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Die CDU/CSU hat in der vergangenen Woche in einer Kleinen Anfrage im Bundestag die Frage aufgeworfen, inwiefern sich gemeinnützige Vereine, die auch noch mit Steuergeldern gefördert werden, parteipolitisch betätigen dürfen, ohne ihren Gemeinnützigkeitsstatus zu verlieren. Jetzt ist die Aufregung groß. Aber ist sie berechtigt? Nein, meint Kommunikationsberater Hasso Mansfeld, der sich seit Jahren mit der Rolle von NGOs in der deutschen Gesellschaft kritisch auseinandersetzt. Von unserem Gastautor Ludger Weß.
Ludger Weß: Was spricht dagegen, wenn staatlich finanzierte und als gemeinnützig anerkannte NGOs aktiv in politische Meinungsbildung eingreifen? Es sind doch ehrenwerte Ziele, die diese Organisationen verfolgen: mehr Umweltschutz, Verteidigung der Demokratie…
Hasso Mansfeld: Die Ziele spielen erst einmal keine Rolle. Es ist grundsätzlich problematisch, wenn mit Steuermitteln politische Inhalte gefördert werden, die zudem eindeutig einer bestimmten parteipolitischen Richtung zuzuordnen sind. Deshalb gibt es z. B. auch eine strikte Trennung von Fraktions- und Parteigeldern – mit staatlichen Fraktionsmitteln darf kein Wahlkampf gemacht werden, und es wird peinlich genau darauf geachtet, dass Fraktionsgelder nicht zweckentfremdet werden. Genauso wenig dürfen Ministerien Wahlkampf machen. Politische Parteien wirken an der Willensbildung mit, aber staatliche Organe müssen neutral bleiben.
Nehmen wir mal einen konkreten Fall am Beispiel des NABU:
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Der Verein hat neulich eine Grafik mit dem Titel Der NABU-Check: Was die Parteien zur Wahl versprechen veröffentlicht. Er hat links Punkte wie Naturschutz, Agrar, Klima und Energie, Kreislaufwirtschaft, Verkehr, Zivilgesellschaft usw. aufgeführt und rechts die einzelnen Parteien. Da ist nur bei Bündnis 90 Die Grünen alles von oben bis unten grün und unten drunter steht NABU-Forderung (fast) vollständig erfüllt. Bei allen anderen steht teilweise erfüllt oder nicht erfüllt/Thema fehlt und es wird mehr oder weniger abgeraten, CDU, FDP, AfD und BSW zu wählen, weil da von oben bis unten praktisch alles gelb oder rot ist. Ist das schon parteipolitische Beeinflussung oder ist das noch durch die Naturschutzziele gedeckt?
Der NABU würde natürlich sagen, ja, natürlich ist das durch die Naturschutzziele gedeckt. Aber es ist eine Grauzone, und je nachdem, aus welcher Perspektive man schaut, ist das natürlich dann auch schon eine starke politische Einflussnahme. Problematisch daran ist, dass es sich hier um einen Verein handelt, dem 2002 mit vielen anderen ein Verbandsklagerecht eingeräumt wurde. Das ist ein Sonderrecht und solche Sonderrechte erfordern immer auch besondere Transparenzpflichten. Zusätzlich problematisch ist bei manchen Vereinen die enge personelle Verflechtung. So wurde der langjährige Präsident des NABU erst Abteilungsleiter im Bundesumweltministerium, dann Präsident des Umweltbundesamts und schließlich Staatssekretär im Umweltministerium. Oder denken wir an Jennifer Morgan, die von einem auf den anderen Tag von der Position als Geschäftsführerin von Greenpeace International in ein politisches Amt als Staatssekretärin und Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik im Auswärtigen Amt wechselte. Da verschwimmt die Unterscheidung zwischen Aktivisten und Politikern.
Inzwischen existiert ein Art Symbiose zwischen Staat und NGOs, die das N noch im Namen tragen, sich aber in Wahrheit als Vorreiter staatlichen Handelns sehen, die gemeinsam mit dem Staat agieren, um die Bürger zu allen möglichen Wenden – Agrarwende, Energiewende, Finanzwende, Verkehrswende, Ernährungswende – anzuleiten und anzutreiben. Entsprechend entwirft man Schreckensszenarien und nutzt die erzeugte Panik als Legitimation für Gesetzesinitiativen, die dann womöglich die Freiheit der Verbraucher einschränken.
Ist diese enge Zusammenarbeit belegbar?
Nehmen wir den Fall der Grünen-Politikerin Ramona Popp, die seit 2022 Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbandes vzbv ist. Zuvor war sie Bürgermeisterin von Berlin sowie Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe im Senat Müller II. In ihrer neuen Position setzt sie jetzt grüne Positionen durch. Kaum ernannt, gab sie ein Gutachten zu neuen genomischen Techniken bei dem staatlich geförderten Anti-Gentechnik-Verein Testbiotech in Auftrag, das dessen bekannte Position wiedergab, wonach gentechnisch veränderte Pflanzen „schwer vorhersagbare Risiken für Mensch und Umwelt“ verursachen – eine Position, die mit dem Parteiprogramm der Grünen übereinstimmt. Der vzbv machte sich sodann diese Position in einer Pressemitteilung zu eigen und warnte vor den „erheblichen Risiken“ dieser Technologien. Überflüssig hinzuzufügen, dass das „Gutachten“ den Namen nicht verdient, weil es eben nicht wissenschaftlich vorgeht, also die gesamte Bandbreite der vorhandenen Studien abbildet und gewichtet, sondern nur solche auswählt, die die ablehnende Position stützen. Daher wurde eben nicht eine anerkannt wissenschaftlich arbeitende Vereinigung wie etwa die Leopoldina ausgewählt, sondern ein Anti-Gentechnik-Verein. Der wird allerdings dadurch aufgewertet, dass er über Jahre u.a. Steuermittel vom Bundesumweltministerium erhielt, um die offizielle „Fachstelle Gentechnik und Umwelt“ des Bundesamts für Naturschutz BfN zu betreiben. Überflüssig zu erwähnen, dass die Leiterin des BfN die vormalige Referentin für Biotechnologie und Bioethik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen ist. Also hier haben wir dann eine gegenseitige Beauftragung zur Bestätigung politischer Einschätzungen der grünen Partei und der Beeinflussung der Öffentlichkeit im Sinne politscher Ziele der Grünen– alles finanziert mit Steuermitteln. Oder nehmen wir das Agora-Netzwerk. Gleich mehrere Staatssekretäre der Bundesregierung – ob rot-grün, schwarz-rot oder Ampel– waren mit Agora verbandelt, mal im Umweltministerium, mal im Wirtschaftsministerium. Der Grünen-Politiker Rainer Baake, knapp 20 Jahre lang Staatssekretär für Umwelt- und Energiefragen und davor schon Staatssekretär in Hessen unter Joschka Fischer, wurde dann Co-Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, dann Gründungsdirektor der Agora Energiewende, dann wieder Staatsekretär, und dann wieder Direktor einer NGO namens Stiftung Klimaneutralität und unter der Ampelregierung dann Sonderbeauftragter für die deutsch-namibische Klima- und Energiekooperation und für die „Just Energy Transition Partnership“ (JETP) mit Südafrika. DUH und Agora wurden natürlich auch öffentlich gefördert und Baake gilt als einer der Väter des Atomausstiegs und der „Energiewende“. Man kann sagen, dass es in bestimmten Bereichen – z.B. Gentechnik, Energie, Endlagersuche, Atomkraft – faktisch gar keine Unterscheidungen mehr zwischen grüner Partei und NGOs gibt.
Wie erklärt es sich, dass jetzt praktische alle Medien die Kleine Anfrage kritisieren und sich eindeutig auf die Seite der NGOs stellen? Und warum ist eine kritische Berichterstattung über NGOs so selten?
Die Ziele der NGOs stimmen sehr häufig mit den Präferenzen in den Redaktionen überein. Ich weiß das aus eigener Erfahrung. Als ich für als angestellter Agraringenieur ein Vermarktungskonzept für biologisch erzeugtes Obst und Gemüse für den Lebensmitteleinzelhandel zu promoten hatte, war es überhaupt kein Problem, Zugang zu den Redaktionen zu bekommen. Mir wurde lange und aufmerksam zugehört. Wenn ich aber heute etwas zum Thema Pflanzenschutz sage und über die Notwendigkeit und die Überlegenheit von verschiedenen Pflanzenschutzmitteln, die nicht bio-kompatibel sind, sprechen möchte, dann ist das Gespräch sehr schnell beendet. Das heißt, Themen und Positionen, die NGOs vertreten, sind in den allermeisten Fällen hoch anschlussfähig in den deutschen Redaktionen.
Kommen wir nochmal zu dem Thema Transparenz. Da besteht offensichtlich eine nur sehr eingeschränkte Transparenz darüber, wie viel Geld NGOs aus den verschiedenen Regierungstöpfen bekommen. Man sollte annehmen, dass diese Informationen auf Knopfdruck verfügbar sind. Schließlich muss auch jeder Steuerzahler, der eine Einkommenssteuererklärung abgibt und eine Einnahmenausgabenüberschussrechnung macht, wirklich jeden Einnahmen- und Ausgabeposten minutiös nachweisen. Warum ist das offensichtlich bei NGOs nicht der Fall?
Das ist schon lange nicht der Fall. Die Zeitung „Die Welt“ hatte schon 2019, also zur Zeit der großen Koalition unter Merkel, herauszubekommen versucht, wie viel Steuermittel in den einzelnen Ministerien an NGOs gezahlt und wofür sie ausgegeben werden. Die beiden Journalistinnen kamen auf den Beitrag von 15,5 Milliarden Euro, aber es war damals schon klar, dass die Ministerien das nicht auf einzelne Projekte runterbrechen konnten oder wollten und nur Gesamtangaben machten. Nehmen wir das Programm „Demokratie leben“. Da liegt der Eigenanteil von vielen der zu fördernden Projekten bei nur 10% und es reicht einfach aus, dass man sagt, man hätte dieses Geld. Inzwischen muss faktisch kein Finanzierungsnachweis dieser 10 Prozent mehr erfolgen – Transparenz Fehlanzeige. Das öffnet Tür und Tor der Fehlverwendung von Mitteln, und das erklärt jetzt auch natürlich die große Panik. Denn wenn öffentliche Mittel nicht gemäß den Projekten verwendet werden, dann droht bei den Beträgen, um die es geht, das Strafrecht. Daher werden Ministerien, wenn es um Details geht, sehr schnell schmallippig.
Welche gesetzlichen Regelungen könnten denn die Transparenz bei der finanziellen Förderung verbessern?
Schauen wir mal ins Grundgesetz. In Artikel 21 steht, dass die Parteien bei der politischen Willensbildung mitwirken, und weil die Parteien eine besondere Rolle in der politischen Willensbildung spielen, gibt es ein eigenes Parteiengesetz, das die Parteien zu einem Mindestmaß an demokratischer Verfasstheit verpflichtet. Das gibt es für NGOs nicht und wenn wir jetzt annehmen oder feststellen müssen, dass es in verschiedenen Bereichen wie Energie, Verkehr, Pflanzenschutz, Gentechnik usw. NGOs gibt, die die politische Meinungsbildung und damit die politische Willensbildung nachhaltig beeinflussen und dafür auch noch in erheblichem Umfang öffentlich finanziert werden, dann sollte man auch dort ein Mindestmaß an Mitbestimmung und demokratischer Kultur verpflichtend einführen. Das gibt es bei NGOs praktisch nicht. Da bestimmen sehr kleine, oft anonyme Lenkungskreise, welche Kampagnen gefahren werden, wofür das Geld ausgegeben wird usw. Der Rest sind zahlende Mitglieder, die keinerlei demokratischen Mitspracherechte haben. Sie beanspruchen für sich, für „die Zivilgesellschaft“ zu sprechen, aber sie haben kein über Meinungs- und Vereinigungsfreiheit hinausgehendes Mandat. Und dennoch sind sie in Politik und Öffentlichkeit mit ihren Meinungen omnipräsent. Natürlich dürfen sie wie jeder andere auch ihre Meinung verbreiten, aber auch nicht mehr. Das heißt, wenn wir hier solche mächtigen Institutionen auch noch steuerlich fördern, dann müssen die selbst demokratisch verfasst sein, beziehungsweise dann müsste eine Regulierung auch gewisse demokratische Mindeststandards dann vorschreiben. Und dazu gehört auch Transparenz über jeden Cent, der aus öffentlichen Mitteln vereinnahmt wird.
Welche Rolle sollten NGOs denn spielen? Es wird oft darauf verwiesen, dass sie Lobbyismus für all diejenigen betreiben, die sonst keine Stimme haben.
Die Rolle bleibt ihnen unbenommen und im Prinzip ist auch eine staatliche Förderung von NGOs, die vom Staat mit bestimmten Aufgaben wie beispielsweise Katastrophen- oder Umweltschutz betraut werden, ok. Nur, Steuermittel dürfen eben nicht verwendet werden, um die politische Meinungsbildung zu beeinflussen. Öffentlich finanziert dürfen das nur Parteien. Und Parteien fallen unter das Parteiengesetz, sie sind nicht gemeinnützig. Das heißt, die NGOs müssen sich dann eben entscheiden: Wollen sie gemeinnützige NGO bleiben oder wollen sie Partei sein? Unsere Verfassung, beziehungsweise die Väter und Mütter unseres Grundgesetzes, haben nicht ohne Grund besonderen Wert darauf gelegt, dass der Bürger, also jeder Einzelne des obersten Souveräns, mündig entscheidet, was er für politisch geboten hält – ohne staatliche Beeinflussung. Und weil man den privat organisierten Tendenzbetrieben, also den privaten Medien allein nicht zugetraut hat, dass sie alle Positionen abdecken, deswegen gibt es den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Dieser in seiner Konstruktion staatsferne! Staatsfunk – der übrigens eben nicht aus Steuermitteln, sondern über Gebühren finanziert wird – soll gemäß Rundfunkstaatsvertrag bzw. heute Medienstaatsvertrag sicherstellen, dass der Bürger über alle relevanten Bereiche ausgewogen informiert wird. Und in diesem Kontext ist die staatliche Förderung von politischen Partikularinteressen und Perspektiven geradezu absurd und ein demokratischer Albtraum.