Eishockeyfreunde treibt derzeit weltweit eine Frage um: Wird die, eigentlich am 12. Oktober beginnende, neue NHL-Saison erneut ‚streikbedingt‘ nur verkürzt stattfinden, oder fällt sie sogar ganz aus? Von unserem Gastautor Robin Patzwaldt.
Ein Streik im Profisport? Klingt vielleicht zunächst merkwürdig, aber so ungewöhnlich wie es vielen Laien womöglich zunächst erscheinen mag ist das Ganze leider gar nicht. In der Geschichte der National Hockey League (NHL) kam das zuletzt leider sogar schon häufiger mal vor.
Hintergrund der Geschichte ist der Rahmentarifvertrag (CBA) zwischen Ligaleitung und der Spielergewerkschaft NHLPA.
Dieser muss alle paar Jahre neu ausgehandelt werden, ganz ähnlich dem auch bei uns üblichen Gerangel um Tarifverträge in der ‚normalen‘ Arbeitswelt.
Das CBA (Collective Bargaining Agreement) regelt inzwischen viele Details rund um die NHL. Angefangen von der Entlohnung, der Aufteilung der Gewinne unter den Teams, oder auch die Abstellung von Spielern für den ‚World Cup of Hockey‘ und die inzwischen eigentlich üblichen Saisoneröffnungsspiele einiger NHL-Teams in Europa usw..
Bereits in der Saison 1994/95 konnte die Spielzeit, statt wie sonst üblich im Oktober, erst mit mehrmonatiger Verspätung Mitte Januar beginnen.
Die Saison 2004/2005, nach dem Ende des 10 Jahre gültigen CBA von 1994/95, fiel am Ende durch die monatelangen Tarifstreitereien zwischen NHLPA und NHL sogar komplett dem Arbeitskampf zum Opfer.
Am 15. September 2012 läuft nun der aktuelle Rahmentarifvertrag in der NHL aus. 2005 konnte man sich nach all der Streiterei nur auf eine 7-jährige Laufzeit einigen.
Eine Einigung auf ein neues CBA soll, dem Vernehmen nach, auch diesmal, wenige Wochen vor dem planmäßigen Saisonstart, noch recht weit entfernt liegen. Zu Verbissen prallen einmal mehr die Interessenvertreter der Teams bzw. der Liga und die Vertreter der Spielerseite bei den Verhandlungen noch aufeinander.
Ligaboss Gary Bettman kündigte jüngst sogar öffentlich knallhart an, die Spieler direkt erneut ‚auszusperren‘, sollte es bis Mitte September noch immer keine Einigung zwischen beiden Seiten geben.
Beobachter vor Ort sehen eine recht hohe Wahrscheinlichkeit, dass es in wenigen Wochen dann in der Tat zum dritten Mal in Folge zu einem, zumindest verspäteten Start in die Eishockeysaison in Nordamerika kommen wird.
Dementsprechend wurden jüngst bereits viele Vorbereitungsturniere und auch die eigentlich üblichen Eröffnungsspiele in Europa gestrichen bzw. es wurde auf die Planung komplett verzichtet. Es mehren sich also die Anzeichen für eine ‚Aussperrung‘ der Spieler durch die Liga.
Doch während man als Außenstehender hier in Europa die verhärteten Fronten zwischen den Tarifparteien in Übersee im Jahre 2004 noch irgendwie logisch nachvollziehen konnte, ging es damals um die Grundsatzentscheidung von Gehaltsobergrenzen für die Spieler (eine Kopplung von Gehältern der Spieler an die konkreten Umsatzzahlen der jeweiligen Teams), was natürlich große Emotionen mit sich brachte, fällt es den Beobachtern diesmal offenbar sichtlich schwer wirklich gute Gründe für solch verhärtete Fronten bei den Verhandlungen zu sehen.
Die wirtschaftlichen Zahlen der Liga haben sich in den letzten 7 Jahren deutlich verbessert. Das bestreitet niemand. Die Zeiten in denen die Teameigner Verluste schrieben, sind weitestgehend Geschichte. Auch das haben alle Beteiligten wohlwollend registriert. Die Spielergehälter, die seit 2005 streng an die wirtschaftliche Entwicklung der Liga geknüpft sind, stiegen in den letzten Jahren fortwährend und deutlich.
Es geht bei den Verhandlungen diesmal u.a. scheinbar ‚lediglich‘ um solche Knackpunkte wie die genaue Aufteilung der erwirtschafteten Gelder. Ein paar Prozent mehr für die Unterstützung von Teams die in eher umsatzschwachen Regionen von Nordamerika angesiedelt sind, die Regelung von maximal zulässigen Vertragslängen der einzelnen Spieler oder z.B. die genaue Höhe der (ohnehin bereits jetzt deutlich über 500.000 US-Dollar liegenden) Einstiegsgehälter der NHL- Jungprofis.
Aber sind diese und ähnliche Gründe wirklich ausreichend um evtl. erneut das Image einer ganzen Liga durch einen langen ‚Arbeitskampf‘ zu beschädigen?
Denn egal wie die vermeintlichen Details nun am Ende auch geregelt werden sollen, bedrohen tut das Verhandlungsergebnis und auch ein vor der Tür stehender Arbeitskampf natürlich weder die Spieler- noch die Eigentümerseite.
Die wahren Verlierer eines erneuten ‚Arbeitskampfes‘ in der National Hockey League wären einmal mehr die ‚kleinen Leute‘ im Umfeld der Profiliga: Die diversen Angestellten der beteiligten Organisationen… Diese werden von den Beteiligten und Betrachtern gerne vergessen.
So hat alleine die Ligaverwaltung der NHL in New York 2004 mit ca. 300 Kündigungen damals ca. die Hälfte ihrer Mitarbeiter entlassen. Und auch so mancher Bedienstete bei den Teams vor Ort (Fanshop, Hallenpersonal usw.) musste sich beruflich umorientieren, nachdem sich Spieler und Eigentümer damals nicht über die Rahmenbedingungen ihrer Zusammenarbeit einigen konnten. Dies wäre im Jahre 2012 wohl nicht anders.
Auch die Fans vor Ort würden erneut zu Verlierern, müssten Sie doch auf die Unterhaltung ihrer Lieblingssportler vor Ort verzichten.
Die Spieler hingegen bedroht eine ‚Aussperrung‘ durch die Eigentümer nicht wirklich. Sie könnten auch in diesem Herbst erneut in Europäische Top-Ligen ausweichen, und sich dort ein, wenn auch vielleicht etwas niedrigeres, ‘ Ersatzgehalt‘ verdienen.
Schauen wir mal wie die Geschichte sich in den nächsten Wochen weiterentwickelt. Noch sind bis zum Termin der drohenden Aussperrung einige Verhandlungsrunden terminiert. Vielleicht gelingt beiden Seiten ja doch noch eine Einigung…
Ein passendes Netzfundstück zum Thema: https://www.youtube.com/watch?v=EWQs3O_IDas