ProNRW: Eine „deutsche Rechte ohne Antisemitismus“?

Markus Beisicht

Kritische Betrachtung einer „deutsch-israelischen Konferenz“ in Gelsenkirchen und der damit verbundenen Strategie von „Pro NRW“. Von unseren Gastautoren Heiko Klare, Bernhard Steinke, Michael Sturm von mobim.

Für den 4. April  hatte die rechtspopulistische „Bürgerbewegung Pro NRW“ unter dem Motto: „Islamisierung stoppen – Demokratie durchsetzen“ eine „deutsch-israelische Konferenz“ angekündigt, die im Schloss Horst in Gelsenkirchen stattfinden soll. In dieser mobim-analyse wird die dahinter liegende Strategie der selbsternannten „Pro-Bewegung“ beleuchtet, sich als „erste wählbare deutsche Rechte ohne Antisemitismus“ darzustellen und gleichzeitig gesellschaftliche Ängste vor einer angeblichen „Islamisierung“ zu instrumentalisieren.

Ein ideologischer Bruch mit der extremen Rechten?

Der von „Pro NRW“ veröffentlichten Presseerklärung zufolge soll es bei der Veranstaltung „vor allem um die Frage der Bewahrung von Identität und Tradition gehen.“ So sei angesichts der „Umwälzungen in Nordafrika“ damit zu rechnen, dass „eine weitere Welle der Islamisierung über uns hereinbrechen werde.“ Doch „Pro NRW“ sorgt sich nicht nur um die Verhältnisse in der Bundesrepublik. Der deutsch-schwedische Unternehmer Patrik Brinkmann, der die Konferenz maßgeblich organisiert hat, sieht „Israel als einzige Demokratie im Nahen Osten“ in einem „viel stärkeren Maße“ gefährdet. Daher unterstütze die „Pro Bewegung“ das „Selbstbestimmungsrecht Israels“.

Die Ankündigung wirkt irritierend. Zwar folgt die Warnung vor einer vermeintlichen „Islamisierung“, die wie eine unmittelbar bevorstehende Naturkatastrophe beschrieben wird, inhaltlich und sprachlich der gängigen islamfeindlichen Programmatik von „Pro NRW“. Die positive Bezugnahme auf Israel erscheint jedoch für eine am rechten Rand angesiedelte Partei, der erst kürzlich das Oberverwaltungsgericht Münster attestierte „fortgesetzt mit pauschalierenden, plakativen Äußerungen Ausländer wegen ihrer Abstammung und/oder Religionszugehörigkeit ausgrenzend und als kriminell sowie nicht integrierbar dargestellt“ zu haben, auf den ersten Blick überraschend. Dieser scheinbare ideologische Bruch mit traditionellen Grundpositionen der extremen Rechten in Deutschland wird von „Pro NRW“ entsprechend hervorgehoben. Gleich zu Beginn der Presseerklärung heißt es: „Wir unterstreichen damit, dass eine deutsche Rechte ohne Antisemitismus Wirklichkeit geworden ist. Es hat viel zu lange gedauert, dass aufrichtige Patrioten sich in Deutschland von allen zeitgeschichtlichen Verstrickungen gelöst haben.“

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Plastikpullen statt Champagnerflaschen – In der Dortmunder Nordstadt wohnt die neue FDP

Gestern Mittag in Dortmund. Ein Termin, auf dem man nichts erwartet. Nicht mal einen ordentlichen Kaffee. Spendenübergabe bei BoDo in der Mallinckrodtstraße. Besucher des Geierabends, dieses Ruhrgebiets-irgendwie-Karnevals, haben 5500 Euro gegeben. Die Alternativnarren, sich keines müden Gags zu schade, haben den Betrag auf 5555,- aufgerundet, schleppen den üblichen überdimensionierten Sparkassenscheck an und lassen sich im gut sortierten Buchantiquariat von der Lokalpresse ablichten.

Der Pressemann der Possenreißer, ein ansonsten recht origineller Elektronikmusiker, ist zufrieden. Die Leute von BoDo, dem Straßenmagazin, scheinen glücklich. Inmitten dieses Provinzallerleis steht Udo Muschkies (48), seine sehr schwangere Frau Moni (wesentlich jünger)  untergehakt, hält zwei mit Plastikflaschen gefüllte Müllsäcke in die Kameras und achtet darauf, dass seine Rolex gut sichtbar ist. Auf der Uhr ist es fünf nach sechs. Muschkies ist, das wissen die wenigsten, Vorsitzender des bis dato unbekannten FDP-Ortsvereins Dortmund Nordstadt. Ein Spontaninterview.

?: Herr Muschkies…

Muschkies: Sagen Sie ruhig Udo, wir sind hier nicht so…

?: Man erwartet nicht unbedingt einen FDP-Vertreter bei so einem eher linken Projekt.

Udo: Es gibt auch einen mitfühlenden Post-Neoliberalismus, für den stehen wir Liberalen in der Nordstadt. Außerdem ist für uns dings… äh… Solidarität kein Fremdwort.

? Sie überreichen den Verkäufern der Straßenzeitung zwei Säcke mit leeren Plastikflaschen. Beleidigen Sie damit nicht die Beschenkten?

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A52-Ausbau? Find ich gut :-)

Das Ruhrparlament hat gestern für den Ausbau der A52 gestimmt. Für die wirtschaftliche Zukunft des nördlichen Ruhrgebiets ist der Ausbau der B224 zur A52 wichtig.

Vor Gelsenkirchen-Buer hört die A52 auf – und südlich der A40 in Essen geht sie weiter. Damit fehlt dem Ruhrgebiet in seiner Mitte eine wichtige Nord-Süd-Verbindung. Die Folgen: Staus. Vor allem für das nördliche Ruhrgebiet ist das ein Problem: Wer von Marl, Gelsenkirchen-Buer oder Gladbeck nach Essen will, kann sich auf eine lange Fahrt- und Standzeit gefasst machen. Das ist nicht nur lästig, sondern kostet auch Jobs: Die Gewerbegebiete der Region sind schlecht an das Autobahnnetz angebunden. Zulieferer und Mitarbeiter müssen große Umweg fahren – oder sich durch die Staus auf der A52 quälen.

Die Bundesregierung drückt sich um die Finanzierung dieses Autobahnabschnitts, es gibt Streit um die Streckenführung und um die Frage ob die A52 in Teilen – zum Beispiel in Gladbeck – gedeckelt werden soll. Das würde Sinn machen – und ist in anderen Teilen Deutschlands längst üblich. Gestern nun hat das Ruhrparlament für den Ausbau der A52 gestimmt. Mit den Stimmen der FDP, der CDU und Teilen der SPD. Selbst Essens OB-Pass war dafür, obwohl seine   Partei in Essen sich wohl auf einem Partei am 7. April gegen den Ausbau entscheiden wird.

Die Grünen und die Linkspartei waren natürlich dagegen. Zwischen den Grünen und der SPD, die im Ruhrparlament eine Koalition bilden, ist die Stimmung nun nicht so gut.

Das der RVR sich für den Ausbau der A52 ausgesprochen hat ist ein mutiges Signal. Es zeigt, dass das Ruhrparlament in einer wichtigen Frage Position bezogen hat. Bequemer wäre es gewesen, dem Mainstream zu folgen und das Verkehrsprojekt abzulehnen.

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Der Ruhrpilot

NRW: Neuwahl in immer unwahrscheinlicher..RP Online

NRW II: Verwirrung um Atomkugeln…Welt

Ruhrgebiet: Von New York lernen heißt siegen lernen…Xtranews

Ruhrgebiet II: Der rot-grüne Haussegen hängt schief im Ruhrparlament…Pottblog

Ruhrgebiet III: Tagung Stadtmarketing Forum Ruhr…REL

Bochum: „Permafrost“ zeigt ungewöhnliche Bilder des Malers Becker-Schmitz…Ruhr Nachrichten

Bochum II: Hat die Symphonie-Stiftung den Rat in Bochum hinters Licht geführt?…Der Westen

Dortmund: Langemeyers Aufsichtsratsgeld kommt in die Stadtkasse…Ruhr Nachrichten

Dortmund II: Schlepper fahren Flüchtlinge bis Dortmund…Ruhr Nachrichten

Dortmund III: Kreatives Wirtschaften…Der Westen

Essen: Oberbürgermeister stimmt mit CDU pro A52…Der Westen

Duisburg: Linke stellen Systemfrage…RP Online

Umland: Aufstand gegen den Hardliner vom Rhein…Spiegel

Überwachung: Hans-Peter Friedrich will nicht mehr über Vorratsdatenspeicherung sprechen…Netzpolitik

Nicht verteufeln, nicht bejubeln…

Eine Antwort auf Gerd Herholz‘ Beitrag zu Duisburg. Von unserem Gastautor Werner Streletz.

Lieber Gerd!

dein Duisburg-Porträt ist wirklich fair, fundiert und fantastisch gut geschrieben. Ich hab’s sehr gern gelesen. Obwohl ich mich in und mit Duisburg beileibe nicht so gut auskenne wie Du, ist mir der Zwiespalt, den Du Duisburg gegenüber empfindest, natürlich nicht unbekannt. Im Hinblick darauf, was „meine“ Revier-Städte anbelangt: Bottrop, Marl, Bochum. Nicht verteufeln, nicht bejubeln: Das ist die einzig mögliche Haltung. Soweit man hier wohnen bleibt. Und aus dieser unausgeglichenen Gemengelage – die andrerseits ja auch so verflixt interessant ist – Humus ebenso wie Widerstand für das literarische Schreiben schöpfen. Das sollte es sein. Für mich jedenfalls. Zeiten des Übergangs waren und sind – wie Du weißt – für die Kultur meist sehr fruchtbar. Und ich glaube, dass das, was man so hölzern Strukturwandel nennt, der hoffentlich nicht mit einem Mentalitätswandel (ins Großspurig-Metropolenhafte) einhergehen wird, noch lange nicht an ein Ende gekommen ist.

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… und es ist alles ganz anders (Der Goldstone-Bericht)

Richard Goldstone; Foto: Wikipedia (Sifiboy31 )

Der südafrikanische Völkerrechtler und ehemalige UN-Chefankläger Richard Goldstone legte im September 2009 einen Bericht über Menschenrechtsverbrechen während des Gazakrieges zum Jahreswechsel 2008 / 2009 vor. Darin hat er sowohl der israelischen Armee und als auch der Hamas Verstöße gegen das Kriegsvölkerrecht vorgeworfen. Der UN-Menschenrechtsrat, der den Goldstone-Bericht in Auftrag gegeben hatte, verurteilte daraufhin beide Seiten, während der Militäroperation „Gegossenes Blei“ im Gazastreifen massiv Kriegsverbrechen begangen zu haben.

“Schuldig im Sinne der Anklage“ war, wenn man der Presseberichterstattung in Deutschland glauben schenken durfte, jedoch nur eine Seite, nämlich Israel. “Schuldig im Sinne der Anklage“, hieß die Überschrift in der Süddeutschen Zeitung: „Schuldig im Sinne der Anklage“ lautete das Urteil des UN-Menschenrechtsrats über Israel. Hamburger Abendblatt: „Menschenrechtsrat verurteilt Israel“. Etwas präziser die Rheinische Post: „UN-Menschenrechtsrat verurteilt Israel wegen Verbrechen in Gaza“. Und deutlicher der Stern: „Kriegsverbrechen bei Gaza-Offensive: UN-Menschenrechtsrat verurteilt Israel“.
Die Zeit: „Israel wegen Menschenrechtsverletzungen verurteilt. Ob nun Menschenrechtsverletzungen oder Kriegsverbrechen, so etwas muss jedenfalls Konsequenzen haben.“ Focus: „UN-Menschenrechtsrat – Israelischen Politikern droht Verhaftung“.
So weit die kleine Presseschau mit den Überschriften führender Presseorgane zum Thema. Sie hätte sich beliebig erweitern lassen – im Oktober 2009.

Etwa 1400 tote Palästinenser. Es konnte kaum überraschen, dass selbst wenn Goldstone beide Seiten an den Pranger gestellt hatte, die Öffentlichkeit die Schuld eher nicht bei der Palästinenserorganisation gesucht hatte, sondern ihre Schuldzuweisung an Israel richtete. Zumal: ein Jude ist stets ein guter Kronzeuge gegen den Judenstaat.
In Israel dagegen hielt sich die Empörung darüber, mit einer Terrororganisation auf eine Stufe gestellt zu werden, kaum noch in Grenzen. Israel verurteilte den Goldstone-Bericht in äußerst scharfen Worten, und auch die Worte über Richard Goldstone selbst waren, um es so zu sagen: recht unfreundlich – m.E. zu unfreundlich. Ich schrieb seinerzeit:
“Der Goldstone-Report mag zu beanstanden sein, er mag unausgewogen sein, er mag Fehler und Unterlassungen enthalten. Es spricht alles dafür, dass dem so ist. Doch nichts spricht dafür, dem bekennenden Zionisten Goldstone ,jüdischen Selbsthass` zu unterstellen.“

Anderthalb Jahre später: Goldstone revidiert seine Vorwürfe (NZZ). Selbst die jeglicher Parteinahme für Israel unverdächtige Süddeutsche Zeitung – also die mit der Überschrift “Schuldig im Sinne der Anklage“ – kommt nicht umhin, darüber berichten zu müssen, ohne freilich auch hier darauf zu verzichten, die verbleibenden Vorwürfe an Israel Punkt für Punkt aufzulisten und über die Fülle an Entlastendem hinwegzugehen.
Immerhin zitiert auch die Süddeutsche den entscheidenden Satz aus Goldstones Beitrag für die Washington Post, den alle erwähnen: „Wenn ich gewusst hätte, was ich heute weiß, wäre der Goldstone-Bericht ein anderes Dokument“.
Goldstone legt jetzt einen Abschlussbericht vor, der viele Details, die damals offen blieben, klärt. Man erinnere sich daran, dass für den vielbeachteten Zwischenbericht nur wenige Monat Zeit waren. Inzwischen hat Israel 400 Untersuchungsverfahren wegen des Verdachts auf Kriegsverbrechen zu den Fällen eingeleitet. Die Hamas kein einziges. Inzwischen versteht Goldstone, warum Israel bei seiner Untersuchung nicht kooperierte.
Denn die UNO behandelt Israel „zweifellos einseitig“. Sie habe, so zitiert ihn der Kölner Stadtanzeiger, „Israel verurteilt, weigere sich aber, die Hamas ebenso konsequent zu verurteilen, obwohl sie die belegten Kriegsverbrechen der gezielten Angriffe auf Zivilisten bis heute fortsetze“.
Und Goldstone hält fest, dass auch die Zahlen der Hamas inzwischen bestätigen, was aus den israelischen Statistiken schon immer hervorging: dass es sich nämlich bei der deutlichen Mehrheit der Opfer um Hamas-Kämpfer und eben nicht um Zivilisten gehandelt hatte.

Aber klar: auch wenn die Mehrheit der Toten Terroristen waren, heißt dies ebenfalls, dass auch viele Unschuldige unter den Opfern waren. Manche, weil sie von der Hamas als menschliche Schutzschilde missbraucht wurden. Manche aus verfehltem Heldenmut. Manche aber auch, weil es bei israelischen – wie bei allen militärischen – Angriffen „Kollateralschäden“, sprich: unschuldige Opfer gibt. Und manche, weil es in der israelischen Armee – wie in jeder anderen Armee auch – absolute Dreckschweine gibt.

„Goldstone zeigt Größe
“, kommentiert der Tagesspiegel. „Er gesteht einen Irrtum ein. Er hätte es sich einfach machen und schweigen können. Werden ihm jene, die ihn damals zu einem besonders glaubwürdigen Kronzeugen erklärten, als er Israel anklagte, auch jetzt folgen? Der entscheidende Unterschied hat sich bestätigt: Israel bemüht sich, ein Rechtsstaat zu sein, der Verbrechen untersucht. Die Hamas ist das Gegenteil.“

Neue RVR-Spitze gewählt

Das Ruhrparlament hat heute eine neue Regionaldirektorin und einen Planungsdezernenten gewählt.

Nein, das Wort Ära möchte ich nicht im Zusammenhang mit dem scheidenden RVR-Regionaldirektor Heinz-Dieter Klink verwenden. Eine Zeit geht zu Ende, in der er auf diesem Posten gelungert und nichts bewegt hat. Seine Nachfolgerin ist Karola Geiß-Netthöfel (SPD). Im Gespräch hat sie auf mich einen wesentlich kompetenteren und interessierten Eindruck als Klink gemacht. Von der Ruhrstadt hält sie laut WAZ nix – na gut, das Thema ist sowieso gelaufen. Visionen haben im Ruhrgebiet keine Chance, man ist ja schon froh wenn die Leute, die hier Verantwortung tragen, ordentlich ihren Job machen.  Neue Planungsdezernent ist Martin Tönnes (Grüne). Auch er ist eher ein Pragmatiker denn ein Visionär.

Für Ruhrgebietspolitik bleibt der SPD-Chef Frank Baranowski zuständig, was ok ist. Aber es gilt: Im Ruhrgebiet ist der Fortschritt eine solche Schnecke, dass der Abstand zu den anderen Regionen auch in Zukunft größer wird. Und ich habe längst aufgehört, mich darüber aufzuregen.  Es gibt wichtigeres im Leben.

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Der Ruhrpilot

NRW: Rot-Grün liegt klar vorn…Welt

NRW II: „Ich habe viele Gemeinsamkeiten mit Kretschmann“…RP Online

NRW III: Warum es erstmal keine Neuwahlen gibt…Pottblog

Ruhrgebiet: „Wir brauchen keine Ruhrstadt“…Der Westen

Ruhrgebiet II: Drohende Sparmaßnahmen des Bundes gefährden Strukturwandel im Revier…Der Westen

Ruhrgebiet III: Dokumente der Anti-RWE-Demo…Bo Alternativ

Dortmund: Nazidemo im „Grevendicker Feld”…Bo Alternativ

Dortmund II: Niedergang im Norden kaum aufzuhalten…Der Westen

Dortmund III: Fußball-Fans feierten unbeirrt von Bombenfund…Ruhr Nachrichten

Duisburg: Werbekampagne „I love Duisburg“…Der Westen

Umland: Verdrängungsmechanismen in Flingern…Coolibri

Medien: taz deckt auf –  WAZ auch mit Schleichwerbung?…Pottblog

Medien II: Persepolis – Eine Kindheit im Iran…Zoom

Medien III: Phoenix flieg! – Das Ruhrgebiet entdeckt sich neu…Gelsenkirchen Blog

Internet: Was eine Netz-Gemeinschaft leistet…Kaffee bei mir?