Bei der Landtagswahl im Mai erhielt die Linkspartei nur noch 2,5 Prozent der Zweitstimmen. Nach zwei Jahren schied Die Linke aus dem Landtag aus. Nun arbeitet sie an ihrem Wiederaufbau.
Als Die Linke mit nur 2,5 Prozent am 13. Mai den Wiedereinzug in das Landesparlament deutlich verfehlte, war das für die meisten Berichterstatter kaum mehr als eine Randnotiz wert. Der Triumph von Rot-Grün, der Erfolg der FDP unter Christian Lindner, der Einzug der Piraten in den Landtag und der tiefe Absturz der CDU auf gut 26 Prozent waren die bestimmenden Themen. Schon Monate vor der Wahl lag die Linkspartei in allen Umfragen deutlich unter fünf Prozent. Wahlkampfveranstaltungen, selbst von Prominenten wie Oskar Lafontaine, waren nur mäßig besucht.
Ein halbes Jahr später sitzt Rüdiger Sagel, der Vorsitzender der Partei, vor einem Kakao in einem Café am Domplatz in Münster. In der Stadt wird der Weihnachtsmarkt aufgebaut, Studenten radeln durch die mittelalterliche Kulisse Münsters, das zu den wohlhabendsten Städten Nordrhein-Westfalens gehört. Im Juli wurde er zum Vorsitzenden der Linkspartei NRW gewählt, für die er bis zum Mai im Landtag saß. Seine Aufgabe: Die Partei nach dem Schock wieder aufrichten, sie bereit zu machen für kommenden Wahlkämpfe und Streitigkeiten an der Basis zu schlichten. Sagel sagt, das ihn vieles an die Grünen erinnert: „Wir sind eine junge Partei und haben uns erst 2007 gegründet. Die Probleme, die wir heute haben, hatten die Grünen noch bis in der 90er Jahre. 1985 sind sie nicht in den Landtag in NRW eingezogen, 1990 aus dem Bundestag rausgeflogen. Und die Piraten zeigen ja gerade wieder, wie sich eine neue Partei selbst zerlegen kann.“
Rüdiger Sagel hat ein kleines Buch über seine Zeit in der Landtagsfraktion der Linken geschrieben. Es ist eine Bilanz seiner Arbeit und am Ende eine Analyse über das Scheitern bei der Wahl. Sagel stellt in dem Buch mehr Fragen als er Antworten präsentiert: Über den Umgang mit den Medien, über den Wahlkampf, über die Probleme der fehlenden Machtperspektive, über die Unsicherheit vieler in der Linken über die Rolle der Partei.
„Es gab viele Gründe, warum wir es im Mai nicht geschafft haben: Der Streit in der Partei auf Bundesebene war wichtig, aber auch dass wir es nicht geschafft haben, deutlich zu machen, was wir im Landtag geleistet haben.“
Es sei die Linkspartei gewesen, sagt Sagel, auf deren Druck hin die Minderheitsregierung aus SPD und Grünen keinen Personalabbau geleistet hätte und die dafür gesorgt hat, dass im 2011 in Kraft getretenen Personalvertretungsgesetz zahlreiche Positionen der Gewerkschaften berücksichtigt worden seien: „Auch das mehr Steuerprüfer eingestellt wurden, ist ein Erfolg der Fraktion im Landtag gewesen.“
Nur sei die Partei nicht in der Lage gewesen, dies auch öffentlich zu vermitteln: „Im Wahlkampf kamen wir medial kaum noch vor. SPD und Grüne konnten den Wählern vermitteln, dass nur sie zusammen eine stabile Mehrheit hinbekämen und die wollten die Menschen.“
Auch das der Landtagswahlkampf ein Personenwahlkampf war, hat der Linkspartei geschadet. Es ging im Frühjahr um Köpfe: Um die Landesmutter Hannelore Kraft, Norbert Röttgens glücklose Versuche, sich zu profilieren und Christian Linders Sturmlauf über die Fünf-Prozent-Hürde – das alles beschäftigte die Wähler mehr als die Inhalte. Die Linkspartei trat bei der Landtagswahl mit Katharina Schwabedissen an, einer Spitzenkandidatin, die ihr Konterfei nicht auf Wahlplakaten sehen wollte.
Aber Sagel sieht die Fehler nicht nur bei den anderen: „Wir haben zum Teil große Probleme in den Städten. Ganze Fraktionen sind ausgetreten, anderen haben sich gespalten.“ In Gelsenkirchen sind die Ratsmitglieder der Linkspartei zum zweiten Mal nach einer Kommunalwahl komplett aus der Partei ausgetreten. Ehemalige Funktionäre der Partei schätzen, dass über 30 Fraktionen in den Städten, Kreisen und Gemeinden in den vergangenen drei Jahren weggebrochen sind.
Sagel ist viel unterwegs im Land, besucht Kreisverbände und Fraktionen. Sein nächstes Ziel ist die Bundestagswahl im kommenden Herbst: „Die Linke wird im Bundestag nur mit einer starken Fraktion vertreten sein, wenn wir in NRW ein gutes Ergebnis erzielen. Über fünf Prozent sollten es schon sein.“ Das die Partei Mitglieder verliert, stört ihn nicht: „Wir hatten auf dem Höhepunkt 8.500 Mitglieder. Viele davon waren nicht aktiv und haben auch keine Beiträge gezahlt. Andere waren in der Lage, eine ganze Parteiversammlung zu sprengen. Wenn wir die nicht mehr haben und nach der Durchsicht der Mitgliederlisten bei gut 7.000 liegen, ist das für mich in Ordnung. Das sind dann diejenigen, die in der Partei wirklich mitarbeiten wollen und aktiv sind.“
Utz Kowalewski ist so einer. Kowalewski sitzt für die Linkspartei im Dortmunder Rat. Keine Demo gegen Nazis oder für das Sozialticket, bei der Kowalewski nicht dabei ist. Kowalewski gilt bei vielen seiner Ratskollegen als kompetent, er ist ein gute Redner, engagiert und nicht dogmatisch. Trotzdem: Als am 26. August die Wahl des Dortmunder Rates wiederholt wurde, verlor die Linke zwei Prozentpunkte und erhielt nur noch 3,5 Prozent der Stimmen. Dem Misserfolg bei der Landtagswahl folgte eine verlorene Kommunalwahl und das in einer Stadt, die eigentlich eine Hochburg der Partei sein müsste: Dortmund ist eine der ärmsten Städte Deutschlands, sozial tief gespalten in einen reichen Süden und einen armen Norden. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, die Chancen vieler Menschen sind es nicht. Und der Grund der Wahlwiederholung war eine Lüge des 2009 amtierenden SPD-Oberbürgermeisters Gerhard Langemeyer. Im Wahlkampf hatte der ein Haushaltsloch von 100 Millionen Euro verschwiegen um keine 24 Stunden nach der Kommunalwahl eine Haushaltsperre zu verkünden. Genutzt hat das alles der Linkspartei in Dortmund nicht:
„Unser Problem“, sagt Kowalewski, „war die geringe Wahlbeteiligung. Zu Wahl gingen die besser Gebildeten und die Besserverdiener. Im Süden gab es Wahlbezirke mit einer Wahlbeteiligung von 50 Prozent, rund um den Nordmarkt, wo die Armut besonders groß ist, waren es nur zehn Prozent.“ Gerade die Abgehängten und Ärmeren, sagt Kowalewski, gingen nicht mehr zur Wahl. „Das ist ein Problem für uns und zeigt, dass wir noch stärker auf die Straße müssen, dahin, wo die Probleme sind.“
Die Landtagwahl sei ein Schock gewesen, aber er bedeutet für Kowalewski nicht das Aus für das Projekt Linkspartei im Westen: „Die Probleme sind doch nicht geringer geworden und es hat sich doch schon oft gezeigt, dass SPD und Grüne sich, wenn es darauf ankommt, nicht mehr für die sozial Schwachen interessieren.“ Vor der Wahl gäben sich beide Parteien links, nach der Wahl bleibe dann davon nicht mehr viel übrig. Das merke man auch jetzt in der Landespolitik: „Kaum sind wir aus dem Landtag, setzt Rot-Grün auf Sparpolitik.“ Zumindest nach den Maßstäben der Linkspartei.
Sagel glaubt fest daran, dass die Linkspartei bei der Bundestagswahl 2013 erfolgreich sein wird: „Viele unserer Positionen wie die Reichensteuer oder der Rückzug aus Afghanistan haben in der Bevölkerung eine große Mehrheit.“
Und seitdem Katja Kipping und Bernd Riexinger an der Parteispitze stehen, hätten die Konflikte innerhalb der Linkspartei auch nachgelassen. „In einem“, sagt Sagel, „sind unsere Wähler wie die aller anderen Parteien: Sie wollen, dass eine Partei mit ihren Gegnern streitet und nicht mit sich selbst.“
Der Artikel erschien in einer ähnlichen Version bereits in der Welt am Sonntag
@ S. Laurin
Waren Sie in einem Nichtraucherlokal?
Einen so verständnisvollen Text zu den Linken hätte ich Ihnen eigentlich nicht zugetraut.
Chapeau!
P.S.:
Besonders schön fand ich, dass Ihr schwachsinniges Google-Adword-App eine Werbung der Linken mit dem Titel „Für eine solidarische EU“ am Kopf des Artikels gepostet hat. Jetzt kann man ohne zu lügen behaupten, die Ruhrbarone werden von der Linken bezahlt.
@68er:Bedankt.
Links anne Ruhr (05.12.2012)…
Bochum: Stadtwerke-Affäre: „Der Aufsichtsrat wird Wilmert nicht abberufen“ (Westfalenpost.de) – Dortmund: Fandemo zum Erhalt der Fankultur (Dem G.W.S. sein Blog…) – Datteln: Entscheidung in Sachen ‚NewPark……
Wieso soll der Kommentar des Laurin ein der PdL wohlgesonnener Kommentar sein. Es ist ein wertneutraler,informativer Kommentar über einen Führungsmann dieser PdL. Nicht mehr, nicht weniger. Wer als Leser an den politischen Weihnachtsmann glaubt der entweder von rechts oder von links kömmt, nimmt den Kommentar als ein jener PdL gewogenen Kommentar. Wer erwachsen Politik besieht-entnimmt dem wertneutralem Kommentar Informationen zur Einschätzung dieser PdL und eben ,in diesem Falle, über diesen dargestellten Führungsmann.
Und was man da entnehmen kann anhand der zitierten Äußerungen oder beschriebenen Inhalte – ist für die PdL und für den beschriebenen Frintmann wenig schmeichelhaft. Man nehme nur als Beispel diesen unsäglichen Begriff „Reichensteuer“ -ursächlich mal vor Jahren (nach der Senkung des jahrzehntelang bestanden habenden Einkommenssteuerhöchstsatzes v.damals 56 Prozent auf den jetzt gültigen niedrigeren durch die SPD/Grünen-Regierung des Schröder) mit Gratismut von der damaligen Linkspartei geprägt um mit dem Neidgefühl vieler Nichtbegüterter Stimmenbefang zu betreiben nach dem Motto : „..die tun was..“!
Ein real aber fiskalpolitischer und verfassungsrechtlicher Unsinnsbegriff,der, würde sich irgendwer seiner fundamental bedienen und ein „Gesetz“ mit dieser Intention basteln (etwa als dezidiert so begründete Zusatzabgabe für Infragekommende und auf den Kasus „reich“ abstellen dabei) dabei das Kassieren durch und Scheitern vor dem Bundesverfassungsgericht eingebaut hätte in ein solche mit TamTam angekündigtes Gesetz -sei es aus Dummheit (Fußvolk bei den Linken und sonstig),sei es aus Absicht( diverse Führungskräfte bei den Linken und den Begriff stets kolportierende andere Kräfte und Journalisten) so gebastelt worden.
Juristisch korrekt wäre ,wer das wollte, eine schlichte Erhöhung der Einkommenssteuertarife, also etwa zurück auf 56 Prozent und etwa eine auf staatspolitische fiskalische Notwendigkeiten (nicht auf das Adjektiv „reich“) abstellende,zeitlich befristete Sonderabgabe in bestimmter prozentualer Höhe die sich wie auch immer gestaltet am veranlagten steurpflichtigem Einkommen orientieren würde; also so, wie es sie früher in der Bundesrepublik auch schon mal gab. Das würde durchgehen. „Reichensteuer“ – ist eine populistische und juristisch gar nicht durchsetzbare Sache zum Wählerfang und Leuteverdummen.
Wer also ,back to the roots des laurinschen Kommentars, sowas wie „Reichensteuer“ im Munde führt – der wird nicht gewählt! Denn Leute, welche auch noch absichtlich ein politisches „Hornberger Schießen“ (das Verballern der Munition bevor der Feind da ist,nur um die rangelnden „Feldherren“ auf den Schild zu heben) herbeiführen, die wählt kaum jemand ,der in Nachkriegsbundesdeutschland zur Schule ging, soweit es sich um Schule und eben nicht bessere Baumschulen für besserer Leute Kinder handelte.
Nein, Laurins informativer Kommentar ist alles andere als der Linken gewogen. Man muß nur richtig lesen -und auf Geifer und Dumpfbackenkritik verzichten.
@ Meier
Häh?
@Meier: Es ist kein Kommentar, sondern einfach nur ein Artikel. Und ich habe nur an einer Stelle sehr zurückhaltend gewertet:
Das merke man auch jetzt in der Landespolitik: „Kaum sind wir aus dem Landtag, setzt Rot-Grün auf Sparpolitik.“ Zumindest nach den Maßstäben der Linkspartei.
Ausserhalb der Linkspartei kann niemand bei Rot-Grün in NRW eine Sparpolitik erkennen.