Gestern in Thomas Kutschaty als SPD-Vorsitzender zurückgetreten. Ob er sich als Vorsitzender der Landtagsfraktion halten kann, ist offen. Nun hat die Suche nach einem Nachfolger begonnen. Die SPD sollte dabei in die Städte im Land und nicht nach Berlin schauen.
Im Herbst 2021 besuchte Thomas Kutschaty Bad Münstereifel. Die Stadt war beim Hochwasser stark zerstört worden, es hatte Tote gegeben. Kutschaty traf sich in den Räumen der evangelischen Kirche mit Menschen, die traumatisierten Opfern der Katastrophe beistanden. Er hörte ihnen zu, stellte viele Fragen und versuchte im beginnenden Landtagswahlkampf nie, angesichts der Tragödie einen schnellen Punkt auf Kosten der Landesregierung zu machen. Kutschaty verhielt sich so, wie viele Menschen sich einen Politiker im Alltag wünschen: Offen, interessiert und auf der Suche nach Lösungen. Sein Problem war, dass seine Art im Wahlkampf nicht durchdrang. Bei der Landtagswahl im Mai 2022 gewannen die CDU und ihr Spitzenkandidat Hendrik Wüst.
Die SPD erreichte mit gut 26 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis seit der Gründung Nordrhein-Westfalens. Gestern trat Kutschaty als Vorsitzender der SPD in NRW zurück. Wie lange er noch die Landtagsfraktion führen wird, ist offen. Als wahrscheinlichste Nachfolger wird Alexander Vogt aus Herne gehandelt. Die Stadt ist eine der wenigen verbliebenen SPD-Hochburgen Deutschlands.
Hört man sich um, wer künftig die Partei führen soll, fallen mit Entwicklungsministerin Svenja Schulze und Michelle Müntefering zwei Politikerinnen aus Berlin. Beide sind bundesweit bekannt, vor allem Schulze verfügt als Ministerin über eine Medienpräsenz, die weitaus größer ist als die jedes Landespolitikers. Doch auf eine Bundespolitikerin zu setzen, wird die SPD nicht aus ihrer Misere holen. Schulze und Müntefering stehen für eine woke SPD, die sich im besten Fall am Lebensgefühl von Berlin-Mitte orientiert, wenn es ganz schlimm kommt, am Prenzlauer Berg.
Doch die Sorgen der Menschen in Duisburg, Krefeld oder Köln, die von der SPD noch erreicht werden können und nicht die Grünen wählen, haben mit den postmodernen Ideologieträumereien und hipper Wokeness nicht viel zu tun. Wie kommen die Städte mit den vielen Flüchtlingen klar? Was kann gegen hohe Mieten und Wohnungsnot getan werden? Wie steht es um die Sicherheit? Welche Jobs bleiben übrig, wenn grüne Weltrettungsvisionen Arbeitsplätze in der Industrie zerstören? Solche Fragen beschäftigen pragmatische Kommunalpolitiker. Die haben den Nachteil, außerhalb ihrer Stadtgrenzen kaum bekannt zu sein, aber die Erneuerung der SPD wird lange Zeit dauern. Man kann sich Prominenz auch erarbeiten.
Michelle Müntefering forderte im Gespräch mit dem Kölner Stadtanzeiger, die SPD müsse „moderner und weiblicher werden“. Tatsächlich wäre eine pragmatische und erfahrene Kommunalpolitikerin als neue Landesvorsitzende der Sozialdemokraten in Nordrhein-Westfalen eine gute Wahl. Nur die Gefahr ist groß, dass „modern“ für Müntefering nichts mit Wachstum und Technologieoffenheit zu tun hat, sondern mit ökoreligiösem Rückschritt und wokem Kampf gegen die Lebensgewohnheiten und Interessen der Bevölkerungsmehrheit. Aber als postmoderne Clownstruppe hätte die SPD allerdings keine Chance in NRW.