In Schleswig-Holstein und Berlin sollen Antidiskriminierungsklauseln dafür sorgen, dass Antisemitismus im Kulturbereich künftig nicht mehr gefördert wird. Planen die Landesregierung und die Städte in Nordrhein-Westfalen ähnliche Regelungen?
Schleswig-Holstein hat sie bereits zum 1. Juni vergangenen Jahres eingeführt, aber bundesweit wurde die Antisemitismusklausel im Kulturbereich erst zu einem großen Thema, als auch der Berliner Kultursenator Joe Chialo sie am 4. Januar für die Hauptstadt verkündetete. Seitdem gilt in Berlin: „Alle potentiellen Zuwendungsempfängerinnen und –empfänger bekennen sich damit zu einer vielfältigen Gesellschaft und gegen jede Form von Antisemitismus gemäß der Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) und ihrer Erweiterung durch die Bundesregierung. Sie verpflichten sich darüber hinaus dazu, alles Notwendige zu veranlassen, um sicherzustellen, dass die gewährten Fördergelder keinen Vereinigungen zugutekommen, die als terroristisch und/oder extremistisch eingestuft werden.“
Vor allem in dem Teil der Kulturszene, der am Tropf staatlicher Förderung hängt, ist seitdem die Aufregung groß: Man möchte auch gerne in Zukunft mit Antisemiten und anderen Extremisten zusammenarbeiten, vor allem wenn sie ihren Judenhass zur als hippe Israelkritik darstellen. Wir wollten wissen, wie sich die Initiativen aus Schleswig-Holstein und Berlin auf die Kulturfinanzierung in Nordrhein-Westfalen auswirken und haben bei der Landesregierung und ausgewählten Großstädten nachgefragt. In vielen Städten und auch beim Land wurde gelten schon lange vergleichbare Regelungen. Der Landtag von Nordrhein-Westfalen fasste schon 2018 einen Beschluss, nachdem dem Landtag und Einrichtungen des Landes untersagt wurde, der BDS-Kampagne Räume zur Verfügung zu stellen. Das Ziel der Kampagne, die mit der terroristischen Hamas verbunden ist, ist es Israel durch Boykotte zu vernichten. Verschiedene Städte haben in der Folge den Beschluss übernommen und auf ihre Verhältnisse angepasst. „Von Organisationen, die für ihre Arbeit finanzielle Zuwendungen der Stadt Münster beantragen, setzen wir voraus, dass sie sich gegen jeden Antisemitismus einsetzen und das Existenzrecht Israels verbindlich anerkennen,“ antwortet Münster auf die Anfrage dieses Blogs. „Organisationen, Vereinen und Personen, die die Existenz Israels als jüdischer Staat zu delegitimieren versuchen oder anderweitig antisemitisch agieren, werden unter Beachtung geltenden Rechts keine Räumlichkeiten oder Flächen zur Verfügung gestellt und keinerlei finanzielle Förderungen der Stadt Münster zuteil.“ In Köln gilt: „Wer dem Ziel, Antisemitismus zu bekämpfen entgegensteht, darf in Köln keinerlei Unterstützung erfahren!“ Für die Förderung von Kunst und Kultur in Düsseldorf „gilt grundsätzlich für alle geförderten Einrichtungen und Projekte, dass die durchgeführten Programme nur dann gefördert werden können, wenn sich diese nicht gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten. Alle Förderungen verlangen daher, dass gegen das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland nicht verstoßen wird. Das Grundgesetz regelt vor allem in Artikel 3 die Gleichbehandlung. Diese Erklärung muss bereits im Antragsverfahren gegeben werden.“ Um mögliche diskriminierende Veranstaltungen dennoch weitestgehend ausschließen zu können, fände im Rahmen der Antragsprüfung bis zur Beschlussfassung der Förderung eine sorgfältige Auseinandersetzung mit den beantragten Maßnahmen statt.
Dortmund lässt dieses Blog wissen, die Beschlusslage der Stadt sei „in Bezug auf Antisemitismus eine deutlich andere als in Berlin, da 2018 der Landtag NRW eine von CDU, SPD, FDP und Grünen breit getragene Resolution gegen die BDS-Bewegung verabschiedet hat, die diese als antisemitisch einstuft. Der Rat der Stadt Dortmund hat sich 2019 diesem mit großer Mehrheit in einer Grundsatzerklärung angeschlossen.“ BDS-Unterstützer werden seitdem in Dortmund nicht mehr gefördert.
In Aachen geht man einen anderen Weg als Berlin und verweist auf die Größe der Stadt: „Berlin versucht es über den Weg von Förderrichtlinien und eines schriftlichen Bekenntnisses. In Aachen sucht man einen individuelleren Zugang zu der Thematik, nimmt relevante Einzelfälle in den Blick und trifft nach entsprechender politischer Abwägung gegebenenfalls eindeutige Entscheidungen (Absage von Veranstaltungen oder Stornierung von Raumvermietungen). Dieses Vorgehen ist bei einer Stadt in der Größenordnung Aachens gut leistbar.“
Bonn plant keine mit Berlin vergleichbare Regelung und äußert sich auf Anfrage nicht weiter zum Umgang mit Antisemitismus und BDS im Kulturbereich und ist damit eine Ausnahme: Andere Städte und das Land sind gerade dabei, ihre Richtlinien zu überarbeiten: „Das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen ist im Austausch mit der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Claudia Roth, um eine einheitliche Regelung des Bundes und der Länder zu erreichen. Das erscheint angesichts der engen Verzahnung von Bundes- und Länderförderung im Kulturbereich sinnvoll. Zudem gibt es Bedarf, sich mit den Kultureinrichtungen selbst auszutauschen. In Nordrhein-Westfalen hat dieser Austausch mit Leitern von Kultureinrichtungen bereits begonnen,“ teilte diesem Blog ein Sprecher der Landesregierung mit.
Die Stadt Bochum „ist aktuell dabei, die Förderrichtlinien für Zuwendungen im Kulturbereich zu überarbeiten. Die Einführung einer Antidiskriminierungsklausel ist hier selbstverständlich auch ein Thema. Wie Sie der aktuellen Diskussion entnommen haben, gilt es hier Fragen der Kunstfreiheit und auch der Rechtssicherheit sorgfältig zu klären. Wir hoffen im Frühjahr dieses Jahres unseren Entwurf präsentieren zu können.“ In Bochum gibt allerdings wie in Dortmund schon lange einen BDS-Beschluss des Rates.
Auch in der Nachbarstadt Essen ist man aktiv geworden: „Die Stadtverwaltung Essen befasst sich seit dem 7.10.2023 über alle Tätigkeitsfelder hinweg und in enger Abstimmung mit Vertretern der Zivilgesellschaft damit, welche Handlungskonzepte zu aktualisieren oder auch neu zu entwickeln sind. Die bundesweiten Diskussionen zu gegebenenfalls anzupassenden Richtlinien verfolgt die Stadt Essen aufmerksam, sucht dazu auch den Austausch mit anderen Kommunen und wird diese Fragen schließlich in den politischen Gremien behandeln.“
Weder das Land noch die Städte Nordrhein-Westfalens kopieren die Berliner Regeln. Das ist allerdings auch nicht nötig: NRW und viele Städte waren Vorreiter im Kampf gegen Antisemitismus. Der Bundestag folgte dem Land mit seinem BDS-Beschluss 2019. Nun entwickeln das Land und viele Städte ihre Förderkriterien als Reaktion auf die Massaker in Israel am 7. Oktober vergangenen Jahres weiter.