Nordpol: Wir müssen leider draußen bleiben

Unsere Gastautorin Anna Schott vor dem Nordpol in Dortmund – sie kommt nicht rein… Foto: Mona Dierkes Lizenz: Copyright

In immer mehr sogenannten linken Läden werden vermehrt Frauen ausgeschlossen. Erst kürzlich passierte das in Dortmund in meinem Bekanntenkreis. Einer jungen Frau wurde der Zutritt in die linke Kneipe „Nordpol“ verwehrt. Es hieß, von Seiten des Awareness Teams, dass die junge Frau einen transfeindlichen Verein gegründet habe – und dass einige Anwesenden sich in ihrer Gegenwart „unwohl“ fühlen würden. Weitere Informationen, welcher Verein das sein soll oder warum sich diese Personen unwohl fühlen bekam sie nicht.  Von unserer Gastautorin Anna Schott.

Diese junge Frau bewegt sich seit ihrer Jugend in linken Kontexten, war gegen Nazis aktiv, hat gegenüber Linken oder anderen Minderheiten nie Gewalt begangen, geriet nicht mal in einen nennenswerten Streit in einer linken Kneipe oder sonstigen Zusammenhängen. Auf Nachfrage, teilte man ihr mit, sie hätte bis auf Weiteres Hausverbot. Ende Mai würde eine weitere Entscheidung getroffen werden. Ende Mai kontaktierte ich ebenfalls den Nordpol und bat das Team um eine eigene Darstellung und fragte bei der Gelegenheit auch nach deren hauseigenen Definitionen von Transphobie und Geschlechtsidentität nach. Eine Antwort erhielt ich bis heute nicht.

Jedes Nachfragen wird als Hass gedeutet

Das Zögern (beziehungsweise das Nichtantworten) ist symptomatisch, wenn es um Transphobie-Vorwürfe geht. Um den Transphobie-Vorwurf zu verstehen, muss man grob wissen, was Geschlechtsidentität ist, denn die ist elementar in diesem Zusammenhang. Seit dem „cultural turn“ in der Soziologie und spätestens seit den 1990er Jahren bereitete sich der Glaube aus, dass Geschlecht nicht über den Körper, sondern über ein inneres Gefühl bestimmt werde. Frau ist nicht, wer weiblich ist und einen weiblichen Körper hat, sondern, wer sich als Frau fühlt. Dieses Gefühl ist rein subjektiv, nicht mess- und nachvollziehbar. So weit, so bescheuert könnte man meinen. Aber es geht leider noch weiter, als Außenstehende hat man die Pflicht immer affirmativ gegenüber Menschen zu sein, die eine inkongruente Geschlechtsidentität haben, weil man sonst der Person „das Existenzrecht abspricht“.

Dieses Existenzrecht abzusprechen ist menschenfeindlich und transfeindlich. Jedes Unbehagen, jedes Nachfragen und jede kritische Äußerung wird als Hass gedeutet. Wenn man den Glauben an eine Geschlechtsidentität in postmoderner Manier konsequent weiterspinnt (Sprechort-Theorie und Betroffenen-Theorie) werden jede Kritik, jeder Zweifel und bestimmte Fragen als transphob gewertet, denn einzig und allein die Person, die trans ist, kann wissen, was es bedeutet trans zu sein. Eine Geschlechtsidentität kann man nicht beweisen, man MUSS an sie glauben. Mit anderen Worten, nur wenn ausnahmslos alle das Mantra: „Transfrauen sind Frauen“ sagen und glauben sind Transaktivisten zufrieden und fühlen sich durch den Sprechakt einer außenstehenden Person erst existierend.

Wie will man das kontrollieren? Wird am Eingang eines jeden linken Ladens erst ein Gesinnungstest gemacht? Und wie konnte es soweit kommen, dass diese radikale Unterwerfung unter die Queer Theory gang und gäbe in linken Kontexten geworden ist? Also in Räumen, die sich als progressiv, weltoffen, tolerant und menschlich wahrnehmen. Es gibt ein weiteres Mantra, welches noch nirgends erklärt wurde und welches man einfach glauben muss: Terfs sind Faschistinnen und mit Faschistinnen spricht man nicht, man boxt oder tötet sie. Wie es zum Beispiel der Account „anarchismus_in_Dortmund“ auf instagram bei jeder sich bietenden Gelegenheit in den Äther bläst. Beispielsweise  #terfsboxen als erster Hashtag zum Weltfrauentag.

Hausverbot für transphobe Personen

Entweder man beugt sich dem Dogma, kappt sämtliche Kontakte zu Freundinnen, die auch nur ansatzweise wissen, was eine Frau ist oder man gerät in den Verdacht, selbst eine Faschistin zu sein und damit aus sämtlichen linken Kontexten ausgeschlossen zu werden. Denn Kontaktschuld wird, wenn es um Transphobie geht sehr groß geschrieben. Mit einem falschen Like begann 2021 diese Geschichte ebenfalls in Dortmund: Im Rekorder formierte sich ein „Awareness Team“, welches beschloss, dass transphobe Personen Hausverbot haben. Eine Dortmunderin wurde mutmaßlich aufgrund eines Likes als transphob identifiziert und hatte somit Hausverbot.  Nicht ungewöhnlich in diesen Zusammenhängen ist, dass die Frau niemals kontaktiert wurde, weder um es ihr direkt zu kommunizieren, geschweige denn sie zu fragen, ob sie transphob sei. Es gab und gibt bis heute keine Beweise anhand deren man zeigen und nachvollziehbar darlegen kann, dass diese Frau wirklich transfeindlich ist. Bis heute steht die Behauptung, dass sie „eine transphobe Spinnerin“ sei kontextlos auf Bierschinken.net, nach einer Definition oder einem Beweis hatten die Betreiber der Seite nicht gefragt, wird schon irgendwie stimmen ist die Devise.

Eine Kolumne aus diesem Zeitraum von einer Dortmunderin aus dem Rekorder-Umfeld ist eine Blaupause des autoritären Queers. Corona ist vorbei, man freut sich auf Konzerte. Aber, man muss aufpassen, denn auch in linken Strukturen lauern Gefahren, und eine Gefahr ist besonders vertrackt. Das sind nämlich diese sogenannten Terfs (=böse, Faschismus), die auch gleichzeitig „FLINTA-Personen“ (das ist ein inklusives Wort für Frauen und die sind marginalisiert und gut) sind. Was Terfs so denken ist so absurd, das möchte die Autorin der Kolumne gar nicht näher erläutern, aber glaubt ihr, es ist nicht nur so schlimm wie Querdenker und Antisemitismus, nein, sie müssen auch mit der gleichen Selbstverständlichkeit von speziell geschulten Awareness Teams ausgeschlossen werden wie Nazis. Denn strukturell sind sie mit ihrem Hass, den sie verbreiten gleich. Mit Hass ist das Benennen von Fakten gemeint.

So etwas schreibt eine Frau, die eine gewisse Reputation in der linken bzw in der Punk-Szene hat, es wird nichts erklärt, es wird nur gesagt, dass es so ist und Ende. Gleichzeitig betont sie, dass sie gegen die Zerstörung linker Strukturen sei, während sie selber eine Stimmung von Paranoia und Misstrauen sät.  Ich habe mich mal auf dem Instagram- Profil dieser Frau umgeschaut und sie ist der festen Überzeugung, dass Terfs Schuld am Tod des Transmannes Malte C. seien, also nur damit ihr ein Gefühl für ihre Analysen bekommt. Im Frausein-Zine findet sich ebenfalls ein eindrücklicher Bericht von Mona, einer dritten Frau, die obwohl „ihre“ Gruppe ihr keine Transphobie nachweisen konnte ausgeschlossen wurde, weil andere linke Gruppen sonst jede Zusammenarbeit einstellen würden. Linke lassen sich bekanntlich sehr gerne wegen Nichtigkeiten spalten, aber wenn es um eine Frau geht, dann lässt man doch lieber die Frau fallen.

Das sind drei Fälle die exemplarisch dafür stehen, was in linken Räumen gerade schief läuft. Es haben sich extremst autoritäre Rackets gebildet, die die Richtung vorgeben, die überzeugt sind, dass Transfeindlichkeit wie Faschismus sei. Die sich moralisch auf der richtigen Seite wähnen und harte, undemokratische Methoden gerechtfertigt finden. Viele stimmen dem schweigend zu, weil man seine Stellung in der Gruppe, seine Räume und sämtliche Kontakte nicht aufs Spiel setzen möchte. Es gibt keine klare Definition, von dem was transphob oder faschistisch ist. Nachfragen wäre verdächtig, also werden immer weiter Frauen ausgeschlossen. Es geht sogar soweit, dass ein linkes Projekt, welches noch gar nicht realisiert wurde, sich rechtfertigen muss, warum es einen Raum explizit für Frauen und Mädchen anbieten wird. Ob man aus Versehen binär und exkludierend sei, fragt keck ein Instagram-User. Und auf solche Fragen muss man besonnen und beschwichtigend reagieren, damit das Projekt nicht von Queeraktivisten sabotiert oder verhindert wird.

Terfs sind unerwünscht

Das sind keine Übertreibungen, Ende April wurde ein Vortrag einer Ex-Prostituierten innerhalb der kritischen Woche an der RUB verhindert, weil Queeraktivisten Druck auf den Fachschaftsrat ausgeübt haben. Diffuse Vorwürfe der Menschen- und Transfeindlichkeit wurden dem Verein Sisters e.V. unterstellt, die den Vortrag zusammen mit der Referetin entwickelt hatten.  Eine kommende Veranstaltung von TdF kann nicht offen beworben worden, weil man die Befürchtung hat, dass sich der selbe Mob vor der Veranstaltung einfindet, der letztes Jahr in November mit Transparenten mit den Aufschriften „Terfs töten“ und „Terfs boxen“ gegen eine Veranstaltung von TdF demonstrierte. Selbst als schon Bilder von diesen Transparenten im Internet kursierten, lud der „Nordpol“ den Mob zu sich ein, um sich aufzuwärmen und auszutauschen. Gemeinsam sind wir in unserem Hass auf Frauen stärker. Beim Partykollektiv tabula.rasa sind alle Terfs unerwünscht, als ich das Partykollektiv anschrieb und fragte, ob es transphob sei, dass ich es nicht gutheiße dass sie einem mutmaßlichen Groomer eine Bühne bieten, wurde ich direkt blockiert. Wie genau das Terf-Verbot durchgesetzt wird, würde mich interessieren.

Es sind keine einfachen Zeiten für (linke) Frauen, aber wir sind mehr als wir denken, viele von uns haben sich bisher noch nicht getraut ihre Meinung offen zu sagen. Aber um diesen frauenfeindlichen Spuk ein Ende zu bereiten, müssen wir als kritische Masse größer werden. Das gilt auch besonders für unsere männlichen Freunde und Zeitgenossen, die sich bisher nicht bemüßigt fühlen vehement Stellung zu beziehen, entweder weil man das Thema zu komplex findet und denkt, man müsse Gender Studies studiert haben um eine relevante Meinung dazu zu haben (Um Gottes Willen, nein!) oder ganz bequem, man merkt, da läuft was schief, aber es für eine Art Frauenthema halten, welches sie nicht tangiert. In den Grundzügen stimmt es auch, der Terf- oder der Transphobie-Vorwurf trifft in erster Linie Frauen, die Ausschlüsse und Callouts sind viel härter. Mir ist bisher kein Fall bekannt, in dem ein Mann aus Gruppen ausgeschlossen wurde oder in semiöffentlichen Räumen, wie dem Internet als transphob markiert wurde. Ich hoffe, dass wir uns mal schmunzelnd oder kopfschüttelnd daran erinnern werden, als misgendern als Gewalt galt, aber „Terfs boxen“ als linke Kampfparole. Oder wo das Sprechen über die Menstruation transfeindlich war – und Räume, die explizit für Frauen sind, gelten ebenfalls als transfeindlich.

 

 

 

 

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vormals SvG
vormals SvG
1 Jahr zuvor

Wenn der linke Machismo wählen kann zwischen echtem Feminismus und Frauenfeindlichkeit, getarnt als Transensolidarität, ist die Wahl doch klar.

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