Nun auch Horst Szymaniak

Der Sensenmann hat nun auch Horst Szymaniak geholt. Beim ersten TV-übertragenen Länderspiel, an das ich mich aus meiner Kindheit erinnern kann, war er dabei. Am 26. September 1965 musste die deutsche Nationalmannschhaft zum Auswärtsspiel gegen Schweden nach Stockholm – es war eine Situation wie heute vor dem Russlandspiel: bei einer Niederlage wäre sie in der Qualifikation für die WM 1966in England weg vom Fenster gewesen. (Dort wurden sie später Vizeweltmeister in einem 2:4 gegen England mit dem berühmten "Wembley-Tor".) In einem typischen Uwe-Seeler-Kampfspiel, und nicht auf Kunstrasen, sondern auf Matsch und Geröll des damaligen Rasunda-Stadions, wurde 2:1 gegen Schweden gewonnen. Es war der Beginn einer Legende, die sich bis in die Gegenwart gehalten hat, und die von Gary Lineker mal so zusammengefasst worden sein soll: "Ein Fußballspiel dauert 90 Minuten und am Ende gewinnen immer die Deutschen". Szymaniak, der Bergmann von Zeche Ewald Fortsetzung, hat diese Legende mitbegründet. Legenden sind, nebenbei bemerkt, nicht die Wahrheit, sondern nur ihre Verkleidung in Redensarten und Erinnerungen, und sagen nichts über die nahe und ferne Zukunft. Russland könnte heute also durchaus gewinnen, was mit Horst Szymaniak in der Innenverteidigung oder im defensiven Mittelfeld allerdings erheblich unwahrscheinlicher wäre.

1964 war Szymaniak der erste Deutsche, der den Europapokal der Meister, dem später das heutige Geldruckprodukt "Champions League" folgte, gewann, in der Mannschaft von Inter Mailand. Das ins-Ausland-gehen war damals unter deutschen Fußballfans noch extrem als geldgierig verrufen, und dann auch noch zu den fiesen, hinterhältig foulenden Catenaccio-Totengräbern des ehrlichen Fußballs, den Italienern. 1965 kam Szymaniak in die Bundesliga, zu "Aufsteiger" Tasmania 1900 Berlin. Der Aufstieg dieser Mannschaft war extrem dubios; er war verbunden mit der Aufstockung der Bundesliga von 16 auf 18 Mannschaften, der Vermeidung des sportlichen Abstiegs von S04 und der sportpolitischen Ersetzung von Hertha BSC durch Tasmania – Berlin sollte unbedingt dabei sein. Tasmania 1900 ging 1966 mit einem Punktekonto von 8:60 und einem Torverhältnis von 15:108 in die ewige Bundesligageschichte ein. Szymaniak spielte in dieser Saison 29 mal und erzielte ein Tor – alle Beobachter waren sich einig: an ihm hats nicht gelegen, er war ein armer schlecht beratener Wicht.  Zur WM 1966 schmiss Bundestrainer Schön ihn dann aus der Nationalmannschaft, angeblich wegen einer Kneipentour. Aus heutiger Sicht muss man sich fragen, wer dann seinerzeit hätte dabeibleiben dürfen. Szymaniak war immer ein Freund offener Aussprache und hat dabei auch seine Beiträge zu den zahlreichen Sammlungen von Fußballer-Stilblüten geleistet. Weil ihm das häufig nicht gelohnt wurde, hat er sich in seinem späteren Leben von den meisten Medien ferngehalten.

Er war ein großer Fußballer und wenn er 10 Jahre später gelebt hätte, wäre er irgendwann auch als wohlhabender Mann gestorben. Das war ihm nicht vergönnt. Schade.

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Dennis
15 Jahre zuvor

Ich bin mir nicht sicher, ob das Bild vom Sensenmann passend zu einem Nachruf wie diesem ist.

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[…] RUHRBARONE – Nun auch Horst Szymaniak LINK: HANDELSBLATT – Ein Kumpel ein Leben lang: Horst Szymaniak wird 75 (29.08.2009) LINK: […]

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15 Jahre zuvor


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