Duisburg: Guttenberg, die Fans und die Polizei

Ramon van der Maat - Bild: Polizei Duisburg

Ramon van der Maat ist Pressesprecher der Duisburger Polizei. Seine Aufgabe ist, Erklärungen abzugeben. Damit verdient er sein Geld. Würde man sich also damit abgeben, zu all seinen Erklärungen Erklärungen abgeben zu wollen, müsste man wohl sämtliche Aufgaben abgeben, mit denen man sich ansonsten noch so abgibt. Da dies zu Erklärungsnöten führen könnte, begnügen wir uns mit den jüngsten Erklärungen, die van der Maat – wie sagt man? Ach ja – abgegeben hat.

Beginnen wir mit dieser hier: “Ich finde es schade, dass nun ein engagierter Politiker weniger auf der Regierungsbank sitzt.“ Sie ahnen, zu welchem Thema sich van der Maat erklärt hat. Richtig: zum Rücktritt Guttenbergs vom Amt des Verteidigungsministers. Ich weiß es nicht, erkläre mir das aber so, dass sich Herr van der Maat nicht dienstlich, sondern privat zu diesem die Republik bewegenden Vorgang geäußert hat. So genau geht das aus der heutigen Printausgabe der Duisburger WAZ nicht hervor.

Doch wie sollte es sonst sein? Dienstlich haben Polizeibeamte nämlich keine politische Meinung, allenfalls gewerkschaftlich – aktuell: zur vermeintlich drohenden „Flüchtlingslawine“ aus Nordafrika – oder, was in diesem Fall wahrscheinlicher ist, da van der Maat bislang nicht als Polizeigewerkschafter in Erscheinung getreten ist, privat.

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Kommunalwahl 2009: Dortmunder durften verarscht werden

Das Dortmunder Rathaus

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat entschieden: Die Kommunalwahl in Dortmund muss nicht wiederholt werden.

Die Ruhr Nachrichten melden gerade, dass das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen der Klage von 11 SPD-Ratsmitgliedern und einem Rechtsradikalen gegen den Beschluss des Dortmunder Rates, die Kommunalwahl 2009 zu wiederholen,  erfolgreich war. Der Dortmunder Rat wollte die Wahl wiederholen, weil einen Tag nach der Wahl der damalige Oberbürgermeister Gerhard Langemeyer (SPD) überraschend ein Haushaltsloch von gut 100 Millionen Euro bekannt gab. Vor der Wahl hatte die SPD immer ihre solide Haushaltsführung betont – und hatte bei der Wahl gut abgeschnitten. Die Mehrheit der Ratsmitglieder sahen darin einen Wahlbetrug. Die Verwaltungsjuristen in Gelsenkirchen nicht:

Die Wahl zum Stadtrat in Dortmund muss nicht wiederholt werden, da nicht davon auszugehen ist, dass der Wahlausgang durch eine ordnungs- und pflichtwidrige Amtshandlung der damaligen Stadtspitze beeinflusst wurde.

Dies entschied heute die 15. Kammer des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen, nachdem der ehemalige Oberbürgermeister und die ehemalige Stadtkämmerin als Zeugen zu den Umständen gehört wurden, die einen Tag nach der Kommunalwahl 2009 zur Verhängung einer ab dem 1. September 2009 wirksamen Haushaltssperre geführt haben.

Dortmunder dürfen also verarscht werden.

Die Dortmunder SPD hatte sich übrigens  für Neuwahlen ausgesprochen und auch Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD) stellte sich im vergangenen Jahr erfolgreich erneut dem Votum der Wähler.  Eine Haltung, die den roten Hinterbänklern und dem DVU-Ratsvertreter,  die gegen den Rat klagten, fremd zu sein scheint. Gegen das Urteil kann der Rat Berufung einlegen.

Es lebte der Werkkreis!

Erwiderung auf 40 Jahre Werkkreis Literatur der Arbeitswelt – Nachruf auf einen Untoten, von Gerd Herholz. Von unserem Gastautor Ulrich Straeter

Gerd Herholz war selbst Mitglied im Werkkreis Literatur der Arbeitswelt, was er leider verschweigt. Deshalb will ich es gleich zugeben: ich war Mitglied dieser Literaturorganisation von 1978 bis 1996.

Bereits 10 Jahre nach der Gründung, etwa um 1980 herum, wurde genau das, was Herholz anspricht, im Werkkreis hart diskutiert. Losgetreten wurde die Diskussion durch den damaligen 1. Sprecher Horst Hensel. Immer schon wurde dem Werkkreis genau das zum Vorwurf gemacht, was er eigentlich bezwecken wollte: schreibende Arbeiter, Angestellte und Beamte hervorzubringen. Es ging nie nur um Arbeiter, sondern um abhängig Beschäftigte, die selbst aus ihren Arbeitsmilieus berichten sollten. Daher nannte sich die Organisation auch nicht Werkkreis der Arbeiterliteratur, sondern Literatur (und Grafik) der Arbeitswelt.

Was Herholz vermisst, aber selbst – widersprüchlicherweise – dann angibt, hat zum Teil sogar geklappt. Eine Reihe von Autoren und Autorinnen (Herholz nennt als Beispiele Schöfer, Schmitz und Alberts) ist aus dem Werkkreis Literatur der Arbeitswelt hervorgegangen und immer noch aktiv.

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Tom Wolfe ist 80

Ohne ihn wären viele Texte, die wir heute lesen, deutlich langweiliger: Tom Wolfe, Schrifsteller und Journalistm gehört, neben Hunter S. Thompson, Truman Capote und Norman Mailer, zu den Begründern des New Journalism.

Aus der literarischen Tradition der »Beat Generation« wuchs mit der Hippie-Bewegung das Bestreben engagierter Schreiber, neue journalistische Formen auszuprobieren, die unmittelbarere Ausdrucksformen gestatteten und den Leser stärker zu fesseln vermochten. Das ist der »New Journalism«.

Das schreibt   Wilhelm Ruprecht Frieling im  literaturzeitschrift.blog. Die Texte wurden persönlicher, die Autoren spielten häufig selbst eine wichtige Rolle, die Grenzen zwischen Literatur und Journalismus wurden durchbrochen. Dabei waren die Texte immer exzellent recherchiert – wie bei der Wattenscheider Schule.

Ob die Reportage Die Helden der Nation über der Anfänge der US-Raumfahrt, die Romane Fegefeuer der Eitelkeiten oder Ich bin Charlotte Simmons – ich kenne keinen Text von Tom Wolfe, den ich nicht mit absoluter Begeisterung gelesen habe. Heute wird der Mann im weißen Anzug 80 – herzlichen Glückwunsch.

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Springers adelige Melkkuh

Den Abgang von Karl-Theodor zu Guttenberg mögen einige tragisch oder folgerichtig wegen der Plagiat-Arbeit finden, unter dem Strich ist der Rückzug aber ein schlichter Vorgang in der Politik. Unsinn gemacht, ertappt, rausgeflogen. Spannender an der Geschichte finde ich die Enthüllung der Bild-Zeitung.

Da konnten noch so viele abgeschriebene Stellen in Guttenbergs Doktorarbeit gefunden werden, Bild stand zu dem CSU-Politiker. Nibelungentreue ist wohl das richtige Wort. Das mag zum Teil an der Vorliebe für zurückgegelte Haare liegen, die Guttenberg und Bild-Chef Kai Diekmann teilen. Aus Sympathie startet man aber TED-Umfragen und füllt keine Zeitungsseiten, kurz gesagt, macht sich zum Deppen.

Da steckt ein finanzieller Antrieb dahinter. Mit Geschichten aus der Welt der Adelsfamilie lässt sich Geld verdienen. Guttenberg und seine Frau bringen mehr Auflage als jedes noch so exklusive Interview mit Angela Merkel oder Steve Jobs. In der ganzen Bild-Kampagne pro Guttenberg ging es um nichts andres als ums Kohlescheffeln. Irgendwie ist das sogar legitim.

Diekmann hat mit seiner freundlichen Berichterstattung das Geschäft seiner Zeitung verteidigt. Es ist ein Rückzugsgefecht eines wie es Guttenberg bis gestern geführt hat. Im vergangenen Jahr sank die verkaufte Auflage von Bild um knapp fünf Prozent auf 3,03 Millionen Exemplare, die von Bild am Sonntag um vier Prozent.

Springer fuhr zwar im vergangenen Jahr ein Umsatzplus von elf Prozent ein, aber die nationalen Zeitungen schwächeln. Und so soll es auch in diesem Jahr weiterlaufen, teilte Springer heute mit. Zum Umsatzwachstum tragen die Tochtergesellschaften im Ausland bei.

Wie Springer in seinem Risikobericht für das Geschäftsjahr 2010 ausführt, ist der Gesamtkonzern stark von Bild und der Bild-Markenfamilie abhängig. Dass heißt: Wankt Bild, wankt der Konzern. Guttenbergs’ Niederlage ist damit auch für Springer eine verlorene Schlacht im Ringen um solide Auflagen- und Umsatzbringer.

Mehr als das sogar: Die Rückzug des früheren Dr. zeigt, die publizistische Macht der Bild-Zeitung ist gebrochen. Auf Papier und im Internet.

Der Ruhrpilot

Leah vermisst ihren Hasi. Foto Privat/Ruhr Nachrichten

Dortmund: Alle suchen Hasi…Ruhr Nachrichten

Herzlichen Glückwunsch: Tom Wolfe zum Achtzigsten…FAZ

Ruhrgebiet: Das Revier kriegt nasse Füße…Der Westen

Bochum: Einzelhandel muss kämpfen lernen…Ruhr Nachrichten

Bochum II: Kirchen und Gewerkschaften wollen Allianz für freien Sonntag bilden…Der Westen

Dortmund II: Spieplan im Theater Dortmund ist bunt und abwechslunsgreich…Ruhr Nachrichten

Dortmund III: Rumänen und Bulgaren räumten Häuser in der Nordstadt…Der Westen

Duisburg: Zeitplan für Verkauf des Theaters am Marientor wird enger…Der Westen

Umland: Gewerkschafter demonstrieren in Düsseldorf…Zoom

Umland II: Bremerhaven kämpft gegen den Verfall…Zeit

Guttenberg: Bedeutungsverlust…Post von Horn

Guttenberg II: Der erste Minister, den das Internet gestürzt hat?…Netzpolitik

Rück-Tritt. Volkes Stimme – der Souverän spricht oder The King’s Speech

Eine O-Ton Collage aus Umfragen, (Politiker-)Interviews, Medienkommentaren und Blogs. Version 1.01 (2.3.2011)

Ja, aber warum tritt denn der zurück, wo der gerade so schön vorgetreten war? Stephanie und der, das waren doch die deutschen Obamas, was sage ich: die deutschen Kennedys, Sissi und Franz-Joseph hätten die werden können. Sie ist doch selbst ne Bismarck-Ururenkelin und gerade sie kämpft doch so tapfer gegen Missbrauch. Der hat doch nichts gemacht, der hat doch keinem was getan, da gibt’s doch andere, Schlimmere, was da so in der Politik noch rumläuft, mein Gott, wer da schon alles sein Ehrenwort gegeben hat und dann war’s doch nichts.
Der ist doch Freiherr, da braucht der doch gar keinen Doktor. Warum schreibt denn der sich gleich selbst ab, ja haben wir denn nicht alle mal abgeschrieben, nicht alle als Jugendliche mal geschummelt, eine Doktorarbeit gefälscht, ja, gibt’s denn nichts Wichtigeres auf der Welt, sind wir nicht alle kleine Sünderlein und trotzdem hätt et noch immer joot jejange?

Was haben die den in die Enge getrieben, geschlachtet, geköpft, ich weiß nicht was noch?

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Guttenberg: Weil sich Leistung lohnen muss…

Mit Karl Theodor zu Guttenberg hat ein Liebling der Massen das Kabinett verlassen. Gescheitert ist er an seiner Verachtung gegenüber den bürgerlichen Konventionen.

Ein herausragendes Merkmal des Adels ist, dass ihm das Leistungsprinzip weitgehend unbekannt ist. Man ist was man ist und hat was man braucht. Und was man nicht hat und trotzdem braucht, nimmt man sich eben. Zum Beispiel einen Doktortitel.

Die Verachtung des Leistungsprinzips klingt irgendwie ein wenig nach Linkspartei und tatsächlich: In der gemeinsamen Verachtung der Leistungskultur sind sich Adel und Kader  erstaunlich nahe.

Jemand der dem bürgerlichen Pendant zum Adelstitel mit so viel Verachtung gegenüber tritt wie Guttenberg dem Doktortitel konnte in einer Koalition, deren Anhänger sich zum größten Teil als zum Bürgertum gehörend definieren nicht überleben. Franz Walter hatte das gestern auf Spiegel.de schön beschrieben:

Nun dämmert den akademisch-arrivierten Mittelschichten mit Hochschulzertifikaten, dass die Nonchalance der CDU-Granden und Guttenberg-Apologeten – „was sind schon Fußnoten“; „scheiß was auf den Doktor“ – ihre Berechtigungsausweise für berufliche Erfolge und gesellschaftliche Statuspositionen gefährdet.

Ein solches Statustdenken kommt jemanden wie Guttenberg wahrscheinlich ziemlich piefig vor. Er bekam alles zur Geburt geschenkt – Kontakte, Reputation und Geld. Erarbeiten musste sich so einer nie irgendwas. Wie sollte er Achtung vor der Leistung anderer entwickeln? Die Verachtung des bürgerlichen Leistungsprinzips wurde ihm zum Verhängnis. Und das ist gut so – denn Leistung muss sich wieder lohnen.