Mit einer kleinen, schmutzigen Anfrage will die AfD im nordrhein-westfälischen Landtag von ihrem Rechtsradikalismus ablenken. Dass ihr das gelingt, liegt an einem Überläufer aus den Reihen der Linken und Piraten und einem gebrochenen Versprechen des Landtagspräsidiums.
Durch Interesse an antifaschistischer Arbeit ist Andreas Keith bis vor wenigen Tagen noch nie aufgefallen: Der einstmals in der Friedensbewegung aktive ehemalige Jungunionist ist Beisitzer im Landesvorstand der AfD in Nordrhein-Westfalen und sitzt für die Partei seit Juni im Düsseldorfer Landtag. Die bisher gestellten Anfragen des ordentlichen Sportausschussmitglieds galten im weitesten Sinne der Innenpolitik: Keith wollte wissen, ob die Gladbecker Geiselgangster Rösner und Degowski Zellenkumpane werden, was die Polizei gegen Gewalt gegen Feuerwehrleute zu tun gedenkt oder wie es um die Gesundheit von Vollzugsbeamten bestellt ist. Parlamentarischer Alltag. Die Kleine Anfrage mit der Nummer 331 allerdings sticht heraus: Keith will wissen, was der Landtag über die NS-Vergangenheit seiner einstigen Mitglieder weiß: „Von wie vielen NS-belasteten Personen (d.h. NSDAP-Mitglieder, Angehörigen von SA, SS, Gestapo, an NS-Verbrechern beteiligten Wehrmachtsbefehlshabern oder sonstigen Personen, die an NS-Verbrechen beteiligt waren in Institutionen (z. B. den Gerichten, den Staatsanwaltschaften, der Polizei, dem Verfassungsschutz, den Finanzämtern, den Schulen, den Universitäten oder der sonstigen Verwaltung) des Landes Nordrhein-Westfalen seit 1946 geht die Landesregierung insgesamt aus? (Bitte nach Institution aufschlüsseln)“
Dem ehemaligen Landtagsabgeordneten Rüdiger Sagel kommt diese Anfrage bekannt vor. Sagel saß von 2003 bis 2007 für die Grünen im Landtag, trat dann zur Linkspartei über und schied 2012 aus dem Parlament aus. „Mit der NS-Vergangenheit der NRW-Landtagsabgeordneten habe ich mich 2009 beschäftigt. Der Landtag hatte sich anlässlich seines 60. Jahrestages so nachlässig mit der Frage der NS-Vergangenheit seiner Mitglieder beschäftigt, dass ich mehr wissen wollte. Das es in seinen Reihen nur einen Nazi im Landtag gegeben haben soll, wie es damals in einer Publikation behauptet wurde, konnte ich nicht glauben.“
Sagel beauftragte den Historiker Michael C. Klepsch mit der Aufgabe, die NS-Vergangenheit der Landtagsabgeordneten zu recherchieren. Das Ergebnis erschien 2009 in einer von Klepsch verfassten Broschüre und sorgte bundesweit für Schlagzeilen: Nicht einer, sondern Dutzende Abgeordnete waren in der Nazizeit Mitglieder der NSDAP, der SS oder sogar hauptberufliche Funktionäre der Partei gewesen. Drei ehemalige Landtagsabgeordnete waren sogenannte „alte Kämpfer“ und schon vor der Regierungsübernahme der NSDAP Parteimitglieder. Die Altnazis fanden sich vor allem in den Fraktionen von FDP und CDU, in den Reihen der SPD gab es ein ehemaliges SS-Mitglied. Vor allem die Liberalen waren weit über die Nachkriegszeit hinaus ein Sammelbecken für die einstigen Gefolgsleute Hitlers: Aus ihren Reihen kamen sechs Fraktionsvorsitzende. Bis in die 70er Jahre hinein, die FDP koalierte in NRW längst mit der SPD, schien die Mitgliedschaft in der NSDAP eine Voraussetzung dafür gewesen zu sein, die FDP-Landtagsfraktion führen zu dürfen.
Für Sagel ist klar, warum die AfD wissen will, wie es um die NS-Vergangenheit der ehemaligen Landtagsabgeordneten bestellt ist: „Die AfD will sich reinwaschen. Das Ergebnis ist doch klar: Allein Altersbedingt wird es in ihrer Fraktion keine ehemaligen NSDAP-Mitglieder geben können. Die werden nun dem Vorwurf, sie seien Rechtsradikale, mit dem Verweis auf die NS-Vergangenheit der anderen Parteien begegnen.“ Die AfD spiele ein widerliches Spiel, dessen Zynismus kaum zu überbieten sei.
Und der Mann, der für Sagel einst die Nazi-Geschichte des Landtags aufarbeitete, unterstützt sie dabei: Nachdem die Linkpartei nach den Landtagswahlen 2012 an der Fünf-Prozent Hürde scheiterte, stieg Michael C. Klepsch als Mitarbeiter in die Piratenfraktion ein. Nachdem auch die Piraten im Mai aus dem Landtag ausschieden, wechselte Klepsch zur AfD. Sagel über seinen ehemaligen Mitarbeiter „ Da kennt offenbar jemand keinerlei Hemmungen. So etwas ist widerlich, aber es kommt leider vor.“
Dass der AfD-Abgeordnete Keith die Gelegenheit hat, mit seiner Anfrage zur NS-Vergangenheit aufzutrumpfen, ist nach Sagels Ansicht jedoch auch die Schuld des Landtags: „Wir haben 2011 als Linke mit dem Landtagspräsidium vereinbart, dass es eine historische Untersuchung der NS-Vergangenheit der Abgeordneten geben würde, deren Ergebnisse im Internet zur Verfügung gestellt werden sollte.“ Doch nachdem die Linken 2012 nicht mehr im Landtag vertreten waren, geriet das Projekt in Vergessenheit. Nun wird es nicht ein von demokratischen Fraktionen getragenes Parlament sein, das sich mit seiner Vergangenheit kritisch auseinandersetzt und über die Nazis, die es einst in seinen Reihen hatte, aufklärt. Es werden die heutigen Rechtsradikale sein, welche die Vergangenheit instrumentalisieren, um sich reinzuwaschen und demokratische Parteien, die längst kein NSDAP-Mitglied mehr in ihren Reihen haben, zu diskreditieren. Und die waren so dumm, es zuzulassen und haben es nicht verhindert, als sie es noch konnten.
Der Artikel erschien in ähnlicher Form bereits in der Jungle World
Die "Dokumentation" von Sagel bzw. Dr. Klepsch ist doch recht "dünn".
Mir fiel aus dem Gedächtnis direkt der Jürgen Girgensohn ein, der von 1970 bis 1983, also fast während meiner gesamten Schullaufbahn, Kultusminister in NRW war. Und auch von 1966 bis 1985 Mitglied des Landtags NRW. Der war in der Hitler-Jugend und später in der Waffen-SS. Man kann davon ausgehen, dass gewisse Kreise davon schon wussten, als er zum Kultusminister ernannt wurde. Er war ja in britischer Kriegsgefangenschaft, so dass den Briten seine Vergangenheit wohl bekannt war. Das ist die Leiche im Keller, die man herausholen kann, wenn die Puppe nicht mehr nach der Pfeife tanzt. Girgensohn tanzte 15 Jahre ganz leidlich. Zunächst fiel er dadurch auf, dass er den sog. Radikalenerlass nur zögerlich umsetzte, später ging er nicht gegen Lehrer vor, die in der Unterrichtszeit an Aktionen gegen den NATO-Doppelbeschluss teilnahmen. 1983 musste er dann "freiwillig" den Hut nehmen, als Götz Aly öffentlichkeitswirksam das angebliche Geheimnis enthüllte. Ein Schelm, der böses dabei denkt, dass Girgensohn ausgerechnet in England seinen Lebensabend verbrachte.
Es gibt im Internet eine Liste, die scheinbar noch nicht ganz gegenrecherchiert ist, auf der finden sich noch viel mehr Minister diverser Parteien aus NRW, die angeblich in der NSDAP oder anderen Nazi-Vereinen waren. Da will keiner ran. Auch Sie nicht Herr Laurin. Eine kurz Google-Recherche nach "Ehemalige Mitglieder der NSDAP als nachmalige NRW-Landtagsabgeordnete" ist ganz einfach. Wenn davon nur die Hälfte stimmt, müsste die Geschichte der NRW-SPD in weiten Teilen umgeschrieben werden.
Und wenn man sich die Geschichte rechtsradikaler Parteien in Deutschland anschaut, wird man darüber stolpern, dass z. B. der Mitgründer und langjährige Parteivorsitzende der NPD, Adolf von Thadden, vom britischen Geheimdienst geführt wurde. Wenn ich mir die Attitüden und die persönlichen Vorlieben des ein oder anderen AfD-Oberen anschaue, könnte ich mir durchaus vorstellen, dass in der AfD die Schlapphüte auch ihre Pferdchen laufen lassen.
Im übrigen streiten sich die Leute der AfD ja schon kräftig untereinander über den Umgang einiger Mitglieder mit der Nazizeit:
http://www.stern.de/investigativ/afd–wie-die-gegner-von-petry-ehemann-marcus-pretzell–mundtot–gemacht-werden-sollen-7300870.html
Könnten alle Anti-nazis, alle Anti-Faschisten, alle Anti-ADFler es nicht wider ihrer ersten Reaktion letztendlich als ihrer Grundhaltung dienlich betrachten, wenn die "parlamentarische Initiative des AFDlers Andreas Keith öffentliche Aufmerksamkeit erfährt, wenn sie dem Verlangen des Antragstelles gemäß sorgfältig und möglichst umfassend beantwortet wird?
Die Antwort wird , möglicherweise über längst bekannte Daten und Fakten hinaus, belegen, über welch langen Zeitraum Nationalsozialisten -ich meine hier die bekennende, überzeugten,die vom ersten bis zum letzten Tage dem Führer treuergebenden- in Deutschland nicht nur gesellschaftsfähig waren, sondern in der Gesellschaft -in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Leben (in Politik und Administration) und auf allen staatlichen Ebenen -in den Kommunen, in den Ländern, im Bund- Führungspositionen inne hatten -im mittleren, im gehobenen, im höheren "Managment"?
Und wenn dann über das diesbezügliche Warum und über dessen Folgen eine öffentliche Debatte stattfinden würde, hielte ich das für wünschenswert, weil u.a. ….
a.)
der "jüngeren Generation" so Manches verständlich würde, was von ihr heutzutage nicht immer verstanden, geschweige denn gut geheißen wird -ich denke z.B. an die sog. 80er Bewegung und weil
b.)
anhand der Persönlichkeitsbilder der betr. Protagonisten, anhand ihrer pro nationalsozialistischen Bekundungen in der Endzeit der Weimarer-Republik ,anhand ihrer Motivation für ihr "Nazi-Engagement" und anhand ihrer teilweise auch nach 1945 fortbestehende nationalsozialistischen
Gesinnung bestens und für den einen oder anderen jüngeren Menschen nachvollziebarer als bisher dokumentiert werden könnte, daß der derzeit in Deutschland auferstandene und sich öffentlich zeigende völkisch-rassistische-antidemokratische-antisemititsche-faschistische Ungeist nicht mit dem 8.5.1945 " ein für alle mal" ausgerottet war, ausgerottet werden konnte und daß es gerade deshalb mit Blick auf die schrecklichen Folgen dieses "deutschen Ungeistes" von fundamentaler Bedeutung für die freiheitlich-pluralistischen Gesellschaft
esellschaft und den Fortbestand des demokratischen Rechtstaates ist, sich diesem wieder sichtbar und spürbar gewordenen "deutschen Ungeist" entschieden in den Weg zu stellen?
Oder anders und kurz und knapp formuliert:
Jede neue, jede erweiterte Aufklärung über die Nazis, hier konkret über ihr Wirken in den Anfangsjahren der sog. Bonner bzw. hier der sog. Düsseldorfer-Republik, kann dem Umgang mit sog. Neo-Nazis und mit all denen, die vom gleichen Un-Geist beseelt zu sein scheinen, sehr dienlich sein.
PS
Keith scheint mir der Proto-typ für viele -nicht für alle- AFD-Funktionäre zu sein:
Politische Karrieristen, denen die AFD die letzte Chance bietet, zu relativem materiellen Wohlstand zu kommen -Gehalt als MdB oder MdL-. Was über die Junge Union mißlungen ist,………….
Das aber nur nebenbei, weil ja in der Parteidemokratie nicht ungewöhnlich.
@ Walter Stach Es darf nicht nur um die 1000 Jahre gehen, die sittlichen, moralischen, politischen u.a. Einstellungen der Täter sind ja nicht im Jänner 33 vom Himmel gefallen, sondern bereits im Kaiserreich entstanden. Große Teile derer, die von 18 an im Dienste der Republik(v.a. Lehrer und Juristen, aber auch in Polizei und Verwaltung)) standen, haben nicht der Republik gedient, sondern dem Staat, so wie sie ihn verstanden und so legitimierten sie sich selbst und den Staat vor sich selbst und der Gesellschaft.. Das ließ sich nach 45 wunderbar und ohne große Brüche wunderbar fortsetzen.
Es ist mir völlig egal, wer aus welchem Grunde die deutsch- braune Nazi Nachkriegs Soße aufdeckt, bzw dafür sorgt dass sie publik wird. Meinetwegen auch ein AFDler. Sie gehört dringend ins aktuelle deutsche Allgemeinwissen.
Da droht also das Gleiche, was die Nazis der "Rechten" im Dortmunder Rat schon vor Jahren als Politikstil "pflegen" wollten, als Unmengen von Gaga-Anfragen auch mit deutlich braunen Anfragen z.B. nach der Anzahl der in Dortmund pro Bezirk wohnenden Juden vermischt wurden (http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/dortmund-ratsmitglied-stellt-anfrage-nach-zahl-der-juden-13266845.html). Hat sich die AfD ja fein abgeguckt.
Eigentlich können altersbedingt auch keine Nazis bei den Grünen sein, oder gibt es dazu Infos?
@ Walter Stach
Am besten wäre es, wenn die Parteien selbst ihre Geschichte aufarbeiten würden. Gerade jetzt, wo die SPD angeblich die "neuen alten Zöpfe" abschneiden will, wäre es gut, auch die "ganz alten Zöpfe" noch einmal durchzukämmen.
Unter niqolas.de gibt es ein paar Listen, die von einem Hobby-Historiker namens Helmut Gewalt zusammengetragen worden sind, die aber, wenn ich es richtig verstehe, noch nicht ganz genau gegenrecherchiert worden sind. Über niqolas.de bekommt man zunächst nur eine weisse Seite, wenn man aber bei Google "Ehemalige Mitglieder der NSDAP als nachmalige NRW-Landtagsabgeordnete" ins Suchfeld eingibt, findet man schnell die PDF Datei. Darauf ist auch ein ehemaliger SPD Minister aufgeführt, der, wenn die Angaben richtig sind, wohl in so einem Massenverfahren mit 16 Jahren an "Führers Geburtstag" in die NSDAP aufgenommen worden sein soll. Wegen solcher Zwangs?- Partei-Mitgliedschaften gab es in der Vergangenheit ja bei einigen bekannten Schriftstellern schon Diskussionen. Die Lebensleistungen dieser Leute sehe ich durch so etwas nicht geschmälert, ich finde es allerdings zweifelhaft, wenn man damit nicht offen umgeht. In meiner Familie hat während der vorgenannten Diskussionen ein Onkel das Bedürfnis gehabt, mit uns über seinen Eintritt als 16-Jähriger in die SS zu sprechen. Das fand ich sehr positiv.
Da der Minister, der auf der Liste steht, noch lebt, wäre es vielleicht gut, wenn ein Parteimitglied wie Sie, Herr Stach, den Genossen mal anspricht und dieser von sich aus an die Öffentlichkeit geht. Ich weiß nicht, ob noch mehr lebende Genossen auf der Liste stehen, aber das könnte man sicher leicht herausfinden. Am sinnvollsten wäre es aus meiner Sicht aber, wenn die SPD eine eigene Kommission aufstellt, die das Thema bearbeitet und am besten eine eigene Dokumentation erstellt. Wichtig wäre dabei, dass darin nichts verharmlost wird.
Schön wäre es auch, wenn diejenigen, die vielleicht noch leben, mit dem Thema auch in die Schulen gehen und den Kindern erklären, wie schnell es passieren kann, dass man in so ein mörderisches System hineinrutscht. Da gibt es ja auch Parallelen zu den jungen Menschen, die sich von der Propaganda des IS verführen lassen.
Ich würde mich freuen, wenn Sie da in "Ihrer SPD" etwas anstoßen könnten.
Interessant finde ich auch, den Punkt, dass gerade in der Bildungspolitik in NRW –
wenn die Liste richtig ist – überdurchschnittlich viele Minister früher in das Naziregime eingebunden waren. Gerade das Beispiel Girgensohn, der über seine Zeit in der Waffen-SS später auch in TV-Dokumentationen berichtet hat, zeigt, dass dieser seine positiven Lehren aus dieser Zeit gezogen hat und es als Auftrag ansah, die jungen Leute in einem besseren Bildungssystem zu friedlicheren Menschen zu erziehen. Mich würde auch interessieren, wie diese Herren die Beteiligung der deutschen Bundeswehr an den Kriegen in Jugoslawien, Afghanistan und sonstwo in der Welt beurteilen bzw. beurteilt haben. Interessant ist ja, dass in der Zeit, als diese "Flakhelfergeneration" und die "Kriegskindergeneration" in den Bundesregierungen maßgeblich vertreten waren, ein Kriegseinsatz der Bundeswehr eigentlich Tabu war. Die erste Abstimmung war zwar noch in den letzten Tagen der Regierung Kohl, wenn ich mich richtig erinnere, richtig los ging es dann aber erst und dem "Genossen" Schröder und dem "Pazifisten" Fischer.
@Lito: Im Landtag nicht. Bekannt ist der Fall Werner Vogel: https://de.wikipedia.org/wiki/Werner_Vogel_(Politiker)
In der von R.Sagel in Auftrag gegebenen Liste wird ein MdL aufgeführt, der mit 17 oder 18 1943 in die SS eingetreten ist. D.h. er war Grundschüler, als die 1000 Jahre begannen. Leider war die Indoktrination in der Schule während der 1000 Jahre ungeheuer wirkmächtig. Der konnte sich kaum ein Schüler entziehen. Andere, wie ein Minister der Regierung Rau war gar auf einer A-H-S. Auch Grass kam als junger Mensch zur SS. Das ist diesen jungen Menschen nicht wirklich vorzuwerfen. Im Fall Grass ist negativ anzumerken, dass er diese Tatsache Jahrzehnte verschwieg, sich aber als moralische Instanz in Sachen Nazizeit inszenierte.
@ Arnold Voss
Was gerne übersehen wird, die GRÜNEN gründeten sich ja aus einer Reihe von Parteien und Bewegungen aus allen politischen Richtungen. Dazu gehörte z. B. auch die "Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher".
https://de.wikipedia.org/wiki/Aktionsgemeinschaft_Unabh%C3%A4ngiger_Deutscher
Eine aus dem rechtsradikalen Spektrum entstandene Partei, die, wie die AfD, auch auf die "national-liberale" Fahne hochhalten wollte und später, ebenfalls wie die AfD eine plebiszitäre Demokratie propagierte. Interessant ist, dass die AUD in den 70ern ihre Listen für unabhängige Kandidaten öffnete und Joseph Beuys 1976 bei der Bundestagswahl auf deren Liste in NRW als Spitzenkandidat aktiv war.
https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_mbl_show_pdf?p_jahr=1976&p_nr=106
Ein frühes Mitglied der AUD war unter anderem auch der Vater des Bochumer AfD Politikers Wolfgang Demolsky, Günter Demolsky, der z. B. im Jahre 1965 für die AUD als Kandidat für den Landtag NRW kandidierte.
Ein Gründer der AUD war auch Hjalmar Schacht sowie diverse andere Nazis, wie August Haußleitner:
https://de.wikipedia.org/wiki/August_Hau%C3%9Fleiter
oder Baldur Springmann:
https://de.wikipedia.org/wiki/Baldur_Springmann
beide später auch bei den GRÜNEN aktiv.
Soweit ich weiß, gibt es keine Aufarbeitung dieses Themas durch die GRÜNEN selbst. Gerne lasse ich mich aber eines Besseren belehren.
@ thomas weigle
Ich stimme Ihnen zu, dass man den Leuten, die als Jugendliche, die zuvor ihre bewusste Kindheit fast ausschließlich im Geiste des Nationalsozialismus erleben mussten, nicht vorwerfen kann, dass sie mit 16 oder 17 Jahren zum Ende des Krieges Mitglied in irgendeiner Nazi-Organisation wurden. Wie ich sage, habe ich für die Leute, die später darüber offen gesprochen haben, höchsten Respekt. Ich habe aber auch ein wenig Verständnis für die Leute, die ihr Leben lang Ihre Schuld aus Scham verschwiegen haben und versucht haben, diese Schmach durch aktives Tun wieder wett zu machen. Wenn dies in oberlehrerhaftem Ton geschah, kann man das mitunter als unpassend, geschmacklos oder verlogen bezeichnen, aber ich denke, man sollte schon immer die gesamte Lebensleistung einer Person versuchen zu erfassen. Horst Ehmke z. B. wurde im Jahr 1944 mit 17 als NSDAP-Mitglied erfasst. Das ist anders zu bewerten als der Fall des SPD-Minister Karl Schiller, der ab 1933 aktives SA-Mitglied war, 1937 auch in die NSDAP eintrat, dort z. B. Ortsgruppenleiter war und diverser Suborganisationen der NSDAP angehörte.
Hier kann man im SPIEGEL aus dem Jahre 1971 einen interessanten Artikel lesen, der über das Kartell des Schweigens über die jeweiligen Verstrickungen der großen Parteien in die Nazi-Diktatur berichtet.
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-43144809.html
Dass die AfD heute, 46 Jahre später, daraus noch Kapital schlagen kann, kann man ihr nicht vorwerfen, sondern fällt leider auf CDU/CSU, SPD und die F.D.P. zurück, die nicht in der Lage waren, ihre eigene Geschichte anständig aufzuarbeiten.
Wenn in der Veröffentlichung des Landtags NRW aus dem Jahre 2009 wirklich nur ein NSDAP Mitglied als späterer MdL ausgewiesen wird, wie es glaube ich von Sagel berichtet wird, ist das doch eine verlogene Dreistigkeit sonder gleichen.
Vielleicht findet der derzeitige NRW Landtag ja eine Fördermillionen im Haushalt, mit dem ein renommiertes historisches Forschungsinstitut in NRW mit der Aufarbeitung dieser Vergangenheit beauftragt wird. Das Ergebnis wird nicht schön sein, vor allem für die F.D.P. nicht, die teilweise mit höchst gewissenlosen Gesellen unter Führung des FDP Abgeordneten Ernst Achenbach und der tatkräftigen Unterstützung des ehemaligen Nazi-Statthalters in Dänemark, Werner Best, die Reintegration alter – zum großen Teil ewiggestriger Kameraden – in die Strukturen der jungen BRD zu fördern versuchte und sich auch vehement für die Straffreiheit dieser Nazis einsetze:
https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Achenbach
https://de.wikipedia.org/wiki/Straffreiheitsgesetz_1954
https://de.wikipedia.org/wiki/Werner_Best_(NSDAP)