diesem war keine lange Karriere in unserer Gemeinde beschieden. Er wurde rasch versetzt, war nach kurzer Zeit vor Ort mit uns Kindern plötzlich nie wiedergesehen. Und das, obwohl er sehr beliebt war bei den Menschen.
Viele der engagierten Frauen im Gemeinderat wünschten sich schon damals mehr Einfluss, wollten mehr Verantwortung übernehmen dürfen. Geklappt hat das bis heute nicht wirklich.
Das Gerede von den Reformen, die die Kirche in das neue Jahrtausend führen sollten gibt es demnach schon seit Jahrzehnten. Ohne Erfolg!
So gesehen waren die Worte von Papst Franziskus nur eine weitere große Enttäuschung für all diese Leute, die seit langem versuchen die Katholische Kirche endlich auf ein zeitgemäßeres Fundament zu setzen. Deren Anzahl ist, so ist der Lauf der Dinge, ohnehin sehr geschrumpft in letzter Zeit.
Die Köpfe über die ich hier schrieb, sind inzwischen auch schon fast alle verstorben. Nachwuchs hat die Gemeinde in den vergangenen Jahren kaum noch bekommen. Die Aufgabe die Kirchen zu modernisieren löst sich wohl gerade auf natürlichem Wege.
Gut möglich, dass das eine der letzten Chancen war die Organisation zu retten, die der Papst hier verspielt hat, bevor ihr Einfluss bald endgültig marginalisiert ist und sich ohnehin niemand mehr dafür interessiert, was der Papst sagt und meint. Zumindest nicht in unseren Breiten…
Die Bedeutung der Kirchen geht hier sowieso zurück, was schon am Mitgliederrückgang der evangelischen Kirche klar wird, die Zölibat nicht kennt und Frauen in den Weiheämtern gleichberechtigt. Statt zu einer bedeutungslosen zweiten evangelischen Kirche zu werden, kann die katholische Kirche also auch katholisch bleiben und muss nicht mit dem Zeitgeist gehen.
Es ist faszinierend, wie viele Atheisten und Agnostiker sich berufen fühlen, eine Kirche zu reformieren. Wer vor 25 Jahren ausgetreten ist, sollte endlich mal mit dem Thema abschließen.
Ist und bleibt halt ein Klub alter Männer in seltsamen Gewändern. Da stören Frauen nur.
Die Frage ist doch: Was wird aus dem Milliarden Euro undurchsichtigen Vermögen, wenn die Kirchen keine Mitglieder mehr haben? Da wäre doch mal ein Artikel wert.
Der einstmal zu Recht stolze deutsche Protestantismus ist mittlerweile zu einer spirituellen Politikbegleitung von Rot-Grün degeneriert. Daß die römisch katholische Kirche diesen Weg, bei dem die Gendergerechtigkeit den Vorrang gegenüber theologischen Erwägungen hat, nicht nachgehen will, verstehe ich völlig.
Die allermeisten Kritiker der römisch katholischen Kirche wünschen sich diese doch als so eine Art evangelische KIrche, nur eben mit Weihrauch, Kerzen und Pomp, um auch das religiöse Gefühl zu bedienen. Aber wohin das führen würde, kann sich jeder am aktuellen Zustand der evangelischen KIrche selbst anschauen.
Die Zeit der Volkskirchen ist vorbei, und daran wird auch die Aufgabe theologischer Einsichten und Traditionen nichts mehr ändern. Von daher ist für mich die Beibehaltung dieser Traditionen die ehrlichere und von daher bessere Lösung.
Robin,
ein schönes Bild "meiner" Pfarrkirche St. Peter in Waltrop!
Danke, Walter! Fiel mir am Morgen als erstes dazu passend in die Finger. Ist schon etwas älter, wie man an der Belaubung der Bäume sieht. 😉
#4 Jau, besonders stolz war der P.in den 1000 Jahren!!!!! Und in den evang. Fürsorgeanstalten wie bspw. Freistatt herrschte dieser stolze P. noch bis in die 70er. Diesen Opfern des stolzen P. wird die heutige EKD sicher lieber sein.
Du hast ja wirklich einen glücklichen Finger, Robin, wenn du auf den Auslöser drückst.
Danke, Thomas. Seit man immer sein Smartphone in der Tasche mit sich rumschleppt, macht man den einen oder anderen ungeplanten Schnappschuss. Das hier war so einer.
"Zumindest nicht in unseren Breiten…"
Eine wichtige Einschränkung. Die katholische Kirche hat 2000 Jahre existiert. Das schafft man nur, wenn man in Jahrhunderten denkt. So gedacht, ist klar: Europa ist auf dem absteigenden Ast. Für die Zukunft der Kirche ist nicht entscheidend, was in Europa passiert, sondern was auf anderen Kontinenten, insbesondere Asien und Afrika passiert.
Gerade dort aber gibt es viele Christen, die sehr bibeltreu konservativ sind.
Und daran muß sich die katholische Kirche auch orientieren. Auch wenn ich persönlich es zum Kotzen finde, wie etwa afrikanische Katholiken Hass gegen Schwule schüren – ich kann nachvollziehen, daß aus machtpolitischer Perspektive man in Rom geneigt ist, eher konservativ-klerikale Positionen aus Afrika zu fördern, als dem aktuellen liberalen europäischen Zeitgeist nachzueifern. Die Zukunft der katholischen Kirche liegt nicht in Europa.
#7: Ich meinte auch eher die große philosophisch-theologische Tradition des deutschen Protestantismus, die immerhin Köpfe wie Friedrich Schleiermacher, Georg Wilhelm Hegel, Rudolf Bultmann oder Karl Barth hervorgebracht hat. Von Figuren wie Maria Jepsen, Margot Käßmann oder Katrin Göring-Eckardt trennen sie Welten …
@4, egal was er mal war. Ob stolz oder auch nicht, ich finde die Einschätzung der "deutsche Protestantismus ist mittlerweile zu einer spirituellen Politikbegleitung von Rot-Grün degeneriert", sehr interessant. Etwas ähnliches habe ich mir auch schon mal gedacht. Nur nicht so gut formuliert.
Auch "Die allermeisten Kritiker der römisch katholischen Kirche wünschen sich diese doch als so eine Art evangelische KIrche, nur eben mit Weihrauch, Kerzen und Pomp, um auch das religiöse Gefühl zu bedienen", kann ich nachvollziehen. Aber ob sie dann schon mit der protestantischen Kirche vergleichbar wäre, wage ich zu bezweifeln. Da gäbe es noch viele Unterschiede.
Ich denke, daß die älteren Männer sich nur schwer umstellen können und wollen. Der gesellschaftliche Wandel wird sie aber überrollen. Da bin ich sicher. Aber der Weihrauch wird bleiben. Da bin ich jetzt auch sicher.
Ich verstehe dieses ganze Gehampel – besonders diese katholische Frauenbewegung "Maria 2.0" – nicht. Katholizismus ist ja (zumindest in unseren Breiten) kein Zwang per Gesetz.
Okay, man wird vielleicht als naives Kind getauft und ist dann erstmal Vereinsmitglied der katholischen Kirche. Im Erwachsenenalter bekommt man dann für seine Kirchensteuer etwas Pomp, Zeremonien, evtl. einen glaubensgebundenen Job und schließlich ein hübsches Begräbnis.
Aber es ist doch niemand gezwungen, Katholik zu bleiben. Die Führung der katholischen Kirche (allen voran eben der Papst) legt die Spielregeln dieser Religion fest, und wenn einem diese Spielregeln nicht passen, hat man jederzeit die Möglichkeit, diesen Verein zu verlassen und sich eine neue Religion zu suchen.
Franziskus hat ein schweren Stand, seine Umgebung setzt sich weitgehend aus konservativen Hardlinern zusammen und das was im Vatikan als gemäßigt gilt, ist in der normalen Welt erzkonservativ.
Deshalb spielt Franziskus auf Zeit. alles was er tun kann, ist die Themen in die Kirche hinein zu holen in der Hoffnung, das sie langfristig auf fruchtbaren Boden fallen.
Das ist seit dem 2. Vatikanum nicht mehr passiert. Stattdessen hatten wir einen Papst aus Polen mit mittelalterlichen Glaubensvorstellungen der auch noch so lange gelebt hat, das er das Episkopat gerade auch in Deutschland um ein Jahrhundert zurückgeworfen hat.
Hinzu kommt, das alle Progressiveren längst das boot verlassen haben, der widerstand also er schwach ist.
Ich befürchte das der langsame Weg von Franziskus viel zu spät kommt. Die Zeit die dafrü nötig ist, hat die katholische Kirche gar nicht mehr.
Aktuell rennen in Deutschland die Ehrenamtler in scharen der Kirche davon wegen der katastrophalen Schrumpfungspolitik der Bistümer, die rein bürokratisch bestimmt wird.
Ich denke, das die Basis in Deutschland aktuell unter ein kritisches Niveau fällt und ohne die Kirchensteuer, würde die Hälfte der Deutschen nicht mal mehr wissen das es eine katholische Kirche gibt..
Es ist wie bei der SPD, die wird auch nur noch wahrgenommen weil sie Geldstrukturen hat, die ganz eigenen Machtgrundlagen begründen.
in beiden Fällen unterschätzen die Amtsinhaber, das ihre Bedeutung real sehr viel geringer ist, als ihre Haushalte Ihnen suggerieren und allein durch Zeitablauf sich ihre Finanzen ihrer realen Bedeutung anpassen werden.
#12: Vielen Dank für das Lob!
@12
Glaube braucht Form und Rituale, sie dürfen nur nie Selbstzweck werden.
die evangelischen Kirchen leiden erheblich unter dem Mangel an "Show" die katholische Kirche an der Selbstverzweckung der Rituale.
Beides sind Extreme, die Zuspruch und Glaubwürdigkeit kosten. Bei den einen, weil zu wenig die Botschaft emotional marginalisiert, die anderen Weil Rituale sich im Zeitablauf überleben und angepasst werden müssten und dazu neigen mit der Botschaft an sich verwechselt zu werden. Dazu gehören eben auch ritualisierte Organisationsformen, wie das Zölibat.