Aufgrund von Fragen zur gestiegenen Anzahl der Anhänger der Muslimbruderschaft erläuterte Landesverfassungsschutz-Chef Burkhard Freier am Donnerstag im Landtag, warum legalistische Islamisten langfristig gefährlicher sind als Salafisten. „Der Verfassungsschutz warnt seit Jahren immer eindringlicher vor der Muslimbruderschaft“, sagte die Islamismus-Expertin Sigrid Herrmann-Marschall nach der Ausschuss-Sitzung. „Aber das scheint mir in der NRW-Politik noch immer nicht angekommen zu sein.“
Im Innenausschuss des Landtags in Düsseldorf wurde am Donnerstag der Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2019 erörtert. Landesverfassungsschutz-Chef Burkhard Freier beantwortete eine Reihe von Fragen der Oppositionsfraktionen. Dabei ging es auch um die gestiegene Zahl von Anhängern der Muslimbruderschaft in NRW.
Das der Muslimbruderschaft zugerechnete Personenpotential in Nordrhein-Westfalen war 2019 im Vergleich zum Vorjahr von 65 auf 250 gestiegen. Das ist das mit großem Abstand stärkste Wachstum im Bereich des Islamismus und entspricht fast einer Vervierfachung. „Wir haben Erkenntnisse dazu, dass die Zahlen gestiegen sind“, erläuterte Burkhard Freier. „Wir haben festgestellt, dass viele Moscheen der Muslimbruderschaft deutlich mehr Zulauf haben.“ Auch der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel habe zu den neuen Erkenntnissen beigetragen.
„Langfristig gefährlicher als Salafisten“
Der Verfassungsschutz-Chef warnte erneut davor, „dass der legalistische Islamismus für die Demokratie und die Gesellschaft langfristig gefährlicher ist als der Salafismus“. Als legalistisch werden Islamisten bezeichnet, die sich im Gegensatz zu Jihadisten und anderen gewaltbereiten Islamisten an bestehende Gesetze halten, aber langfristig das Ziel der Errichtung eines islamischen Gottesstaates nach den Regeln der Scharia anstreben. Die häufigste Strategie legalistischer Islamisten besteht darin, Parteien und andere gesellschaftliche Institutionen zu unterwandern. „Man macht die Ziele nicht deutlich“, erläuterte Freier. „Das darf nicht unterschätzt werden.“
„Dass Herr Freier das nochmal so deutlich ausformuliert hat, war richtig und wichtig. Aber der Verfassungsschutz warnt seit Jahren immer eindringlicher vor der Muslimbruderschaft. Und das scheint mir in der nordrhein-westfälischen Politik noch immer nicht angekommen zu sein“, sagte die Islamismus-Expertin Sigrid Herrmann-Marschall nach der Ausschuss-Sitzung. „Erst im letzten Jahr hatte der Bochumer Stadtrat mehrheitlich beschlossen, eine neue Moschee zu unterstützen, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt war, dass der Trägerverein wegen Bezügen zur Muslimbruderschaft vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Das Landesintegrationsministerium hatte eine Organisation, die aus demselben Grund seit Jahren in den Verfassungsschutzberichten erwähnt wird, im selben Jahr zu einer Fachkonferenz eingeladen. Und das sind nur zwei von mehreren Beispielen aus der jüngeren Vergangenheit. Hier muss pro-aktiver aufgeklärt werden, in welchen Einrichtungen und Organisationen sich die Muslimbrüder betätigen. Das muss dann aber auch von der Politik ernst genommen werden, und zwar dahingehend, dass man mit diesen Einrichtungen und Organisationen nicht mehr zusammenarbeitet – geschweige denn, ihnen auch noch öffentliche Mittel zu gewähren.“