Festivalleiter Dr. Lars Henrik Gass sagte es in seiner Eröffnungsrede der 54. Internationalen Kurzfilmtage deutlich: „Kaum ein Kurzfilm erzielt Einnahmen im Fernsehen oder Internet.“ Und: „Der Film als Ware braucht keine Festivals mehr; und das ist die historische Chance, dort endlich bessere Filme zu zeigen.“ Mutige Worte, natürlich den aktuellen Entwicklungen im Internet (und auch bei den DVDs) geschuldet, die selbst Hollywood nicht kalt lassen und bekanntermaßen schon zu Streiks in der amerikanischen Filmbranche führten. Und ein krasser Gegensatz zu den Plänen der Bundesregierung im Rahmen der Novellierung des Filmfördergesetzes. Wie aber stellt man sich die Zukunft einer nicht ausschließlich digital vernetzten Kurzfilmszene vor? Und: Was plant die Bundesregierung eigentlich mit dem Genre „Kurzfilm“?
„Wer also das Kino erhalten will, muss es zerstören, um seine soziale Funktion wiederzubeleben.“ Das könnte von Godard oder Debord sein, entstammt aber auch der oben zitierten Eröffnungsrede. Der Festivalleiter schlussfolgert: „1. Filmfestivals müssen künftig für die Verwertung von Filmen zahlen. 2. (…) Filmförderung aus öffentlichen Mitteln sollte künftig allein der Herstellung von künstlerisch relevanten Werken und ihrer Präsentation dienen. 3. (…) Das Kino wird nur als Museum überleben können, als ein Museum aber, das wir noch nicht kennen.“ Kein Geld also mehr für die Cannes- und Berlin-Schickeria und stattdessen für ein künstlerisch und kulturell wertvolles Programm? Ist das noch populär? Dr. Gass führt aus: „Vielleicht werden die Museen für zeitgenössische Kunst die Filmfestivals überflüssig machen. (…) Der Gegensatz zwischen hier Kunst und dort Film ist überholt. (…) Filmfestivals müssen Bücher und DVDs machen, Partys und Konferenzen, sie müssen das bessere Fernsehen sein und die bessere Universität.“
Oberhausen 2008 hat vor allem den Status Quo der Filmbranche deutlich gemacht: Viele, viele Screenings von Internetportalen, die sich als Filmarchive verstehen, stehen zahlenmäßig zumindest gleichberechtigt neben den guten, alten Wettbewerben auf dem Programm. Themen orientierte Reihen gibt es gerade mal zwei, aber sechs Künstler orientierte unter dem Titel „Profile“. Dazu an jedem Tag zumindest ein Podium sowie die Diskussionsrunden zu den Wettbewerben. Oberhausen funktioniert also eh als Präsentationsfläche, Service und Seminarangebot für die Kurzfilmszene, der der Austausch spürbar gut tut; einer Generation, die sich oft in virtuellen Welten wohler fühlt denn als „Chronisten der Gegenwart“ oder gar als Auftragsarbeiter der Werbeindustrie. Wie ein Filmportal-Betreiber aus NRW am Rande des Festivals sagt: „Manchmal ist es besser, die Leute gar nicht erst zu treffen mit denen man zusammenarbeitet.“ Bernd Neumann, Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien, hat allerdings anderes mit der Kurzfilmszene vor: „Das neue Filmförderungsgesetz soll dazu beitragen, dass der Kurzfilm auch das Kinopublikum wieder häufiger erreicht.“ Zurück ins sterbende Kino? Womöglich in Form von Werbespots oder anderen Blockbuster-Appetizern? Ein extrem zynisches Todesurteil. Bernd Neumann weiter: „Die Bundesmittel für Oberhausen waren und sind stets eine gut angelegte Investition in die Zukunft des Kinofilms.“ Der Staatsminister scheint geistig im Kino gefangen und in Zeiten als man Kurzfilme drehte, um sich "für die große Leinwand zu qualifizieren“. Besser zurück zur äußerst lebendigen Wirklichkeit des Genres und zu gelungenen Präsentationen eines „zeitgenössischen Museums für Kurzfilme“:
Der Film als Buch, das gab es des Öfteren, so im Werk des gelernten Schriftsetzers Jörg Petri, dessen Musikvideo zu „Dot“ von Michael Fakesch auch als überdimensioniertes Daumenkino erhältlich ist. Zum anderen im Rahmen einer „Book Launch Action“ mit Mike Sperlinger, Emily Wardill und Ian White zum Buch „Kinomuseum – Towards An Artist´s Cinema“ mitten im Oberhausener Hauptbahnhof. Bekannt gemacht wurde diese Aktion durch Flyer am Ende der Reihe „Wessen Geschichte“, die mit dem letzten Beitrag auch aufzeigte, wie sich Performance, Museum und Kurzfilm hervorragend ergänzen können: Die Kuratorin Sharon Hayes war nur fernmündlich anwesend und kommentierte die Auswahl in einer spontanen Telefonperformance mit Ian White über die Kinolautsprecher vor, nach und während der Filme, ließ sich auch mit Bekannten im Saal verbinden und fasste schließlich die gemeinsame Botschaft jeder (im Film gezeigten) Protestbewegung wie als Leitlinie für die Kinorevoluzzer des 21. Jahrhunderts am Ende so zusammen: „Now. Now! NOW!“ Es schien fast symptomatisch, dass diese Worte nur noch an die Mitglieder des „Artist´s Cinema“ gerichtet waren. Die “Endkonsumenten” hatten das Kino bereits verlassen.
Fazit? Der Autor war selbst Akteur, als bei der ersten großen Welle des Kinosterbens auch andere Veranstaltungsformen Einzug in die Lichtspielhäuser fanden. Nicht einmal die von der Szene eigentlich verhassten Multiplexe funktionieren im Grunde anders. Gleichzeitig definiert sich die Kurzfilmszene mehr denn je über weltweite Vernetzungen. Umso wichtiger sind Treffpunkte, offene Formen und eine moderne Kulturförderung, die auch in Deutschland endlich nicht mehr in Genregrenzen und auf die Verwertung in veralteten Strukturen hin denkt.