Weil die kommunalen Zuschüsse für ein Festivalzelt nicht ausreichten, findet das pfingstliche Moersfestival erstmals in einer eigens dafür hergerichteten Halle statt. Verheissen wird die brilliante Akustik eines Clubs. Optimale Sicht für alle. Und Kontemplation und Extase wie üblich. Doch das neue Veranstaltungskonzept birgt Risiken. Von unserem Gastautor Thomas Meiser
Moers. Pfingstsamstag 2013. Vormittags, draussen. Eine mild hangoverte Gruppe mittelalter Menschen trifft sich vor dem Grafenschloss zu einer Fahrradtour. Der kölsche Impresario des Moers Festivals, Reiner Michalke, lud zur Kurzstrecke: Ziel ist eine Baustelle, verbunden mit einer Sportstätten-Ruine, drei Kilometer südwestlich. Der Trip soll in die Zukunft führen, vorbei am grössten Zirkuszelt Europas, dem Mittelpunkt des Moers Festivals seit langen Jahren. Weg vom riesigen Campingareal im Freizeitpark, wo bis in den Morgen hinein gefeiert wurde.
Am Parkplatz eines stillgelegten Freibads liegt die Baustelle, auf der die Zukunft des Festivals errichtet werden soll. Mit einem Aufwand von mehr als zwei Millionen Euro wird hier eine Tennishalle umgemodelt. Der Inneneindruck ist schwer enttäuschend, Gerüste und Bauholz plastern die Courts.
Doch Reiner Michalke wird nicht müde zu betonen, dass im nächsten Jahr der Ortswechsel zum überdachten Bau alternativlos wäre: Das Zirkuszelt sei auf die Dauer schlicht zu teuer, für den Hallenumbau gäbe es Extraknete von Land und Bund. In der Folge würden die laufenden Kosten gesenkt, zumal die Kommune die Zuschüsse dauerhaft zu senken habe.
Vor einem Jahr redete Michalke wie ein Missionar, der Sachzwänge zu verkaufen gezwungen war. Jetzt ist die neue Halle fertig. Sie wurde per Computersimulation akustisch optimiert, ist eingeräumt, fasst 2000 Personen und harrt der Dinge.
Und wie es scheint hat die Konzeptveränderung, vom Provisorium zur Statik der Spielstätte, der Akzeptanz des Festivals nicht geschadet. Jedenfalls bezogen auf die zahlenden Besucher, die Vorverkäufe sind auf dem Stand der letzten Jahre.
Was aber ist mit den Zaungästen, den Campern auf den weiten Wiesen des Moerser Freizeitparkes, deren Anzahl die der Festivalbesucher regelmässig bei weitem übertraf.
Die Kommune entschied sich für die finale Lösung: Freies Camping ist untersagt. Die Stadt war nicht geneigt, nachsorgende Entsorgungs- und Renaturierungskosten zu tragen. Deswegen dürfen auschliesslich Ticketbesitzer hinter Gittern campen, hinter den Zäunen des stillgelegten Freibads ist der nunmehr bewachte Campingplatz.
Ein weitere Faktor dürfte ebenfalls zu grossem Flairverlust führen: Der Händlermarkt, einst kilometerlanges Amalgam aus Ethnofood-Buden und Hippewaren-Vertickern, wurde auf genau 40 Händler zusammengestrichen.
Die statische Halle, das Verbot freien Kampierens, kaum noch Konsum- und Flanieroptionen – all das ist ein Downsizing für das Moers Festival. Gegeben wird zum Moers Festival 2014 dessen evolutionäre Anpassung an die neuen Bedingungen der materiellen Sachzwänge. Was vom Geist der Freiheit übrig bleibt, das ist ein Tribut an das Sitzplatz-Publikum.
Und das Musikprogramm natürlich. Das gibt Hoffung. Michalke ist es jedenfalls gelungen, sieben Bigbands sowie einen Schlagwerker-Schwerpunkt zusammenzutrommeln. Nur ein Beispiel mit dem Hang zur Sensation: Ex-Can-Schlagzeuger Jakie Liebezeit, das menschliche Metronom, wird im Duo mit dem Elektronikbastler Marcus Schmikler höchst seltsame Arpeggien zu Gehör bringen.
Generell werden die Nächte in der neuen Musikhalle sehr lang: Weil man auf querulantische Nachbarn keine Rücksicht mehr nehmen muss, kann deutlich bis nach Mitternacht musiziert werden. In den Morgen des Pfingstmontags hinein etwa mit drei Combos. No risk, no fun.
Das Programm in seiner ganzen Herrlichkeit:
Wir fahren traditionell jedes Jahr Pfingsten zu dem Hippie Markt in Moers. Leider ist das Flair und die schöne Atmosphäre nicht mehr vorhanden, was wirklich sehr schade ist… 🙁 gibt es eine Alternative zu dem Hippie Markt in Moers? Oder Vergleichbare Hippie-Märkte in NRW und Umgebung? Würde mich über jede Antwort freuen…
#1 Martin.
Hinsichtlich des klein gestutzten Hippiemarktes in Moers 2014 scheint man gelernt zu haben: Die rund 40 Marketender, auf einem Schotterparkplatz zusammengestaucht, klagten über Umsatzeinbussen, obschon sie auf die Standgebühr Rabatt im Vergleich zum vorigen Jahr erhielten. Der Marktmeister, ein froschfarbiger Parteiler, Norbert Knabben, gilt wohl in der Auswertung als völliger Versager. Ich denke, der fliegt raus – und im nächsten Jahr wird das jedenfalls dem früherem Geläuf vergleichbar.