Neustadt von Julius von Bismarck mit Marta Dyachenko in Duisburg eröffnet

Die Kooperationspartner freuen sich mit den Künstler:innen über die neue Arbeit für den Emscherkunstweg: Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft; Marta Dyachenko, Künstlerin; Britta Peters, Künstlerische Leiterin Urbane Künste Ruhr; Dr. Vera Battis-Reese, Geschäftsführerin Kultur Ruhr GmbH; Julius von Bismarck, Künstler; Karola Geiß-Netthöfel, Regionaldirektorin Regionalverband Ruhr (v.l.n.r.). Foto: Daniel Sadrowski / Emscherkunstwe

Ab dem 1. Mai 2021 ist »Neustadt« von Julius von Bismarck in Zusammenarbeit mit Marta Dyachenko im Landschaftspark Duisburg-Nord öffentlich zugänglich. Die Kooperationspartner Urbane Künste Ruhr, Emschergenossenschaft und Regionalverband Ruhr sind glücklich über die großflächige Installation, die den Emscherkunstweg nun dauerhaft bereichert. Ganz besonders begrüßt die Schirmherrin des Emscherkunstwegs Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, das »poetische Gesamtkunstwerk« und ist überzeugt, dass »Neustadt« den Emscherkunstweg in der Kunstwelt einmal mehr in den Blick rückt.

Über zwei Jahre Planung und Recherche sind der Umsetzung von »Neustadt« vorausgegangen. Der in Berlin lebende Künstler Julius von Bismarck hat sich für die Arbeit die Architektin und Künstlerin Marta Dyachenko an die Seite geholt. Gemeinsam haben sich die beiden die letzten zwanzig Jahre Bau- oder vielmehr Abrissgeschichte des Ruhrgebiets näher angeschaut und schließlich 23 abgerissene Gebäuden ausgewählt, die sie als skulpturale Modelle wieder auferstehen lassen. Auf einer Grünfläche zwischen der Alten Emscher, dem Fahrradweg »Grüner Pfad« und der Autobahn A 42 entsteht im Maßstab 1:25 entlang von zwei Straßenzüge eine fiktive Stadt im Duisburger Landschaftspark-Nord.

»Neustadt« erzählt vom Wohnen und Leben in den Städten an der Emscher und im gesamten Ruhrgebiet: Die Auswahl der Gebäudetypen und Bauaufgaben folgte dabei keinem strengen System, sondern auch ästhetischen, skulpturalen Kritierien und dem Wunsch einen Querschnitt des lokalen Städtebaus aufzuzeigen. So steht neben einem Essener Mietshaus aus der Gründerzeit der Wohnkomplex einer einstigen Modellsiedlung von 1965 aus Marl, in der Nachbarschaft erzählen weitere Wohneinheiten im Plattenbaustil von der Sozialgeschichte der 1970er Jahre. Besonders dramatisch ist die Geschichte der 16-geschossigen Wohnhochhäuser »Weiße Riesen« aus Kamp-Lintfort, die lange leer standen, bevor ihr Abriss Platz für etwas Neues bot. Die Lebenszyklen der Paulskirche aus Duisburg von 1970 oder der Kirche St. Joseph aus Essen-Kupferdreh, die 1904 im neugotischen Stil fertiggestellt und 2015 abgerissen wurde, stehen beispielhaft für den gesellschaftlichen Wandel, der sich auch in den Glaubensgemeinschaften zeigt. Die Volkshochschule in Essen mit ihrer besonderen stufenförmigen Architektur und den Waschbeton-Reliefs an der Fassade oder das Hallenbad in Marl erinnern an ›bessere Zeiten‹ und lassen auch Fragen zum Denkmalschutz aufkommen, gehörten sie doch einst zu den Ikonen der modernen Architektur der Nachrkriegszeit. Vielen Gebäuden ist gemein, dass sie auf eine lange ›Leidensgeschichte‹ zurückblicken können: oftmals verfielen die Architekturen, weil von den Verantwortlichen eine Nutzung, Umnutzung oder Sanierung nicht errungen werden konnte.

»Neustadt« eröffnet eine Erinnerungsmaschine, die über das privat Erlebte hinausgeht. Die Arbeit provoziert Fragen zur Entwicklung des urbanen Raums: Warum wurde dieses Gebäude abgerissen? Wer entscheidet, ob eine Architektur erhaltenswert ist? Offensichtlich spielen ökonomische Aspekte dabei eine immer größere Rolle, wer kennt nicht das Argument, neu zu bauen sei billiger als eine Sanierung? Weniger bekannt ist, dass die Bau- und Gebäudewirtschaft mittlerweile 38 % der globalen Kohlenstoffdioxidemission verursacht. Ökologische Fragen sind von Bismarck und Dyachenko wichtig: Wie gelingt nachhaltiges Bauen oder eine sinnvolle Stadtplanung, die dauerhaft oder flexibel funktioniert?

Die künstlerische Übersetzung der Gebäude in skulpturale Modelle aus Beton und Stahl ist mit Fensterverzierungen, Wandreliefs, unzähligen kleinen Fensterscheiben aus Acrylglas äußerst ausgefeilt umgesetzt worden. Die Künstler:innen vertreten dabei nicht den Anspruch, die Gebäude bis ins letzte Detail abzubilden, der Wiedererkennungwert sollte aber gesichert sein. Für Julius von Bismarck und Marta Dyachenko sind die ehemaligen realen Gebäude »Beton gewordene Visionen«, die jetzt in der »Stadt einer nicht eingetroffenen Zukunft« wiederauferstehen. Mit der Zeit wird die vorhandene Vegetation die fiktive Stadt einbetten und ihre Maßstäblichkeit verschieben: Sträucher und Pflanzen können wie Bäume wirken. Andere Häuser bleiben selbst in der vielfachen Verkleinerung noch übermenschlich groß. Nicht zuletzt besitzt die neuen Stadt aus ›alten Häusern‹ eine große Aufenthaltsqualität und verführt dazu, über die Entwicklung der eigenen unmittelbaren Umgebung nachzudenken.

Für die Umsetzung von »Neustadt« wurde die Emschergenossenschaft bei Beratungs- und Sachleistungen von folgenden Firmen gesponsert: Wie bereits bei bisherigen Emscherkunst-Projekten hat die Kramer Gruppe, Dortmund, das Projekt in der Baustellenlogistik auf der Fläche im Landschaftspark Duisburg-Nord unterstützt, den Bau der Fundamente sowie die Montage der Gebäudeskulpturen übernommen. Die Firma Berding Beton hat die VHS Essen fertigen lassen, den Transport zum Landschaftspark Duisburg-Nord übernommen und stand den Künstler:innen bautechnisch beratend zur Seite.

Der Emscherkunstweg ist eine Kooperation zwischen Urbane Künste Ruhr, Emschergenossenschaft und Regionalverband Ruhr unter der Schirmherrschaft von Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen. Der Skulpturenweg ist aus dem temporären Ausstellungsformat Emscherkunst hervorgegangen, das seit 2010 den Umbau des Emscher-Systems durch die Emscher-genossenschaft begleitet hat. Ziel ist es, eine permanente Sammlung herausragender künstlerischer Arbeiten im öffentlichen Raum aufzubauen.

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Dieter Elbe
Dieter Elbe
3 Jahre zuvor

Oh, ein neues 'Minidom' mit gesellschaftskritischem Anspruch im Landschaftspark DU-Nord.

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