Otto Müller „Einfach.Eigen.Einzig“ Mein Erlebnis am Neujahrstag 2013

Otto_MuellerUnser Gastautor Helmut Junge hatte sich entschlossen zum Neujahrstag 2013 der Werbung des Museumsleiters des Lehmbruck Museums Raimund Stecker zu einem Sektempfang anlässlich einer Einführung in die Otto Müller Ausstellung „Einfach.Eigen.Einzig“ nachzukommen.

Also früher aufstehen als sonst am 1.Januar, 12 km  durch die Stadt gurken, einen Parkplatz suchen, an der Kasse 8 Euro Eintritt zahlen, dann vorbei an der Ausstellung Duisburger Künstler, vorbei an den Metamaschinen von Jean Tingueli, die mich vor 30 Jahren so begeistert hatten, mir heute aber lediglich durch ihre riesigen Dimensionen in den Blick geraten, weiter durch den Verbindungsgang zum nächsten Ausstellungskomplex, wo der Museumsleiter Raimund Stecker an der Sekttheke stand und mich direkt nach dem Neujahrsgruß darüber informierte, dass sie mit dem Sekt noch etwas warten wollten, bis mehr Besucher da wären.

Ich war tatsächlich etwas früh und beschloss mir die Ausstellung in aller Ruhe zunächst einmal alleine anzusehen. Bilder von Otto Müller hatte ich gelegentlich schon zwischen denen anderer expressionistischen Künstlern sehen können, aber hier, diese Ausstellung war allein ihm gewidmet, und mit etwa 150 Bildern überwältigend groß. Die zwanzig Minuten, die ich bis zu Eröffnungsrede hatte, reichen  natürlich nicht um das Lebenswerk eines Künstlers in seiner Fülle zu würdigen.  Deshalb hatte ich mich vorher schon ein wenig auf diese Ausstellung vorbereitet. Otto Müller gehörte zu den Malern der Künstlergruppe“ die Brücke“, die vor mehr als 100 Jahren die Welt damit provozierte, dass sie Frauen, die keine mystischen Hintergrund hatten, nackt darstellte. Die Maler der Künstlergruppe „Die Brücke“, und damit auch Otto Müller, malten Frauen, die sich  nackt in der freien Natur bewegten. Das war in der prüden bürgerlichen Gesellschaft  des beginnenden 20. Jahrhunderts ein Tabubruch! So weit sind nicht einmal die französischen Fauvisten gegangen. Wie die meisten Expressionisten, malte auch Otto Müller nach  der von Emile Bernard und Paul Gauguin  entwickelten Technik des Cloisianismus, der den den Figuren eine schwarze Begrenzungslinie gegeben wird. Bei Müller ist diese allerdings weniger scharf abgrenzend, als beispielsweise bei Kirchner oder Heckel.

Unter all den deutschen Expressionisten kann Otto Müller als der Romantiker gelten. Es gibt wohl nur wenige Bilder Müllers, bei denen keine Naturkulisse als Hintergrund zu sehen ist, und vielleicht liegt es neben den schwächer ausgebildeten Begrenzungslinien genau daran, dass Müllers Bilder trotz starker Verflachung der Körperflächen romantischer wirken, als die Bilder seiner Künstlerfreunde Ernst Ludwig Kirchner, Rottluff, oder Erich Heckel.

Offenbar gab es in früheren Zeiten bei großen Teilen der Gesellschaft eine Sehnsucht nach dem exotischen Fremden, wie  sie heute bei den Pauschalurlaubern, die während ihres Urlaubs kaum aus ihrem Hotelanlagen auskommen, nicht mehr erkennbar ist. Denn so, wie es einst Gauguin in die Südsee trieb, zog es Müller nach Rumänien, wo er seine, dem damaligen Zeitgeist entsprechenden romantischen sogenannten “ Zigeunerbilder“ malte.

Wo es ging, natürlich auch dort „oben ohne“. Nach unserem heutigen Verständnis ist es fraglich, ob seine Modelle diese Romantik ebenso bemerkten, wie die mitteleuropäischen Kunstsammler der damaligen Zeit. Aber in dieser Auffassung unterschied Müller sich nicht von anderen Künstlern seiner Zeit wie Emil Nolde, Otto Pankok, und andere Künstlerkollegen seiner Zeit. Die Künstler der“ Brücke“ setzten sich in der Kunstwelt letztlich gegenüber ihren Kritikern durch, und man fragt sich unwillkürlich, was wäre gewesen, wenn nicht zwei Weltkriege und die kunstfeindliche Zeit der Nationalsozialisten diese Entwicklung gestoppt hätte. Immerhin halte ich es für möglich, dass diese Vorarbeiten, beim Neuanfang nach der faschistischen Terrorzeit einen schnelleren Entwicklungsprozess in der Kultur ermöglichten.

Während ich meinen Ausstellungsrundgang beendete, hat sich der Saal gefüllt, und 80-100 Besucher waren der Einladung Steckers gefolgt, füllten den Raum und es gab für jeden Besucher ein Gläschen Sekt. So viele Besucher für eine Werkschau mit Bildern nackter Frauen, dachte ich. Immerhin hat sich, angesichts der unzähligen Fotos, Filme usw., die sich diesem Thema widmen, längst eine Übersättigung eingestellt. Hinzu kommt noch, dass die Darstellung weiblicher Nacktheit, infolge so mancher Diskussion mit Vertreterinnen der Frauenbewegung längst nicht mehr den gesellschaftlichen Akzeptanzgrad hat, wie früher. Aber hier war der Andrang groß. Der Museumsleiter Raimund Stecker freute sich natürlich über dieses große Besucherinteresse und meinte scherzhaft, dass er die Leute bewundere, die an einem Neujahrstag freiwillig in eine Einführungsveranstaltung eines Museums kämen. Er sprach über seine Freude darüber, wie es dazu kam, dass diese Bilder, die einem Privatsammler gehören, der den gesamten Nachlass Müllers gekauft hatte, kostenlos, ja sogar noch mit Gewinn im Lehmbruckmuseum ausgestellt werden konnten. Denn bei den Ausstellungsvorbereitungen wurde  bei einem Otto-Müller- Bild aus dem eigenen Bestand des Museums rückseitig ein unbekanntes Bild Müllers entdeckt. Stecker setzte sich in seiner Einführungsrede , im gewissen Sinne anekdotenhaft, mit der Möglichkeit auseinander, dass Wilhelm Lehmbruck und Otto Müller sich gegenseitig kannten, setzte sich aber auch mit dem unterschiedlichen Frauenbild von Otto Müller und Wilhelm Lehmbruck auseinander. Klar ist seiner Meinung nach, dass Lehmbrucks Frauenskulpturen der Persönlichkeit und Würde von Frauen deutlich mehr Raum geben, was aus meiner Sicht auch bedeutet, dass Lehmbrucks künstlerische Sichtweise zeitloser ist, als die von Otto Müller. Aber dann denke ich, dass ungeachtet dieser unterschiedlichen künstlerischen Sichtweise, beide von den Nazis als entartete Künstler eingestuft wurden, und damit das gleiche Schicksal traf.

Das unterschiedliche Frauenbildnis spielte für diese Einstufung durch die Nazis vermutlich die geringste Rolle. Nach der Einführungsrede ging es für die meisten Besucher in die Ausstellung, während ich froh war, mir die Bilder schon vorher angeguckt zu haben, denn Gedränge in Ausstellungen mag ich gar nicht gern. Stattdessen nutzte ich die Gelegenheit, mich mit einigen alten Bekannten, die ich lange nicht gesehen hatte. aber bei diesem Event traf, zu unterhalten und alte, eingeschlafene Beziehungen wieder aufleben zu lassen. Dann lernte ich noch während eines Schnacks unter Künstlern, die Duisburger Bildhauerin Gabriella Fekete kennen, die ich seit 20 Jahren nur vom Namen her kannte, und wir waren uns einig, dass das Museum lebendiger geworden ist, und Gabriella Fekete äußerte die Hoffnung, dass dieser Prozess noch weiter geht. Sie war der Meinung, dass man Raimund Stecker bei diesem Prozess der Internationalisierung der Duisburger Kunstlandschaft unterstützen sollte. Das ist auch meine Meinung. Der Museumsleiter Raimund Stecker selbst ist wegen seiner vielen Äußerungen und Aktivitäten sehr umstritten,  und die Hoffnung dieser, sich selten in der Öffentlichkeit zeigenden Bildhauerin zeigt mir wieder, wie wahr das ist, denn ich hatte noch die Äußerung eines befreundeten promovierten Politikwissenschaftlers im Ohr, der mir vor wenigen Tagen sagte, dass es seiner Meinung nach solche Typen wie Stecker so häufig gebe, dass, wenn  in Walsum  die Linie 901 los fährt, nach ein paar Haltestellen in Hamborn der Waggon voll mit dieser Sorte Menschen sei. Ich finde, dass Stecker ein paar neue Gedanken in die Museumswelt hinein bringt, und dass diese Gedanken sich tatsächlich in der Praxis erst einmal bewähren müssen, dass aber die derzeitige Tendenz eine deutlich positive Richtung zeigt. Auf jeden Fall bin ich sicher, dass niemand mehr, wie Günter Buchheim anno dazumal ungestraft kommentarlos sagen dürfte, dass ihm das Lehmbruckmuseum mehr als Mausoleum, denn als modernes Museum vorkäme.

Die Ausstellung ist bis zum 24.Februar zu sehen

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aloys cremers
11 Jahre zuvor

kann auch anders. wurde gerne mal mit dir darüber reden.
sowohl über lembruck, das museum und auch über diese ausstellung

Helmut Junge
Helmut Junge
11 Jahre zuvor

@Aloys, gern

Thomas
11 Jahre zuvor

Nun ja, der grosse Buchheim bezeichnete ja auch seinerzeit in seinem Buch ‚Das Museum in den Wolken‘ die massgeblichen Vertreter des nicht kunstsinnigen Duisburgs, also die üblichen Duisburger Apparatischik-Kulturverweser als ‚Kommunalschranzen‘, ‚Nichtskönner‘ und ‚Deppen‘.

Daran hat sich wohl immer noch nichts geändert. Jedenfalls, was die Kommunalschranzen angeht. (:

Vergl. etwa:

https://www.buchheimmuseum.de/aktuell/2007/broeg.php

Frank S. Oynhausen
11 Jahre zuvor

Ohne STECKER geht´s DOCH (auch)

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