NRW: Der SPD steht die Entdeckung der Politik bevor


Die nordrhein-westfälische SPD will erst nach der Bundestagswahl im September ihre Niederlage bei der Landtagswahl im Mai diskutieren. Jetzt will die Partei erst einmal alles tun, um die Bundestagswahl halbwegs erfolgreich hinter sich zu bringen. Diskussionen über die Niederlage, ja, gar ein offenere Streit, könnten dazu führen, dass die SPD im Bund untergeht: Der SPD-Landesverband in NRW ist zu groß und zu wichtig, um sich im Wahlkampf mit sich selbst beschäftigen und streiten zu können. Diese Erklärung ist wahrscheinlich auch für viele Sozialdemokraten akzeptabel und die neue Führung der SPD, die ja aus Mitgliedern der alten Führung besteht, kam damit ja auf dem Parteitag am Wochenende in Duisburg auch durch. Sicher, Ulrich Horn hat Recht wenn er schreibt: „Die Erfahrung mit der NRW-SPD lehrt: Ist erst einmal einige Zeit ins Land gegangen, schwindet das Bedürfnis, Bilanz zu ziehen. Auch der Wunsch nach Erneuerung wird schwächer, je größer der Abstand zur Wahlniederlage wird.“ Doch was gibt es aufzuarbeiten? Politische Fehlentscheidungen, gar das man eine falsche Richtung eingeschlagen hat? Die SPD in NRW ist anders als die Sozialdemokraten in Hessen oder Bayern. Sie ist keine Partei in einem politischen Sinn und deshalb wird sie auch nach der Bundestagswahl nicht politisch über die Ursachen der Niederlage diskutieren. Ihre Mitglieder sind das nicht gewohnt, höchstens in Hinterzimmern wird mal ein offenes Wort gewagt. Jede Form der Analyse ist den meisten Sozialdemokraten in Nordrhein-Westfalen fremd. Spricht man sie auf Fehlentscheidungen an, die vielleicht zwei oder drei Jahre zurückliegen, kommt als Antwort, man müsse nun nach Vorne schauen, es nütze nichts, zurück zu blicken.  „Hätte, hätte Fahrradkette“ ist für den gemeinen Sozialdemokraten in NRW kein Spruch, es ist eine Geisteshaltung.

Und warum auch nicht? Die SPD in NRW definiert sich nicht über politische Ziele, sondern über die Macht die sie im Land und in den Kommunen hat. Sie ist nicht dafür da, politische Ziele umzusetzen, ist nicht Mittel zum Zweck sondern längst Selbstzwecke der  Partei. Macht ist gut und was die machen, die an der Macht sind auch, Hauptsache, sie haben das richtige Parteibuch. Diese Partei kennt keinen offenen Streit, sie brennt nicht für Ziele, sie will, wie Hannelore Kraft, nichts – ausser der Macht. Für die SPD in NRW ist deswegen der Gang in die Opposition besonders schwer. Seit Jahrzehnten ist die Fraktion, mit eine kurzen Unterbrechung von fünf Jahren, gewohnt, Regierungspolitik umzusetzen und durch zu winken. Ideen zu entwicklen, gestalten zu wollen ist den meisten Landtagsabgeordneten fremd – und sie wurde ja auch in einer Partei groß, die dies nie zu würdigen wusste: Mehr noch als in anderen Parteien war und ist in der SPD-NRW Loyalität die  wichtigste Eigenschaft, um Karriere zu machen. Man gehorchte der Führung, man streitet nicht um Ideen. In der Zeit nach Johannes Rau, der noch starke und eigenständige Minister um sich scharrte, war das noch anders. Bei Kraft gab es nichts mehr als einen schalen Personenkult und in der Mehrzahl drittklassiges Personal in der Regierung. Die Inhalte der Regierung Kraft bestimmten die Grünen, die Sozialdemokraten im Kabinett waren froh, das Dach eines Ministeriums über dem Kopf zu haben.

Eine solche Partei kann nicht eben mal eine Niederlage diskutieren und wenn, dann nur unter Marketinggesichtspunkten. Sie weiß nicht, was sie politisch falsch gemacht hat, weil es nichts gab, was sie politisch wollte. Von einer Organisation, der Selbstzweck die Erringung der Macht ist, muss die SPD in NRW sich zu einer Partei wandeln, in der offen gestritten und diskutiert wird – und sie muss sich klar machen, dass dieser Weg nicht automatisch wieder in kurzer Zeit zurück an die Macht führt. Aber er ist die Grundlage, eine lebendige Partei zu bleiben, auch wenn es mal keine Posten zu verteilen gibt.

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ke
ke
7 Jahre zuvor

Bis zur Bundestagswahl bleibt das "Ich will an die Macht" verbunden mit "Inhalte könnten Kritik verursachen" vermutlich die Kern-Strategie der SPD. Ok, vermutlich ergänzt um "Ruft doch mal Martin".

In NRW sind aber zumindest keine ca. 100 Prozent mehr Standard für Wahlergebnisse. Die Revolution kann also durchaus auch in der SPD kommen.

Zumindest in Dortmund ist es aber die SPD fast alleine, die wenigstens zeitweise sichtbar ist. Damit wir die Opposition wahrnehmen, haben wir vermutlich auch ein paar Kompetenzen im Bereich der Nano-Forschung erworben.

Helmut Junge
Helmut Junge
7 Jahre zuvor

Keine Gespräche, keine Diskussionen, immer nur nicken. Ist das nicht traurig? Ich meine traurig für diejenigen, die das überhaupt noch merken. Wenn es solche Mitglieder überhaupt noch geben sollte.

Norbert Krambrich
Norbert Krambrich
7 Jahre zuvor

Ob und wie in den heutigen Ruhrgebiets- Ortsvereinen der SPD diskutiert wird kenne ich nur vom Hörensagen, ich befürchte allerdings es hat sich wenig an intensiven Diskussionen um Biermarkenfarben, Bratwurstgrillen und Bierzapfen auf Kümmererfesten geändert.Diverse Vergaben von Wahlkampfpräsenten an Wahlkampfständen, Begegnungen mit Stammwählern, bei denen man eher daran dachte, Staatsschutz oder sozialpsychiatrischen zu holen und jede Diskussion von Mandatsträgern vermieden wurde, um Wähler nicht zu verschrecken. Politik, vielmehr Machtpolitik wurde eher in Kungelkreises des UB- Vorstandes oder bei Seminaren in Stenden betrieben, mit viel Alkohol und Nikotin. Heute wohl eher die Ausnahme, nicht das Kungeln,aber wohl Qualm und Suff.Politische Diskussionen gab es eher in der großen weiten Welt, also bei Landes und Bundesparteitagen oder Ausschüssen, denen man dann im Ruhrgebiet vorwarf, zu intellektuel und zu wenig Kümmerer zu sein.

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