Zu Shows von Spidergawd packt man sich am besten ein Wechsel-T-Shirt ins Auto, denn ihre Shows sind wild und gefährlich. So auch gestern Abend in der kleinen Halle vom Dortmunder FZW, an deren Eingangstür schon vor Konzertbeginn ein „Ausverkauft“ -Schild klebte.
Diese Skandinavier (sie kommen aus Trondheim in Norwegen) schreiben Songs, die Brücken von Fu Manchu zu den Scorpions – und von Foo Fighters zu John Coltrane schlagen. Das liegt vor allem an ihrer ungewöhnlichen Besetzung, denn mit Rolf Martin Snustad haben sie einen Bariton-Saxophonisten in ihrem Ensemble, der für einen ungewöhnlichen Swing sorgt. Die bandeigenen Vintage-Rock-Stücke, häufig mit Verweisen zum Oldschool-Heavy Metal, werden damit ungewöhnlich federnd verstärkt. Und zwischendurch darf Rolf Martin noch ein paar Solo-Performance bieten, die dann irgendwie nach Peter Brötzmann und altem Jazzkeller-Feeling klingen.
Auch die anderen vier spielen an diesem Abend, als ginge es um Leben und Tod: Mit Hallvard Gaardløs am Bass, sowie Sänger und Gitarrist Per Borten und Brynjar Takle Ohr als neuem Live-Gitarristen stehen die vier Musiker wie eine eingeübte Performance-Maschine um das riesige Schlagzeug von Trommler Kenneth Kapstad, der mit vielen Tom-Wirbeln und einer beeindruckenden Performance im Laufe der Show zum Bühnen-Mittelpunkt wird. Spidergawd haben noch einen bekannten Trick im Ärmel, den sie wie bei einer Pokerrunde in einem stickigen Hinterzimmer immer wieder ans Tageslicht zaubern: sie schrappen immer ganz knapp an bekannten Genre-Hits vorbei, nehmen einen anderen Vibe auf und verdichten altbekannte Heavy-Rock-Fragmente zu neuer Form – und mit ganz viel Farbe.
Mit Einflüssen von Thin Lizzy, Uriah Heep, Motorpsycho und den Hellacopters verzichten diese fünf ungleichen Rocker auf jegliches Mainstream-Gewaber. Sie ziehen ihre Sicht der Dinge auf scharf und zeigen, dass Charakter und Haltung zu den wichtigsten Lebenseinstellungen gehören. Aber ihr Grundtenor bleibt stabil, scharfkantig und extrem eigensinnig. Ihre Tracks bieten sowohl abstraktes Headbangen für Melvins-Fans, als auch ekstatischen Vintage-Rock. Sie schenken dem Rock viel Energie und hauchen ihm eine Überdosis Leben ein. Nach zwei Stunden Show sieht man viele (fast 400) glückliche Gesichter, die dann in der dunklen Dortmunder Nacht verschwinden.