Am 29. Februar nahm der Rat für Bioökonomie seine Arbeit auf. Die Gründung eines solchen Rates war bereits im vergangenen Jahr von der schwarz-grünen Landesregierung beschlossen worden. Der unabhängige und mit 15 Experten besetzte soll ich ebenso mit Forschung und Entwicklung wie mit der Biotech-Branche und der Wirtschaft beschäftigen. Die Analysen und Empfehlungen des Rates sollen nach Auskunft der Landesregierung in eine Bioökonomie-Strategie für Nordrhein-Westfalen einfließen und öffentlich zugänglich sein. Zusätzlich kann der Rat jederzeit nach eigenem Ermessen Stellungnahmen veröffentlichen. Ob Maßnahmenvorschläge des Rates umgesetzt werden, entscheidet am Ende allerdings die Landesregierung. Die Erstellung einer initialen Auflage der Strategie soll im kommenden Jahr abgeschlossen sein.
Biotechnologie gehört nach Ansicht von Experten neben Künstlicher Intelligenz, Quantencomputing und Kernfusion zu den vier Technologien, die die nächsten Jahrzehnte prägen werden. Auf den meisten dieser Felder liegen China und die USA weit vor Europa und Deutschland. Es macht also Sinn, wenn die Landesregierung nun einen solchen Rat installiert, um sich beraten zu lassen. Und vielleicht kommt ja auch etwas dabei raus.
Biotechnologie ist in Nordrhein-Westfalen heute schon eine wichtige Branche: 118 Biotech-Unternehmen gibt es im Land. Es könnten mehr und sie könnten weniger Regeln unterworfen sein. „Wir setzen auf die vielfältigen Potenziale und Innovationen einer biobasierten Wirtschaft“ sagte Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) als der Rat für Bioökonomie seine Arbeit aufnahm.
Doch Biotech gilt vielen als Teufelszeug. Der Begriff schließt auch gentechnische Verfahren mit ein, gegen die in Deutschland seit Jahrzehnten von Organisationen aus dem Angstgeschäft wie dem BUND oder Greenpeace Kampagnen gefahren werden.
Auch neue Gentechnologien wie CRISPR/Cas, bei denen Teile von Genen herausgeschnitten oder eingefügt werden können, ein Verfahren, dass aus der Natur übernommen und nun genutzt werden kann, stößt in Teilen der Politik zumindest in Deutschland auf Ablehnung: Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) waren gegen eine Lockerung der Regeln für den Einsatz von CRISPR/Cas durch das EU-Parlament. Das setzte sich über die üblichen Lobbyisten und Bedenkenträger hinweg und beschloss die Regeln für den Einsatz von Gentechnik zu lockern. Grüne und Sozialdemokarten waren über diese Entscheidung, was sie fast immer sind, wenn es um neue Technologien geht, entsetzt.
In Nordrhein-Westfalen sieht dies auch das von Mona Neubaur (Grüne) geführte Wirtschaftsministerium anders. Auf Anfrage dieses Blogs antwortete ein Sprecher des Ministeriums auf die Frage „Haben für Ihr Haus auch Verfahren wie CRISPR/Cas vielfältige Potenziale und für Innovationen in einer biobasierten Wirtschaft?“: „Bioökonomie und Biotechnologie sind wichtige Bausteine auf dem Weg Nordrhein-Westfalens zur klimaneutralen Industrieregion und bieten großes Potenzial für einen wettbewerbs- und zukunftsfähigen Standort. Ohne biotechnologische Verfahren wird die nachhaltige Transformation der Wirtschaft nicht zu bewältigen sein. CRISPR/Cas und andere Methoden des Genome Editing können die Entwicklung neuer Prozesse und Produkte in der Industrie beschleunigen oder überhaupt erst ermöglichen.“ Das ist kein Durchbruch, aber immerhin ein Schritt in die richtige Richtung. Mehr kann man in einem Land, in dem eine Greta Thunberg fast zur Heiligen erklärt wurde, nicht erwarten.
Nordrhein-Westfalen verschließt sich also nicht den neuen technischen und rechtlichen Möglichkeiten im Bereich der Gentechnik. Was vor einem Jahr nur eine Aussage ohne viel praktischen Wert war, hat durch die Veränderungen auf europäischer Ebene an Bedeutung gewonnen. Dass dies alles unter einer grünen Wirtschaftsministerin geschieht, ist ebenso erstaunlich wie begrüßenswert. Neubaur zeigt damit Mut: Für große Teile der Wählerklientel ihrer Partei gehört die Ablehnung von Gentechnik zum Lebensstil.