Schön, wenn einem ein Licht aufgeht! Es mag sich an Ideen entzünden wie Mischa Kuball sie im Laufe seines 30jährigen Künstlerlebens in den öffentlichen Raum geworfen hat, als Störung im bürgerlichen Alltagstrott, Provokation oder Aufforderung zur Teilhabe. Als einziger Hochschullehrer für Kunst im öffentlichen Raum springt er überraschend wie ein Partisan aus dem Busch und agiert intuitiv experimentell. Von Anfang an trieben ihn aber auch „Lichtspiele“ um, in denen die Schönheit mit Ideen tanzt. Seine Innenraum-Installationen lassen staunen und sind aufgeladen mit bahnbrechenden Einsichten aus Philosophie und Naturwissenschaft. Auf drei Stockwerken ist im Museum Moersbroich einerseits Archivmaterial ausgebreitet, das Kuballs irritierende, auf Veränderung zielende Interventionen in der Stadtgesellschaft dokumentiert, andererseits bezaubern originelle optische Experimente mit hohem Schauwert und Gedankenspielen.
Mischa Kuballs Arbeit konzentriert sich immer aufs Da-Sein der Menschen in ihrer Welt, und seismographisch nimmt er Verwerfungen in der Gesellschaft wahr. Als Künstler und Bürger fühlt er sich zuständig für die herrschenden Verhältnisse, ist vielleicht Vorbild, Agitator mitunter, Motivator, Impressario.
Summa summarum lassen sich die Früchte seiner künstlerischen Arbeit sehen. Auch wo sie als öffentliche Aktionen vergangen und nur dokumentiert in Archivkästen, Fotografien und Videofilmen präsent sind, verwandeln sie die Museumsräume im Neo-Rokoko-Schloss in der Zusammenschau mit einer Reihe imponierender Lichtinstallationen in einen Hotspot der Avantgarde, der sich klar unterscheidet von geistlosen monumentalen Digitalskulpturen
Obwohl Mischa Kuball sich nicht als Lichtkünstler versteht, sondern Licht als seinen „Werkstoff“ erachtet , haben seine Arbeiten Ausstrahlung.
Den besten Beweis für die Wirksamkeit seiner Einmischung in die Stadtgesellschaft liefert sein Projekt gegen die Schließung des Museums Moersbroich. In der In der Nachkriegsmoderne zählt es hierzulande gemeinsam mit den Krefelder Kunstmuseen zu den Treffpunkten internationalen Avantgardekünstler und steht nun seit fünf Jahren vom Aus, weil die Stadt Leverkusen im Korsett eines Haushaltssicherungskonzepte ihr Museum einsparen möchte. Kuball stellte nach dem Grundriss des großen Schlosssaals maßstabsgetreu einen PVC-Teppich her, den er der vor dem Rathaus ausrollte, vor der Nasevon Rat und Verwaltung. Passanten hinterließen ihre Fußspuren, aber sie verweilten auch, fragten und diskutierten. So gelang es dem Künstler, das Museum wieder ins Bewusstsein der Leverkusener Bürger zu rücken. Nach 14 Tagen wurde die soziale Plastik als Beweisstück eines angestoßenen Bewusstseinswandels im Museum ausgelegt, wo sie nun den Besuchern am Eingang zur laufenden Ausstellung zu Füßen liegt. Parallel fanden öffentliche Diskussionen statt, die Zukunftsperspektiven für das Museum eröffneten.
Ein großes Projekt realisierte Mischa Kuball im Jahr der „Kulturhauptstadt Ruhr 2010“ in der Region. Sein Titel „New Pott“ könnte, genuschelt, auch „New Port“ heißen, besuchte der Künstler doch seinerzeit 100 Familien aus allen möglichen Weltgegenden, die im Pott einen neuen Hafen gefunden hatten. Als Gastgeschenk überbrachte er jeder Familie eine Stehlampe, in deren Schein, die Migranten und Migrantinnen ihm ihre Geschichten erzählten. In der Ausstellungsinstallation leuchten ihre Gesichter in einer langen Kette von Fotoporträts neben den Kugellampen, Menschenbilder im Sinne August Sanders.
Mit seiner Leuchtschrift „Les Fleurs du Mal“ am Marler Rathaus versuchte Mischa Kuball keineswegs ein Urban Gardening-Projekt anzustoßen, sondern wollte ins Gespräch kommen mit den Menschen in der Stadt, wollte über die Zukunft ihres Gemeinwesens nach Schließung der Zeche Auguste Victoria reden. Mit Charles Baudelaires gleichnamiger Gedichtsammlung verband die Marler wohl so wenig, dass der Künstler verschmitzt auf das mitgedachte „r“ hoffen durfte, wie der Untertitel „Blumen für Marl“ nahelegt. In eine große Bodenvase sollten die Marler Blumen stecken, um ihre Stadt und sich selbst zu ehren. die Niedergeschlagenheit zu überwinden und ihr eigenes Selbstbewusstsein und kreatives Potenzial aufzumöbeln. Kuball stellte den Blumen des Bösen Joseph Beuys Rosen als Symbol direkter Demokratie gegenüber.
Als einem Vorreiter der heutigen Bild- und Medienwissenschaften ehrt Mischa Kuball inseiner Schau den Kunstwissenschaftler Aby Warburg und dessen Bilderatlas Mnemosyne, anhand dessen er in den 1920er Jahren die Wanderung von Bildmotiven von der Antike bis in die Renaissance nachwies.
In Resonanz zu grundlegenden Stoffen der Geistes- und Naturwissenschaft stehen Titel und Thematik der Kuballschen Lichtinstallationen. So auch „five suns / after Galileo“, die an des Gelehrten Entdeckung der Sonnenflecken erinnert und die damit verbundene Erkenntnis, das die Erde eine Kugel ist, die sich um die Sonne dreht: Auf fünf kreisende, ihre Farbe wechselnde Plexiglasscheiben werden Lichtstrahlen geworfen. Löcher in den Scheiben, die in den Raum projiziert werden, verweisen auf Galileos Zeichnungen der Sonnenflecken: Licht, das von der Sonne auf die Erde fällt, als Medium der Erkennens real wie im übertragenen Sinn.
Bis 24. April www.museum-morsbroich.de