Im Februar interviewten Chantal Stauder und Stefan Laurin Seven Lehmann, Vorsitzenden der Grünen in NRW. Das Thema: Die geplanten radikalen Rauchverbote. Für die sind übrigens nach einer Studie des Meinungsforschungsinstituts YouGov nur 27 Prozent der Menschen in NRW. 70 Prozent sind dagegen. Wir haben für das Interview eine etwas ausgefallenen Form gewählt. Viel Spaß und vielen Dank an Sven Lehmann, dass er sich darauf eingelassen hat.
Stefan Laurin: Das Angebot kam via Twitter. Sven Lehmann, der Vorsitzende der NRW-Grünen stehe zu einem Interview bereit, hieß es. Und was macht man dann? Zusagen. Thema: Verbote, Volkserzieher, seine Zustimmung zu den Grünen Rauchverbotsplänen, seine Absage an das CDU-Vorhaben, Alkohol in der Öffentlichkeit zu verbieten, Liberalität versus Restriktionen. Der ganze Themenkomplex also, der hier seit Monaten für zahlreiche Artikel und wahre Kommentarschlachten verantwortlich ist. Nach mehreren Nachfragen, die sich fast so gestalteten wie die Vorbereitung von Verhandlungen zwischen verfeindeten Parteien, einigten wir uns auf einen Termin und die Umstände des Interviews. Bei den Grünen in Düsseldorf. Chantal Stauder und ich sollten mit dem Grünen-Chef Sven Lehmann und der Landespressesprecherin Andrea Rupprath reden. Das klingt einfach, war aber kompliziert. Denn als ich Chantal abholen wollte, konnte ich die angegebene Straße nicht finden, obwohl ich mir eine Google-Wegbeschreibung ausgedruckt hatte. Und mein iPhone lag zu Hause. Ich irrte also durch den Bochumer Westen, bis mir Pubertierende den Weg wiesen. Da war ich schon eine halbe Stunde zu spät, aber Chantal somit auch.
Chantal Stauder: Seit knapp zwanzig Minuten stehe ich nun schon vor meiner Haustür. An mir fahren zwanzig Autos vorbei, die nicht halten. Blauer Himmel und Sonne, aber Minusgrade. Immerhin hatten wir eine Wegbeschreibung für Düsseldorf und waren zu zweit. Doch nicht nur die erste, sondern auch die zweite Route führte ins Nichts. Ich finde: Wer bei einer Wegbeschreibung aus einem Links-Abbiegen ein Rechts-Abbiegen macht, handelt durchaus vorsätzlich.
Laurin:Hilflos irrten wir eine halbe Stunde später durch Düsseldorf. Straßen verschwanden im Nichts. Google hatte abermals
versagt. Bis Andrea Rupprath mich anrief und ich so mein iPhone schließlich in der Jackentasche fand. Wir kamen etwa eine dreiviertel Stunde zu spät und erzählten etwas von Stau. Uns wurde geglaubt. Freitagnachmittag klingt Stau immer gut und Grüne glauben sowieso, dass man mit dem Auto niemals irgendwo durchkommt und es stattdessen total prima ist, mit Betrunkenen in vollbesetzten Zügen durch die Gegend zu fahren. Wir indes waren schnell durchgekommen, hörten während der Fahrt Musik und rauchten.
Stauder: Eigentlich sind wir doch voll im Thema. Das Diktat der Pünktlichkeit, die Wahl des Verkehrsmittels, Rauchen im Auto – auch daran ließe sich zeigen, wie Gesetze, Tagesthemen und Debatten unsere Glaubensgewissheiten prägen. Allein die Hinfahrt hätte genügt, sichtbar zu machen, wie Verbote und Gebote mit stummer Vehemenz unseren inneren Monolog beeinflussen. Ständig fragen wir uns, was in welcher Situation opportun oder erwünscht ist und unterwerfen uns damit nicht nur dem Zugriff anderer, sondern übernehmen die vorbeugenden Einschränken gleich selbst. Schmeißt Stefan mich gleich aus dem Auto, wenn ich mir eine Zigarette anzünden will? Ist er mit Leib und Lunge Kettenraucher, in seinem Wagen aber Frischluftverfechter? Dass ich mit Grünen über das absolute Rauchverbot spreche, ist nicht das erste Mal. Deswegen erwarte ich, dass auch dieses Interview nicht weniger müßig wird als die vergangenen Diskussionen. Gerade wenn man selbst Raucher ist, fürchtet man, dass man wegen seiner Gewohnheit oder gar Sucht eine gewisse Befangenheit mitbringt. Allerdings haben Raucher schon längst das Gefühl verinnerlicht, abgelehnt zu werden und nicht erwünscht, sondern ein einziger stinkender Störfaktor zu sein. Quasi ein Unfall der Natur. Selbst da, wo wir niemanden gefährden, müssen wir uns in extra ausgewiesenen Zonen aufhalten. Zum Beispiel in diesen gelben Vierecken auf Bahnhöfen. Für gewöhnlich füge ich mich widerwillig dieser Vorschrift, versuche dabei aber stets, mich nicht direkt in das Feld hinein zu stellen, sondern lediglich in der Nähe der Linie zu stehen. Dass dies nur ein erbärmlicher und verzweifelter Versuch ist, mich gegen die gesellschaftliche Konvention aufzulehnen, weiß ich. Dass es hier bloß darum geht, die Illusion der Selbstbestimmtheit aufrecht zu erhalten, wird mir dann jedoch umso schmerzlicher bewusst. Revolution sieht anders aus.
Auch, dass wir uns als Raucher selbst schaden, wissen wir. Aber sollten wir deswegen weniger Rechte zur Selbstbestimmung haben? Die Frage ist doch: Dürfen wir trotzdem Rauchen? Ich finde: Ja. Warum wollen wir uns das Rauchen nicht in sämtlichen Kneipen verbieten lassen? Vermutlich nicht nur, weil wir einfach renitent sind. Denn wir fürchten auch, dass es darum geht, ein allgemeines Menschenbild durchzusetzen, das sich einzig dadurch legitimiert, dass es mittlerweile höher bewertet wird, gesund zu sein, als das Recht auf Selbstbestimmtheit zu gewährleisten. Und die Grünen verstehen sich derzeit als die Partei, die sogar bereit ist, dies mithilfe staatlicher Eingriffe durchzusetzen. Das war aber nicht immer so und ist auch nicht selbstverständlich. Denn seit wann brauchen wir unbedingt den Staat, der uns hierbei zurechtweist. Warum wollen wir, dass der Staat diese Dinge für uns regelt, anstatt die Verhältnisse und den Umgang mit ihnen selbst auszuhandeln? Warum geben wir dieses Recht vor allem dann so leicht auf, wenn wir uns durch andere belästigt fühlen?
Laurin: Ich war ja lange nicht in den Büros der Landesgrünen. Privat nicht, weil ich 1996 ausgetreten bin, beruflich nicht, weil man immer mit der Fraktion redet und nicht mit der Partei. Die Grünen waren umgezogen, weg aus der alten Zentrale in der Volksgartenstraße, in deren Küche ich so manche Zigarette mit der heutigen Landesgesundheitsministerin Barbara Steffens rauchte. Das neue Büro war in Bilk. Chantal fand es albern, dass ich unbedingt noch eine Zigarette vor der Tür in Sichtweite der Pressesprecherin rauchen wollte und das war es wohl auch. Aber was soll ich machen? So bin ich nun einmal. Im Parterre war es alles auf Öko-Edel gemacht. Oben, wo man uns empfing, sah es aus wie bei Versicherungsvertretern. Dort trafen wir auf Sven Lehmann, eine Volontärin, deren Name ich vergessen habe und Andrea Rupprath. Es gab Kaffee, Bio-Milch aus dem Tetra-Pack und Kekse. Die Kekse waren ok. Showtime!
Stauder: Warum bedarf es eines absoluten Rauchverbots?
Sven Lehmann: Ich nenn` es lieber Nichtraucherschutz, nicht Rauchverbot. Es geht ja nicht darum, Rauchen grundsätzlich zu verteufeln oder zu verbieten. Dort, wo es um halb-öffentliche Räume geht, wie die Kneipen oder Ähnliches, besteht ein Interessenskonflikt zwischen denjenigen, die diese Kneipen besuchen, um dort zu rauchen oder eben nicht zu rauchen und denjenigen, die dort arbeiten. Diese Menschen müssen vor der Gefahr des Passivrauchens geschützt werden. Und das ist aus unserer Sicht eine staatliche Aufgabe. Wir Grünen sagen immer, wir sind die Partei der Selbstbestimmung. Jeder soll selbst entscheiden, welche Genussmittel er oder sie konsumiert. Wir sind zum Beispiel auch für die Legalisierung von Haschisch und so. Aber es gibt eben auch den Gesundheitsschutz. Das ist Aufgabe des Staates und der ist in Nordrhein-Westfalen sehr löchrig und somit nicht gewährleistet. Das heißt, das was staatliche Aufgabe ist, nämlich Gesundheitsschutz zu gewährleisten, in erster Linie der Arbeitnehmer, ist nicht gewährleistet.
Laurin: Jetzt kommt das Wort ‚Arbeitnehmer‘ nicht ein Mal in dem Gesetz vor, weil das Bundeskompetenz ist. Nun könnte man ja sagen: In einer immer differenzierter werdenden Gesellschaft muss es für Leute möglich sein, dass sie in den wenigen verbliebenen Orten sagen: Hier rauche ich und trinke Bier und das geht eigentlich den Staat nichts an. In der Nordstadt in Dortmund und in Gelsenkirchen wurden mit Hilfe ihrer Partei Trinkräume eingerichtet, in denen natürlich geraucht werden darf. Da ist es auf einmal überhaupt kein Problem, dass die Leute rauchen – auch für die Angestellten nicht, die Sozialarbeiter sind, und nie damit rechneten, dort arbeiten zu müssen.
Stauder: Kneipen sind doch ein gesellschaftlicher Sonderraum. Von diesen halb-öffentlichen Räumen gibt es in den Städten meist mehrere. Spitzt sich mit einem absoluten Rauchverbot nicht der Konflikt in besonderer Weise zu, wenn man einerseits Handlungs- oder Wahlfreiheit und andererseits Selbstbestimmtheit gewährleisten will? Sehen Sie da auch Konfliktpotenzial?
Lehmann: Absolut. Das ist ein gesellschaftliches Großkonfliktthema, weil da Interessen aufeinanderprallen.
Laurin: Warum das dann nicht different lösen?
Lehmann: Darf ich den Gedanken zu Ende führen, ohne dass Sie mich unterbrechen? Es gibt natürlich die Interessen derjenigen, die selbstbestimmt sein und rauchen wollen. Das geht, so lange es da nicht Menschen gibt, die sich darüber beschweren. So lange ist es ihr gutes Recht. Aber ist gibt Interessen der Arbeitnehmer, aber auch der Wettbewerbsgleichheit der Kneipen untereinander. Da finden wir, ist das Gesetz nicht ausreichend, weil das Wettbewerbsverzerrungen Tür und Tor öffnet. Da ist zum Beispiel eine Kneipe unter 75 Quadratmetern mit einem Raum, die muss Nichtraucherschutz nicht gewährleisten. Aber über 75 Quadratmetern mit einem Raum schon. Da sind so viele Regelungen drin, die weder Wettbewerbsgleichheit schaffen, noch Nichtraucherschutz gewährleisten. Viele Gastwirte von kleineren Kneipen, wo viele Raucher hingehen, sagen ganz klar: Wir sind lieber für eine einheitliche Regelung für alle. Dann ist eben auch klar für alle, wie die Regeln sind.
Laurin: Das ist eine Legende. Nach allen Dehoga-Umfragen wollen die meisten Wirte keine radikalen Rauchverbote. Und den einheitlichen Wettbewerb haben Sie natürlich nie. Sie können vor Kneipen in Wohngebieten nicht draußen stehen, in Kneipenvierteln schon. Die Wettbewerbsgleichheit gibt es nicht. Das ist sowas wie der gerechte Preis im Mittelalter..
Lehmann: Das behauptet die Dehoga. Aber die Dehoga spricht ja auch nicht für alle Kneipiers.
Laurin: Aber für die meisten und sicher für mehr als die Grüne behaupten.
Lehmann: Klar, es gibt Probleme – aber da muss man Schwerpunkte setzen und sich entscheiden und wir haben uns nach langen und kontroversen Diskussionen – auch innerhalb der Grünen – dafür entschieden, dass die Gesundheit der Gäste und der Arbeitnehmer vorgeht. Und die Arbeitnehmer sind uns wichtig, denn bei deren Schutz vor Rauch versagt der Bund, der sich nicht darum kümmert. Und die Bundesregierung kümmert sich auch nicht um eine einheitliche Regelung in ganz Deutschland – deswegen müssen wir als Land das selber machen.
Stauder: Auf die Goldkante in Bochum trifft das schon jetzt zu. Vor der Kneipe darf mittlerweile niemand mehr rauchen, weil sich die Nachbarn über den Lärm beschwert haben, der von denen ausgeht, die vor die Türen vertrieben wurden. Noch verfügt die Goldkante über einen Raucher- und einen Nichtraucherraum. Mit einem absoluten Rauchverbot wäre das vorbei. Eine Kneipe weniger, in der man sich als Raucher längere Zeit aufhalten kann, bevor man kurz raus oder ganz gehen möchte bzw. muss.
Lehmann: NRW ist ja keine Insel – die Probleme gab es überall, aber sie wurden gelöst. Ob in den USA, Frankreich oder Großbritannien: Rauchverbote sind heute Standard und all diese Länder haben eine florierend Kneipenszene. Es wird kein Drama passieren in NRW, alle werden sich schnell daran gewöhnt haben.
Laurin: Es gab in all diesen Ländern ein Kneipensterben – eine bestimmte Art der Gastronomie geht dann unter: Die Orte des Exzesses, der Wildheit werden es nicht überstehen.
Lehmann: Ich bin für Orte des Exzesses, aber ich sehe nicht ein, was das mit Rauchen zu tun hat. Laute Musik, Alkohol – das alles gefährdet nicht andere Menschen. Für uns geht der Gesundheitsschutz vor den Interessen der Raucher.
Stefan: „Der Staat hat für die Gesundheit seiner Bürger zu sorgen” – ich konnte den Satz irgendwann nicht mehr hören. “Der Staat“ – Tja, den Typen hab ich noch nie gemocht. Er liegt mir auf der Tasche und mischt sich in mein Leben ein. Keine gute Kombination. Für mich ging es in dem Streit um das Rauchverbot ohnehin um mehr. Es war eine Grenze, eine Front und meine Sorge war, dass wenn die überschritten wird, eine ganze Welle von Verboten auf uns zurollt. Ich fasste das in einem knackigen Bild aus dem ersten Weltkrieg zusammen: “Das hier ist Verdun.” Lehmann schaute verwundert. “Und wenn Verdun fällt, wenn wir es nicht halten können marschieren SIE in Paris ein.” Zugegeben, ein etwas gewagter Vergleich. Lehmann hatte wenig von einem deutschen General und auch Andrea Rupprath erinnerte nur vage an Mata Hari. Aber Hand auf Herz: So ist es doch. Wenn sie das schaffen, werden sie sich nicht zufrieden geben. Auf den Ruhrbaronen haben wir ja anhand der Entwicklung in anderen Ländern beschrieben, was noch kommt – und auch wenn Lehmann das vielleicht persönlich nicht will, seine Partei wird bei jedem dieser Verbote ganz vorne mit dabei sein.
Stauder: Spätestens als sich beiderseitig sämtliche Pro- und Contra-Argumente bereits mehrmals wiederholt hatten und schließlich sogar Militärmetaphorik Einzug (oder heißt es Einmarsch?) in das Gespräch hielt, begann ich, unruhig auf meinem Stuhl hin und her zu rutschen. War der vorhin eigentlich auch schon so unbequem? Berufsprovokateur trifft Grünen-Landeschef. Was für ein Interview sollte das eigentlich werden? Und dann passiert etwas, mit dem wohl keiner der Anwesenden gerechnet hätte. Stefan Laurin und Sven Lehmann lachen sich an und entdecken überschwänglich gut gelaunt nie vermutete Gemeinsamkeiten. Sie verbindet ausgerechnet die EMMA. Beide haben in Alice Schwarzers feministischem Prestigeprintprojekt jeweils ihren ersten Text veröffentlicht. Bei ihren Gründen sind sich Lehmann und Laurin allerdings treu geblieben. Sven schrieb über Feminismus und Heteronormativität und Stefan einen Leserbrief, mit dem er hoffte, einem Mädchen aus der Parallelklasse zu imponieren. Immerhin ein friedliches Ende.
Sehr geehrte Autorengruppe,
ich habe einige Fragen zum obigen Text:
1. Könnten Sie vielleicht Interviewteil und Kommentarteil optisch stärker voneinander trennen?
Der Anfang und das Ende scheinen nicht zum eigentlichen Interview zu gehören.
2. Wer sind die Autoren der Autorengruppe? Ich vermute Stefan Laurin und Chantal Stauder, aber es könnte ja auch jemand anderes sein.
3. Warum wurde das Interview erst jetzt kurz vor der NRW veröffentlicht, statt zeitnah im Februar?
@Spider: 1. Beide Teilen gehören zusammen.
2. Chantal Stauder und ich.
3. Sowohl der Erstellung des Textes als auch die Freigabe haben lange gedauert, ohne das es auf einer Seite böse Absicht war. Sven Lehmann und die Pressesprecherin der Grünen, Andrea Rupprath, haben sich Mühe gegeben, damit das Interview noch vor der Wahl erscheinen kann.
Admin: Nö, geht nicht. Schicken Sie mir eine Mail und ich erkläre es.
Interessant finde ich die Bemühungen, durch Begriffsumdeutungen aus dem Geruch einer Verbotspartei herauszukommen = Sven Lehmann: „Ich nenn` es lieber Nichtraucherschutz, nicht Rauchverbot.“
Das erinnert mich doch irgendwie an den Neusprech in George Orwell´s „1984“ =
Minipax (engl. Minipax): Ministerium für Frieden (Krieg)
Übrigens findet Ähnliches momentan bei den Piraten statt. Bei den Überlegungen zum Nichtraucherschutz, die dort in der AG Nichtraucherschutz diskutiert werden, möchte man auch vom Begriff „Rauchverbot“ wegkommen:
Zitat: “Ich habe einen Vorschlag zur Sprachregelung. Im Zusammenhang mit dem Nichtraucherschutz sollte nicht über Rauchverbote geredet werden. Das ist negativ besetzt, was viele Nichtraucherschutzgegner sich gerne zu Nutze machen.
Stimmiger und sachlich korrekter ist es, von Rauch-Erlaubnissen zu sprechen!”
Davon abgesehen wird die Diskussion dort von Anti-Rauchern angeführt, die andere Teilnehmer mit Aussagen wie: „Raucher sind mehrheitlich süchtig, Süchtige, Nikotiniker und Abhängige der Tabak-Lobby“ stigmatisieren. Dass es schon lange nicht mehr um Nichtraucherschutz geht, ist unschwer an den Forderungen von Rauchverboten im Freien, bei Wind und Wetter, zu erkennen.
Die Piraten scheinen sich hier nicht von den Grünen unterscheiden zu wollen. Und, wer erst einmal in einem Verbotsrausch ist, lässt die Finger auch nicht von Zucker, Fett, Fleisch, Alkohol, Autos, Benzin, Diesel, Elektrogeräten…… sondern ändert lieber die Sprache!
@#4: „Ich nenn’ es lieber Verdun“ ist aber auch nicht zu verachten. Es muss tatsächlich so um 1916 gewesen sein, als Raucherkneipen noch als „Orte des Exzesses, der Wildheit“ gelistet waren.
#4 Nansy,
Die Entwicklung von Altsprech zu Neusprech soll erst um 2050 abgeschlossen sein.
Da kommt also noch was.
@#5:
Ich nenne es lieber Transformation bei den Grünen. Es muss tatsächlich so vor dreißig Jahren gewesen sein, als viele Grüne Bärte hatten, keine Schlipse trugen und in handgestrickten Pullovern statt gedeckten Sakkos auftraten. Es wurde geraucht, gekifft und die Freiheit auf den Lippen getragen….
Orte des Exzesses und der Wildheit bei den Grünen? Transformiert zu Verboten und Spießertum. 😉
@ Nansy # 4
Klasse Formulierung: Im Verbots r a u s c h sein. Das erklärt, wieso so viele Tabackgegner so gerne und regelmäßig alkoholhaltige Getränke zu sich nehmen. 😉
@admin
Ich hatte keine Frage gestellt, nur ein Kompliment wegen dem Interview gemacht. Das sind wohl Kommentare durcheinander geraten.
@#7: Ach, ich hab’ nichts dagegen, dass Raucher ihre Interessen vertreten. Wenn sie es aber mit dieser abgestandenen „Freiheit und Abenteuer“-Nummer tun, wird’s halt affig.
Was die Grünen anbetrifft: Biografische Anekdötchen samt Rückgriff auf Zeiten, in denen in Parlamenten noch Pullover produziert wurden, erklären (zu) wenig. Weil den Grünen, und zwar heute, „Gesundheit“ ein wichtiger Baustein für den grünen Kapitalismus zu sein scheint, würde ich da lieber mal was kritisch Medizinsoziologisches bzw. Biopolitisches lesen als diese immergleiche lebensweltliche Posse vom späten „Verbotsrausch“ grüner Biedermeier.
@#7: Ach, wenn es den Grünen ja „nur“ um Gesundheit (Gesundheitszwangserziehung?) als wichtigen Baustein gehen würde, könnte ich solche mißglückten Erklärungsversuche ja noch nachvollziehen.
Aber die Grünen sind mit ihren Verboten die Spaßbremsen schlechthin. Da fallen mir auf anhieb folgende Verbotsforderungen ein:
Verbot von Motorrollern, Rauchverbote, weitreichende Verbote für Alkohol, Verbot von Alkoholwerbung, Verbot für Süßigkeitenwerbung, totale Grillverbote in Parks und auf Grünflächen, Verbot von Gas-Heizstrahler, Zuchtverbot für Kampfhunde….u.s.w.
Die Aufzählung könnte man bestimmt noch erweitern. Und die 22-Cent-Abgabe auf jede Plastiktüte war ja nur die „zweitbeste Wahl“ der Grünen – vorher ging es natürlich um ein Verbot von Plastiktüten!
Viel interessanter ist doch die Frage, warum man bei den Grünen glaubt, dass Menschen nicht dazu in der Lage sind, Verantwortung für sich selbst zu tragen. Ist staatliche Rundumfürsorge und das Abnehmen jeder Verantwortung für sich selbst nicht ein Ausdruck von Spießertum?
[…] sich nicht für dieses bescheuerte Rauchverbot in Kneipen ausspricht – ein Tipp, den ich Stefan Laurin von den Ruhrbaronen […]
Der Text erinnert an Broder.
Einführung und abschließende Worte dreimal so lang wie das Interview. In denen dann die persönliche Meinung reingebracht wird, das Interview ziemlich viel offen lässt. Dazu dann inszenierte Provokationen… joa…
Man sieht beim Thema Rauchverbot aber, dass man es nicht wirklich ausdiskutieren kann. Aus liberaler Sicht kann man für Nichtraucherschutz oder auch dagegen sein.
Ist eine Abwegungssache…
aber zumindest versteht man Stefans Wut über das Thema, wenn er es als Einstieg zu Regulierungen sieht, die die Gesundheit fördern sollen.
Erschließt sich mir nicht wirklich. Das sind komplett andere Themen für mich.
als Nichtraucher (zumindest bei Zigaretten) bin ich zwar gegen den verbesserten Nichtraucherschutz, weil ich anders abwege…
aber wenn man das Thema nüchtern betrachtet, kann man nur die Schultern zucken. Beide Seiten haben vernünftige Argumente. Ist an sich auch ein Thema unter ferner Liefen. Ist sicher für kaum jemanden Wahl entscheidend, weil egal wie es ist, die Mehrheit sich nicht wirklich dran stören würde.
Nur durch die Empörten auf beiden Seiten wird das Thema hochgeschaukelt. So viel Energieverschwendung 😉
@TuxDerPinguin:
Es ist sicher richtig, dass Rauchverbote für die meisten Leute kein wahlentscheidendes Thema sind. Richtig ist aber auch, dass immer mehr Menschen dahinter kommen, wie die Gesundheitsfanatiker unser Leben regulieren wollen. Rauchverbote sind nur der Anfang, an Alkoholverboten wird schon gebastelt. Fett, Fleisch, Salz und Zucker tauchen immer öfters in Meldungen über „dringend zu lösende Probleme“ auf. Und es wird eben nicht nur aufgeklärt, sondern immer öfters mit Eingriffen in die persönliche Lebensführung argumentiert (wobei Steuererhöhungen noch die harmlosere Variante ist).
Deshalb ist das für immer mehr Menschen auch kein Thema unter ferner Liefen.
@#11: Ohne mich jetzt allzu intensiv mit Enttäuschungen, die Grünen betreffend, befassen zu können: Die Züchtung von Kampfhunden betrifft nicht nur diejenigen, die Kampfhunde züchten; der Produktion von Plastiktüten betrifft nicht nur diejenigen, die Plastiktüten produzieren (oder kaufen) usw. – die Selbstverantwortung des Kampfhundezüchters und der Plastiktütenproduzentin reichen also nicht aus, weil deren Interessen sich durchaus von den Interessen derjenigen unterscheiden, die es in der Folge mit Kampfhunden und Plastikmüll zu tun bekommen.
Gerade das geplante Verbot von rollenden Zweitaktern zeigt doch recht schön, dass Ihre Vorstellung, den Grünen ginge es vornehmlich um Kontrolle und Spaßbremserei und weniger um den so genannten ökologischen Umbau des Kapitalismus, zu kurz greift.
https://www.zeit.de/auto/2010-10/elektroroller-mini-smart
Da kann man aus guten Gründen kritisieren, dass Elektroroller, die per iPhone gestartet werden, zwar Spaß machen können, aber abgesehen von der durchaus zweifelhaften Ökobilanz zurzeit auch nur eingeschränkt alltagstauglich sind. Das ist dann aber eine andere Diskussion als das – ich wiederhole mich – spießige Jammern übers grüne Spießertum.
Und noch eines, zum Abschluss: Die mit reichlich Demagogie geführte Debatte um „grüne Volkserziehung“ wird eigentlich nur dort ein wenig interessant, wo sie anknüpft an die in den Kulturwissenschaften diskutierte Frage, inwieweit autoritär organisierte Gesellschaften womöglich schneller in der Lage sind, den „ecological turn“ ihrer kapitalistischen Volkswirtschaften hinzubekommen.
@DH: „inwieweit autoritär organisierte Gesellschaften womöglich schneller in der Lage sind, den „ecological turn“ ihrer kapitalistischen Volkswirtschaften hinzubekommen.“ Und da haben wir den Kern der Debatte: Es geht nicht um Gesundheitsschutz oder, bei anderen Themen, um Ökologie, es geht darum eine autoritäre Gesellschaft zu legitimieren. Und wie immer geht das am Besten mit Angst. Vielen Dank, Dir, genau darum geht es in dieser Debatte. Und ich möchte nicht in einer autoritären Gesellschaft leben, egal wie sie sich legitimiert.
@14 Nansy:
das verstehe ich eben nicht.
Beim Nichtraucherschutz bzw Rauchverbot kann man noch die Freiheiten zweier Gruppen abwägen.
Ein Verbot von Alkoholkonsum hat damit nix zu tun. Außer dass es es eine andere Droge ist, geht es da nicht um Abwägungen von Freiheiten, sondern das wäre ein Thema, was voll nur auf Gesundheits- oder Ordnungspolitik geht. Also auch thematisch völlig anders einzuordnen.
Die anderen Thematiken, die du ansprichst entspringen auch alle Gesundheits- oder Steuerideen.
Deshalb geht ja auch der Vorwurf von „Volkserzieher“ beim diskutierten Rauchverbot/Nichtraucherschutz völlig ins Leere.
Bei den anderen von dir angesprochenen Themen könnte er hingegen passen – die von dir angesprochenen Themen werden ja noch nicht diskutiert. Höchstens bzgl Alkohol. Wenn man da Leute in Trinkerräume wegschließen möchte… hätte schon was von „Volkserzieher“… wobei das sicherlich viele menschen unterstützen.
Kann mich an einer Änderungsmaßnahme in meiner Stadt erinnern, bei der eine der ersten Frage der Bürger war, ob man einen Blickschutz zum Trinkertreffpunkt machen kann… geht da aber wohl vielmehr darum, gesellschaftliche Abgründe auszublenden, aus den Augen aus den Sinn…
aber das ist ja ein völlig anderes Thema…
@#16: Es mag der Kern der Debatte sein, aber das ist kein Grund, Ziel und Instrument zu verwechseln.
Der ökologische Umbau ist das Ziel; autoritäre Muster dienen als Instrument – nicht umgekehrt; zumindest ist das die Debatte (in den Wissenschaften), die ich meine. Ich weiß, dass Tea Party, FDP und Jungle World das gerne anders gesehen haben möchten. (-:
@DH: Leggewie hat mit dem Öko-Thema einen guten Weg gefunden, dem KWI neuen Geldquellen zu erschließen und den Bestand des Institutes zu sichern. Geld und Macht – am Ende ist es fast immer ganz einfach…
@TuxDerPinguin:
Die Prohibitionsbemühungen beim Alkohol gehen in eine ähnliche Richtung wie bei der Diskussion um Rauchverbote, das ist aber teilweise noch nicht in der Öffentlichkeit angekommen.
Die Begründungen und Methoden sind ähnlich, bis hin zur Einführung des Nonsensbegriffs „Passivtrinken“ durch die damit befassten Organisationen (WHO u.s.w.). Der Grund für die Einführung des Nonsensbegriffs „Passivtrinken“ ist von einer der Mitauthorinnen des WHO Papiers zur Alkoholprävention, Sally Casswell von der Massey University in Auckland, klar genannt worden: sie sagte, dass die Konzentration auf das Passiv-Trinken der Schlüssel für die Akzeptanz der Öffentlichkeit bezüglich eines strengen Alkoholgesetzes ist.
Es geht also vorwiegend darum, den Menschen Angst zu machen. Dazu gehört auch die Behauptung: „Es gibt keine sichere Untergrenze für den Genuß von Alkohol“ – wo gibt es schon sichere Untergrenze?
Die Forderungen sind ähnlich: wie Steuererhöhungen, Werbeverbote, Warnhinweise auf Flaschen, bis hin zu Abgabe von Alkohol nur über staatliche Stellen.
Wie schrieb der SZ-Korrespondent Detlef Drewes:
“Aus dem Nichtraucherschutz hat man eine Schlacht gegen Raucher gemacht…” und weiter: “Die Bevormunder in der EU-Kommission sind längst dabei, Europas Verbrauchern vorzuschreiben, was sie künftig wie und wann zu essen haben. Gegen Burger, Chips und Schokolade wird mit dem gleichen missionarisch Eifer vorgegangen wie gegen Zigaretten.”
Hier mal die (wenn auch extreme) Argumentation der Kolumnistin Barbara Ellen in der Sonntagszeitung Observer:
„1. Menschen, die (wie Raucher und Trinker) vorsätzlich Dinge tun, die schlecht für sie sind, obwohl man sie x-mal angewiesen hat, das zu unterlassen, sind zu belehren, zu beschränken und sogar ihrer Grundrechte zu berauben.
2. Das Essen von Fleisch, speziell von verarbeitetem Fleisch, erhöht das Krebsrisiko und ist schädlich.
3. Deshalb sollten Menschen, die Fleisch essen, jetzt belehrt, eingeschränkt, und sogar ihrer Grundrechte beraubt werden.“
Und es gibt halt Parteien, die diese Haltung in abgemilderter Form zur Grundlage ihrer Politik machen.
@#19: Aha.
Guter Stoff, das Stück.
Rauchen als Paradigma für Freiheit.
Das is auffm Punkt.
Was immer die Volksgesundheitsministerin damals in der Volksgartenstraße in der kleinen Frankfurter Küche und auch beim Parteigriechen drei Ecken weiter in den Nachtschichten seinerzeit inhaliert hat.
Sven Lehmann….
….
Woher kommt mir nur der Name bekannt vor?
LOL 🙂