Im Juli bat Sören Link den Ruhrtriennale-Intendanten Heiner Goebbels, das Projekt „totlast“ von Gregor Schneider nicht in Duisburg zu realisieren. Vielleicht war die Bitte auch etwas schärfer formuliert, da kann man drüber streiten. Die Stadt der Loveparade-Katastrophe sei noch nicht reif für ein Kunstwerk, das sich mit Enge und Desorientierung auseinandersetzt. Mit dieser Entscheidung zeigte sich Sören Link nicht einfach nur als kunstkluger Lokalpolitiker, sondern als ein treu sorgender Stadtvater, der seine Schäfchen stets redlich behütet. Dieser wegweisende Vorstoß eines Oberbürgermeisters sollte nicht ein Einzelfall bleiben, denn in Duisburg gibt es noch etliche Kunstwerke, für die die Duisburger Bürgerinnen und Bürger angesichts diverser erst vor Kurzem durchgestandener Lebenskatastrophen nicht reif sein dürften.
58,9% der erwachsenen Duisburger leiden unter Übergewicht. Wie kann es da sein, dass mitten in der Fußgängerzone eine „Nana“ genannte überdimensionale vollschlanke Frau in leuchtenden Farben und mit Flügeln das Übergewicht verherrlicht. Wer denkt hier an das schwere Leid der Dicken, die sich Tag für Tag an dieser Skulptur vorbei zum nächsten McDingsbums schleppen? Müssen sie sich nicht geradezu verhöhnt fühlen durch diesen Anblick? Weg damit!
Mit Duisburg geht es beständig bergab. Die Stadt schrumpft, die Arbeitslosigkeit steigt mit der Verschuldung um die Wette und das Image ist sowieso schon im Keller. Das ist die alltägliche Erfahrung zahlloser Duisburger und Duisburgerinnen. Wie muss es sich da anfühlen, wenn sie die „Tiger & Turtle“ genannte Landmarke vor Augen haben, die ihnen suggeriert, es würde auch irgendwann mal wieder bergauf gehen? Kann man das wirklich den DuisburgerInnen zumuten? Nein. Weg damit!
Stahlindustrie gibt es in Duisburg kaum noch. Die Überreste dieser einst stolzen Industrie, die die Stadt reich machte, gemahnen DuisburgerInnen heute nur noch an ihre eigene Arbeitslosigkeit. Darf man dann diese Überreste, die für das Elend des heutigen Duisburgs stehen, auch noch durch farbige Beleuchtung in der Nacht sichtbar machen. Wie zynisch ist das gegenüber all jenen DuisburgerInnen, die durch die Schließung der Werke in die Erwerbslosigkeit gestürzt sind? Weg damit!
Tausende DuisburgerInnen sind kurzsichtig. Wenn sie ihre Brille verlegt haben, wird jede Suche nach einem heruntergefallenen Gegenstand zur Qual. Dennoch wird immer noch die Skulptur „Der Gestürzte“ im Lehmbruck-Museum öffentlich gezeigt. Allzu offensichtlich sehen wir hier einen Menschen mit starker Kurzsichtigkeit, der in einem verfilzten Flokati nach einem gerade abgeschnittenen Fussnagel sucht. Leicht vorstellbar welche traumatischen Erfahrungen dieser Anblick in den vielen Kurzsichtigen der Stadt wieder wach ruft. Weg damit!
[…] Nicht reif – noch mehr Vorschläge für Duisburg (Ruhrbarone) […]
Auch wenn es ironisch gemeint ist – die Bezugnahme auf unklare oder zusammengeschusterte Horrorzahlen über übergewichtige „Duisburger“ führt nur zu weiterem Dickenbashing. Beispiel dafür ist die Zahl der erwachsenen Duisburger, die angeblich unter Übergewicht leiden sollen. Die Prozentzahl 58,9 entstammt der sogn. Mirkozensus-Befragung in NRW, in der Erwachsene freiwillig Auskunft über Gewicht und Körpergröße geben sollten. Daraus haben dann die Statsitiker des Landesamtes den sogenannten Body-Mass-Index berechnet.
Abgesehen davon ob diese Angaben überhaupt repräsentativ sind, der Body-Mass-Index ist schon seit langem dafür bekannt, dass er überhaupt keine Aussagen über gesundheitliche Auswirkungen des Körpergewichts machen kann. Nur die WHO beharrt auch weiterhin auf dem BMI als aussagekräftigen Maßstab für Übergewicht – vermutlich weil man nur so mit Horrorzahlen „Gesundheitspolitik“ machen kann.
Ich halte es für schlechten Stil, wenn man weiterhin die Vorurteile und Ängste der Menschen gegenüber „Dicken“ bedient, auch wenn es hier ironisch gemeint ist.
Die Dekonstruktiion von Satire ist oft Satire. Allerdings kann darüber gestritten werden, ob sich darüber schon streiten lässt, liebe Nansy.
Ein Sören Link, dem die Menschen wichtiger sind als die Kunst – ja, das finde ich immer noch besser als einen Honke Rambow, dem die Kunst wichtiger ist als die Menschen. Müssen wir wirklich zur fanatischen Kunstreligiosität des frühen 20. Jh. zurückkehren? Und war das jemals mehr als eine ideologische Überhöhung des Eigeninteresses der Künstler?