Mehr als 5000 Demonstranten in Frankfurt, brennende Autos in Rom. Da geht es in Bochum doch deutlich beschaulicher zu. Von unserem Gastautor Michael Blatt.
Knapp 300 Menschen versammeln sich am örtlichen Standort der Deutschen Bank, um am weltweiten „Occupy Together – We are the 99 %“– Spektakel teilzunehmen. Mehrheitlich bekannte Gesichter aus dem linken Bürgertum, die sich einen weiteren Stempel im Demofleißbüchlein verdienen. Viel Anstrengung ist an diesem Samstag dafür nicht erforderlich. Keine stressigen Katz-und-Maus-Spielchen, um an Polizeisperren vorbei zu Nazis oder Castor-Transportern zu gelangen. Außerdem wunderbares Herbstwetter.
Also Sonne tanken, während drei Redebeiträge zu Beginn die derzeitigen Amokläufe der Finanzwelt aufzählen. Dabei zur Erinnerung noch mal an das Theater um den im doppelten Wortsinn verhinderten Auftritt von Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann im örtlichen Schauspielhaus erinnert. Das macht Mut, das macht Hoffnung. Für Kritik an imperialistischen Kriegszügen und der verstrahlten Atom-Lobby ist sowieso immer Platz. Dann auf zur kleinen Demo-Runde durch die Innenstadt. DKP, Linke und sonstige „Rebellen“ schwenken ihre Fähnlein tapfer im Wind.
„Kein noch so lustiger Dialekt der Welt kann darüber hinwegtäuschen, dass es den Menschen hier dreckig geht“, kläffte Lars Banhold noch am Donnerstag rund um Tatort Ruhr-Zuschlag und Grönemeyer-Gastspiel-Befindlichkeiten im jetzt-Magazin. Dreckig genug, dass sie deswegen auf die Straße gehen, allerdings noch lange nicht. Es ist mal wieder die traditionelle Protest-Sippschaft, die bei Antifa, Anti-Atom und gegen Hartz IV gleichermaßen auf der Matte steht Weit spannender als der Demozug selbst mit dem herzensguten Martin Budich am Mikrofon sind daher die vielsagenden Reaktionen am Rande. Derjenigen, die zufällig beim Shoppen Zeuge der politischen Wanderschaft werden und sich darüber aufregen, dass wegen des Mobs auf dem Massenberg-Boulevard kein Bus mehr durchkommt. Das sind die echten 99 % Bochumer im Herbst 2011.
Die kritische Masse marschiert nicht gegen Heuschrecken und Haifische sondern sitzt „sorgenfrei“ am frühen Nachmittag mit dem frisch gezapften halben Liter in der Hand vor der feinen Eckkneipe. „Ey guck mal, da müssten wir eigentlich mitlaufen“ – „Aber wir haben doch hier noch unser Bier.“ – Lautes Gelächter, das weit mehr aussagt, als ein Dutzend Demo-Reden. Wieder am Husemannplatz angekommen geht das Protest-Mikro zum Abschluss an Jonathan Röder von der Bochumer Bezirksschülervertretung. Ein Gefühl von Wehmut macht sich in einem breit, weil die Jugend noch voller Überzeugung das Wort „systemimmanent“ in den Mund nimmt.
Das örtliche Occupy-Bündnis will am kommenden Donnerstag vor dem Eingang der Deutschen Bank bei deren Kunden um eine Spende für den Bankenrettungsfonds bitten. Das hat Witz, das hat Charme, das hat Aussicht auf Erfolg. Denn in Bochumer herrschen zynische Zeiten, keine stürmischen.
Die gesellschaftlichen Verhältnisse nur mit Zynismus ertragen zu können, ist sicherlich etwas, was zur psychischen Gesundheit beiträgt. Auch lieber biertrinkender Weise eine Demo zu beobachten als daran teilzunehmen, kann psychisch hilfreich sein, weil es einem das Gefühl gibt, über den Dingen zu stehen. Kritisch wird es dann, wenn man es dabei nicht belässt, sondern sich auch noch der Öffentlichkeit offenbart und seine zynische Sichtweise als Beschreibung eines Ereignisses darstellt.
WAZ-Redakteur Jürgen Stahl hat nicht am Rande gesessen, sondern ist über den Husemannplatz gegangen und hat Leute befragt. https://www.derwesten.de/staedte/bochum/Die-Wut-waechst-Occupy-Husemannplatz-id5166418.html
Er hat gemerkt, dass dies eine ungewöhnliche Demonstration war. Ganz viele Menschen waren zum ersten Mal auf einer Demonstration.
Im Zynismus sieht man auch schon mal Parteifahnen, wo gar keine sind. In einer Bildergalerie kann man sich davon überzeugen: https://www.bo-alternativ.de/2011/10/15/bilder-occupy-togehter-in-bochum/ Einige Fotos machen auch deutlich, dass es mehr als 300 TeilnehmerInnen waren.
Trotzdem: Ich habe viel Verständnis für den zynischen Beitrag. Auch mir erleichtert eine solche Einstellung häufig die Verarbeitung der Realität.
Lieber Martin,
zunächst mal will der Beitrag in keinster Weise die „Occupy Bochum“-Gruppe diskreditieren. Er zeigt lediglich, wie es nunmal ausschaut hier im Ländle.
Ich selbst war erstmal nur als braver Teilnehmer da. Freunde getroffen, Redebeiträge verfolgt und kein! Bier am Rande getrunken…
Der Text ist das Ergebnis gesammelte Eindrücke. Die DKP- und Linksparteifahnen habe ich mir sicher nicht eingebildet.
Den WAZ-Beitrag als gelungenes Gegenbeispiel für seriöse Berichterstattung heranzuziehen, halte ich bei allem Respekt vor dem Autor als wenig sinnvoll.
Bsp.: „New York, Madrid, Rom, Berlin, Bochum: „Occupy Husemannplatz“. (…)
-> Noch (warum eigentlich?) sind die großen Parteien, Kirchen, Gewerkschaften außen vor. Und doch könnte das Wochenende den Anfang einer Bürgerbewegung markieren, die – ähnlich wie Stuttgart 21 – von linken Gruppierungen angestoßen wird, um alsbald die Mitte der Gesellschaft zu erreichen.“
Die Mitte der Gesellschaft war am Samstag in der Innenstadt Shoppen oder was trinken. Das wird sich so schnell nicht ändern. Auch wenn du und ich das vielleicht gerne anders sehen würden.
Manchmal werde ich das Gefühl nicht los, dass jemand um des Schreibens Willen unbedingt etwas schreiben muss. Irgendwie kommt mir dieser Zynismus bekannt vor. Mein Vater, Jahrgang 1914, legte den auch an den Tag, wenn er sich über uns lustig machte, als wir gegen Vietnamkrieg, Atomkraft und später im Kölner Hofgarten gegen das Wettrüsten demonstrierten.
Ich bin nicht sicher, ob der Verfasser dieses (na, nennen wir ihn) „Beitrag“ schon weiß, was Zynismus bedeutet, erst recht, wenn er ihn auf Idealisten anwendet, die bereit sind, für ihre Ziele auf die Straße zu gehen. Das sie einen so schönen Herbsttag opfern, um darauf hinzuweisen, wie sehr wir den Banken ausgeliefert sind, ehrt sie – egal welcher politischen Richtung sie entstammen.
Gut, ich war in Bochum nicht dabei, weil ich in Berlin meine Lebensgefährtin bei der Fotodokumentation „Festival of Lights 2011“ unterstützte. Allerdings fanden wir Zeit genug, an der Demonstration vor dem Kanzleramt teilzunehmen. Und das sicherlich nicht aus nostalgischen Gründen.
In der Hoffnung, dass der Verfasser niemals unter den Folgen der Globalisierung leiden muss, sich nie sich als Mülltaucher betätigen oder irgendwo auf der Welt eine Abschiebehaft erleiden muss und irgendwann in seiner heilen Welt bei geschlossenem Fenster am Netbook einen Millionseller verfasst, in dem er uns die Welt mal so richtig erklärt – grüße ich ihn mit einem völlig
unzynischem Glückauf.
naja, die erste Finanzkrise ist weitestgehend von gierigen Banker verursacht worden. Allerdings insbesondere durch unsere Staatsbanken hier in Deutschland. Auch sollte man nicht vergessen, dass den Stein die US-Politik ins Rollen brachte, die dafür sorgte, dass Banken Hypothekenkredite nicht nur an diejenigen, die zu vergeben haben, welche die Kredite zurück zahlen können, sondern im Namen der Gerechtigkeiten dafür Sorge trug, dass auch Menschen, die sich keine Häuser leisten können, an Kredite, die sie absehbar nie werden zurück zahlen können, kommen. Und so fing es an, dass dann die Banken versuchten, diese Risiken aus den Krediten loszuwerden. Den Rest kennt jeder, die kleine Paketchen wurde der hohen Rendite wegen zu Schlagern. Aber, den Stein ins Rollen brachte die Politik.
Jetzt die zweite Krise ist auch wieder staatsverschuldet. Nicht die bösen Banken sind zahlungsunfähig, sondern die lieben Staaten, die wie die nicht solventen Häuslebauer in den Staaten, einfach über ihre Verhältnisse leben und die Banken da mit reingezogen haben.
Es mutet daher surreal an, dass hier gegen die Banken demonstriert wird, anstatt dafür, dass die Staaten endlich ihre Haushalte konsolidieren. Überspitzt könnte man sogar sagen, es seinen Solidaritätsveranstaltungen mit den Banken angebracht, die durch die Schuldenpolitik der Staaten nun ins Wanken geraten.
Aber Ideologie läßt ja, egal um was es geht, immer nur einen Schuldigen zu: DAS FINANZKAPITAL.
Kann man nur drüber gähnen.
Michael Blatt schreibt in seiner Erwiderung auf Martin Budich: „zunächst mal will der Beitrag in keinster Weise die “Occupy Bochum”-Gruppe diskreditieren.“
In seinem Beitrag hatte er die Organisatoren und Teilnehmer beschrieben als: „Mehrheitlich bekannte Gesichter aus dem linken Bürgertum, die sich einen weiteren Stempel im Demofleißbüchlein verdienen.“
Wenn das kein Diskreditieren ist, dann ist es eben eine völlig demotivierende Arroganz, mit der über das Engagement von Leuten geschrieben wird, die bisher gesagt haben, das bringt doch nichts, auf die Straße zu gehen.
Bevor man Beiträge veröffentlicht, sollte man überlegen, ob man sich mit einem zynischen Beitrag selbst verwirklichen will, halt über seine Befindlichkeit schreibt oder ob man den Lesern etwas über ein Ereignis mitteilen will.
Blogs sind wahrscheinlich gerade dazu da, Platz für solche Befindlichkeitsbeiträge zu liefern.
@Werner: Nun ist auch mal gut. Ich hab mich sehr über den Beitrag vom Michael Blatt gefreut – kann aber auf ihr schmollendes Betroffenheitsgesülze gut verzichten.
@4 STEFANIE:
Nun ja – da mag ich sowohl beipflichten als auch streiten. – Denn was war nun zuerst da: das Huhn oder das Ei? Ohne Ei kein Huhn, ohne Huhn kein Ei! Ohne Ei kein Huhn, ohne Huhn kein Ei! Ohne Ei kein Huhn, ohne Huhn kein…
Aber ich denke, SPON veröffentlicht dazu gerade was Hilfreiches:
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,792220,00.html
Hm. Dass ich mal auf Schäuble verweise. 😮 Ich denke, nie war die Hilflosigkeit – ja, der Politiker – größer.
@6 Stefan Laurin:
Wie war es noch mit dem Schuster und den Leisten? 😉
Michael Blatts Kulturbeiträge sind um Einiges besser.
@Jan2801: Ich hab noch keinen Text von Michael gelesen, der mir nicht gefallen hat. Und wir alle wären sehr glücklich, wenn er öfter bei den Ruhrbaronen schreiben würde – über Kultur, Politik und was er sonst noch möchte.
der artikel erinnert mich an eine szene in stuttgart. stefan mappus macht sich da über „ein häufchen der üblichen linken berufsdemonstranten“ lustig.
das ist jetzt keine 5jahre her und mappus ist über das was aus dem häufchen geworden gar nicht mehr so belustigt.
ps:
mit welcher arroganz stefan laurin hier unliebsame beiträge abbügelt sagt übrigends grundsätzlich etwas über dieses medium.
@alexx: ich schau mir nur nicht an, wie einer unserer Autoren abgesaut wird. Ganz einfach.
Nun, der Tahrir-Platz und Occupy in den USA haben eine Gemeinsamkeit: es sind Graswurzelbewegungen von Empörten.
In Deutschland haben nun die altbekannten Dauerempörten, die bereits seit 20 Aktionsbündnissen vertrauensvoll miteinander zusammenarbeiten, versucht, die Bewegung als neue Kampagne nach Deutschland zu klonen. Klar sind da auch als Schaufenster-Deko ein paar wenige jungfräuliche Gast-Aktivisten zum vorzeigen dabei, aber ein Großteil der Gesichter ist doch bekannt. Und wenn DERWESTEN dann doch mal den einen oder anderen Neugierigen entdeckt, der da stehengeblieben ist und vielleicht sogar noch einen wohlgesonnenen O-Ton liefert, dann ist das noch kein Zeichen, dass hier die Mitte der Gesellschaft auf der Straße ist.
99% – das ist eher der Anteil, der dem 1%, das zusammengerechnet bei allen Demos am Occupy-Wochenende bundesweit unterwegs war, noch auf dem Weg zur 5%-Hürde fehlt.
Das ist eine Zahl, die es wahrscheinlich nicht einmal in die Top Ten der bestbesuchten Karnevalsumzüge schaffen würde – da bin ich doch dankbar, dass die Öffentlich-Rechtlichen wenigstens nicht die Sitzungen übertragen!
„In Deutschland haben nun die altbekannten Dauerempörten, die bereits seit 20 Aktionsbündnissen vertrauensvoll miteinander zusammenarbeiten, versucht, die Bewegung als neue Kampagne nach Deutschland zu klonen. “
Und zumindest die Öffentlich-Rechtlichen tun so, als sei das eine zu erwartende Massenbewegung, versuchen das herbei zu berichten, dass sie endlich auch mal über Massendemos – am besten mit Ausschreitungen – aus Deutschland berichten können.
Untersuchungen über den „neuen Wutbürger“ ergaben, im Schnitt Rentner, die eigene Besitzstände verteidigen wollen etc.
Es war ja auch sehr lächerlich, wie die Medien immer fleißig vermittelten, ganz Stuttgart sei gegen den Bahnhof und die Bürger würden sich wehren. Umfragen ergaben dann wieder, dass nicht einmal ein Drittel was gegen den Bahnhof hat. Das war beruhigend, dass die Protestler dann doch so wenig Rückhalt haben, denn Deutschland hat wahrlich andere Probleme, Rettungsfonds in schwindelerregender Höhe wegen Staaten, die zu viel Geld ausgeben, Banken die deshalb drohen zu kippen, unser Steuersystem etc., als dass es nicht außer Verhätnis wäre, wegen so einem Kinkelitzchen den Aufstand zu proben. Als ob von diesem Bahnhof irgendwas abhängt. Man hat das Gefühl, die Welt tobt und die Stuttgarter in ihrer schönen Oase haben keine anderen Sorgen als so ein blöder Bahnhof.
Und nun die im Eingangspost thematisierten Proteste, reines auf einen Zugspringen um eigene Ideologien durchzusetzen. Deutschland würde es gut tun, wie so vielen anderen Ländern auch, wenn die Menschen auf die Straßen gingen, um gegen die Staatsverschuldung Amok zu laufen und was ist, die ewig Gestrigen – ist ja kein neues Phänomen das böse Finanzkapital – freuen sich, aus der Staatsverschuldung Profit ziehen zu können, indem sie für die aktuellen Zustände das Finanzkapital verantwortlichen machen und zu viele Medien freuen sich, endlich vielleicht mal was los in Deutschland, das Schlagzeilen bringt.
„Ich bin hier, weil ich nicht mehr verstehe, was auf den Finanzmärkten passiert, obwohl ich Wirtschaft studiert habe. Und ich habe die Sorge, dass unsere Politiker es auch nicht mehr verstehen.“
sagte eine Teilnehmerin der Frankfurter „Occupy“-Demo vor der EZB.
Hab ich im Fernsehen gesehen, kann man aber auch hier nachlesen: https://www.welt.de/debatte/kommentare/article13663736/Occupy-Demos-zeigen-das-Unbehagen-der-Deutschen.html
Macht doch Hoffnung, dass sich wirklich etwas ändern könnte?
Hoffen wir mal, dass sich hier jemand täuscht:
„Hoffnung ist die Verwechselung des Wunsches einer Begebenheit mit ihrer Wahrscheinlichkeit.“
Die Banken profitieren vom Risiko und der Bürger trägt es.
Natürlich ziehen solche Aktionen auch antikapitalistische Spinner an, aber berechtigt sind die Proteste allemal.
Ich habe den Beginn dieser Bewegung selbst erlebt, bzw. waren die vielen jungen Leute in Downtown Manhattan nicht zu übersehen. Niemand hat dort gedacht, dass sie so lange durchhalten und so viele Leute im eigenen Land und nun weltweit motivieren.
Jetzt bin ich wieder in Deutschland und es gibt selbst hier eine Reaktion. Natürlich deutsch eingefärbt und ideologisch imprägniert. Aber es sagt doch viel darüber aus, dass die Leute weltweit die Nase voll haben. Egal wieviel da konkret mitlaufen, die Stimmung ist eindeutig. Sonst würde sich die hiesige SPD überhaupt nicht trauen, nun von höchster Stelle solche Begriffe wie die Zerschlagung der Banken in die öffentliche Debatte einzuführen.
Das neoliberale Dekade geht dem Ende zu. Was danach kommt ist zwar noch sehr fragwürdig und unklar. Aber zurück geht es nicht mehr. Nicht mal mehr in den USA. Der Mehrheit dort reichts. Selbst denen die ökonomisch noch immer ganz gut dabei wegkommen.Die Republikaner werden dafür bei der nächsten Wahl die Quittung bekommen.
Kommentarverlauf liest sich doch ganz ansprechend. Austeilen, einstecken, alles im Rahmen. Da ist der Laurin-Geleitschutz gar nicht nötig. Nur der Mappus-Vergleich hat einen Moment lang geschmerzt ;D
Herrje, ich mag die bösen Banken doch auch nicht. Gut, wenn sich jmd. auch in Bochum dagegen engagiert. Nur bleibt der Artikel im Kern ein Spiegelbild der Verhältnisse am Samstag im beschaulichen Bochum.
@ Michael
Menschen können böse sein, Banken nicht. Banken funktionieren selbst bei den problematischen Derivaten und beim Investmentbanking nach einer klaren ökomischen Logik und nach den Regeln, die die Gesetze vorgeben. Die Gesetze machen Politiker. Zweifellos haben sie sie in den letzten Jahrzehnten zunehmend unter dem Einfluss der leitenden Bankmanager gemacht und die haben auch im Rahmen unseres Bankensystems noch einmal ganz eigene Interessen.
Die Politik kann das ändern wenn sie es nur will. Da sich die Staaten Europas und die vereinigten Staaten von Amerika zunehmend unter ähnlichen finanziellen Druck befinden und dieser sehr wohl auch mit ihrem jeweiligen Bankensystem zusammenhängt, könnte es mit einer weltweiten Reregulierung am Ende doch noch klappen. Auch London wird dann wohl oder übel mitspielen und die Schweiz wird sich ebenfalls fügen.
Auch die Chinesen werden nichts dagegen haben, dass die westliche Politik die Banken wieder stärker an die Kandarre nimmt. Sie selbst machen das aus Prinzip und sind dabei bislang ganz gut gefahren.
@Slugo: hier mal so ein „antikapitalisitischer Spinner“:
@Slugo
Antikapitalismus ist keine Spinnerei. Ich bin vom Grundsatz her für dieses System. Aber wenn man sich länger damit beschäftigt und sich in seinem Erwerbsleben mal ernsthaft und länger den Konkurrenzgesetzen des Marktes stellen musste, dann weiß man auch, wie hart dieses System sein kann, bzw. wie es mit Menschen umgeht, die ihm nicht gewachsen sind.Es gibt allerdings keine ernst zu nehmende Alternative dazu.
Natürlich habe ich das in meiner Jugend gedacht, ja sogar erhofft. Und ich verstehe die jungen Leute die das heute genauso sehen. Sie sind für mich keine Spinner sondern Menschen die noch Ideale und Träume haben. Was wäre diese mittlerweile durch und durch kapitalistische Welt denn ohne solche Menschen? Eine riesige und letztlich hoffnungslose Bande von Zynikern.
Es reicht, dass diese Gruppe sowohl bei den Erfolgreichen als auch bei den Verlieren mittlerweile die Mehrheit darstellt. Aber wenn endgültig alle so wären? Dann Gnade uns Gott, wenn es ihn denn gibt.
@Arnold: Also wenn Banken nicht böse sein können, können Städte auch nicht mitspielen. Ätsch.
Dass Lebensmittelpreise von profitorientierten Spekulationen an Terminbörsen abhängen, ist schlicht pervers, bzw. böse.
Aber hier in Dt. traditionell nur aus sicherer Entfernung auf die Politik und Wirtschaft schimpfen, ist hinsichtlich realer Auswirkungen nicht wirklich zielorientiert. Fassbare Anreize wären spannend. Wo waren z.B. die Flyer für die GLS-Bank am Samstag? Banken sind auf Kunden angewiesen, Parteien auf Stimmen. Lässt sich alles theoretisch regeln. Theoretisch.
Und ja, es braucht junge Menschen wie Jonathan Röder, unverbraucht, hoffnungsvoll und engagiert. Unbedingt.
@ Arnold Voss
Besser kann man es wohl kaum ‚rüberbringen.
Soeben landet mein Kommentar im Papierkorb.
Danke!
@ Michael
Banken leihen Geld für die Zukunft derer die investieren bzw. konsumieren. Sie setzen darauf, dass diese Leute das Geld auch in eben dieser Zukunft zurückzahlen können. Wenn man also die Zukunft anderer Leute einzuschätzen gezwungen ist, dann ist da immer schon ein spekulatives Moment drin.
Von der abwägenenden Zukunftsprognose zur Wette auf die Zukunft, die wiederum andere zum Wetten antreibt, was wiederum die Wettmargen erhöhte, was wiederum die Wetten zunehmen lässt, was wiederum noch mehr Leute zum Wetten antreibt usw. ist es dann nur ein weiterer Schritt.
Wenn man dadurch z.B. seine eigenen Boni massiv steigern kann, dann machen das auch Menschen die man ansonsten nicht als böse bezeichnen könnte. Das gilt auch für die, die als Bankkunden oder Aktionäre von diesem Spiel profitieren. Selbst Kleinaktionäre, ja gerade die, sind häufig an der dadurch entstehenden „schnellen Mark“ interessiert, die dann bei den Großaktionären eine schnelle Million oder sogar Milliarde werden kann.
Je höher das Risiko, desto höher ist bei diesem Spiel nun mal der Gewinn. Wer will denn dem so möglichen enormen Profit widerstehen? Erst recht wenn er über große Geldreserven sprich über viel Spielgeld verfügt bzw. es persönlich besitzt. Da hilft nur verbieten und dieses Verbot auch konsequent zu kontrollieren.
Nach individeller Schuld zu suchen ist dagegen müßig. Menschen neigen zur Gier und natürlich auch zu entsprechenden Perversionen. Banken dagegen sind ein System das man regulieren kann und muss.Und natürlich muss man die Banker bestrafen die sich nicht an die Regeln halten. Aber nicht weil sie böse sondern weil sie kriminell (geworden) sind.
Ich war am Samstag dabei und habe miterlebt, wie die Demonstrierenden – mehrheitlich bekannte Gesichter – eher gelangweilt aber pflichtbewusst und sich über die Party am Abend unterhaltend an der Demo teilgenommen haben. Mag ja sein, dass einige Menschen überhaupt zum ersten Mal an einer Demo teilgenommen und sich „empört“ haben, weil es hier um „unser aller Geld“ geht. Tatsache ist aber, dass die Demo in Bochum vor dem übers Wochenende leeren Gebäude der Deutschen Bank nicht die Stimmung hervorbringen und transportieren konnte, wie etwa auf der Wall Street (wo die verantwortlichen Akteure tatsächlich vor Ort sind) oder auch in Frankfurt, wo sich nun einmal eine der stärksten Banken-Konzentration in Deutschland befindet. Tatsache ist auch, dass sich die shoppenden Passanten erheblich gestört gefühlt haben. Sogar das Wort „Unverschämtheit“ ist über den die Busse blockierenden Demozug gefallen. Sicherlich ist es gut, dass mit Bochum auch das Ruhrgebiet Teil einer Bewegung ist, die Zeichen setzen will. Auf der anderen Seite schadet es aber sicherlich nicht, die in den Massenmedien verbreitete Euphorie über die Tragweite der OCCUPY-Proteste zu relativieren und realistisch zu bleiben. Zynismus kann hier ein guter Bewältigungsmechanismus sein, um Frustration und Resignation über den mangelnden Erfolg von Protestbewegungen nicht so sehr an sich heranzulassen. Mir jedenfalls geht das so. Und mir ist die Lust am Demonstrieren eigentlich schon seit den erfolglosen Studiprotesten vor Einführung der Studiengebühren vergangen.
Stefanie schrieb man solle eher FÜR die Banken demonstrieren und die Staaten zur Konsolidierung ihrer Haushalte zwingen. Das geht aber völlig am Problem vorbei. Die Verschuldung der öffentlichen Haushalte ist schließlicht nicht die Ursache sondern nur die Folge eines Problems. Nämlich dessen, dass der Kapitalismus im Weltmaßstab seit Jahrzehnten nur noch auf Pump akkumulieren lann. Grob über den Daumen gepeilt ist jeder Vierpersonenhaushalt in einer niedergehenden Ruhrgebietsstaat derzeit mit ca. 130.000,- EUR öffentlicher Schulden belastet (Bund, Land, Kommune). In Bayern oder in Ratingen ist es weniger, weil dort der Schuldenanteil von Land oder Kommune niedriger ist. Diese 130.000,- sind i.W. in den letzten zwei Jahrzehnten angehäuft worden und sie sind letztlich eine öffentliche Subvention für Bildung, Infrastruktur, „Sozialtransfers“ etc. unserer Ruhrgebietsfamilie. Hätten die öffentlichen Haushalte sich vor zwei Jahrzehnten schon „konsolidiert“ hätten unsere Familie ein jährliches Familieneinkommen, dass ca. 7.500 EUR unter dem derzeitigen liegt. Und dann wäre sie wahrscheinlich unzufrieden gewesen. Und wenn die Eltern noch einen Job haben, hätten sie ihrem Boss sagen müssen, dass sie nicht hinkommen und dass sie mehr Kohle brauchen. Weil das nicht gut ist, haben Staat, Land und Kommunen halt in ihrem Namen Schulden gemacht. Das ist gut für den Boss und die Familie war erst einmal zufrieden. Nur irgendwann kommt halt der Punkt, wo Kreditgeber ihr Geld zurück haben wollen, mit dem die öffentliche Wohlstandssicherung auf Pump finanziert worden ist. Und dieser Punkt kommt umso schneller, je weniger die Gläubiger Hoffnung haben, dass die Erträge aus der Ausbeutung künftiger Arbeit, ihre Kredite bedienen werden. Und dieser Punkt ist gerade erreicht. Das nennt man dann eine aufziehende Systemkrise. Erkennt man daran, dass die Wirtschafts“wissenschaftler“ auf Tauchstation gehen.
[…] Mehr als 5000 Demonstranten in Frankfurt, brennende Autos in Rom. Da geht es in Bochum doch deutlich beschaulicher zu. Von unserem Gastautor Michael Blatt. Knapp 300 Menschen versammeln sich am örtlichen Standort der Deutschen Bank, um am weltweiten „Occupy Together – We are the 99 %“ – Spektakel teilzunehmen. Mehrheitlich bekannte Gesichter aus dem linken Bürgertum, die sich einen weiteren Stempel im Demofleißbüchlein verdienen. Viel Anstrengung ist an diesem Samstag dafür nicht erforderlich. Occupy Bochum: We are the 0,1 % | Ruhrbarone […]