Die NPD klagt gegen die vom Landtag im Juni beschlossene Einführung einer 2,5 Prozenthürde bei Kommunalwahlen in NRW. Doch der Landtag hatte gute Gründe die Hürde einzuführen – nicht nur, weil Einzelkämpfer und Splittergruppen kaum in der Lage sind, die immer komplizierte Arbeit in den Räten zu nachzuvollziehen. Auch das Personal, das zur Zeit in den Räten sitzt, weil es die Hürde nicht gibt, ist zum gruseln. Neun Beispiele:
Michael Brück vertritt die Nazi-Partei Die Rechte im Dortmunder Rat. Die Partei wollte wissen wie viele Juden in Dortmund wohnen, Brück nutzt die Ratssitzungen für Hetzreden Durch die Bildung einer gemeinsamen Gruppe mit der NPD erhalten die beiden rechten Splittergruppen jährlich von der Stadt Dortmund 46000 Euro.
Haluk Yildiz vertritt die islamistischen Partei BIG im Bonner Rat. Der Partei wird ein enges Verhältnis zu Erdogans AKP nachgesagt. Yildiz setzt sich für Gespräche mit islamistischen Extremisten ein und lehnt laut seinem Wikipedia-Beitrag eine Ächtung militanter Islamisten ab.
Es gibt sie noch – die Deutsche Kommunistische Partei. In Gladbeck haben die Freunde von Hammer, Sichel und Todesstreifen mit Gerd Dorka einen Mann im Rat.
Claus Cremer sitzt für die NPD im Rat der Stadt Bochum und ist als Geschäftsführer einer Ratsgruppe in Duisburg beschäftigt, in der auch ein NPD-Mitglied sitzt. Der nordrhein-westfälische NPD Vorsitzende darf sich dank des Fehlens jeder Wahlhürde den Berufspolitiker geben.
Gäbe es eine 2,5 Prozent Hürde, so ein Argument für die Beibehaltung der jetzigen Hürdenlos-Regel, wären die Stimmen der Wähler der kleinen Parteien wertlos. Das geht aber schon heute: André Kasper kam für die Piraten in den Rat und ist heute bei den Grünen. Die Piratenwähler schauen in die Röhre: Piraten gibt es im Rat der Stadt Bochum nicht mehr.
Mit wirr sind die Reden des Vertreters der Liste FBI im Dortmunder Rat noch zurückhaltend beschrieben. Detlef Münch hat nicht viel zu sagen, tut dies aber ausgiebig.
Monika Gärtner-Engel ist MLPD-Funktionärin und sitzt für AUF, eine Wahlplattform der stalinistischen Partei im Rat der Stadt Gelsenkirchen. Ziel der MLPD ist der „wahre Sozialismus“. Vielleicht gibt es dann ja einmal im Monat Biobrot im Gulag.
Das Gute an Pro NRW ist, dass die Partei sich in den vergangenen Jahren zerlegt hat. Das Schlechte ist, dass es sie nicht vollkommen zerlegt hat. Christoph Freiherr von Mengersen sitzt für Pro NRW im Bonner Rat. Wer ihn einmal reden gehört hat weiß, warum sich die Republik gegen die Adelsherrschaft durchgesetzt hat.
"Doch der Landtag hatte gute Gründe die Hürde einzuführen – nicht nur, weil Einzelkämpfer und Splittergruppen kaum in der Lage sind, die immer komplizierte Arbeit in den Räten zu nachzuvollziehen. Auch das Personal, das zur Zeit in den Räten sitzt, weil es die Hürde nicht gibt, ist zum gruseln. "
Trau, schau, wem! Die etablierten Parteien wollen ihre Pöstchen und Pründe vor Newcomern schützen. Das geht an einfachsten durch eine kleine Einschränkung der Demokratie. Selbstverständlich nicht aus Eigennutz, sondern nur zum Schutz der Demokratie.
"Auch das Personal, das zur Zeit in den Räten sitzt, weil es die Hürde nicht gibt, ist zum gruseln"
Das Gruseln über ein Teil des Personals in den Räten wird allerdings auch mit der neuen Hürde nicht aufhören. 🙂
Das Problem ist, dass es auch die PiratenPartei treffen wird und einige ganz vernünftige Bürgerbewegungen. Wenn man Pech hat tun sich DieRechte und die NPD zusammen und kommen dann trotzdem gemeinsam über die 2,5% und dann ?
Das ist das Ärgerliche an der Demokratie. dass sie halt manchmal rotbraunen und anderen Ausschlag bekommt. Ist die Demokratie halbwegs gesund, wird sie den Ausschlag locker "ausschwitzen". Im übrigen: eine Hürde einzubauen, weil einem einige Nutznießer des Wegfalls der Hürden nicht passen, ist einfach nur kleinlich und hat mit Demokratie recht wenig zu tun.
@3:
Wird die Hürde entspr. erhöht. Selbstverständlich wieder nur zum Schutz der Demokratie und zur Sicherstellung der Arbeitsfähigkeit der kommunalen Parlamente.
Wenn ich mir die Ausbildung, die Titel etc. Der Abgeordneten und Minister der grossen Parteien anschaue, kann ich nicht nachvollziehen, wieso kleine Gruppen weniger gut sein sollen.
Eine Relevanzhürde halte ich aus pragmatischen Gründen für gerechtfertigt. Die widersinnige quantitative Aufblähung der Wahlgremien wird so eingedämmt. Parlamente sind kein Ort zur privaten Selbstverwirklichung.
Parlamente brauchen schon deswegen einen bestimmten Grad an quantitativer Größe, um überhaupt so etwas wie sachliche Qualität zu ermöglichen. Oder meint hier einer, dass die Kandidatinen und Kandidaten ausschließlich nach Maßgabe von Intelligenz und/oder Fachkenntnissen aufgestellt, respektive gewählt werden. Wahlen sind keine Intelligenzprüfungen sondern Vertrauens- und Werte-Wettbewerbe. Denn was nützt einem der intelligenteste ud qualifzierteste Experte, wenn er/sie gegen dich arbeitet.
Will man kleine raushalten, dann gibt es ein einfaches Mittel:
Kümmert euch um die Wahlbeteiligung. Die Rechten sind nicht im Rat, weil es keine Hürde gab, sondern weil niemand zu einer Kommunalwahl geht.
Gebt mir ein wenig Zeit und ich finde die xfache Anzahl an Beispielen von wirklich peinlichen SPD/CDU/Grünen Ratsvertretern.
Von den 138 Vertretern im Ruhrparlament fehlten bei der letzten Sitzung so viele SPD/CDU/Grüne, dass die Versammlung nur noch knapp beschlussfähig waren (2 über der Grenze).
So sehr ich mich über Andre Kasper geärgert habe – in der Aufzählung von Extremisten und Spinnern hat er wirklich nichts verloren.
Man muss nicht meiner Meinung sein, aber Einzahlfalljournalismus a la Springer wird den Problemen unserer Kommunalpolitik nicht gerecht.
Ein Artikel wie die kleinen Parteien in ihrer Arbeit behindert und beschissen werden, wäre schön.
Die neun Gründe für eine 2,5% Hürde sind im Grunde nur einer, nämlich eine Stefan Laurin nicht genehme politische Grundeinstellung. Solch ein Grund darf jedoch in der Demokratie nicht für solch einer massiven Einschränkung des passiven Wahlrechtes geltend gemacht werden. Gemäß einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Wahl des EU-Parlaments, dem ich ausdrücklich zustimme,darf es solch eine Einschränkung nur dann geben, wenn dadurch die Handlungsfähigkeit des Parlamentes gefährdet wird. Man will also keine italienische Verhältnisse haben, wo es früher alle paar Monate eine neue Regierung gab. Ich würde sogar die 5% Hürde in den großen Parlamenten abschaffen. Erst wenn es wegen Handlungsunfähigkeit zu vorzeitigen Neuwahlen kommt, sollte es eine 5% Hürde geben, die im Wiederholungsfalle immer weiter erhöht wird, bis es ein handlungsfähiges Parlament gibt. Dadurch würde auch Druck auf die Parteien ausgeübt werden, sich zu einigen.
Die "Arbeit in den Räten" würde durch eine 51%-Hürde noch wesentlich einfacher werden!
Und ich müsste mir gar keine Gedanken machen, wen ich wähle: In Bochum und NRW die SPD, im Bund die CDU. Na ja, oder ich bleibe tatsächlich mal zu Hause und lass es bleiben.
@#8 Arnold Voss: Zumindest für Brück und Münch lege ich mein Handy ins Feuer, dass die beiden bzw. die braune "Ratsgemeinschaft" von Rechte und NPD im Dortmunder Rat das genaue Gegenteil und eine Perversion dieser Idee von sachlicher Qualität sind. Der Missbrauch von Instrumenten zur politischen Entscheidungsfindung – wie z.B. massenhafte Eingaben mit sinnlosen oder strafbaren "Fragen" oder inhaltslose Monologe zur "Sprengung" von Ratssitzungen – hat weder was mit Sachlichkeit, noch was mit Qualität zu tun, sondern dient solchen Kleinstgruppen und "Solo-Begriffetänzern" nur als Mittel zur Behinderung und Zerstörung demokratischer Willensbildung.
Warum nur halbe Sachen halb machen? Wenn schon, denn schon, also her mit der 10% Klausel, aber zügig!! Ist dann immer noch keine Ruhe im Karton, wird das Frauenwahlrecht abgeschafft!! Und natürlich, wie einst zu Kaisers Zeiten, darf nur wählen, wer auch Steuern zahlt. Je höher das Einkommen desto mehr Stimmen bei der Wahl.
@#13 thomasweigle: ich wäre schon mit den 5% zufrieden, die für Bundestagswahlen (noch) gelten. Diese 2,5%-Kompromissentscheidung für NRW-Kommunalwahlen (gefordert wurden ja zunächst 3%, ähnlich wie sie für BT-Wahlen immer wieder gefordert werden) wird nicht selten in größeren Städten/Kreisen schon durch stinknormale Sitzzuteilungsverfahren und damit durch eine "faktische Sperrklausel" ohne explizite gesetzliche Regelung erreicht. Die ganze Aufregung ist zumindest für Wahlrechtler und Statistiker nur eine künstliche.
Die Wahlbeteiligung in den armen Wahlkreisen ist so niedrig. Eine Gewichtung der Stimmen nach Einkommen hätte vermutlich keinen Effekt.
Interessanter wäre es, wenn Wahllokale nicht in Altenheimen wären, sondern in Schulen.
Was für eine willkürliche Auswahl…
Im Bundestag und Europarlament sitzen und saßen Berufspolitiker, die den genannten in nichts nachstehen.