Vieles in NRW spricht für Neuwahlen. Für eine große Koalition spricht dagegen vor allem die Angst der Abgeordneten vor dem Verlust ihrer Mandate.
In NRW gibt es viele Gründe für Neuwahlen: Die Wunschkoalitionen von CDU und SPD haben keine Mehrheit. Dreierbündnisse wird es nicht geben. Die beiden nicht mehr ganz so großen Volksparteien haben Probleme, sich in ihrem Patt darauf zu einigen, wer Koch und wer Kellner einer großen Koalition werden soll.
Kellner, das hat die SPD spätestens in großen Koalition unter Merkel gelernt, kann ein undankbarer Job sein.
Eine Koalition sollte auf einer halbwegs stabilen Basis stehen. Das wird in NRW bei einer großen Koalition kaum der Fall sein: Dafür ist das Mißtrauen zwischen Union und SPD zu hoch. Auch wenn man sich inhaltlich einigen könnte.
Das sind eigentlich gute Gründe für Neuwahlen – auch wenn viele Wähler nicht gerne wählen gehen. Ich kann dieses Nichtwählerverhalten zwar nicht ganz nachvollziehen, weil der Aufwand wirklich nicht groß ist, aber naja.
Warum es trotzdem eher nicht zu Neuwahlen kommen wird? Eine Mehrheit für die Auflösung des Landtages ist einfach nicht in Sicht – denn kaum einer der gerade frisch gewählten Landtagsabgeordneten kann sich dafür begeistern. Es geht ihnen nämlich auch um die eigene Zukunft, das eigene Mandat. Politische Überlegungen werden da ganz schnell zweitrangig.
Käme es zu Neuwahlen, würden die Wahllisten auf Parteitagen neu aufgestellt. Alle, die über die Liste in den Landtag gekommen sind, müssten zittern: Erhalten sie wieder einen guten Listenplatz? Und was ist überhaupt ein guter, sicherer Listenplatz? Das künftige Wahlergebnis kennt niemand.
Das gilt nicht nur für FDP Abgeordnete, die sich an dem Tag, an dem Neuwahlen beschlossen würden, schon mal beim Arbeitsamt melden könnten. Auch Grüne, Linke und SPDler müssten zittern. Die CDU brachte keinen Abgeordneten über die Liste in den Landtag.
Die Karten würden neu gemischt.
Das gilt wenn auch abgeschwächt ebenfalls für die Abgeordnete, die ihre Wahlkreise direkt gewonnen haben. Bei einigen Siegern war der Vorsprung knapp. Zum Teil, wie im Kreis Recklinghausen, machten wenige hundert Stimmen den Unterschied. Auch solche Wackelkandidaten werden wenig Freude an Neuwahlen haben. Und nicht alle würden wieder aufgestellt.
Die Trägheit der Masse ist damit die Basis einer großen Koalition. Nur wenige werden ihre Mandate riskieren wollen, denn diese bieten immerhin fünf Jahre persönliche Sicherheit. Nicht die schlechtesten Aussichten in Zeiten wie diesen.
Ich denke, vielen Nicht-gerne-nochmal-Wählern geht es nicht um den Aufwand, sondern um die Unverschämtheit einer Politik, die mit einem Wahlergebnis nicht umzugehen weiß und dann eben so lange wählen läßt, bis es paßt.
Deine Argumente sind leicht nachvollziehbar, aber auch leider recht popolustisch („Die Politiker kleben auf Ihren Pöstchen und wollen nur ihre Diäten“).
Leider vergisst Du, dass man das Volk nicht so lange wählen lassen soll/kann/darf bis die Ergebnisse passen bzw. eindeutig sind. Implizit redest Du hier ja einer Art von ‚Stichwahl‘ das Wort, die die Landesverfassung (aus gutem Grund? Das wäre eine andere Diskussion) nicht kennt.
Ich für meinen Teil würde die selbe Partei wieder wählen. Du unterstellst ja implizit, die NRW-Bürger hätten seit der Wahl (also seit dem 9. Mai!) festgestellt, dass sie ‚falsch‘ gewählt haben und willst ihnen eine Chance geben qua Neuwahlen ihren Fehler zu korrigieren. Diese Grundannahme nimmt die Entscheidung der Wähler nicht ernst! Angenommen ‚der Wähler‘ wäre auch heute noch überzeugt davon, sein Kreuz an der richtigen Stelle gemacht zu haben – dann wäre das Ergebnis in Bezug auf die Mehrheitsverhältnisse im Parlament identisch. Willst Du dann nochmal wählen lassen? Nein. Aus heutiger(!) Sicht spricht wenig dafür, Neuwahlen zu fordern. Neuwahlen können nur der letzte Schritt sein wenn alle anderen Optionen gescheitert sind.
Nein, es geht nicht nur um Listenplätze, Mandate (obwohl das für manche Abgeordnete im Zentrum ihres Interesses stehen mag) . Es geht an erster Stelle um den Wählerwillen, der ja durch das Wahlergebnis ausgedrückt wurde und Respekt verdient. Zu schnell nach Neuwahlen gerufen, zu schnell eine Neuwahl gar durchgeführt, entwertet m.E. den Wahlvorgang an sich. Und das wird die Politikverdrossenheit der Bürger noch befördern.
Parteiübergreifender Widerstand gegen Neuwahlen ist per se nicht verkehrt und sollte vielleicht nicht auf die einfache Formel „wenn nicht neu gewählt wird, kassiere ich fünf Jahre meine Diät“ reduziert werden. Letztendlich haben zumindest die direkt gewählten Landtagsabgeordneten von den Wählern ihres Wahlkreises den Auftrag erhalten, sie für die nächsten fünf Jahre im Landtag zu vertreten – und nicht den Auftrag, das Wahlergebnis zu revidieren nur weil den Parteispitzen die Koalitionsoptionen nicht schmecken. Die Unsitte, so lange abstimmen zu lassen bis das Ergebnis passt, wurde in den letzten Jahren schon auf EU-Ebene praktiziert, das muss nicht auch noch in NRW eingeführt werden…
Großer Einspruch. Neuwahlen dürfen immer nur „ultima ratio“ sein. Nicht umsonst darf sich der Bundestag nicht selbst auflösen. Ich finde es sogar bedenklich, dass die Landtage dieses Recht teilweise haben. Kommt mir nicht gerade demokratisch vor.
@Christian: Ich gebe Dir prinzipiell Recht – aber je mehr Parteien wir in den Parlamenten haben um so schwieriger wird die Bildung von Regierungen. Bei drei oder vier Parteien ist die Welt noch in Ordung. Bei fünf oder mehr Parteien wird es sehr kompliziert, wenn die Parteien sich so verhalten wie die FDP in NRW.
@Stefan: …oder die Grünen (die ja die „Schwampel“ ebenfalls ausschließen). Die Probleme, die ein Einzug von fünf oder mehr Parteien für die Regierungsbildung mit sich bringt, sind in der Tat offensichtlich. Es sollte dennoch – wenn überhaupt – erst nach Ausschöpfung sämtlicher Alternativen eine Neuwahl-Option erwogen werden. Denn letztendlich müsste man dann ja – im Sinne klarer Machtverhältnisse – darauf spekulieren, dass bei Neuwahlen noch weniger Wähler zu den Urnen gehen oder aber strategisch abstimmen und entweder FDP oder Linke dadurch unter die 5% rutschen. Das würde zwar die Regierungsbildung deutlich erleichtern, drückt ja aber den originären Wählerwillen nur noch bedingt aus…
[…] ob die nun gewählten vielen neuen Mandatsträger überhaupt selbst eine Neuwahl ersehnen, scheint auch fraglich! Zu schnell könnte für den einen oder die andere der Traum vom […]
Noch eine Anmerkung aus der Sicht eines Parteimitglieds und -mitarbeiters:
Für einen weiteren Wahlkampf fehlt schlicht und einfach die Energie. Nach Europa-, Kommunal- und Bundestagswahl im letzten Jahr haben sich die Aktiven vor Ort zum Landtagswahlkampf schleppen müssen. (Und haben mancherorts noch nicht mal das hinbekommen.) Ein weitere Wahlkampf würde alle Parteien massiv finanziell belasten, halbwegs anständiger Straßenwahlkampf ließe sich mit den ausgepowerten Parteimitglieder nicht mehr machen.
„Ich gebe Dir prinzipiell Recht – aber je mehr Parteien wir in den Parlamenten haben um so schwieriger wird die Bildung von Regierungen.“
Stimmt, früher war’s einfacher. Vielleicht wird bald wieder über ein Mehrheitswahlrecht debattiert, bspw. nach Instant-Runoff-Voting-Prinzip: https://de.wikipedia.org/wiki/Instant-Runoff-Voting
Es gibt 4 Möglichkeiten die grundsätzlich zusammenpassen könnten
– rot / grün / gelb
– rot / grün / rot
– schwarz / rot
– schwarz / grün / gelb
Zudem fehlt sowohl rot / grün, als auch schwarz / grün nur eine Stimme. Da finde ich den Gedanken an eine Minderheitsregierung nicht furchtbar abwägig.
Wenn die gewählten Volksvertreter (damit ich meine ich aller Fraktionen) bei 4 + 2 Möglichkeiten es nicht schaffen eine Mehrheit für Regierungschef und Haushalt auf die Beine zu stellen sollten sie sich einen anderen Job suchen.
Was wird das erst geben wenn die sogen. Volksparteien es zusammen nicht mal mehr auf 50% schaffen? Das wir in Zukunft mal Parlamente mit 5 Parteien à 20% finde ich nicht so abwägig (auch wenn die F.D.P. aktuell dagegen arbeitet)
#9
Da gebe ich Jimmmy74 vollkommen recht.
Ich kann mir keine Parteibasis vorstellen, die nach 4 Wahlkämpfen in 12 Monaten einen weiteren sich wünscht. Da ist so, als ob man nach einen Unentschieden in der Verlängerung gleich nocheinmal 90 Minuten spielen soll, damit der Zuschauer (Wähler) eine eindeutige Entscheidung bekommt. Dieser beklagt sich dann aber auch furchtbar über diese Verlängerung, weil sein Sitzfleisch das nicht hergibt.
Entscheiden werden aber andere, d.h. Parteispitzen, nicht die Basis.
Für mich ist es komplett unverständlich, dass bei Landtags-, Bundestags- oder sonstwelchen „Wahlen“ manch erwachsener Mensch sich dazu hinreißen lässt, diesen immer wiederkehrenden Politkitsch zu kommentieren. Bei allem Respekt meinen Vor-Schreibern gegenüber (das „mit Verlaub“ verkneif ich mir an dieser Stelle…) möchte ich kleinlaut in Erinnerung rufen:
1. Grundsätzlich werden, was Deutschland betrifft, politische Entscheidungen in Frankfurt/Main getroffen.
2. Der momentane Bundeskanzler heißt Ackermann.
Für Ihre Aufmerksamkeit bedanke ich mich zutiefst und hoffe, dass wir alsbald abgrundtiefe Schlammlöcher finden, die Fratzen der Kapital-Diktatur in diesensolchen zu versenken. Prinzipiell, versteht sich…
Je mehr Parteien wir in den Parlamenten haben, um so schwieriger wird die Bildung von Regierungen ??
Stefan, das ist nicht ansatzweise plausibel. Es gibt mehr Optionen, als je zuvor. Und es gibt sogar eine überaus plausible, nein: zwingende Option, die lediglich den Mächtigen im Lande und ihren alles andere als unabhängigen Medien nicht passt.
So einfach ist das. Unter gegebenen Bedingungen ist keine der Parteien koalitions- und regierungsfähig. Genauer gesagt: regierungswillig. Reine Willkür der illegitimen Sorte. Demokratieunfähigkeit. Ein politischer Offenbarungseid.
Neuwahlen? Die hatten wir gerade. Ich lasse mich nicht gern veralbern, bin strikt gegen jedes nochmal Wählen. Wie oft, bitteschön, solls denn sein?
Dann bitte rotgrüne Minderheitsregierung. Wäre wirklich spannend.
[…] NRW: Sichere Mandate statt Neuwahlen! (Ruhrbarone) – Warum Neuwahlen eher unwahrscheinlich sind beschreibt Stefan Laurin von den Ruhrbaronen. Seiner Meinung nach spricht vor allem die Angst der gewählten Abgeordneten ("FDP Abgeordnete, sich sich an dem Tag, an dem Neuwahlen beschlossen würden, schon mal beim Arbeitsamt melden könnten") dagegen. […]
@manfred Michael
Zur Idee der rot / grünen Minderheitsregierung hab ich einen sehr interessanten Vorschlag gelesen:
– Die Linke wählt Kraft an MPin
– es wird alles was sich in allen drei Wahlprogrammen findet gemeinsam umgesetzt
– für alles andere soll sich Kraft die fehlende Stimme bei CDU und/oder F.D.P. holen
– Kraft soll nicht böse sein wenn die Linke gegen diese Entscheidungen Opposition betreibt
Damit sollte sich die SPD gut treiben lassen. Vor allem weil ich ihr unterstelle ihre eigenen Programme nicht umsetzen zu wollen.
Neuwahlen sind einfach nicht mit meinem Demokratieverständnis vereinbar. Der Souverän bestimmt wie der Landtag auszusehen hat und der Job der Landtagsmitglieder its es, damit zu arbeiten. Von allen sich selbst als demokratisch bezeichnenden Parteien kann erwartet werden sich zusammenzuraufen bis es eben doch passt! Das die SPD überhaupt Neuwahlen als realistische Option ins Auge fasst empfinde ich als respektlos gegenüber dem Wähler.
Dass die Politiker uU an ihren Stühlen kleben und persönliche Interessen haben Neuwahlen zu vermeiden ist da meiner Meinung total unerheblich.
[…] ob die nun gewählten vielen neuen Mandatsträger überhaupt selbst eine Neuwahl ersehnen, scheint auch fraglich! Zu schnell könnte für den einen oder die andere der Traum vom […]
die Mehrheit der Bürger ist für Neuwahlen und wünscht klare politsiche Verhältnisse, eine starke Landesregierung mit Gewicht auch im Bundesrat um ev. auch ein Gegenwicht gegen das hektische Agieren, von Regieren kann man wirklch nicht mehr sprechen!, der Biene Maja Koaltion in Berlin bilden zu können.
Es geht um unser Bundesland, unsere Kinder, die Schulen, die Strassen und die öffentlcihen Einrichtungen, unsere Netto-Einkommen und Arbeitstellen ….
nicht um Posten für Politiker, deren übehöhten Diäten, Macht oder Ohnmacht wenn es um übereilte un dnicht zurechtfertigenden Milliardensubventionen für marode Bnaklen oder Währungssysteme
es gerht um so vieles , deshalb meine Petition für Neuwahlen in NRW!
@Axel Zahn:
„Die Mehrheit der Bürger ist für Neuwahlen“
Gibt es da Statistiken, Meinungsumfragen etc, oder ist das lediglich eine persönliche Einschätzung?