Am gestrigen Dienstag war ich für die Ruhrbarone zum ersten Mal seit der Vorstellung von Lucien Favre im Jahre 2018 wieder bei einer Trainerpräsentation des BVB in Dortmund. Niko Kovac trat offiziell sein Amt als neuer Coach der Borussia an und stand der versammelten Journalistenrunde im Mediencenter des Signal Iduna Parks Rede und Antwort.
Dabei wurde mir schon vor Beginn der Veranstaltung klar, dass sich die Zeiten in Dortmund in den vergangenen Jahren spürbar verändert haben.
Als Favre damals die Nachfolge von Peter Stöger antrat, war der BVB von seinem Selbstverständnis her noch ein ernstzunehmender Titelanwärter mit dem entsprechenden Selbstbewusstsein, auch im Umfeld. Der von Stöger erreichte vierte Platz in der Bundesliga reichte der Vereinsführung nicht für eine Weiterbeschäftigung.
Gestern jedoch scherzten die zahlreich versammelten Journalisten schon vor dem Eintreffen von Kovac darüber, dass er nur der nächste „Interimstrainer“ der Schwarzgelben sei und man spekulieren könne, wie lange er diesmal bleiben dürfe. Bei der Vorstellung von Favre war die Atmosphäre im Raum noch eine völlig andere, nämlich weniger skeptisch. Offenkundig ist zuletzt sehr viel Vertrauen in die Verantwortlichen verlorengegangen.
Als Kovac dann, begleitet von Sportdirektor Sebastian Kehl und Sportgeschäftsführer Lars Ricken, den Saal betrat, verschärfte sich dieser Eindruck weiter – und das nicht nur aufgrund der Tatsache, dass 2018 neben dem neuen Übungsleiter noch Manager Michael Zorc und Geschäftsführer Aki Watzke auf dem Podium saßen.
Mit dem Generationswechsel im Verein ist offensichtlich eine Menge Erfahrung und Ansehen verlorengegangen. Kehl und Ricken mussten sich bei der Trainervorstellung zahlreichen kritischen Fragen erwehren.
So wurde Kehl beispielsweise mit negativen Aspekten seiner in Teilen gescheiterten Transferpolitik konfrontiert, während Ricken sich zu den angeblichen Streitigkeiten innerhalb der BVB-Führungsriege und möglichen personellen Konsequenzen äußern sollte. Beide blieben in ihren Antworten vage bis nichtssagend und flüchteten sich in zahlreiche Floskeln und Durchhalteparolen. Zorc und Watzke wurden bei meinen letzten Besuchen in Dortmund längst nicht so kritisch hinterfragt.
Da tat es auf der anderen Seite richtig gut, dass Niko Kovac sich bemühte, Optimismus und Aufbruchsstimmung zu erzeugen. Der 53-Jährige zeigte sich unter anderem zuversichtlich, den BVB noch unter die Top vier führen zu können, um so auch die Champions-League-Qualifikation für die kommende Spielzeit sicherzustellen.
Doch auch Kovac musste einen für Dortmunder Verhältnisse ungewöhnlich großen Spagat hinlegen. Einerseits soll der neue Übungsleiter viele Dinge verbessern, andererseits will er nicht alles an Strukturen und Hierarchien einreißen, was er an der Strobelallee vorgefunden hat. So gab der Kroate direkt bekannt, dass der umstrittene Kapitän Emre Can den Posten als Mannschaftsführer auch weiterhin behalten werde – eine Entscheidung, die nicht jeder im Umfeld nachvollziehen kann.
Statt direkt mit Umwälzungen im Team zu beginnen, gibt sich Kovac offenbar ein paar Tage Zeit. Aktionismus war am Dienstag nicht ansatzweise zu erkennen. Das mag aus pragmatischen Gründen nachvollziehbar sein, schließlich holte die Mannschaft unter Interimstrainer Mike Tullberg zuletzt sieben von neun möglichen Punkten. Doch damit ging von Anfang an viel der früher üblichen Aufbruchsstimmung bei Trainerwechseln verloren.
Der Spagat zwischen entschlossenem Neuanfang und Kontinuität könnte Kovac noch zum Nachteil gereichen, falls er in den ersten Spielen nicht direkt mit Ergebnissen überzeugt. Dann würde die unter den Journalisten spürbare Grundskepsis mit Sicherheit schnell wieder aufkommen.
Es hat sich eben viel verändert beim BVB in den vergangenen Jahren. Und das nicht nur auf der Trainerbank…