Über sechs Jahre setzte die SPD in Nordrhein-Westfalen auf zwei Faktoren, um die Macht zu erhalten: Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und ihre Beliebtheit in der Bevölkerung und ein durch keinen Streit getrübtes Verhältnis zum grünen Koalitionspartner. Bei dieser eher schlichten Taktik schwang sowohl die Erinnerung an die angeblich goldene Johannes Rau Zeit als auch die Lehre aus der ersten, von Streit geprägten, rot-grünen Koalition mit, die mit dem Machtverlust endete. Wenn nun die SPD Minister Duin (Wirtschaft), Groschek (Verkehr) und
Walter-Borjans (Finanzen) einen „Pakt für Infrastruktur“ geschaffen haben, um gegen eine „durchgrünte“ Gesellschaft zu kämpfen, in der Bauvorhaben an Bürgerinitiativen scheitern, übersehen sie, dass sie seit 2010 die Grünen dabei unterstützten, genau diese Gesellschaft in NRW zu etablieren. Wirtschaftsminister Garrelt Duin ist unbedeutend und amtsmüde. Er soll, Pfeifen die Spatzen in Düsseldorf von den Dächern, bereits einen Job in der Industrie für die Zeit nach der Landtagswahl gefunden haben. Gegen Umweltminister Johannes Remmel konnte er sich kaum durchsetzen, in der Landespolitik hat er keine Spuren hinterlassen. Das gilt für die meisten SPD-Minister: Gab es einen Konflikt mit den Grünen, mussten sie klein beigeben. In Gesprächen mit Groschek konnte man schon vor Jahren spüren, wie ihn das nahezu körperlich belastete – doch die Politik änderte sich nicht, auch Groscke machte weiter und kämpfte nicht für einen Politikwechsel. Nicht einmal als Lobby beim Eintreiben von Bundesmitteln funktionierte die SPD-Ministerriege am Ende, wie sich bei der Breitbandpleite zeigte, dabei konnte man sich über Jahrzehnte sicher sein: Auch wenn ein Sozi sonst nichts kann, Fördermittel schnorren kann er.
Der Kurswechsel der Sozialdemokraten in NRW, dem Land ohne Wirtschaftswachstum, kommt nicht nur zu spät, er ist auch nicht mehr als Wahlkampfgetöse. Die SPD weiß, dass die Chancen zur Weiterführung von Rot-Grün in NRW schlecht stehen und will sich nun als Job- und Wirtschaftspartei neu erfinden. Doch wer über sechs Jahre in der Regierung saß, muss mit dem werben, was er geschaffen hat und sich nicht als Protestbewegung gegen den Ökologismus aufspielen. Politiker haben Macht auf Zeit, um zu gestalten. Das haben vor allem Groschek und Duin nicht geschafft. Sie haben sich über Jahre angeschaut, wie eine an Politik weitgehend desinteressierte Ministerpräsidentin und die Grünen die Agenda bestimmten – sie hätten handeln können und taten es nicht.
Aus Duisburger Perspektive sehe ich ein ganz anderes Problem der SPD: Sie gibt sich gar nicht die Mühe, den Sinn politischer Projekte dem Bürger zu vermitteln bzw. auf berechtigte Einwendungen des Bürgers einzugehen – und nachher steht sie mit leeren Händen da und hat nur einen Misserfolg vorzuweisen, weil nichts durchdacht war. Da werden Bäume gefällt und alte Bausubstanz (insbesondere im Norden) abgerissen – aber es ist ja nicht so, dass an dieser Stelle etwas großartiges Neues entstehen würde oder man irgend ein Quartier dadurch aufgewertet hätte. Im Gegenteil, die gescheiterten Bauprojekte sind Legende! Im Duisburger Süden wird auf Teufel kaum raus für Düsseldorf-Pendler Wohnraum geplant, obwohl fraglich ist, wie die Nachfrage sein wird, und ohne sich um eine ausreichende ÖPNV-Anbindung zu kümmern. Insofern ist es absolut berechtigt, dass Bürgerinitiativen und Ratsfraktionen wie die Grünen (aber teilweise auch andere) da etwas genauer hingucken.
„Brandstifter setzen sich fürs Löschen ein“: Die Aktion der drei SPD-Minister Groschek, Duin und Walter-Borjans zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes NRW entpuppt sich als Treppenwitz der Geschichte. Diejenigen Hemmnisse, wogegen alle drei Minister Klage führen, haben gerade die Minister Groschek und Duin selbst mit herbeigeführt.
Wirtschaftsminister Duin, SPD, ist verantwortlich für den newPark bzw. in seinen Verantwortungsbereich fällt der newPark im Kreis Recklinghausen. Er hat nicht verhindert, dass die von der eigenen Landesregierung als eine von vier großflächigen Industrieansiedlungen landesweit vorgesehene Fläche trotzdem von Umweltminister Remmel torpediert wurde, wo er nur konnte.
Verkehrsminister Groschek, SPD, ist verantwortlich für den Straßenbau in NRW. In diesem Jahr können wiederum viele von der Bundesregierung in Berlin bereitgestellte Gelder für dringende Straßenbauprojekte nicht abgerufen werden, da die vorliegenden Planungen seitens der Landesregierung nicht mit einer sofortigen Vollziehung versehen wurden. Diese wurde im Koalitionsvertrag von SPD und Grünen ausgeschlossen.
Die SPD-Minister, die am Mittwoch medienwirksam das „Bündnis für Infrastruktur“ verkünden, haben es nicht geschafft, den Grünen „Verhinderungsminister“ Remmel in die Schranken zu weisen. Ich nenne als weiteres aktuelles Beispiel das geplante Landesnaturschutzgesetz. In dem Entwurf der Landesregierung ist vorgesehen, dass Naturschutzverbände und interessengeleitete Organisation mehr Rechte erhalten sollen, als demokratisch gewählte Politiker in den Kreistagen.
Fazit: Trotz ihrer Ankündigungen schaffen die SPD-Minister es nicht, dass NRW auch nur einen Millimeter wirtschaftsfreundlicher wird.
Die Schaffung von Arbeit hat die sogenannte Arbeiterpartei sich seit Jahren auf ihre Fahnen geschrieben, in NRW vollzieht sich aber das Gegenteil. Remmel zelebriert das Wolfserwartungsland, vom Arbeitsplatzerwartungsland sind wir aber meilenweit entfernt. Die Schaffung von Arbeitsplätzen hat gerade für die SPD, was das Ruhrgebiet betrifft, an Reiz verloren. Stattdessen ist die NRW-SPD aus Gründen der Machterhaltung auf den Blockade-Zug der Grünen aufgesprungen.
Mit dieser Politik wird NRW trotz des „Bündnisses für Infrastruktur“ Schlusslicht im Ländervergleich bleiben.
Wo sind denn die Alternativen?
Ist mit einer CDU unter Herrn Laschet mit einer Besserung der Situation zu rechnen?
Grün/Schwarz wird doch zurzeit auch immer wieder diskutiert. Es gibt ja auch genügend Wähler, die die Ideen der grünen Partei unterstützen. Das sieht man doch auch wieder in Berlin, trotz der chaotischen Zustände dort.
@kE: Die Wähler, die die grünen Ideen unterstützen, wählen die Grünen. Dafür braucht es keine SPD.
Stefan Laurin,
warum wird jetzt schon durch Dich der NRW Wahlkampf gegen SPD/Grüne eingeläutet?
Dass Hovenjürgen als CDU-MDL Deine Vorlage anzunehmen versucht, versteht sich. Das Verstehen meinerseits bezieht sich auch die ihn kennzeichnende Qualität seiner Argumentatiton.
In der Sache erinnere ich daran, daß es sehr oft zu verwaltunsgerichtlichen Urteilen gekommen ist, in denen Bürger, Bürgerinitiativen obsiegt haben -gegen eine Kommune, gegen eine staatliche Behörde. Und warum? Nicht, weil die Bürger besonders lauthals protestiert haben, sondern weil das geltenden Recht diese Urteile erzwungen hat. Das betr. geltende Recht war regelmäßig Bundes- und kein Landesrecht -sh.z.B. das Baugesetzbuch – oder sogar EU-Recht!!
Ich gehe nicht davon aus, daß es "demnächst" zu Gesetzesänderungen auf Bundesebene oder gar auf EU-Ebene kommen wird, die die hier einschlägigen Standards diesbezüglich herunterfahren könnten.
Wenn "meine" SPD in NRW vorhaben sollte, im Rahmen des geltenden Rechtes dafür sorgen zu wollen, daß die Bürger argumentativer, frühzeitiger und transparenter als bisher eingebunden werden in den jeweiligen Entscheidungsfindungsprozess, um so Bürgerbegehren, Bürgerbeschwerden, Bürgerwidersprüche, Bürgerklagen gegen sog. Infrastrukturprojekte zu minimieren, dann finde ich das großartig. Und wenn diese das Ziel des "Paktes für Infrastruktur" ist, dann halte ich das für begrüßenswert.
Noch begrüßenswerter wäre es für mich, wenn mit diesem Pakt für Infrastruktur nicht in erster Linie das Instrumentarium geschaffen werden soll, um im vorher umschriebenen Sinne den Dialog mit den kritischen Bürgern "zu optimieren", sondern wenn der Pakt dazu beitragen soll, daß das Land, daß die Regionen , z.B. der RVR, daß die Kommunen in einem Pakt mit der EU, mit dem Bund, mit der Wirtschaft, mit der Wissenschaft, mit anderen gesellschaftlich relevanten Akteuren in NRW sich kreativer, innovativer, zielgerichteter und gemeinschaftlich (!!)darauf verständigen, welche Infrastrukturmaßnahmen in NRW in diesem Jahrhundert für die Zukunft des Landes vordringlich sind und wenn sich die "Paktierer" danach darauf einigen, diese Maßnahmen gemeinsam -und ggfls. mit "viel Geld" -Investitionsförderprogramm NRW 2o4o?-zu realisieren; notfalls durch eine weitere Verschuldung?
Stefan,
in Baden-W. funktioniert besser denn, erfolgreicher denn je eine Landespolitik ,die gleichermaßen wirtschaftspolitischen und ökologischen Interessen und Zielen gerecht zu werden versucht, und zwar sehr erfolgreich. Und dass unter einer von den GRÜNEN geführten Landesregierung mit vormals der SPD und jetzt mit der CDU als kleinem Koalitionspartnern. Geht doch, oder? Und die Bürger in Baden-W. sind bekanntermaßen keine Duckmäuser! Suttgart 21 zeigt, daß es auch in Baden-W. zu Interessenskonflikten kommen kann, wenn es um sog. Infrastruktur-Projekte geht, an denen aber die gesamtpolitische Strategie der Landesregierung/der Landtagsmehrheit nicht zerbricht.
PS
Dass "meine" SPD sich des Vorwurfes seitens ihrer Gegner -u.a. hier bei den Ruhrbaronen- sicher sein konnte, mit ihre (erst) jetzt gestarteten Initiative "Vor-Wahlkampf" zu machen, überrascht letztendlich nicht, auch mich nicht -trotz meiner einleitend formulierten"rhetorischen" Frage.
Welche Überraschungen werden die NRW-Wahlen bringen? Wenn ich 'mal spekuliere, dann scheinen mir einige Koalitionen denkbar -SPD/Grüne; SPD/Grüne/Linke, SPD/Grüne/FDP, SPD/CDU oder umgekehrt oder CDU/Grüne/FDP? Das Abschneiden der AFD und die Höhe der Wahlbeteiligung werden dabei eine gewichtige Rolle spielen. Von daher erwarte ich nicht nur, sondern ich erhoffe mir einen sehr kontroversen, einen sehr lebhaften Wahlkampf. Wenn dann dabei herauskommt, daß landesweit die AFD im 1o% -plus minus X- Bereich bleibt, dann ist das allein deshalb für mich ein erfreuliches Ergebnis.