NRW: Selbstverwaltetes Ruhrgebiet?

Die Landesregierung will  durch die Weiterentwicklung des RVR-Gesetzes dem Ruhrgebiet mehr Selbstverwaltung zugestehen. Doch erst einmal müssen sich die Politiker im Revier auf eine Linie  einigen. Traditionell kein einfaches Unterfangen.

Nach Jahrzehnten des Bedeutungsverlustes kam 2007 die Wende: Die schwarz-gelbe Landesregierung gab dem Regionalverband Ruhr (RVR), dem Zusammenschluss der Städte und Landkreise des Ruhrgebiets, das Recht zurück, über die Regionalplanung selbst zu entscheiden. Vorher war seit den 70er Jahren über das Ruhrgebiet nicht im Ruhrgebiet entschieden worden, sondern in Arnsberg, Düsseldorf und Münster, den Sitzen der Regierungsbezirke, die das Ruhrgebiet zerschneiden.

Nun soll der RVR weitere Kompetenzen dazu gewinnen. Wahrscheinlich schon im kommenden Jahr soll der Landtag darüber entscheiden, wie sehr das Revier künftig selbst über seine Entwicklung bestimmen kann. Der rot-grüne Koalitionsvertrag ist, was diese Fragen betrifft, vage. Die Landesregierung setzt darauf, dass sich die Politiker im Ruhrgebiet – im Regionalparlament haben SPD und Grüne wie im Land die Mehrheit – erst auf ein gemeinsames Konzept einigen. Am 22. August hat die SPD im Ruhrgebiet Eckpunkte eines solchen Konzeptes erarbeitet. In einem Strategiepapier, das dieser Zeitung vorliegt, sprechen sich die Sozialdemokraten dafür aus, erst neue Aufgaben für den RVR zu bestimmen: Ihren Plänen nach soll der Regionalverband künftig auf die Schaffung eines Verkehrsentwicklungsplanes, einer stärkeren Vernetzung der zahlreichen Wirtschaftsförderungen und Tourismuswerbung konzentrieren. Von einer direkten Wahl des Ruhrparlaments rücken die Sozialdemokraten ab.

Der Grüne Koalitionspartner ist da offensiver. Börje Wichert, Vorsitzender der Grünen im Ruhrgebiet: „Wir sind für eine Direktwahl des Ruhrparlamentes und des RVR-Chefs. Der muss auf Augenhöhe mit den Oberbürgermeistern arbeiten.“ Und für die Abgeordneten des Regionalparlamentes sei es auch besser, wenn sie direkt von den Bürgern gewählt und nicht von den Räten entsandt werden würden. „Zwei Hüte auf zu haben ist nie gut.“ Streit? Nein, den gäbe es nicht: „Inhaltlich sind sich CDU, SPD und Grüne in diesen Fragen sehr nahe.“ Wichert will auch die Union in die Gespräche einbeziehen, immerhin stelle die CDU ja auch die Oberbürgermeister der beiden Revierstädte Hamm und Hagen.

Die Pläne der Ruhrgebiets-CDU stellte in der vergangenen Woche ihr Chef Oliver Wittke vor. Wie die Grünen will auch Wittke mehr Demokratie im Ruhrgebiet wagen. Aber Wittke will weitergehen  als Grüne und SPD: Die Union will, dass Personal für die Regionalplanung des Reviers aus den Bezirksregierungen zum RVR umzieht, Städte aus dem RVR anders als bislang nicht mehr austreten können und der RVR finanziell unabhängiger wird. Er soll, wie die Landschaftsverbände, Geld aus dem Gemeindefinanzierungsgesetz erhalten. Die Grünen sind da eher abwartend. Wichert: „Das muss durchgerechnet werden. Mehr Geld gibt es nicht, und es ist eine Illusion zu glauben, die anderen Regionen NRWs jubeln, wenn wir Geld von ihnen wollen.“

Auch die SPD ahnt selbst bei ihren vorsichtigen Plänen, dass es Widerstand geben könnte und will jeden Schritt eng mit der Landtagsfraktion abstimmen. Aber die ist nicht das einzige Problem: Mächtige SPD-Oberbürgermeister wie Dortmunds Ullrich Sierau und Essens Reinhard Paß sind ausgewiesene Gegner einer Stärkung des RVR. Sie setzen wie viele andere OBs auf die Zusammenarbeit der Städte – auch wenn die sich seit Jahrzehnten als notorisch erfolglos erwiesen hat.

Der Artikel erschien in ähnlicher Form bereits in der Welt am Sonntag.

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Arnold Voß
Arnold Voß
12 Jahre zuvor

Ob ich es noch erlebe? Die direkte Wählbarkeit eins Ruhrparlaments und des RVR-Chefs bzw. der Chefin? Ich kanns nicht glauben.

Aber es wäre schon toll, wenn die 52 Wirtschaftsförderer der Stadtregion und ihre Helfer an einem einzigen Strang ziehen würden. Es gibt keinen vergleichbaren Ballungsraum auf dieser Welt der davon so viele beschäftigt und bislang so wenig damit erreicht hat.

Walter Stach
Walter Stach
12 Jahre zuvor

Stefan,Arnold, ja, immerhin wird ‚mal wieder darüber nachgedacht, ob und wie die die „Wahrnehmung kommunler und regionaler Aufgaben“ ruhrgebietsweit optimiert werden kann.

1.
Ich widerspreche nicht den Ideen, z.B. mittels einer Direktwahl der Mitglieder der Verbandsversammlung des RVR oder einer Direktwahl des „Chefs des RVR“ etwas zu tun,um zur „Regionaleinheit“ beizutragen bzw. um diese zu demonstrieren.
Nur dient das ehe dem Schein als dem Sein des RVR. Ich könnte auch sagen: „Letzlich bewirkt das in Sachen „Optimierung in der Aufgbenwahrnehmung“ nichts.

2.
Ich widerspreche auch nicht der Idee, daß zunächst der RVR nach dem Willen der Landesregierung „ein einheitliches Konzept“ erarbeitet.
Nur kann und wird ein solches Konzept, erabeitet durch die RVR-Verwaltung, beraten in den RVR-Ausschüssen und verabschiedet durch die Verbandsversammlung nichts, nicht viel bringen können.

Das Erabeiten, das Beraten eines solchen Konzeptes muß in allen Kommunen im Zuiständigkeitsbereich des RVR erfolgen, und dort nicht nur in den Verwaltungen/den Räten, sondern auch durch beratende Beteiligung der Bürgerschaft;das erfordert viel Aufwand und einige Zeit. Beides ist einzusetzen, wenn „man“ mehr will als Kosmetik, die nicht viel bringt und nur einige wenige Jahre vorhält.

3.
Und egal wie ein solcher Prozeß organisiert wird und wer letztlich verbindlich ein Ergebnis beschließt:
Es kann nicht nur um eine verbesserte „Optik“ gehen.
Deshalb muß von den kommunalen/den regionalen Aufgaben her gedacht werden mit dem ausschließlichen Ziel, die Aufgabenwahrnehmung zu optimieren einschließlcih der Sicherung einer Finanzierung, die kostengünstiger zu sein hat als derzeit. Das Problem dabei wird sein, eine Finanzierung zu sichern, über die letztlich n i c h t die einzlnen Kommunen die Politik des RVR steuern können. Und dabei ist zudem eine „bürgernahe“ Aufgabenerledigung stets als gleichwertiger Faktor in die Überlegungen einzubeziehen;ein schwieriges Geschäft!!

Ich denke, letztlich muß ein solches Arbeitsergebnis, das ja ein Eingriff in das Selbstverwaltunsrecht der Kommunen bedeuten könnte, in einem Landesgesetz verankert sein -Gesetz zur Änderung des RVR-Gesetzes oder mittels eines völlig neuen Gesetzes? Und das muß dann formell die Zustimmung aller Kommunen des Ruhrgebietes -nicht nur der Verbandsversammlung des RVR- finden, denn ohne deren Zustimmung ist ein Eingriff in die Substanz der kommunalen Selbstverwaltung verfassungswidrig und insofern durch jede Kommune vor dem VerfGH NRW „anfechtbar“.

Walter Stach
Walter Stach
12 Jahre zuvor

Nachtrag:

Um die Komplexität des von mir angesprochenen Prozesses zu ergänzen:

…..und es ist anzustreben, daß ein „Mehr“ an Kompetenzen beim RVR -oder bei einer völlig neuen Organisation-nicht einhergehen darf mit einem „Weniger“ an bürgerschaftlicher Demokratie im Ruhrgebiet. Es ist vielmehr auch über ein „Mehr“ an Demokratie nachzudenken -sh.im Ansatz deshalb insofern zutreffend die Überlegungen über Direktwahlen. Nur können die nicht -sh.einleitend unter 2.)-Selbstzweck sein bzw.der „demokratischen Kosmetik“ einer ansonsten weiterhin nur sehr begrenzt zuständigen „Verwaltungseinheit für das Ruhrgebiet“ dienen.

der, der auszog
der, der auszog
12 Jahre zuvor

Die Phrasen, die derzeit seitens der Politik bezüglich einer Selbstverwaltung und Stärkung des RVR gedroschen werden sind nicht neu, ähnlich wie die Vorstellung, dass man das Kirchturmdenken der fürs Revier politisch verantwortlichen Betonköpfe in den Kommunen irgendwie überwinden könne. Bahnbrechendes passiert ist in den letzten Jahren in diesem Zusammenhang nämlich nichts und deshalb sollte man nicht den Fehler begehen und aus den derzeitigen Forderungen Hoffnungen schöpfen, auch wenn sie – wie alle Jahre wieder – bei dem ein oder anderen verlockende Illussionen wecken könnten.

Hintergrund der gegenwärtigen Äusserungen dürften vielmehr die Personalentscheidungen innerhalb der Ruhr-CDU und der Ruhr-SPD sein. Für Olli Wittke (CDU), der als Generalsekretär und Steuermann mit seiner Partei bei der letzten Landtagswahl schiffbruch erlitten hat und auf Geheiß seines Kapitäns den Kahn voll in den Eisberg manövrierte, geht es ums politische Überleben. 2004 als OB in Gelsenkirchen gescheitert, 2009 als Verkehrsminister unter Rüttgers zurückgetreten, 2012 schliesslich auch als Generalsekretär von Röttgens Gnaden. Das einzige was Wittke blieb, war der Posten des Vorsitzenden der Ruhr-CDU und den galt es in der letzen Woche zu retten, um nicht vollends in der politischen Bedeutungslosigkeit zu verschwinden.

Bei der Ruhr-SPD wurde ebenfalls gewählt und wie nicht anders zu erwarten Frank Baranowski als deren ersten Sprecher bestätigt.

In vielen Punkten sind sich Wittke und Baranowski einig, gerade was die Vorstellungen über die politische Zukunft des Ruhrgebietes angeht. Aber spätestens wenn es um das Besetzen von Pöstchen in öffentlichen Einrichtungen, Institutionen und Unternehmen geht, ist Schluss mit lustig.

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