Beim Kampf um die kulturelle Hegemonie in allen gesellschaftlichen Bereichen wird vor allem die Sprache missbraucht. Sprachmuster erzeugen Denkmuster und schon Viktor Klemperer schrieb in „LTI – Sprache des Dritten Reiches“: „Worte können sein wie winzige Arsendosen, und nach einiger Zeit ist die Wirkung da“. Vieles von dem, was heute locker-flockig als sprachliche Mode daherkommt, als Imponiervokabel, Bläh- und Dummdeutsch oder als bewusste Lüge, verklärt den Blick auf gesellschaftliche Missstände mehr, als dass es Zusammenhänge kritisch beleuchtet. In loser Folge soll die Kolumne „Mich mangeln die Wörter“ Sprachkritik als Ideologiekritik betreiben und hoffentlich auch etwas Vergnügen bereiten.
Massenmenschhaltung. Gammelfleisch für Hund und Herrchen. In den
Doppelhaushälften der Vorstadt-Legebatterie quillt Analogkäse aus allen
TV-Kanälen. Ob als 1-Euro-Jobber in der Suppenküche oder als
Charity-Lady im Pomp&Plüsch-Palast: Je ähnlicher sich die Menschen als
industriell verfüllte Zucht-Zombies werden, desto mehr betonen sie –
mal exzessiv, mal armselig – kleinste Unterschiede in Konsum,
Lifestyle, Ego-Marketing. Eines der vielen Gleichschaltungs-Mantras fürs
Anderssein heißt dazu „Be creative!”
HIV-erkrankte Häftlinge werden in Nordrhein-Westfalen bloß gestellt: Sie müssen Zellengenossen ihre Krankheit mitteilen. Und das SPD-Justizministerium findet dieses unsinnige Zwangsouting nach wie vor richtig
Die FDP-Fraktion im Düsseldorfer Landtag will in dieser Woche einen Antrag gegen das „Brachiale Verfahren“ stellen. „Die Gefangenen verzichten auf den Schutz von höchst persönlichen und vertraulichen Daten“, heißt es in dem Antrag. Bundesweit werden Gefangene nur in Nordrhein-Westfalen genötigt, ihre Krankengeschichte offen zu legen. Erst wenn der Mithäftling schriftlich bestätigt, von der Aidserkrankung zu wissen, darf der Betroffene Zeit in anderen Zellen verbringen oder diese sogar teilen.
„Dies ist diskriminierend und verstößt gegen das Recht auf Selbstbestimmung“, sagt Stefan Romberg, gesundheitspolitischer Sprecher der oppositionellen Liberalen. „Dieser veraltete Paragraf muss abgeschafft werden.“ In keinem anderen öffentlichen Bereich würden Kranke gezwungen, sich zu offenbaren. Dies sei auch medizinisch richtig, so der praktizierende Arzt und Psychiater. „Nur wer ungeschützten Geschlechtsverkehr hat oder sich Spritzen für Drogen teilt kann sich anstecken“, so Romberg. Ein Zwangsouting aber sei eine brachiale Art, Menschen zu diskriminieren. Politik dürfe sich bei Krankheiten nicht einer diffusen Angst unterordnen.
Bislang aber will die rot-grüne Minderheitsregierung an dem Zwangsouting fest halten. „Wir halten diesen Weg für richtig“, sagt Andrea Bögge, Sprecherin des Justizministers Kutschaty (SPD). Sie hätten zwischen dem Schutzinteresse der Mitgefangenen und der Persönlichkeitsrechte der Infizierten abzuwägen. „in diesem Fall ist das Interesse der Zellennachbarn wichtiger“, so Bögge. Es bliebe ja den Gefangenen selbst überlassen, ob sie in den Umschluss wollten oder nicht. „Sie haben ja die Wahl auf ihrer Zelle zu bleiben.“
Eine Freiheit, die insbesondere für langjährig Inhaftierte schmerzhaft ist. „Wir wissen aus Erfahrung, dass geoutete Inhaftierte diskriminiert und gemieden werden“, sagt Bärbel Knorr, Expertin für Justizvollzugsanstalten bei der deutschen AIDS-Hilfe. Gefangene hätten sich in einem Gefängnis schon einmal geweigert, sich von einem infizierten Mithäftling die Suppe reichen zu lassen. „Jeder Betroffene muss für sich entscheiden können, ob er seine Erkrankung öffentlich macht oder nicht“, so Knorr. Dies gelte auch für alle anderen und möglicherweise ebenso ansteckenden Krankheiten. „Der einzig sinnvolle Schutz ist es, Menschen über geschützten Sex und den sicheren Gebrauch von Spritzen zu informieren“, so Knorr.
Aber genau daran mangelt es im Gefängnis. Zwar sind in den meisten deutschen Gefängnissen inzwischen Kondome zu erwerben, sterile Spritzen aber werden nach Angaben der AIDS-Hilfe bislang nur im Berliner Frauengefängnis Lichtenberg verteilt. Alle anderen drogensüchtigen Knackis teilen sich entweder Spritzen oder müssen im illegalen Schwarzmarkt innerhalb der Haftanstalt das Besteck kaufen. Allerdings ist dies für viele unerschwinglich: Laut Knorr soll eine Spritze für rund 30 Euro gehandelt werden – bei einem durchschnittlichen Monatsgehalt von ebenfalls 30 Euro. „Auf der einen Seite stellt der Staat die Infizierten an den Pranger, auf der anderen Seite hilft er Ihnen nicht sich zu schützen“, so Knorr.
Tatsächlich bietet auch das Zwangsouting keine Sicherheit für die Mitgefangenen: Ein HIV-Test ist bei der Einlieferung in ein Gefängnis nicht obligatorisch, viele Häftlinge wissen nichts von ihrer Erkrankung. „So werden alle Inhaftierten und JVA-Angestellten in einer völlig falschen Sicherheit gewogen“, sagt Expertin Knorr.
Ich hasse Verschwörungstheorien. Nicht einmal amüsieren kann ich mich in der Regel darüber – weil es jede neue Kampagne erschwert, echte Missstände zu erkennen (Kassandra und ein Junge, der gerne aus Spaß „Wolf!“ schrie, wissen Bescheid). Wie ich darauf komme? Wegen der großartigen arte-Dokumentation „Kaufen für die Müllhalde“ (75 Minuten, via YouTube hier eingebunden), die mich gründlich aus den Socken gehauen hat. Thema: Wie die Industrie in großem Stil Produkte von der Glühbirne (könnten rein technisch jahrzehntelang brennen) bis zum Drucker künstlich verschlechtert, indem sie ihre Lebensdauer verkürzt. Um mehr verkaufen zu können. Haben wir wohl alle schon mal gehört – und gedacht, dass da schon was Wahres dran sein muss, irgendwie. Und diesen Gedanken dann wieder verworfen. Als Verschwörungstheorie.
„So dreist kann doch keiner … das würde doch einen Aufschrei der Entrüstung geben … PR-Gau – und überhaupt: Schon die Ingenieure würden das doch im Entwicklungsprozess nicht mitmachen …“ Nun liefert diese Dokumentation Namen von Kartellen und Firmen, Zeugen, Dokumente. Und Bilder von Chips in Druckern, die nach X Seiten einen Defekt vorgaukeln. „Kaufen für die Müllhalde“ beweist, dass dieses Thema sehr real ist – und akut gefährlich, etwa für die unzähligen Ghanaer, die auf Elektroschrott-Deponien verrecken, die sehr viel kleiner sein könnten.
Nicht nur weil riskante Bilanzpolitik und Finanzspekulation auf dem Kapitalmarkt scheinbar zum guten Ton unter Wirtschaftsunternehmern gehören, haben sich einige Unternehmen dazu verpflichtet, einen Quartalsbericht von ihren Managementabteilungen zu fordern. Wirtschaftswissenschaftler um Prof. Dr. Jürgen Ernstberger (Lehrstuhl für Accounting, insbesondere Auditing) der Ruhr-Universität Bochum (RUB) kamen in einer Studie nun zu dem Ergebnis, dass die Unternehmen in der Folge der Berichtspflicht bei ihrer Unternehmensführung statt auf Nachhaltigkeit auf kurzweiligen Erfolg setzen, um kurz vor der Prüfung die Zahlen zu schönen. Auf den ersten Blick legen die Ergebnisse der Studie die Forderung nahe, die Pflichtberichte wieder abzuschaffen. Auf einen zweiten Blick verraten sie jedoch einiges über verbesserungswürdige Aspekte innerhalb der Unternehmenspolitik.
Die empirische Grundlage der Studie bilden die Quartalsberichte von börsennotierten Unternehmen in 15 europäischen Ländern aus den Jahren 2005 bis 2009. Um die Auswirkungen der Quartalsberichterstattung zu untersuchen, wurden daraufhin verschiedene Faktoren gemessen. „In Tampa/Florida (USA) stellten die RUB-Forscher vor kurzem die Studie vor und erhielten den Best Paper Award der American Acconting Association als Preis für den besten wissenschaftlichen Beitrag“, heißt es in der Pressemitteilung der RUB. Ob die Nachteile einer Berichtspflicht die Vorteile überwiegen, haben die Forscher jedoch nicht explizit untersucht. „Als Wissenschaftler Wertentscheidungen zu treffen, ist immer schwierig“, so Ernstberger. Denn bei der Studie handelt es sich um eine so genannte Regressionsanalyse, aus der sich schon allein aufgrund der Methodik keine Kausalität ableiten lässt.
Transparenz durch ‚Prime Standard‘
Will ein Unternehmen an der Frankfurter Wertpapierbörse mitmischen und in den dafür notwendigen ‚Prime Standard’ aufgenommen werden, muss es Quartalsberichte abliefern und weitere Transparenzstandards erfüllen. Eine Möglichkeit, zu einem positiven Quartalsbericht zu kommen, ist zum Beispiel, unmittelbar vor der Prüfung überdurchschnittlich hohe Preisnachlässe zu gewähren, um so die Umsatzzahlen kurzfristig zu erhöhen. In anderen Fällen wird einfach „weniger in Forschung und Entwicklung investiert, um kurzfristig den Unternehmenserfolg zu steigern“. Wenn das Management sich also für den schnellen, aber kurzfristigen Erfolg entscheidet, zieht ihr Verhalten langfristig schädlichere Konsequenzen für das Unternehmen nach sich. Sie schadet zum Beispiel einer potentiellen Wertsteigerung des Unternehmens. Vor allem in Fällen, in denen Unternehmen zudem schwerpunktmäßig auf Bilanzpolitik setzen, „eine geringere Anzahl von Analysten als Kontrollinstanz sowie einen schwachen Minderheitenschutz aufweisen“, ist dieser Effekt besonders deutlich zu sehen.
Korrelation ist nicht Kausalität
Da die Pflicht, vierteljährlich Bericht zu erstatten, dazu führt, dass einige Manager für ihren Erfolg und gute Zahlen tricksen (womit sie jedoch auf lange Sicht das Unternehmen entsprechend zugrunde richten), scheint die Studie nahe zu legen, die Berichtspflicht wieder abzuschaffen. Doch gibt die Studie an keiner Stelle darüber Auskunft, ob die Berichte die eigentliche Ursache für das unternehmensschädliche Verhalten der Manager sind. Auch die Wirtschaftswissenschaftler der RUB wissen: Korrelation ist noch lange keine Kausalität. So darf man aus der Tatsache, dass man die Feuerwehr oft bei Bränden findet, nicht folgern, dass die Feuerwehr die Ursache für Brände sei. Was die Schlussfolgerung betrifft, sollte man sich also davor hüten, die Ursache mit der Wirkung zu verwechseln. Mit der Forderung, die Manager von ihrer Pflicht zu den Quartalsberichten zu entheben, würde man nämlich gleich das Kind mit dem Bade ausschütten.
Nachhaltigkeit gilt nicht als Erfolgskriterium
Denn dass die Unternehmen selbst eben jene Strukturen schaffen, die ein Verhalten der Manager begünstigen, das auf kurzfristigen Erfolg statt auf Nachhaltigkeit angelegt ist, wird bei der Debatte um die Berichtspflicht so gut wie nie berücksichtigt. Stattdessen werden wissenschaftliche Studien dieser Art dazu missbraucht, die Berichtspflicht als die Wurzel des Übels auszugeben. Das ist jedoch nicht einleuchtend, sondern lediglich argumentativ fragwürdig. Bekanntestes Beispiel für eine solche Argumentation ist der damalige Porsche-Chef Wendelin Wiedeking. Dieser weigerte sich (entgegen den Vorgaben der Deutschen Börse), eine regelmäßige vierteljährliche Berichterstattung durchführen zu lassen. Aber anders als er argumentiert, behindert nicht die Berichtspflicht langfristige Strategien, sondern die Unternehmen selbst. Nachhaltigkeit gilt in den meisten Unternehmen schlichtweg nicht als ein relevantes Erfolgskriterium, um die Entscheidungen ihrer Mitarbeiter zu beurteilen. Solange sich Unternehmen nicht damit auseinandersetzen, ob und inwiefern getroffene Entscheidungen ihrer Mitarbeiter positive Auswirkungen auf einen nachhaltigen Unternehmenserfolg haben und diese entsprechend belohnen, werden sich ihre Mitarbeiter mit dem kurzfristigen Erfolg von Quartalsberichten begnügen, um ihr eigenes Fortkommen und ihre Karriere zu sichern.
Guttenberg hat mit der Aufgabe seines Doktortitels eine erste Konsequenz gezogen. Die spannende Frage ist nun, wer ist der nächtste Dr. strg. c.?
Peinliche Nummer, das mit Guttenberg. An so etwas könne ja Karrieren scheitern. Aber Guttenberg wird nicht der Einzige gewesen sein, der bei seiner Doktorarbeit geschummelt hat oder sie sich gar – was ich für das Wahrscheinlichste halte – von einem anderen Autoren hat schreiben lassen.
Es gibt in Deutschland sehr viele Menschen mit einem Doktortitel. In der Wirtschaft und der Politik gehört er zum teil zum guten Ton. Aber hat jemand wirklich das Gefühl, dass dieses Land von Menschen regiert wird, die Jahre ihres Lebens in unersättlicher Leidenschaft der wissenschaftlichen Wahrheit gewidmet haben? Oder an den Spitzen der Unternehmen?
Wo immer der Doktortitel nicht den Sinn hat, die Grundlage eine wissenschaftlichen Karriere zu legen, sondern einfach nur ein imageträchtiges, akademischen Gadget sein soll, wird es eine Menge Mißbrauch geben.
Es wird interessant zu sehen sein, wen es noch so alles erwischen wird in den nächsten Wochen und Monaten.
Wow. Google-Maps-Mashup über Libyen via Teheran: Auf der Suche nach halbwegs aktuellen Informationen ist mir ein interessantes Mashup unter die Maus gekommen.
Ein Iraner hat ein Mashup aus GoogleMaps und den Aufständen in Libyen gebastelt. Und es ist gut, verdammt gut. Keine verwaschenen youtubes, stattdessen Information pur zu den einzelnen Regionen. Schwer einzuschätzen, wie gut und verlässlich die Informationen letztendlich sind, allerdings werden die Ereignisse laut Programmer mehrfach geprüft, bevor sie veröffentlicht werden. Anhand der momentanen Nachrichtenlage eventuell eine gute weitere Quelle, die helfen mag, das Bild zu vervollständigen. Hier also der Link zur Informationskarte. Der Iraner, der über das Twitterprofil Arasmus erreichbar ist, hat dieses brauchbare Stück im Internet veröffentlicht. Um alle Details sehen zu können, muss der Browser Scripts zulassen. Gefunden bei mashable.com.
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