Ich habe ja via öffentlich-rechtlichem TV bei den Eröffnungsfeiern für Olympia 2024 in Paris reingeschaut. Ich würde sagen, so nach einer Stunde vorbeifahrender Schiffe auf der Seine und zu kurz gezeigter bunter Showeinlagen, die musikalisch eher dem unteren Niveau zuzuordnen waren und tontechnisch schlecht übertragen wurden, hatte ich die Nase gestrichen voll. Zwar konnte man auf den Schiffen immerhin lesen, welches Land da vorbeifuhr, aber von den Athleten konnte man keinen einzigen erkennen. Die beiden Moderatoren des deutschen Fernsehens hatten Schwierigkeiten, überhaupt etwas zu den Sportlern zu sagen.
Bombast ohne Seele und Menschlichkeit war mein Gedanke. Als hätten sich Robespierre und Napoleon zusammen diese Massenrevue ausgeheckt. Passend dazu gab es dann auch den abgeschlagenen Kopf von Marie Antoinette zu bewundern und genötigte Athleten, die bei strömendem Regen das Deck ihrer Schiffe nicht verlassen durften. Der Mensch wurde hier mal mehr, mal weniger einer gigantomanischen Choreografie untergeordnet. Wenn man so will, typisch für das französische Verständnis des Staates Frankreich und seiner Zentrale Paris. Die Rolle der Franzosen: Kulisse. Ganz anders in London, die Engländer gingen bei ihrer Eröffnungsfeier nicht von irgendwelchen „großen“ Ideen aus, die wichtiger sind als Menschen, sondern vom Individuum. Unvergessen die Szene mit James Bond, der Queen und ihren Corgis. Noch heute gucke ich sie mir nur zu gerne an.
Alles in allem muss die Eröffnungsfeier in Paris dem eher autoritär und rückwärts veranlagten Menschen eigentlich gefallen haben. Hat sie aber nicht. Stein des Anstoßes war die musikalische und szenische Darstellung einer Bacchanale. Also die Darstellung eines römischen Trinkgelages, wie sie dem Kaiser (César) Napoleon gefallen haben dürfte, der sich nur zu gerne als Römischer Imperator („Empereur Napoleon“) darstellte. Es gibt sogar eine bildende Vorlage für diese Szenerie. Das Gemälde stammt von dem holländischen Meister Jan van Bijlert und heißt „Das Fest der Götter“. Behauptet wird aber von der katholischen Kirche und den üblichen Verdächtigen aus rechtsradikalen und leider auch konservativen Milieus, es wäre dort das christliche Abendmahl dargestellt und verhöhnt worden. Allerdings gab es dort weder einen Jesus noch irgendwelche Apostel zu sehen, sondern nur Bacchus (griechisch: Dionysos) und seine Kumpane beim Feiern und Singen.
Quasi sei das Ende des Abendlandes gekommen, beziehungsweise der Untergang Europas stehe bevor, tönt es in den sozialen und anderen Medien. Dabei wurde bei der olympischen (!) Eröffnung einfach nur die klassische Antike und die jakobinische Idee eines etatistischen Frankreichs dargestellt, die die Grundlage der europäischen Moderne und letztlich auch einer modernen Olympiade sind. Die sogenannten Verteidiger des Abendlandes haben sich als die wahren Feinde Europas und seiner Kunst entpuppt. Kunstbanausen eben. Ich selbst hätte mir gewünscht, dass die Franzosen sich mehr der Würde des Individuums angenommen hätten. Mehr Danton und weniger Robespierre hätte der Feier gutgetan. Dann wäre es auch künstlerisch nicht so zweifelhaft ausgefallen.
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