Der Kampf um das demokratische Österreich hat offenbar schneller begonnen als gedacht. In einer Pressekonferenz forderte am Donnerstag Innenminister Herbert Kickl (FPÖ), Flüchtlinge „konzentriert an einem Ort zu halten“. Nachfragen ob der Wortwahl wies er als „Provokation“ zurück.
Die Erkenntnis von Bert Brecht „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch“ könnte man seit Donnerstag als überholt betrachten. Es kriecht gerade wieder.
Der österreichische Innenminister Herbert Kickl von der rechtsradikalen FPÖ forderte heute bei einer Pressekonferenz, Flüchtlinge in Grundversorgungszentren unterzubringen.
„Es ist nur ein Begriff, diese Grundversorgungszentren, für eine entsprechende Infrastruktur, wo es uns gelingt, diejenigen, die in ein Asylverfahren eintreten, auch entsprechend konzentriert an einem Ort zu halten, weil es unser gemeinsames Interesse sein muss, sehr sehr schnell zu einem entsprechenden Ergebnis auch zu kommen.“
Der österreichische Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) am 11.1. 2018
Dass Parteigenossen Kickls wie FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus (Fraktionsvorsitzender, Anm.), Rechtsaußen der Partei mit besten Kontakten zu russischen und serbischen Nationalisten, in den vergangenen Wochen von Lagern für Flüchtlinge gesprochen hatten, macht den Kontext von Kickls Aussagen noch deutlicher.
Wobei der Innenminister sich selbstredend nichts bei seiner Wortwahl gedacht hat, als ihn Journalisten fragten, ob er damit provozieren wollte. Nein, die Frage, ob das Wort „konzentriert“ eine Provokation sei, sei eine Provokation, meinte Kickl.
Das war kein Ausrutscher
Dass ihm die Wortwahl passiert ist, kann man ausschließen.
Bis zu seinem Amtsantritt als Innenminister war der ehemalige und langjährige Philosophiestudent Generalsekretär seiner Partei.
Seit zwei Jahrzehnten schreibt er Reden für seine jeweiligen Parteivorsitzenden: Zuerst für Jörg Haider, zuletzt für Heinz Christian Strache. Die antisemitischen und ausländerfeindlichen Wortspiele Haiders („Ariel – Dreck am Stecken“) und Straches – sie stammen großteils aus seiner Feder. Ebenso die regelmäßig wiederkehrenden Anspielungen auf den Nationalsozialismus.
Die Wahlkampfslogans, in denen sich Blut-und-Boden-Ideologie mit teils offenem Rassismus in holprigen Reimen paarte? „Pummerin statt Muezzin“. „Daham statt Islam“. „Mehr Mut für unser Wiener Blut“? Stammen von Kickl oder wurden zumindest von ihm abgezeichnet.
Unter Strache stieg Kickl vom Propagandaprofi seiner Partei zu ihrem Chefideologen auf.
So jemandem passiert eine solche Aussage nicht. So jemand will mit dieser Wortwahl provozieren.
Die Unruhestifter sind die anderen
Und ganz in rechtsradikaler Tradition alle, die das zu Recht als Anschlag auf den antifaschistischen Grundkonsens der Republik sehen, als Anschlag auf das parlamentarische System und die österreichische Demokratie sehen, als Störenfriede diffamieren, als Nestbeschmutzer, als die eigentlichen Unruhestifter.
Mit der Eskalation vom Sonntag will Kickl wie jeher die Grenzen des Sagbaren wieder ein Stück verschieben. Man kann sich darauf einstellen, dass es in den nächsten Monaten noch härter kommen wird.
Beileibe nicht die einzige besorgniserregende Entwicklung. Die neue Rechtsregierung arbeitet offen und mit auffällig viel Doppelsprech an der Demontage des österreichischen Sozialstaats.
Und ist es Wahnsinn, so hat es doch Methode
Und Justizminister Josef Moser (parteifrei, nominiert von der rechtskonservativen ÖVP, früher FPÖ) hat eine „Gesetzesbereinigung“ angekündigt, die nicht nur ein Verfassungsjurist für rechtsstaatlichen Wahnsinn hält.
Er will in den nächsten Monaten alle Gesetze und Verordnungen, die vor dem 1.1. 2000 in Kraft getreten sind, und die nicht mindestens ein Ministerium als notwendig erachtet, vom Parlament aufheben lassen.
Dieses Monsterprojekt stellt nahezu das gesamte österreichische Gesetzeswerk nach ideologischen Überlegungen zur Disposition. Ausgenommen wären lediglich neuere Gesetze, die Bundesverfassung und einige juristische Randbereiche.
Geht es nach Moser, sollen die abertausenden betroffenen Gesetze bis Juli 2018 überprüft werden.
Kommentar des renommierten Verfassungsjuristen Bernd-Christian Funk: „Will Moser unser Rechtssystem in die Luft sprengen?“
Ein Deutschnationaler als Bahnchef
Auch auf Nebenfronten offenbart die Rechtsregierung, dass sie keinen Stein auf dem anderen lassen und so große Teile der Republik für sich reklamieren will, wie in kurzer Zeit geht,
Infrastrukturminister Nobert Hofer (FPÖ), Mitglied einer deutschnationalen Burschenschaft, kündigte an, Arnold Schiefer zum Aufsichtsratsvorsitzenden der Bahn zu bestellen.
Schiefer ist Mitglied der schlagenden Burschenschaft Teutonia, die wenig überraschend deutschnational ist und als rechtsradikal eingestuft wird.
Die Teutonia leugnet wie die meisten österreichischen Burschenschaften die Existenz einer österreichischen Nation.
Ob Schiefer weiß, dass er Aufsichtsratschef der Österreichischen Bundesbahnen werden soll und nicht der eventuell neu gegründeten Reichsbahn, ist nicht bekannt.
Für Schiefer wird die bisherige Vorsitzende Brigitte Ederer Platz machen müssen, früher führende Siemens-Managerin. Sie ist SPÖ-Mitglied.
Dass die Postenbesetzung eine politisch motivierte sei, bestreitet Hofer – ebenso wie Innenminister Kickl bestreitet, dass es anstößig sei, irgendjemanden „konzentriert“ an irgendwelchen Orten halten zu wollen.
Zivilgesellschaft ruft zur Kundgebung auf
Der Kampf um die Republik hat offenbar begonnen.
Am Samstag haben weite Teile der österreichischen Zivilgesellschaft zu einer Kundgebung gegen die Bundesregierung aufgerufen.
Treffpunkt ist am Christian-Broda-Platz nahe dem Westbahnhof in Wien um 14 Uhr.
Titelfoto: (c) Nathan Spasic
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