NRW ist nach Einschätzung des Dachverbandes Unternehmer NRW nicht ausreichend für die Herausforderungen im Wettbewerb mit anderen Regionen gerüstet.
Die schwarz-grüne Landesregierung habe zwar in ihrem ersten Jahr ordentlich gearbeitet. Die eigentliche Prüfung stehe ihr aber erst noch bevor. „NRW muss schneller werden, und zwar auf vielen Feldern gleichzeitig“, sagte Arndt G. Kirchhoff, Präsident des Dachverbandes, im Interview mit der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ, Freitagsausgaben).
In einer sich rasant verändernden Welt sei Tempo das Gebot der Stunde, so Kirchhoff. „Für die Energiewende benötigt das Land mehr Windräder, Solaranlagen und die komplette Infrastruktur für Wasserstoff. NRW muss bei den Planungs- und Genehmigungsverfahren für diese Zukunftstechnologien schneller werden. Da ist noch zu viel Bürokratie im Spiel, die Genehmigungen dauern zum Teil Jahre“, sagte Kirchhoff. Es könne nicht sein, „dass ein Wurm ganze Projekte aufhalte“. Die grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bund) und Mona Neubaur (NRW) hätten stets betont, es gehe ihnen um den Erhalt von Arten, nicht um einzelne Tiere. Dafür müssten aber Gesetze geändert werden, forderte Kirchhoff.
Dem Ruhrgebiet attestiert Kirchhoff ein Flächenproblem: „Wir können nicht immer warten, bis das Alte verschwunden ist und dann erst Neues entstehen lassen. Tesla ist nach Brandenburg gegangen, weil es in NRW keine geeignete Fläche gab. Mein Unternehmen hat jüngst in Leipzig eine Fabrik für Kehrmaschinen eingeweiht. Die Genehmigung dafür hat nur zwölf Monate gedauert, obwohl wir dort erst die ,Lurchis‘ umgesiedelt und ein Biotop angelegt haben.“ Sachsen habe diese Arbeitsplätze unbedingt gewollt. In NRW ginge das nicht so schnell.
Wenn Deutschland nicht über 40 Milliarden für „Syrien“ ausgeben würde, könnten wir eventuell die Steuern senken. Aber DEI, CRT, Wärmepumpen, Gender Studien und Anti Rassismus Institute kosten viele Millionen bzw. Milliarden.
Es sagt viel aus, wo eine Politik Schwerpunkte setzt. Diese Politik investiert nicht in die Zukunft von D & EU. Sie ist ein Bankomat für links regressive Akademiker geworden.
Am 19.6.23 schreibt Johannes C. Bockenheimer in der NZZ:
Lahme Verwaltung, hohe Kosten: Industrie attackiert den deutschen Kanzler.
Normalerweise ist der Tag der deutschen Industrie eine Veranstaltung, bei der Wirtschaftslenker und Spitzenpolitiker gegenseitig Nettigkeiten austauschen und sich umschmeicheln.
In diesem Jahr hingegen ging es frostig und kalt zu, statt freundlicher Komplimente hagelte es Kritik – nicht zuletzt an Bundeskanzler Olaf Scholz. Einiges laufe in Deutschland komplett in die falsche Richtung, sagte Siegfried Russwurm, kurz bevor der Kanzler am Montag die Bühne betrat. Das Land stehe vor einem «Berg» wachsender Herausforderungen, sagte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI).
Die Ungeduld und Unsicherheit bei vielen Unternehmern nehme zu, so Russwurm weiter. Die Politik müsse deshalb jetzt Strukturreformen endlich systematisch anpacken. Denn immer mehr deutsche Unternehmen bis weit in den Mittelstand hinein beschäftigten sich damit, Teile ihrer Wertschöpfung aus Deutschland abzuziehen. Firmen seien mit den derzeitigen Strompreisen oder Energiepreisen im globalen Wettbewerb zunehmend überfordert, so Russwurm.
Die von Scholz versprochene «Deutschland-Geschwindigkeit» habe sich mit Ausnahme des Baus von Flüssiggas-Terminals bisher nicht erfüllt. Der BDI-Präsident forderte eine Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren, bessere steuerliche Rahmenbedingungen für Investitionen am Standort und Augenmass bei der Regulierung. Vor allem aber müsse die «Ampel» ein Konzept vorlegen, das dauerhaft eine sichere Versorgung mit Strom zu international wettbewerbsfähigen Kosten gewährleiste.
«Wer glaubt, die Energiewende könne zur Keimstelle eines neuen Wirtschaftswunders werden, der unterschätzt, dass die Investitionen zu einem grossen Teil nur einen bestehenden Kapitalstock ersetzen», sagte Russwurm. Die Energiewende bringe erst einmal kein zusätzliches wirtschaftliches Wachstum. Der BDI erwartet für das laufende Jahr daher eine wirtschaftliche Stagnation. Deutschland falle im internationalen Vergleich zurück.
Scholz dagegen hatte gesagt, wegen der hohen Investitionen in den Klimaschutz seien hohe Wachstumsraten wie zu Zeiten des «Wirtschaftswunders» in den 1950er und 1960er Jahren zu erwarten.
Russwurms Kritik am Kurs der «Ampel» wies der Kanzler strikt zurück – und lobte sich stattdessen selbst. Man sei vom Reden ins Handeln gekommen und habe all die Horrorszenarien vermieden, von denen noch vor ein paar Monaten die Rede gewesen sei: etwa drohende Gas- und Stromabschaltungen für die Unternehmen, eine tiefe Rezession und weiter steigende Energiekosten. «Keine einzige dieser Prognosen ist eingetreten», behauptete der Kanzler.
Nach «beispiellosen Krisenjahren mit beispielloser Schuldenaufnahme» sei es jetzt die Pflicht der Regierung, das Land «solide in die Zukunft zu führen». Statt auf Erleichterungen zu hoffen, stünden jetzt auch die Unternehmen in der Pflicht, sagte der Kanzler. «Unsere gute Zusammenarbeit in den vergangenen Monaten gibt Zuversicht für die Aufgaben, die vor uns liegen», sagte er in Richtung des BDI-Chefs Russwurm.
Kritik an Scholz kam am Montag allerdings auch aus der Opposition. «Für den Standort Deutschland ist der Passiv-Kanzler Scholz zunehmend eine Belastung“, sagte der CDU-Wirtschaftspolitiker Jens Spahn zur NZZ. Unternehmen und Investoren weltweit schauten gegenwärtig genau hin, wie sich der Kanzler der viertgrößten Wirtschaftsmacht verhalte. «Und derzeit entscheiden sich viele gegen Deutschland, weil klare Entscheidungen und Führung fehlen. Auf die berechtigte Kritik der Wirtschaft geht Scholz nicht ein. Wir brauchen eine Agenda 2030, die unsere Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit sichert.»
Gutes Interview mit Astrid Hamker, Präsidentin des Wirtschaftsrats der CDU, vom 25.6.23.
https://www.nzz.ch/international/cdu-wirtschaftsrat-habeck-muss-erst-an-deutschland-dann-an-seine-partei-denken-ld.1744158
Frau Hamker, Sie sind Gesellschafterin in der Unternehmensgruppe Ihrer Familie und sitzen in sechs weiteren Aufsichts- und Beiräten. Wie ist die Stimmung in der deutschen Wirtschaft?
Die Stimmung ist schlecht. Deutschland ist bei allen relevanten Rankings abgestürzt. Wir haben eine schlechte Konjunkturprognose und die rote Laterne beim Wachstum. Die Industrie trifft Investitionsentscheidungen gar nicht oder verzögert. Oder sie investiert gleich im Ausland. Wir brauchen ein völlig anderes Mindset. In Amerika vertraut die Politik darauf, dass die Wirtschaft die besten Lösungen hervorbringt. In Europa und Deutschland verzetteln sie sich mit Regulierung. Es wird alles vorgegeben, und es herrscht ein tiefes Misstrauen den Unternehmen gegenüber.
Welche Probleme machen Ihnen die meisten Sorgen?
Das sind im Wesentlichen drei. Erstens: Die Unternehmen sind überlastet mit Bürokratie, vor allem mit Dokumentationspflichten. Zweitens: Die hohen Energiekosten sind eine gewaltige Belastung, und das nicht erst seit dem Beginn des furchtbaren Kriegs in der Ukraine. Das dritte grosse Problem ist der Mangel nicht nur an Fachkräften, sondern allgemein an Arbeitskräften.
SPD, Grüne und FDP haben im Koalitionsvertrag einen Abbau der Bürokratie angekündigt. Selbständige und Unternehmer sollen wieder «mehr Zeit für ihre eigentlichen Aufgaben» haben, heisst es. Wir beurteilen Sie die bisherigen Schritte auf diesem Weg?
Ich erkenne da keine Schritte. Es hat ein Projekt gegeben, um die Genehmigung der LNG-Terminals (Anlagen für den Umschlag von verflüssigtem Erdgas, Anm. d. Red.) zu beschleunigen, aus der Not heraus. Das war’s auch schon. Wenn man die Berichte des Normenkontrollrats liest, stellt man fest, dass fast nichts passiert ist. Der Normenkontrollrat (ein Gremium, das Regierung und Parlament beim Bürokratieabbau berät, Anm. d. Red.) ist ja auch nicht mehr im Kanzleramt angesiedelt, sondern im Justizministerium. Das spricht für sich. Das Thema sollte eigentlich Chefsache sein.
In welcher Form macht die Bürokratie der Wirtschaft zu schaffen?
Deutsche Unternehmen sind unglaublich beschäftigt damit, den verschiedenen Anforderungen gerecht zu werden, jenen aus der deutschen Politik und jenen aus der Europäischen Union. Stichwort Lieferkettengesetz, Stichwort CSR Reporting. Dokumentationen über Dokumentationen. Der Aufwand ist enorm. Und er raubt Kapazitäten.
CSR steht für Corporate Social Responsibility. Unternehmen müssen dokumentieren, dass und wie sie Umweltschutz betreiben, Frauen und Männer gleichstellen oder verhindern, dass sie von Kinderarbeit profitieren. Was soll daran verkehrt sein?
Ein Grosskonzern hat Compliance-Abteilungen für solche Fragen. Ein mittelständisches Unternehmen, das oft genauso im internationalen Wettbewerb steht, hat diese Personalkapazitäten nicht. Es muss zusätzliche Stellen schaffen: damit alles, was das Unternehmen selbst, was die Lieferanten und die Kunden tun, dokumentiert und nachverfolgt wird. Das geht zu weit. Und mal ehrlich: Wer liest das ganze Zeug? Da wird mit einem Wahnsinnsaufwand ein Datenberg produziert, mal digital, mal mit sehr viel Papier. Und wofür?
Für mehr unternehmerische Verantwortung?
Ich bitte Sie. Gerade deutsche Mittelständler sind sehr verantwortungsbewusst, was ihre Werte betrifft. Das gilt mittlerweile auch für die Stakeholder: die Mitarbeiter, gerade die jüngere Generation, die Banken und die Kunden.
Ihr zweiter Kritikpunkt sind die Energiekosten. Dagegen tut die «Ampel» doch etwas. Seit Jahresbeginn profitieren Unternehmen mit hohem Stromverbrauch beispielsweise von einer staatlichen Preisbremse, die den Nettopreis für einen Grossteil des historischen Verbrauchs deckelt. Und wenn es nach dem Willen des grünen Wirtschaftsministers Robert Habeck geht, soll es bald einen staatlich subventionierten Industriestrompreis geben. Ordnungspolitisch ist das kritikwürdig. Aber man kann nicht sagen, dass die Regierung das Problem ignoriert.
Ich habe mich nur vorübergehend für einen solchen Industriestrompreis ausgesprochen, auch wenn ich die Kritik teile: Ordnungspolitisch ist das nicht sauber. Das eigentliche Problem ist ein anderes. Herr Habeck bekämpft nur die Symptome, ohne an die selbstgeschaffene Ursache heranzugehen: Deutschland hat durch die Abschaltung seiner letzten Kernkraftwerke das Angebot an Strom verknappt. Und wenn ein Gut knapper wird, dann geht der Preis im Regelfall nach oben. Ich wundere mich einfach, dass die Abneigung unseres Wirtschaftsministers gegen die Kernenergie so gross ist, dass er dafür sogar den Markenkern seiner Partei – den Klima- und Umweltschutz – opfert. Wir haben jetzt jedes Jahr 30 Millionen Tonnen mehr CO2-Emissionen, weil wir die Braun- und Steinkohlewerke am Laufen halten müssen.
Was müsste Ihrer Meinung nach passieren?
Ganz einfach: Wir müssen die Kernkraftwerke wieder zum Laufen bringen.
So einfach ist das nicht. Beim Abbau eines Kernkraftwerks kommen zu einem bestimmten Zeitpunkt Chemikalien zum Einsatz, die einen Weiterbetrieb unmöglich machen.
Nach meinen Informationen wäre ein Weiterbetrieb zwölf Monate nach der Abschaltung möglich. Die Option ist also nach wie vor auf dem Tisch.
Es gibt noch eine weitere Hürde. Herr Habeck ist, wie gesagt, Mitglied der Grünen. Der Widerstand gegen die Kernenergie war ein Grund für die Gründung der Partei. Es ist so gut wie ausgeschlossen, dass die Grünen den Ausstieg aus dem Atomausstieg mitmachen würden.
Ist das so? Wir haben doch beim Thema Waffenlieferungen an die Ukraine und Aufrüstung der Bundeswehr gesehen, dass die Grünen sich bewegen können. Und davon mal abgesehen: Auch ein grüner Wirtschaftsminister muss zuerst an sein Land und dann an sein Parteibuch denken. Auch Robert Habeck hat die Pflicht, sich für die Interessen der deutschen Wirtschaft einzusetzen. Ich rede ausserdem nicht über den Ausstieg aus dem Atomausstieg, sondern über eine vorübergehende Weiternutzung: Wir müssen die Angebotslücke füllen, bis die Erneuerbaren ausgebaut sind. Bei dem Thema nehme ich übrigens auch die Gewerkschaften und die Betriebsräte in die Pflicht. Die müssen doch auch ein Interesse daran haben, die Arbeitsplätze am Standort Deutschland zu erhalten. Die ersten Abwanderungen sehen wir bereits: Biontech, Linde, Bayer mit der Krebsforschung. Das sind Warnsignale. Und der Mittelstand schliesst im Regelfall leise ab.
Mit der FDP gehört auch eine Partei zur Regierung, die traditionell einen guten Draht zur Wirtschaft hat. Wie bewerten Sie deren Arbeit in der Koalition?
Die FDP wäre gut beraten, ihr marktwirtschaftliches Profil aufrechtzuerhalten. Und an den Finanzminister kann man nur appellieren: Lieber Christian Lindner, bleiben Sie bitte stehen wie eine deutsche Eiche, wenn es darum geht, die Schuldenbremse einzuhalten und auf europäischer Ebene die Aufweichung des Stabilitätspaktes abzuwehren. Über Bürokratieabbau haben wir schon gesprochen; da muss endlich etwas passieren. Subventionsabbau ist ein weiteres Thema, bei dem ich auf Herrn Lindner hoffe. Natürlich, für die FDP ist das alles gerade eine schwere Gemengelage. Aber am Ende des Tages wird sie sich durchsetzen müssen. Sie will ja irgendwann wieder in die Parlamente rein.
Das dritte Problem, das Sie eingangs genannt haben, sind die fehlenden Arbeitskräfte. Sie haben bei anderer Gelegenheit vor dem Glauben gewarnt, diesen Mangel vor allem über Einwanderung lösen zu können. Warum?
Natürlich brauchen wir Zuwanderung – aber die richtige! Wer zu uns kommt, muss wirklich qualifiziert sein, also die Qualifikationen mitbringen, die unsere Unternehmen suchen. Die Migration nach Deutschland ist seit Jahren vor allem eine Migration in die Sozialsysteme. Das muss man endlich offen ansprechen. Wir können uns das auf Dauer nicht leisten. Es ist ungerecht für die Leistungsträger im Land, und es ist schlecht für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Wir müssen uns auch überlegen, wie wir verhindern wollen, dass immer mehr Deutsche ihre Heimat verlassen, im Saldo 70 000 im Jahr. Von denen sagen viele: Für uns stimmt es hier einfach nicht mehr. Vor allem gut ausgebildete junge Menschen sehen die hohen Steuern und Abgaben in Deutschland und fragen sich zu Recht: Wie soll ich hier eine Familie gründen und mir irgendwann ein Häuschen leisten? Die glauben nicht, dass sich das Aufstiegsversprechen der Sozialen Marktwirtschaft für sie noch erfüllt.
Sie haben zwei erwachsene Kinder. Wo leben sie?
Meine Tochter arbeitet in London, mein Sohn macht noch seinen Master in Aachen, der will dann in Richtung Autoindustrie, könnte also am Ende in Deutschland bleiben.
Reden wir über das, was Sie die «richtige» Migration nennen. Der Bundestag hat am Freitag die Gesetzesnovelle der Ampelkoalition zur Fachkräfteeinwanderung verabschiedet. Neu ist unter anderem ein sogenannter Spurwechsel: Asylbewerber, die fachlich qualifiziert sind und ein Stellenangebot vorweisen können, sollen künftig bleiben dürfen, um zu arbeiten – auch abgelehnte Antragsteller. Ihr Verfahren muss lediglich an einem Stichtag in der Vergangenheit bereits eröffnet gewesen sein. Geht dieser Wechsel vom Asylsystem in die Arbeitsmigration in die richtige Richtung?
Nein, von diesem einfachen Spurwechsel halte ich nichts. Was heisst denn Beschäftigung? Da fängt jemand irgendwo auf 500-Euro-Basis an zu arbeiten, zum Beispiel als Kellner, und schon bekommt er seine Aufenthaltsbewilligung? Die Missbrauchsgefahr ist viel zu gross. Wir laufen Gefahr, eine ähnliche Sogwirkung zu erleben wie bei der Einwanderung in die Sozialsysteme. Was wir brauchen, ist ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das die Interessen der Wirtschaft ins Zentrum stellt. Viele Unternehmer wollen Menschen aus anderen Ländern einstellen, scheitern aber an der Bürokratie. Das darf nicht sein. Da muss die Regierung zuerst ran.
Wenn wir über die Sorgen der Wirtschaft sprechen, müssen wir auch über die Partei sprechen, die in Deutschland die längste Zeit die Regierungen geführt hat: Ihre CDU. Sie sind Mitglied der Partei, und der Wirtschaftsrat, den Sie führen, ist CDU-nah. Welchen Anteil am Niedergang der Sozialen Marktwirtschaft trägt Ihre Partei – und wann fing das an, schon unter Helmut Kohl?
Unter Helmut Kohl? Nein, das ist unter Frau Merkel passiert, insbesondere in den Zeiten der grossen Koalition. Da hat die CDU viel zu viele Zugeständnisse gemacht. Und sie hat das unterlassen, was jeder Unternehmer in guten Zeiten tun muss: für schwierige Zeiten vorsorgen. Wir haben in Deutschland während der grossen Koalitionen konjunkturell richtig gute Zeiten erlebt, und wir haben es versäumt, zentrale Dinge auf Vordermann zu bringen: die Infrastruktur, die Digitalisierung, unser Steuerwesen, die Bürokratie. Stattdessen wurden Geschenke gemacht – im Sinne der SPD. Ich habe Herrn Altmaier (der Christlichdemokrat Peter Altmaier war von 2018 bis 2021 Wirtschaftsminister im vierten Kabinett Merkel, Anm. d. Red.) mehrmals gesagt: «Lassen Sie doch einfach mal das Bein stehen. Machen Sie doch nicht dauernd Zugeständnisse.» Seine Antwort war stets dieselbe: Dann halte die Koalition nicht. Wir haben das Renteneintrittsalter gesenkt – gegen die Demografie. Wir haben den Mindestlohn eingeführt – gegen die Tarifautonomie. Man kann diese Liste lange fortsetzen. Die CDU hat unter Frau Merkel ihren Markenkern verspielt: die Wirtschaftskompetenz.
Könnte es sein, dass die Sozialisation der früheren Kanzlerin eine Rolle gespielt hat? Angela Merkel ist Jahrgang 1954, sie hat die meiste Zeit ihres Lebens in einer sozialistischen Diktatur verbracht. Was eine Marktwirtschaft ausmacht, was Unternehmen brauchen, um zu prosperieren, war ihr lange fremd.
Mag sein. Aus meiner Sicht war ihre Strategie der asymmetrischen Demobilisierung der entscheidende Fehler: dieser Opportunismus, dieser Fokus darauf, was gerade in den Meinungsumfragen ankommt, diese Bereitschaft, alles zu tun, um den Koalitionspartner ruhigzustellen. Das war falsch. Das muss die CDU jetzt korrigieren.
Der heutige Parteichef Friedrich Merz ist Ihr ehemaliger Stellvertreter beim Wirtschaftsrat. Als er sich für den Parteivorsitz beworben hat, haben Sie sich für ihn eingesetzt. Herr Merz, haben Sie damals gesagt, sei in der Lage, die Partei wieder auf Vordermann zu bringen. Was sagen Sie jetzt?
Friedrich Merz hat nach dem Desaster der verlorenen Bundestagswahl die Partei zusammengehalten. Das war eine Leistung. Ich finde auch, dass er eine sehr gute Oppositionspolitik macht. Er adressiert die Probleme klar und deutlich, aber auf eine verantwortungsbewusste und staatsmännische Weise. Als Unternehmerin bin natürlich ungeduldig, gerade wenn es um das neue Grundsatzprogramm geht. Ich verstehe, dass man die Partei einbeziehen muss, dass es Arbeitsgruppen braucht. Aber das dauert mir alles zu lange. Am Ende des Tages werden Sie es nicht allen recht machen können. Sonst kommt wieder so ein Wischiwaschi-Konzept raus. Manche sagen ja, zu Zeiten von Helmut Kohl konnte man CDU-Mitglieder nachts wecken, und die konnten sofort sagen, wofür ihre Partei steht. Da müssen wir wieder hin.
Wenn ich Sie nachts wecken und fragen würde, wofür die CDU steht: Was würden Sie sagen?
Innere Sicherheit, solide Staatsfinanzen und eine Ordnungspolitik, die sich an der Sozialen Marktwirtschaft orientiert.
Was sagen Sie zu den Umfragewerten Ihrer Partei? Wenn man bedenkt, wie unzufrieden weite Teile der Bevölkerung mit der Arbeit der Regierung sind, könnte man erwarten, dass die grösste Oppositionspartei nicht nur bei knapp 30 Prozent verharrt.
Ich finde es sehr bedenklich, dass wir aus der Lage zu wenig Honig saugen können. Und ich denke, das liegt daran, dass die Menschen immer noch nicht richtig wissen, wofür die CDU eigentlich steht.
Wie bewerten Sie die hohen Zustimmungswerte für die AfD?
Die machen mir grosse Sorgen. Sehr grosse Sorgen. Es gibt ja die Diskussion, wer dafür verantwortlich ist. In meinen Augen trägt die Ampelkoalition die Hauptverantwortung. Denken Sie nur an das chaotische Gebäudeenergiegesetz. Zugleich bin ich der Meinung, dass die Schuldzuweisungen am Ende niemandem helfen. Die Parteien, die fest auf dem Fundament unserer Verfassung stehen, müssen ihre Profile schärfen, damit die Menschen wissen, wer wofür steht. Auf diese Weise kann man die AfD wieder zurechtstutzen.
Es gibt in Ihrer Partei einflussreiche Stimmen, die fürchten, dass ein schärferes, im Zweifel konservativeres Profil Stimmen kosten könnte.
Ja, und ich sehe das völlig anders. Die CDU braucht dringend wieder ein konservatives Standbein, weil genau dieses im Profil über die Jahre erodiert ist. Das Konservative war stets das, was die CDU getragen hat: von der inneren Sicherheit bis zur Sozialen Marktwirtschaft. Wenn wir uns auf diesen Markenkern besinnen, können wir zu alter Stärke zurückfinden.
Einer, der sich in der viel zitierten Mitte wohlfühlt, ist der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst. «Das Herz der CDU schlägt in der Mitte», lautete der Titel eines Gastbeitrags, den er kürzlich in der «FAZ» platziert hat. Haben Sie den Text gelesen?
Ich habe ihn gelesen.
Und?
Da stand sicher einiges drin, was richtig ist, etwa über das christliche Menschenbild als Teil der DNA der Partei. Aber mir hat die Zukunftsvision gefehlt. Herr Wüst ist ja ein junger Mann. Wo will er denn hin? Da war sehr viel Rückblick und nichts Neues.
Diese Antriebsschwierigkeiten sind verwunderlich, sind doch weit über eine Million Fachkräfte nach Deutschland gekommen.
Wo ist das Problem ?
Oder besser gesagt, Hast Du ein Problem ?