Neue MDR-Chefredaktion: Viel Kritik an undurchsichtigem Berufungsverfahren

MDR-Stand Foto: Ralf Lotys Lizenz: CC-BY 4.0

Verwaltungsrat kann Vorschlag von Intendantin Will heute kassieren. Von unserem Gastautor Frederik Mayer.

„Wir verbessern die Repräsentation Ostdeutscher in Führungspositionen und Entscheidungsgremien in allen Bereichen“, hat sich die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag auf die Fahnen geschrieben. Das gilt ganz offensichtlich nicht für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, für die „Stimme des Ostens“: der MDR möchte heute lediglich die Bestätigung von seinen Kontrolleuren für seine neue journalistische Führungsebene. So einfach wird das aber nicht.

Am Tag, als die „Ruhrbarone“ über den Wunsch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter berichtete, dass der MDR eine ostdeutsche Chefredakteurin verpflichten sollte, kündigte eine Pressemitteilung an, dass Intendantin Karola Wille und ihr Programmdirektor Klaus Brinkbäumer ihre Entscheidung für die Führung der neuen „Chefredaktion Information und Innovation“ getroffen hat: „Beide Personalien stehen unter dem Vorbehalt der Zustimmung des MDR-Verwaltungsrats“, steht lapidar am Ende der Pressemitteilung.

Dabei geht es nicht um die Qualifikation der Auserkorenen von Wille/Brinkbäumer, die sowohl Verwaltungsrat, Rundfunkrat und auch Belegschaft irritieren. Intendantin und Programmdirektor haben in ihrem Haus unnötig ein Feuer gelegt, ohne zu wissen, wie sie diesen Brand unbeschädigt löschen können.

Hat sich Karola Wille verhoben?

„Für sich gewiss super Personalien. Aber nachdem der MDR über Jahre hektisch berichtet (und die Intendantin referiert), wie wichtig Ossis in Macht für die Demokratie seien, besetzt Karola Wille ihre journalistischen Top-Jobs doch zunehmend wie in den 90er: westdeutsch“, schreibt Martin Machowecz von der „Zeit“ auf Twitter. https://mobile.twitter.com/mmachowecz/status/1512042741336846336 Und erntet nicht nur dort viel Zustimmung.

So selbstverständlich, wie es Karola Wille gedacht hat, wird die Entscheidung also heute doch nicht fallen. Am Wochenende wurde nach unseren Informationen teils hektisch telefoniert und gesimst. Dabei wurde immer wieder klar – Wille/Brinkbäumer haben ohne den Verwaltungsrat versucht, die Führung der Redaktion neu und nur in ihrem Sinne zu besetzen. Der Verwaltungsrat, der ja eigentlich die Entscheidung treffen soll, wird degradiert und als „Abnick-Bude“ betrachtet.

Wie kann der Verwaltungsrat jetzt also wieder Herr des Verfahrens werden? Er muss den Vorschlag von Intendantin und Programmdirektor ablehnen und sie dazu auffordern, die Position tatsächlich auszuschreiben. Das hat bislang nicht stattgefunden, auf keinem der einschlägigen Medien-Job-Portale wie Newsroom.de oder Stepstone.de wird ein neuer MDR-Chefredakteur gesucht.

Zur Erinnerung – der aktuell amtierende Chefredakteur musste vor seiner Berufung sogar durch ein aufwendiges Assessment Center.

Ein Sender, der zwar seine Praktikanten über Stellenausschreibungen sucht, aber seine redaktionelle Führung nicht anzeigt, muss sich auch von der Belegschaft die Frage stellen, warum nicht die beste Journalistin mit einem Profil passend zum Haus, sondern eine der Hausleitung besonders nahe stehende Person die Chefredaktion übernehmen soll. Anders ist ein solch undurchsichtiges Berufungsverfahren nicht zu erklären.

Während die Bundesregierung bis Ende 2022 an einem Konzept arbeitet, wie sie endlich Ostdeutsche in Führungspositionen bringen kann, kann der MDR-Verwaltungsrat heute Verantwortung übernehmen und dem Wunsch der Intendantin widersprechen und damit den Weg frei machen für die erste ostdeutsche Chefredakteurin an der Spitze der MDR-Redaktion.

Es wäre an der Zeit.

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