Vor zehn Jahren privatisierte die damalige schwarz-gelbe Landesregierung die Wohnungsbaugesellschaft LEG. Die SPD fordert nun, wieder auf staatlichen Wohnungsbau zu setzen. Doch wie gut ist die Öffentliche Hand als Bauherr und Vermieter?
Zum Teil seit Jahrzehnten warten die LEG-Mieter am Sonnenplatz in Dortmund darauf, dass ihre alten, oft undichten Fenster saniert werden. Vergebens. Stattdessen kündigte die LEG im vergangenen Jahr an, Balkone an die Wohnungen anzubauen – und die Miete nach Angaben des Dortmunder Mietervereins bis zu 50 Prozent steigen zu lassen. Solche Mieterhöhungen“; sagt Mieterverein-Geschäftsführer Rainer Stücker, „ können nur die wenigsten Mieter stemmen.“ Vor allem für Alleinerziehende, Rentner und Minijobber führe ein derartiger Anstieg nicht selten den Auszug in eine andere, günstigere Wohnung. „Solche groß angelegte Modernisierungsmaßnahmen gefährden das soziale Gefüge ganzer Blocks oder Quartiere.“ Und sie sind durch eine Sozialcharte gedeckt, die den Mietern die Ängste nehmen sollte. 2008 verkaufte die schwarz-gelbe Landesregierung unter Jürgen Rüttgers (CDU) die bis dahin landeseigenen LEG mit ihren 93.000 Wohnungen für 3,5 Milliarden Euro an den Investor Whitehall Real Estate Funds. Der brachte das Unternehmen 2013 an die brachte. Die jetzt auslaufende Sozialcharta sollte die Rechte der Mieter wahren und sie vor sozialen Härten schützen. Für Silke Gottschalk vom Mieterbund NRW war die Privatisierung der LEG ein Fehler, unter dem die Mieter bis heute leiden: „Es gibt sehr häufig Probleme bei den Betriebskostenabrechnungen, der Service ist schlecht, das Unternehmen ist für die Mieter oft nicht zu erreichen und über den gesamten Bestand gesehen wird auch wenig in die Wohnungen investiert.“ Auch die Sozialcharta habe die Mieter nicht geschützt: „Die Sozialcharta ist nicht effektiv. Es gibt zwar eine Regelung zur Mietendeckelung, aber die gilt nur für den Gesamtdurchschnitt aller Nettokaltmieten. Da, wo nichts zu holen ist, bleiben die Mieten unten. Da, wo es sich lohnt, in den Städten also, wo die Wohnungsnot am größten ist, wird dann umso kräftiger erhöht.“
Laut NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach hingegen war die Privatisierung der LEG auch im Nachhinein eine gute Sache: „Die Privatisierung der LEG war aus heutiger Sicht hoch erfolgreich.“ Wirtschaftsprüfer hätten die Einhaltung der Sozialcharta festgestellt, und der Erfolg der LEG zeige sich auch an den aktuellen Zahlen: „Die Mieter verbleiben im Durchschnitt elf Jahre bei der LEG und die Leerstandsquote liegt bei lediglich 2,8 Prozent.“
Die SPD war bereits vor zehn Jahren gegen die Privatisierung der LEG. Nun, vor allem angesichts steigender Mieten und einer immer drängenderen Wohnungsnot, wollen die Sozialdemokraten, dass das Land eine neue Wohnungsbaugesellschaft aufbaut. Vorbild ist Bayern. Dort hat die Landesregierung unter Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Juli die „BayernHeim“ gegründet. Damit beginne im Freistaat – anders als in der NRW-Landesregierung – ein Umdenken. Söder sprach von einem „wichtigen Tag für den Wohnungsbau in Bayern“, und geht es nach dem Fraktionsvorsitzenden der SPD im Düsseldorfer Landtag, Thomas Kutschaty, soll auch NRW bald einen solchen Tag erleben: „Wir brauchen in NRW eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft. Das Land sollte ihr als Startkapital Baugrundstücke mitgeben. Es gibt vor allem in den Ballungsgebieten Wohnungsengpässe, welche die Privaten nicht schließen können.“ Kutschaty macht den privaten Investoren keine Vorwürfe, sie müssten bauen, was die höchsten Renditen bringt. „Aber wenn der Markt nicht mehr funktioniert, und für Menschen, die eine preiswerte Wohnung brauchen, tut er das nicht mehr, muss der Staat eingreifen.“ Ein gutes Beispiel für staatliches Handeln sind für Kutschaty die städtischen Wohnungsbaugesellschaften.
Doch wie stark sind die heute noch im Bereich von Sozialwohnungen aktiv? Die Welt am Sonntag hat zahlreiche städtische Wohnungsbaugesellschaften in ganz NRW angeschrieben. Nur wenige haben geantwortet und Auskunft über die Entwicklung ihres Wohnungsbestandes gegeben. Eine war die VBW Bauen und Wohnen (VBW), die zu über zwei Dritteln den Bochumer Stadtwerken gehört. In den vergangenen fast 20 Jahren ist der Wohnungsbestand der VBW nach Verkäufen an ein Privatunternehmen kleiner geworden: Besaß die VBW im Jahr 2000 noch 13.277 Wohnungen, sind es heute nur noch 12.572. Und auch der Anteil an Sozialwohnungen schrumpfte von 7.952 (2000) auf heute nur noch 4.040. Ein Grund für den gesunkenen Anteil an Sozialwohnungen ist, dass für die älteren Wohnungen die Sozialbindung auslief. Aber es wurden auch kaum neue Sozialwohnungen gebaut. Von 2010 bis 2017 errichtete die VBW 246 neue Wohnungen in Bochum. Nur 57 davon waren Sozialwohnungen. 189 waren frei finanziert und damit für sozial Schwache meist zu teuer. Und die VBW baute auch nicht nur Mietwohnungen. Von 2010 bis 2017 entstanden auch 182 Eigentumswohnungen und 26 Einfamilienhäuser.
Noch geringer ist der Anteil an Sozialwohnungen im Bestand der Städtischen Wohnungsgesellschaft Düsseldorf (SWD): Von 8414 Wohnungen im Besitz des Unternehmens sind nur 1486 Sozialwohnungen. Bei den Neubauten hingegen konzentriert sich die SWD auf Sozialwohnungen: Von 189 in den vergangenen Jahren gebauten Wohnungen waren 126 öffentlich gefördert. Eigentumswohnungen baute das Unternehmen keine.
In Duisburg hat die städtische GEBAG heute noch 12.100 Wohnungen, 2000 waren es 13.776. Fast 2.800 sind davon heute noch Sozialwohnungen – wie viele es früher waren, kann das Unternehmen nicht sagen, ist sich aber sicher, dass es mehr gewesen sind. In den vergangenen sieben Jahren baute die GEBAG 135 neue Wohnungen, 69 von ihnen wurden öffentlichen gefördert, 59 weitere indirekt. In den kommenden Jahren sollen 1500 neue Wohnungen in Duisburg gebaut werden, überwiegend Sozialwohnungen.
Auch bei der Dortmunder DoGeWo21 ist die Zahl der Wohnungen seit 2000 geschrumpft – von einstmals 17.129 auf heute 16.402. Vor allem der Verkauf des Hochhauskomplexes Hannibal in Dorstfeld 2004 mit über 700 Wohnungen führte zu einer Verkleinerung des Bestandes, holte das Unternehmen jedoch auch aus den roten Zahlen.
Besaß die DoGeWo21 2000 noch 6.736 Sozialwohnungen, sind es heute nur noch 3.235. Und auch von den 184 seit 2010 gebauten Mietwohnungen, Eigentumswohnungen baute das Unternehmen nicht, sind lediglich 48 Sozialwohnungen.
Fallen also auch die städtischen Wohnungsbauunternehmen aus, wenn es um die Schaffung
preiswerter Wohnungen geht? DOGEWO21 Geschäftsführer Klaus Graniki sieht das anders: „Wir dürfen Sozialwohnungen nur für 5,55 Euro pro Quadratmeter vermieten, im Bau kosten sie allerdings schon zehn Euro. Für eine geförderte Wohnung müsste das Wohnungsunternehmen zwei nicht geförderte zu einem deutlich höheren Preis vermieten, um die Unterdeckung bei den Sozialwohnungen auszugleichen.“
Auch wenn die Landesregierung die Fördermittel erhöht, würde sich nicht viel ändern: „Man kann für das Geld nicht bauen.“ Von vielen Wohnungsbaugesellschaften würden die Städte auch die Abführung von Gewinnen erwarten, um die Haushalte zu sichern. „Da haben wir in Dortmund Glück, unser Oberbürgermeister Ullrich Sierau ist Stadtplaner und ist dafür, dass wir unser Geld wieder investieren.“ In anderem Städten weiß Graniki, sei das allerdings anders.
Graniki wünscht sich, dass die Baukosten sinken und sieht vor allem zwei Punkte, an denen Staat und Städte etwas tun könnten: „1990 hatten wir 5000 Bauvorschriften, heute sind es 20.000. Weniger Bürokratie würde die Preise senken.“ Und der DOGEWO21-Chef fordert, dass Städte den Wohnungsbaugesellschaften Grundstücke im Erbbaurecht überlassen: „Dann würden unsere Grundstückskosten sinken und wir könnten preiswerter bauen.“
Die Landesregierung setzt indes auf einen Ausbau der Förderung und erteilt der Forderung der SPD nach einer neuen Wohnungsbaugesellschaft in der Hand des Landes eine Absage: „Die Forderung ist „weiße Salbe“: Die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Schaffung von mehr Wohnraum liegen woanders“, sagt NRW-Bauministerin Scharrenbach auf Anfrage der Welt am Sonntag. „Fehlende Baugrundstücke, zu bürokratische Planungs- und Genehmigungsabläufe und eine hohe Auslastung der bauwirtschaftlichen Kapazitäten sind die aktuellen Schwierigkeiten.“ Die Landesregierung sei an diesen Stellen lösungsorientiert mit einem breiten Instrumentenkoffer unterwegs. „Darüber hinaus stellt Nordrhein-Westfalen sowohl jährlich als auch über einen Zeitraum von fünf Jahren für den öffentlich-geförderten Wohnungsbau mit 5,5 Milliarden Euro bis 2022 soviel Geld zur Verfügung wie kein anderes Land.“ Doch Wohnungen zu den festgesetzten Sozialmieten lassen sich für das Geld bei den aktuellen Kosten kaum bauen.
Der Artikel erschien in einer ähnlichen Version bereits in der Welt am Sonntag
Insgesamt zeigt sich hier doch, dass unsere Wohnstandards die finanziellen Möglichkeiten vieler Bevölkerungsschichten deutlich übersteigen.
Wo bleibt die Discounter-Wohnung? Wenn dort ein Markt jenseits von massiven Subventionen wäre, würden vermutlich auch Investoren den Markt beackern.
=> Wir müssen massiv mit den Standards herunter oder Dauersubventionen schaffen.
Zusätzlich gibt es natürlich viele Regionen, in denen die Wohnungen nicht mehr benötigt werden. Insbesondere auf dem Land.
http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/vonovia-deutsche-wohnen-leg-deutschlands-groesste-vermieter-a-1238295.html
[…] Wohnungsbauunternehmens VBM im rot-grün regierten Bochum zeigt, das in den vergangenen Jahren mehr Eigentums- als Sozialwohnungen […]