Am Freitag war ich auf der Klausurtagung der Medienkommission der Landesanstalt für Medien in Düsseldorf. Was sich die Landesregierung unter der Förderung „regionaler und lokaler digitaler Medien“ vorstellt, ist mir nun klarer geworden.
Am Freitag traf sich die Medienkommission der Landesanstalt für Medien (LfM) zu einer Klausurtagung in Düsseldorf. Die Medienkommission, deren Mitglieder Politikern und Lobbyisten sind, die sich selbst allerdings als engagierte Bürger sehen, traf sich, um über die Stiftung Partizipation und Vielfalt zu beraten. Ich war als Journalist eingeladen, mich zur Stiftung zu äussern und an der Diskussion teilzunehmen. Meine Artikel in den vergangenen Tagen zu dem Thema hier im Blog waren das Ergebnis meiner inhaltlichen Beschäftigung mit dem Projekt und so etwas wie eine Vorbereitung auf die Klausurtagung.
Dabei wurde deutlich, in welche Richtung die Unterstützung regionaler und lokaler digitaler Medien gehen wird – und da in verschiedenen Redebeiträgen immer eines dieser Medien –Hallo-Herne – genannt wurde, liegt es nahe, das Hallo-Herne als Beispiel für die Art von Digitalen Medien sieht, die man gerne von Seiten der Landesregierung und ihr nahestehenden Fachleuten und Organisationen unterstützen möchte.
Demnach sähe es die Politik gerne, wenn es in Zukunft mehr solche Angebote geben würde – und eine Unterstützung könnte so aussehen, dass sich die lokalen Ableger unter einer gemeinsamen Plattform zusammentun um so eine gemeinsame Marke zu schaffen. Die Plattform – und hier halte ich eine Unterstützung durch die Stiftung Partizipation und Vielfalt nach Freitag am wahrscheinlichsten, soll eigens programmiert werden – auch braucht es nach diesem Denken eine zentrale Vermarktung.
Natürlich gibt es solche Plattformen schon heute, natürlich ist die Technik da, kann kostenlos oder fast kostenlos genutzt werden, so regionale Angebote sich unter einer Dachmarke zusammenschließen wollen. Dafür braucht und brauchte niemand die Hilfe des Staates und wenn der sich nun in diesem Bereich engagieren will ist klar, dass es um seine, um Machtinteressen geht und nicht um die Interessen von Journalisten.
Interessant könnte werden, wer sich noch unter dieser Marke zusammenschließen wird – neben den privaten Angeboten wie Hallo Herne haben längst Städte und „Volkseigene Betriebe“ eigene Informationsportale aufgebaut. Werden sie in eine solches Portal integriert oder unterstützen direkt den Aufbau alternativer lokaler Angebote ergeben sich gute Möglichkeiten der Finanzierung dieser scheinunabhängigen Medien durch die VEBs, die Städte und die Stiftung – man sitzt ja in einem Boot und segelt unter der Flagge der medialen Vielfalt.
Den Vertretern der Landesregierung und der sie tragenden Parteien und der ihr nahestehende Organisationen, die in allen relevanten Gremien wie der Medienkommission die Mehrheit haben, würde es so gelingen, im digitalen Bereich eine regionales wenn nicht landesweite mediale Dachmarke zu gründen. Finanziert werden könnte sie durch die Stiftung und durch Werbegelder der stadtnahen Unternehmen, die diese aus den traditionellen privaten Angeboten ganz oder teilweise abziehen könnten.
Mit vergleichsweise überschaubaren Mitteln an frischem Geld könnte so eine Verbund entstehen, der nach Außen hin unabhängig wird, aber eng mit der Politik verbunden ist.
Aus Sicht der Politik ist das ein bestechendes Modell. Die Inhalte, vor allem Pressemitteilungen der Stadt, ihrer Töchter und der Parteien sind zum großen Teil vorhanden und müssten nur noch angepasst werden – die Ergänzung durch selbst erstellte Inhalte ist dann ohne allzu großen Aufwand zu machen. Integriert man in dieses Konzept noch „Bürgerreporter“, hat man eine wunderbare Simulation eines unabhängigen Mediums.
Bis das alles fertig wird – falls es fertig wird und sich dieser Blick in die Glaskugel als zutreffend erweisen sollte – wird es lange dauern. Viel Geld wird erst einmal für Berater und Gutachter ausgegeben werden. Immerhin wollen auch die versorgt werden, schaffen sie doch den seriös wirkenden Legitimationsrahmen für die Offensive der Landesregierung im Bereich der digitalen Medien.
Ist das geschafft, wird erst einmal eine technische Plattform programmiert werden. Auch in diesem Bereich müssen ja die Freunde bedacht werden. Und dann kann es irgendwann einmal losgehen. Ich rechne mit einem Start des Projektes deutlich vor der nächsten Landtagswahl 2017. 2015 oder 2016 werden sich passende Termine finden lassen.
Was wir dann haben werden sind politiknahe, freundlich aber etwas langweilig gemachte Lokal- und Regionalmedien, die im wirtschaftlichen Bereich in Konkurrenz zu den unabhängigen Angeboten treten werden. Tendenzen die heute schon erkennbar sind, wie der Entzug von Werbegeldern bei kritischer Berichterstattung, werden zunehmen. Denn es gibt ja eine Alternative – und die ist nett…
Mehr zu dem Thema auf den Ruhrbaronen:
„Es gibt eben viele, denen die Nähe zum Staatsgeld mehr bedeutet, als die Freiheit.“
Landesmediengsetz NRW: Warum das Mediengesetz schlecht ist und was der Staat tun könnte
Landesmediengesetz NRW: Kontrolle, Genossenfilz und ein Angriff auf die Freiheit der Medien
Medien: Pöttker, Eumann und die Unabhängigkeit
Journalismus als gemeinnützige Aufgabe
Stefan Laurin,
wenn, wie von Dir geschildert, die Interessenlage von Politik, Wirtschaft und einem großen Teil der Medien hier deckungsgleich ist,dürfte es kaum gelingen, die Medienpläne der Landesregierung aufzuhalten bzw. substantiell zu ändern oder?
@Walter Stach: Nein, natürlich nicht. Aber wir werden das weiter beobachten, benennen wer gibt und wer nimmt und uns in Zukunft alle genauer anschauen, die damit etwas zu tun haben: LfM, Politik, Stadtwerke und Medien. Wer uns kennt weiß, dass wir so etwas über einen sehr langen Zeitraum machen und dabei auch nie – wirklich niemals – einknicken. Es wird viele interessante Geschichten geben, über die sonst kaum jemand berichtet. Wir sehen dem mit Interesse entgegen 🙂
Eventuell wäre es eine Überlegung wert, die Möglichkeiten solcher ÖR-Plattformen Werbegelder einzunehmen, einzuschränken? Im TV-Segment kann die ARD z.B. nur am sogenannten „Vorabend“ Werbespots schalten.
Übrigens: „Hallo Herne“ sieht für mich nicht wie eine gefährliche Konkurrenz für ein gut gemachtes, privatwirtschaftliches lokaljournalistisches Angebot aus. Doch scheinbar verweigern sich die Verleger hier der Möglichkeit Geld mit neuen Lokaljournalismus-Lösungen zu verdienen? Vielleicht müsste man hier mal etwas mehr quer denken – und aufzuhören zu versuchen, den klassischen Zeitungsartikel oder Reportagevideo für die digitale Sphäre zu adaptieren?
@Mit-Leser: Nein, das reicht nicht. ÖR als TV und Radiosender ist ok – Ton und Bewegtbild, aber keine eigenen Texte – egal ob mit oder ohne Werbung. Querdenken ist immer gut, aber wer einmal ein Gremium wie die Medienkommission aus der Nähe gesehen hat weiß, dass es dort um Macht und Einfluss geht und nicht um querdenken. Ich finde viele Angebote der Verlage nicht schlecht. Das Problem ist doch nicht die Qualität, sondern der Monetarisierung. Hier wird noch immer nach Lösungen gesucht – aber es ist doch lächerlich zu glauben das gerade in dieser Frage die Lösung von Leuten kommt, die zum größten Teil von Steuergeldern leben 🙂
Sag ich doch: Das „Querdenken“ muss aus der Industrie kommen. Eben weil Qualität und Monetarisierung auf längeren Strecken nur Hand in Hand gehen können. Klar: Die Verlage sind nicht schlecht darin, guten Content kostenlos ins Netz zu stellen. Aber wie soll man davon leben? 😉 Kurz: Wo sind die innovativen Verleger/Herausgeber/Unternehmer? Mich wundert es jedenfalls nicht, dass der Journalismus in einer ähnlichen Krise steckt, wie die Musikindustrie vor ein paar Jahren. Und mich wundert es auch nicht, dass die politischen Strategen diese Marktlücke nicht liegen lassen. Aber: Wenn das Land „Hallo Herne“ jetzt auf Bielefeld, Datteln oder Grevenbroich ausweitet ist das für mich nicht wirklich ein Problem – bzw. ist es eher Teil des Problems, das es zu wenige fähige Medienunternehmer gibt, sich trauen neue Wege zu gehen und quer zu denken. 😉
@Mit-Leser: Es soll sich ausweiten wer will – aber nicht mit Staatsknete und unter Einfluss des Staates. Mal abwarten: Es gibt das Piano-Modell (https://www.pianomedia.sk/) aus Osteuropa, das halte ich eigentlich für sehr gut. Es gibt Paid-Content Modelle und es werden mehr. Vielleicht kommt auch eine Mischung aus so etwas wie Spotify und Flipboard. Dazu wird es Medien geben, die von ihren Lesern finanziert werden – die Zuwendungen der Leser sind für dieses Blog längst die größte Einnahmequelle. Warum soll nicht irgendwann ein gemeinnütziger Verein die Ruhrbarone finanzieren? Nur den Staat hätte ich da weiterhin gerne draussen – und nur darum geht es bei dieser Debatte: Den Zugriff des Staates auf die Medien zu verhindern.
Den Zugriff des Staates auf die Medien zu verhindern, ist ein großes Ziel. 😉 Aber ich finde die genannten Beispiele auch nicht schlecht. Ob es gleich ein Verein nach dem Vereinsrecht sein muss, weiß ich nicht – ein Abo-Modell a la Spotify wäre da vermutlich flexibler. Aber vielleicht ist es auch der falsche Weg, Lösungen aus anderen Branchen zu kopieren. „Sich informieren“ und „Musikhören“ sind im Nutzungsverhalten evtl. zu verschieden? Schauen wir mal… 😉
@Mit-Leser: In den USA gilt Journalismus als gemeinnützig – und es gibt etliche, gemeinnützige journalistische Organisationen. Das Modell ist eines, das sich bewährt hat – aber auch nur eine unter vielen. Andere habe ich ja bereits skizziert. Den Zugriff der Staates werden wir nicht verhindern können – das ziehen jetzt SPD und Grüne in NRW durch. Aber wie groß die Nummer wird, ist noch nicht raus. Sie werden sich jetzt ein paar Wackeldackel schaffen. Und wir werden darüber kritisch berichten. Wir haben über einige der angeblichen Modell-Unternehmen schon interessante Zahlen zusammen getragen und ein paar spannende Hintergründe recherchiert. Es wird für unsere Leser nicht langweilig werden – und für die Wackeldackel und ihre Freunde auch nicht 🙂
[…] Landesmediengesetz NRW: Die Vielfalt, die sie meinen (Ruhrbarone) – […]
Stefan Laurin,
in der Diskussion über ein Ob und ein Wie staatlicher Beeinflussung der Medien sollte, vor allem auch mit Blick auf die aktuelle Entwicklung in den USA, mitbedacht werden, ob und wie die „Herrschaft einiger weniger „Finanzkapitalisten“ -mehrfache Dollar-Milliardäre in den USA- dem dienlich ist, was wir gemeinhin unter „Medienfreiheit“, die u.a auch die Medienvielfahlt umfaßt, verstehen.
Unterstellt, daß die Befürchtungen begründet sind, mit dem Landesmediengesetz würde das Land NRW die “ Medienfreiheit“ beeinträchtigen, wäre dieses eine abzulehnende, aber im Vergleich zur „Medienmacht einiger weniger, demokratisch nicht kontrolliertbarer finanzstarker,wirtschatsmächtiger Akteure in der Gesellschaft“ weniger gravierend. Der Zustand „von Herrschaftsmacht gesellschaftliche relevanter Akeurere zu Lasten der Medienfreiheit“ verfestigt sich ja nicht nur in den USA immer mehr, sondern exiert bekanntlich auch in Europa und in Deutschland – mit zunehmender Tendenz-.
Ich will mit meiner Anmerkung nicht von der hier diskutierten Problematik ablenken, zumal ich mir speziell dazu noch keine abschließende Meinung gebildet habe.
Meine Anmerkung hat ganz grundsätzlich damit zu tun, daß wider alle Realitäten die öffentliche Diskussion, wenn es um die Sicherung bürgerlicher Grundfreiheiten geht, immer nur und immer noch, weil historisch bedingt, primär auf den Staat als denjenigen ausgerichtet ist, gegen den die Freiheitsrechte der Bürger abzusichern sind. Dass die Freiheitsrechte durch gesellschaftlich mächtige Akteure bedroht wurden, bedroht werden und m.E. zunehmend gefährdet sind, bleibt leider in den meisten Diskussionen außen vor , eben auch dann, wenn es um die Medienfreiheit geht.
@Walter: Die Landesregierung und – wie ich skizzierte – die Städte mit ihren eigenen Unternehmen stellen eine nicht unbedeutende Macht dar. In Köln (groß) und in Bochum (klein) betreiben die Stadtwerke eigene Medien. Diese Unternehmen sind – gerade in einer wirtschaftliche schwachen Region wie dem Ruhrgebiet – mächtige Akteuere und sie sind politisch kontrolliert. Geld und Politik – keine gute Mischung.