Die Schließung der Opel-Werke in Bochum und die Bewältigung der Folgen, stellen eine große Herausforderung dar. Stadtverwaltung, Land und Adam Opel AG haben eine Zusammenarbeit vereinbart. Im Beisein von Opel-Vorstand Ulrich Schumacher und Landeswirtschaftsminister Garret Duin (SPD) hat der Rat der Stadt Bochum die Gründung der Perspektive 2022 GmbH beschlossen. Die von Stadt und Opel getragene Gesellschaft soll 1,2 Millionen Quadratmeter Fläche von ursprünglich 1,7 Millionen Quadratmetern vermarkten. Hierzu ein Gastbeitrag von Roland Mitschke (CDU), Vorsitzender der CDU-Fraktion im Regionalverband Ruhr (RVR) und stellvertretender Vorsitzender der CDU-Ratsfraktion Bochum.
Wenn eine Stadt Erfahrungen mit dem Strukturwandel hat, ist es die Stadt Bochum. Vom alten Bochumer Dreiklang mit Kohle, Eisen und Schlegel-Bier ist nicht viel geblieben. Der Bergbau hat zwar unzählige Spuren, aber bis auf Knappschaft und Bergbaumuseum keine Spuren hinterlassen. Die Stahlindustrie ist nach einem dramatischen Schrumpfungsprozess mit ihren Resten aktuell wieder in der Diskussion. Bier brauen in Bochum 60 Mann bei Moritz Fiege.
Die Antwort war in den 1960-er Jahren die Ansiedlung von Opel und die Gründung der Ruhr-Universität. Opel beschäftigte in der Blütezeit über 20.000 Mitarbeiter. Heute ist die Universität der größte Arbeitgeber in der Stadt. Auf den Radiobauer Graetz folgte der Handyhersteller Nokia, der 2008 nach Rumänien abwanderte. Ergebnis für Bochum damals: minus 2.000 Arbeitsplätze auf einen Schlag. Jede Veränderung war schmerzhaft – für die betroffenen Arbeitnehmer, für ihre Familien, ja für die ganze Stadt.
Die CDU hat sich am 24. November 2011 als erste getraut, die Wahrheit über Opel öffentlich auszusprechen. Nach dem Prinzip „die Hoffnung stirbt zuletzt“ fand die damalige Initiative noch keine Akzeptanz. Die Fakten waren klar. Den Entscheidungen im fernen Detroit, den wirtschaftlichen Entwicklungen, ja dem Markt hatten Bochum, hatte die Politik nichts entgegen zu setzen. Im Herbst 2012 war es dann amtlich. Ende dieses Jahres läuft die Automobilproduktion aus, die Getriebefertigung ist schon eingestellt – in der Diskussion ist noch die Ersatzteillogistik mit 700 Arbeitsplätzen.
Soviel zur Vergangenheit. Wir müssen die Situation nehmen, wie sie ist. Planen wir, bauen wir für ein neues Stück Zukunft. Nehmen wir den Weggang von Opel als neue Chance. Stellen wir uns den Realitäten und machen wir das Beste draus.
160 ha Industrie- und Gewerbefläche mitten in der Metropole Ruhr mit über 5 Mio. Menschen sind einzigartig. Und das an einem Standort mit 8 Hochschulen und über 50.000 Studenten. Studenten, die nach Studienabschluss hier angemessene, attraktive Arbeitsplätze suchen. Anderswo suchen Unternehmen qualifizierten Nachwuchs. Hier ist er – und die notwendigen Flächen sind auch da.
Wir haben nicht vorrangig den Ehrgeiz Bildungsexporteur für andere Regionen zu bleiben.
Ein großer Teil unserer Hoffnung beruht auf den Möglichkeiten der Hochschulen. Insofern verdient besonders die Initiative von Professor Elmar Weiler, die Bochumer Hochschulen zu beteiligen, jede Unterstützung: Wir brauchen viele neue Gründungen, mittelständische Strukturen und eine Willkommenskultur für Unternehmer.
Stadt und Region wollen Industriestandort bleiben – mit möglichst vielen neuen Arbeitsplätzen in der industriellen Produktion. Wir müssen uns über zwei Dinge im Klaren sein:
- Wir brauchen einen langen Atem. Wir werden auch nach 2022 über die Opel-Flächen reden. Denken Sie nur an den BiomedizinPark, der seit vielen Jahren vermarktet wird.
- Wir brauchen Flexibilität und müssen bereit sein, Chancen des Marktes wahrzunehmen, wenn sie sich bieten – auch wenn sie ursprünglichen Konzepten nicht entsprechen.
Im nationalen und internationalen Standortwettbewerb können wir in Bochum und in allen Kommunen der Metropole Ruhr jedoch nicht bestehen, wenn wir neben hohen Grundstückspreisen auf Druck der Kommunalaufsicht auch noch Hochsteuerregion werden.
Im Dezember 2012 hat der Bochumer Stadtrat seine Erwartungshaltung – gegenüber Opel und gegenüber der Landesregierung – formuliert:
- Die Adam Opel AG muss schnell Klarheit für Ihre Mitarbeiter und deren Familien schaffen, aber auch für die Stadt und die Region. Der Flächenbedarf für die in Bochum verbleibende Ersatzteillogistik muss abgestimmt werden. Es wird Klarheit benötigt, welche Flächen gehen wann ins Eigentum der neuen Gesellschaft „Perspektive 2022“. Wie steht Opel zu den rechtlichen Verpflichtungen für Sanierung und Entsorgung der Flächen. Eine Freistellung von diesen Verpflichtungen ist nicht möglich. Zur vertrauensvollen und effektiven Zusammenarbeit in einer Gesellschaft gehört auch das adäquate finanzielle Engagement. Opel kann in unserer Region sein ramponiertes Image blitzschnell wieder durch Zuverlässigkeit positiv gestalten.
- Der Onkel, der etwas mitbringt ist beliebter als die Tante, die Klavier spielt. Landeswirtschaftsminister Garret Duin (SPD) hat kürzlich bei einem Neujahrsempfang in Marl erklärt, den Strukturwandel in der Emscher-Lippe-Region zur Chefsache machen zu wollen. Dies muss für die ganze Metropole Ruhr gelten. Auch Bochum benötigt die Hilfe der Landesregierung genauso wie in den 1960-er-Jahren unter der Regierung Franz Meyers oder 2008 in der Nokia-Krise unter Dr. Jürgen Rüttgers. Die Standortentscheidung für den Gesundheitscampus NRW war zu dieser Zeit ein nachhaltig wirkendes positives Signal. Die Auswirkungen der Opel-Schließung und der sich in der Stahlindustrie abzeichnenden Entwicklung – die Schließung von Outokumpo ist der Anfang – haben regionale – nicht nur lokale – Bedeutung.
Der Zugang zu den Fördertöpfen für die Finanzierung des Entwicklungs- und Erschließungsaufwandes für die Opel-Flächen liegt im Landewirtschaftsministerium. Dies gilt für europäische, für Bundes- und Landesmittel. Ich erwarte eine 90 %-ige Förderung des unrentierlichen Aufwands – wie beim Nokia-Programm „Wachstum für Bochum“ mit der Initiative Bochum 2015 unter Landeswirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU). Die Eigenleistung müssen Stadt und Opel zu gleichen Teilen erbringen. Aus dem Landesverkehrsministerium unter Michael Groschek (SPD), erwarte ich Anstrengungen für die notwendige Verbesserung der verkehrlichen Erschließung der Flächen Opel 2 und 3. Für die durch Wohnbebauung führende B 235 muss eine neue westliche Umgehung bis zur A 40 gebaut werden.
Mit NRW.Invest verfügt die Landesregierung über ein Instrument zur Akquisition von Auslandsinvestitionen. Den dort Handelnden muss klar gemacht werden, dass nicht nur in der Rheinschiene interessante und attraktive Standorte zu finden sind.
Von der Stadtratssitzung mit Opel-Vorstand und Wirtschaftsminister sollen positive Signale nach draußen gehen. Kein Zweifel, positive Botschaften über die Stadt braucht Bochum dringend. Die Stadt muss froh und dankbar sein, wenn die Landesregierung ihr nicht nur mit offenem Ohr sondern auch mit offenen Fördertöpfen zur Seite steht. Alle hoffen auf eine gute Zusammenarbeit mit Opel. Aber es gibt nach den Ereignissen der letzten Jahre in der Politik auch Vorbehalte gegenüber Opel. Neues Vertrauen muss wachsen. Dann kann es heißen: Bochum hat Perspektive über 2022 hinaus.
Das in letzter Zeit sehr gebeutelte Bochum hat mit einem Mal zwei große Chancen sich zu restrukturieren. Die eine, mit den Wettbewerbs-Flächen zwischen Rathaus und Husenmanplatz, eher kurz bis mittelfristig in der Innenstadt, die andere eher mittel bis langfristig auf dem ehemaligen Opelgelände.
Bei beiden Flächenkomplexen, so unterschiedlich groß sie sind, geht es um nicht mehr und nicht weniger als um eine neue Rollenbestimmung im Wirtschafts- und Standortkonzert der großen Ruhrgebietsstädte. Die beiden Kernfragen lauten dabei: Wie positioniert sich die Bochumer Innenstadt gegenüber den Citys von Essen und Dortmund und welche Art und Mixtur von Arbeitsplätzen bestimmt die wirtschaftliche Zukunft Bochums und des Ruhrgebietes.
Es handelt sich also um zwei Schlüsselprojekte nicht nur für die Bochumer Stadtentwicklung, bei denen die Verantwortlichen bei der jeweiligen Nutzung und Gestaltung über weit aus mehr entscheiden als über die beiden Standorte selbst. Hektik ist deswegen nicht angebracht sondern ausführliche Klärung darüber, wohin die Stadt will.
Arnold,
ja, es ist richtig und wichtig, die Bochumer hinzuweisen auf:
„Ausführliche Klärung, gründliches Nachdenken, auf die Notwendigkeit, möglichst viele Akteure der „kommunalen Verantwortunsgemeinschaft Stadt Bochum“ in den Prozeß (die Prozesse) einzubinden; Gründlichkeit vor Schnelligkeit!!“
Und ebenso wichtig ist es, ich denke dabei vor allem an die „Re-industriealisierung der OPEL-Fläche, daß „man“ sich hier zurückhalten muß mit Versprechen, „übermorgen“ oder gar „morgen“ mit mehreren tausend neuen Vollzeitstellen und mindestens vergütet mit Gehältern und Löhnen, wie sie bisher den Facharbeitern bei OPEL bezahlt worden sind, aufwarten zu können. Das ist irreal, das produziert Hoffnung in der Bürgerschaft und anschließend Enttäuschungen, die dann wiederum zu „Schnellschüssen“ führen nach dem Motto: “ Egal was angesiedelt wird, nur sichtbar muß irgend etwas sein.“
Visionen sind gefragt, wenn über die Zukunft der OPEL-Fläche nachgedacht wird, zugleich ist Pragmatismus angesagt. Aus dieser „Mischung“ läßt sich dann etwas machen, das im positiven Sinne Bochum fürr die nächsten 3o Jahre (mit-) prägen kann.
Vielleicht denkt Roland Mischke ‚mal mehr als bisher darüber nach, ob alles das, was er z.B. vom Land NRW einfordert, damit die „Re-„industriealisierung der OPEL-Fläche d a s prioritäre Projekt der Metropolregion Ruhrgebiet wird, zu vereinbaren ist mit dem Wollen, auch dem seinen und dem seiner Partei, zugleich in einem nur wenige Kilomenter entfernten Freiraum 3oo ha als Industriegebiet („New.Park“) auszuweisen und mit Steuermitteln aufwendig zu erschließen, einschließlcih eines millionenschweren Straßenneubaues -B 474 n.
Bisher scheint „man“ in der Region, im Land -und in Bochum!!- Beides zu wollen. Mir scheint, daß das nicht funktionieren wird.
Arnold Voss hat recht. Wenn die beiden angesprochenen Projekte misslingen, dann wird sich das über Jahrzehnte nicht wieder gut machen lassen.
Hr. Mitschke beschreibt die Lage. Aber was ist die Konsequenz? Ist die Wirtschaftsförderung in BO gut aufgestellt? Der Biomedizinpark wird seit 7 Jahren vermarktet, ein Biomedizinunternehmen hat sich bis heute dort nicht angesiedelt. Auch auf dem Zeche-Holland-Gelände hat sich die Wirtschaftsförderung nicht besonders clever angestellt. Die Fördergelder sind verfallen, der private Investor ist erstmal ausgestiegen und jetzt versucht man die Flächen wieder an NRW-Urban los zu werden.
Auch die Vermarktung der anderen Gewerbe- und Büroflächen gelingt kaum. Im Exzenterhaus stehen 10 Stockwerke leer, das Jahrhunderthaus steht zu einem großen Teil leer, das alte Krupphochhaus lässt sich nicht vermieten, die Stadtbadgalerie, jetzt Bochumer Fenster stünde auch leer, hätte es nicht den doppelten Abiturjahrgang gegeben, ebenso wie das alte Lueghaus.
Sehr erfolgreich kann die Wirtschaftsförderung bei dieser Masse an Leerständen nicht sein.
Beim Telekom- und Justiz-Gelände hat man jetzt einen Sieger gekürt. Nach einem großen Wurf sieht das nicht aus. Man konnte nur aus zwei Beiträgen auswählen. Will man eine qualitativ hochwertige und besonders anspruchsvolle Lösung finden und realisieren, sollte man eigentlich zwischen mehr Alternativen entscheiden können.
Aber um genau urteilen zu können, muss man sich den Siegerentwurf sicher erstmal genauer anschauen.
„Wir brauchen Flexibilität und müssen bereit sein, Chancen des Marktes wahrzunehmen, wenn sie sich bieten – auch wenn sie ursprünglichen Konzepten nicht entsprechen“, da hat Mitschke recht. Aber wir müssen die Chancen auch suchen und dürfen nicht auf sie warten.
Die Wirtschaftsförderung muss zu den Unternehmen und da Klinkenputzen, denn noch länger zuwarten kann BO nicht.