CDU erklärt Wahlnomaden für schuldig

Saufende Horden ohne politische Ideen, hohle Männerbünde die neue KandidatInnen kriminell ausstechen: die Mitglieder der Jungen Union Duisburg wurden nun endlich überführt. Das oberste Parteigericht der CDU hat ihre Wahlmanipulation durchschaut.

Dier Berliner CDU-Richter haben einen bemerkenswerten Beschluss gefasst: Die so genannten „Wahlnomaden“ innerhalb der Partei wurden jetzt für illegal erklärt. Mitglieder der Jungen Union Duisburg waren bei früheren Wahlen von Ortsverband zu Ortsverband gezogen, um bestimmte Vorsitzende und Delegierte zu installieren. „Die Zuweisung einer großen Anzahl von Mitgliedern an den Ortsverband Duisburg Huckingen (…) unmittelbar vor der Jahreshauptversammlung im März 2009 verstößt gegen das Parteistatut des Bundes- Landes- und Kreisverbands der CDU“ heißt es in dem Beschluss vom 26. Januar. Ein Duisburger CDU-Mitglied hatte vor dem höchsten Parteigericht Klage eingereicht.

Damit ist die in Duisburg und möglicherweise in bundesweit weiteren Ortsverbänden systematische Ummeldung von Mitgliedern künftig unmöglich. „Der Beschluss schränkt deutschlandweit die möglichen Manipulationen bei Wahlen der CDU ein“, sagt der Recklinghäuser Rechtsanwalt Eduard Dischke, der den CDU-Kläger in Berlin vertreten hat. „Immer mal wieder sollen Ortsverbände vor Wahlen ihre Mitglieder umgemeldet haben“; so der Jurist. Das Berliner Gericht hat nun fest gestellt: „Eine solche Zuweisungspraxis verletzt das Verbot satzungswidriger Stimmenverlagerung“. Dieses Statut sei eine wesentliche Voraussetzung für eine „manipulationsfreie Willensbildung in der Partei.“ Zuvor hatte sowohl das Kreisschiedsgericht Duisburg als auch das Landesschiedsgericht die Einsprüche von verschiedenen Mitgliedern abgelehnt. Die mit Parteimitgliedern besetzten Gerichte vereinbarten Stillschweigen über das peinliche Verfahren.

Dabei stand eine wichtiges demokratisches Wahlprinzip zur Debatte. Schließlich entscheiden die Mitglieder über Aufstieg und Fall von Vorständen in Ortsverbänden und Kreisverbänden und dadurch langfristig auch über die Abgeordneten in den Parlamenten. Parteimitglieder können grundsätzlich in dem Ortsverband wählen, in dem sie auch wohnen. Nur auf besonderen Wunsch hin kann es auch der Verband der Arbeitsstätte sein. Die plötzlichen 50 neuen Mitglieder in Huckingen aber arbeiteten weder in dem Viertel noch wohnten sie dort.

Wie sehr die Wahlnomaden politische Karrieren beeinflussen hat Bianca Seeger am eigenen Leib erfahren. Als sie im Herbst 2008 zur Ratsfrau in Duisburg- Huckingen kandidierte, erschienen am Wahlabend viele Personen, die sie noch nie in ihrem Ortsverband gesehen hatte. Sie vermutet, der einflussreiche CDU-Kreisverbandschef Thomas Mahlberg wollte seine Leute installieren. „Die plötzlich auftauchenden Mitglieder waren Freunde und Verwandte von Mahlberg und Mitglieder seines Schützenvereines, die kurzfristig eingetreten sind,“ sagt sie. Erst die Berliner Richter haben nun die offensichtliche Manipulation anerkannt. „Es gibt doch noch Gerechtigkeit innerhalb der Partei“, sagt Bianca Seeger. Sie sei überglücklich über das „Urteil der Vernunft“. Die unglaubliche kriminelle Energie von einigen Christdemokraten sei endlich erkannt worden.

Die Manipulation war allerdings für jeden ersichtlich: Interne Statistiken der CDU, die den Ruhrbaronen vorliegen, belegen den sprunghaften Anstieg der Mitgliederzahlen in Seegers und weiteren Ortsverbänden im Jahr 2008 und 2009, während zeitgleich andere Stadtteile Mitglieder verlieren. Insgesamt aber hatte der Kreisverband der CDU Duisburg in den vergangenen Jahren eine stabile Größe.

Weder die nordrhein-westfälische Landes-CDU noch die Bundes-CDU wollte den Beschluss am Montag kommentieren. Der bisherige Huckinger Vereinschef Walter Becks will nun „Juristen die Sachlage prüfen lassen.“ Becks wurde mit Hilfe der Wahlnomaden im Frühjahr 2009 gewählt. Der Rentner sagt, er sehe das Urteil ganz gelassen. Nur weil sich jetzt plötzlich jemand anderes für den Posten interessiere, könne nicht alles geändert werden. „Ich stehe schon seit 13 Jahren der CDU in Huckingen vor und möchte auch wieder kandidieren“, kündigt Becks an. Offenbar sind sich die Christdemokraten der Ruhrpottstadt keiner Schuld bewusst. Bislang scheint noch nicht einmal klar zu sein, ob es nun auch unverzüglich zu Neuwahlen kommt.

Der Ruhrpilot

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Ägypten wird daneben gehen

Ägypten ist nicht Tunesien. Und egal, was sich viele der Demonstranten wünschen: Nach Mubarak kommt keine offene Gesellschaft sondern die Herrschaft der Muslimbrüder.

Im Oktober war ich mit der Deutschen Welle in Ägypten auf einer deutsch-arabischen Bloggerkonferenz. Zu denen die uns betreuten gehörte ein deutscher Journalist, der perfekt arabisch sprach und seit vielen Jahre in Ägypten lebte. Er sagte, dass das Regime von Mubarak nichts anderes als eine üble Diktatur wäre. Immer wieder würden politische Gegner im Knast verschwinden oder nach üblen Prozessen hingerichtet. Ich fragte ihn, wer seiner Einschätzung nach Ägypten regieren würde, wenn es freie Wahlen gäbe. Seine Antwort: Die Muslimbrüder.

Ägypten ist nicht Tunesien. Ägypten ist die Heimat des modernen islamischen Fundamentalismus. Und für den stehen die Muslimbrüder und ihr Vordenker Sayyid Qutb. Kommen die Muslimbrüder an die Macht, wird nicht nur Israel in seiner Existenz bedroht sein. Auch vielen der jungen, uns sympathischen Demonstranten wird es an den Kragen gehen. Dem Westen wird ein neuer Feind erwachsen. Die Muslimbrüder werden ihr Chance nutzen und in Ägypten ein repressives, islamistisches Regime aufbauen.

Der  Sturz Mubaraks wird ein Fanal sein. Andere arabische Regime werden vielleicht folgen. Am Ende der nächsten Monate werden wir aber nur wenige neue, offene Gesellschaften in der Region erleben, sondern neue autoritäre Regime. Und es werden sehr religiöse autoritäre Regime sein.

Für offene, demokratische Gesellschaften braucht es mehr als Wahlen. Grundlage der Demokratie sind die Aufklärung, Säkularisierung, die breite Akzeptanz der Menschenrechte. Viele träumen im Moment die Traum von selbstbewussten, offenen arabischen  Gesellschaften. Es ist ein schöner Traum. Leider glaube ich nicht, dass er wahr wird.

Wir haben verpasst, im Nahen Osten Demokratien aufzubauen. Den vom Westen protegierten Verbrechern werden einfach nur andere Verbrecher folgen.

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Lasst Kay Voges mit den Dorfmundern nicht allein!

Kay Voges, der neue Intendant des Theaters Dortmund, macht einen guten Job. Nur in Dortmund merkt das kaum jemand. Gute Gründe, den Mann nicht allein zu lassen.

Kultur in Dortmund hat es schwer. Kaum einer geht in den U-Turm und die Besucherzahlen des Dortmunder Schauspiels nähern sich dem Boden wie ein trudelndes Flugzeug mit brennenden Triebwerken. Die Entwicklung des FZW ist eine Katastrophe mit ruhrgebietsweiten Auswirkungen. Kultur in Dortmund zeichnet sich vor allem durch einen von Komplexen getriebenen Repräsentationswillen aus. Alles muss groß und prächtig sein. Mein Dorfmund soll schöner werden ist das Motto der Stadt. Nur mit dem, was in all den  Gebäuden passiert, können die wenigsten etwas anfangen.

Das ist auch beim Theater so, das Intendant Kay Voges seit dem Spätsommer rockt. Reihen wie „Stadt ohne Geld“ gehören zum  spannendsten, was man auf den Bühnen in NRW sehen kann. Das ist der FAZ, der Welt am Sonntag und der Frankfurter Rundschau klar. Den Dortmundern offensichtlich nicht. Und dann die Band des Theaters: Botanica aus New York. Die Musik liegt irgendwo zwischen Velvet Underground und Sonic Youth. Allein die lohnen den Besuch.

Die Dortmunder interessiert das alles nicht. Die aktuelle Auslastung von 45 Prozent sagt nichts über die mangelnde Qualität der Arbeit von Kay Voges und seinem Ensemble aus, sondern sehr viel über die Provinzialität des Dortmunder Publikums. Trotzdem oder gerade deswegen könnte er morgen im Kulturausschuss der Stadt Ärger bekommen. Aber – und das ist die gute Nachricht: Wir leben ja im Ruhrgebiet. Und wenn die Dorfmunder die Arbeit von Voges nicht zu schätzen wissen, gibt es ja noch die coolen Jungs und Mädchen aus Bochum, Essen, Herne oder  – warum eigentlich nicht – Marl, die in sein Theater gehen können. Und dafür sorgen, dass die Intendanz von Voges doch noch zum Erfolg wird. Denn einen wie Voges braucht man im Ruhrgebiet. Man darf ihn nur nicht mit den Dorfmundern allein lassen.

Der Ruhrpilot

Laute laue Abgeordnete im Landtag

NRW: Die Linke – gelinkt…Post von Horn

NRW II: CDU und SPD liegen Kopf an Kopf…RP Online

Ruhrgebiet: Suche nach Gas bald auch in Witten?…Ruhr Nachrichten

Ruhrgebiet II: A52 nicht mach- und vermittelbar…Der Westen

Ägypten: Die Hoffnung liegt bei den Jungen…Kaffee bei mir

Ägypten II: Nachrichten von der ägyptischen sozialen demokratischen Revolution…Der Morgen

CSU-Netzrat: Netzpolitik-Positionspapier “Freiheit und Fairness”…Netzpolitik

Islam: Zentralrats-Chef ermuntert zu Debatte über modernen Islam…Der Westen

Medien: RP Plus – Scheitern an NRW…Indiskretion Ehrensache

Terrortorte: Blogger-Prozess ist beendet

Die Staatsanwaltschaft Bochum ist zur Besinnung gekommen: Sie hat die Revision gegen den Freispruch des Bochumer Bloggers Martin Budich zurückgezogen.

Budich war vorgeworfen worden, mittels des hier abgebildeten Comics zur Gewalt gegen eine Nazi-Demo aufgerufen zu haben. Der Prozess lief über Jahre – absurdes Theater auf Kosten der Steuerzahler und der Nerven von Martin Budich, der das Blog Bo-Alternativ betreibt.

Mehr zu dem Prozess auf Bo-Alternativ. Dort findet sich auch eine ausführliche Dokumentation des ganzen Prozesses.

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letzte Woche / diese Woche (kw5)

Letzte Woche wurde an dieser Stelle einmal mehr einiges an Antipathie gegenüber diesem ganzen Medienwust und Informationsterror zum Ausdruck gegeben. Etwas paradox, oder? Jedenfalls hat der Autor dieser Zeilen dann mal nicht weiter Žižek, Diederichsen, Theweleit oder sonst eines LSD-Beatniks Buch gelesen, sondern mal ganz einfach „Exploding“, die Geschichte der Warner Music Group, erzählt von Stan Cornyn. Ab Sinatra und bis zu The Doors zumindest war das dann übrigens auch ganz interessant. Das waren noch Booms damals in den 50ern und 60ern! Da gab es noch dolle Produkte zu konsumieren und nicht nur einfach Strom schluckende New Economy!

Und irgendwie hatte sich meiner das Thema „New Labour“ bemächtigt. Begonnen hatte das wohl schon nach einem Treffen mit u.a. Dieter Gorny und als ich hinterher zu Kollege Hillenbach sagte: „Der klang, als hätte er damals bei Blair und Schröder permanent mit am Tisch gesessen.“ Aus der beliebten Reihe „Ideologien fix und verständlich erklärt“ also in dieser Woche: „Wer und was ist eigentlich die Neue Mitte nochmal?“

Begriffstrennung: New Labour, altes Proletariat, Prekariat, Mittelstand. Dann: Wer dienstleistet und sich dabei eher am Mittelstand orientiert, ist Neue Mitte. Wer beständig für ein und dieselben schuftet und sich auch ansonsten am alten Proletariat orientiert, darf sich wenigstens noch dem Prekariat überlegen fühlen. (Wer nicht nach oben will oder sich gern „unten“ fühlt, darf NPD oder Linke wählen.) Das Gros „dienstleistet“ (teils schuftend) – und bekommt z.B. als Freiberufler natürlich meist weniger Geld als die Festangestellten, darf sich aber unabhängiger fühlen und sich sogar selbstständig nennen. Man hat ja eine „Existenz gegründet“. Permanent Angestellte identifizieren sich halt mit „ihrer“ kleinen Firma und freuen sich, in einer Nussschale zu schippern und nicht auf einem Konzerndampfer – wobei sie diesen natürlich zuarbeiten, aber das fühlt sich halt nicht wirklich so an. Gute Miene, böses Spiel. Die Neue Mitte ist also die neue Dienstleistungsarbeiterklasse. Und speziell im Ruhrgebiet haben besonders die trotz Arbeiterklassenherkunft Studierten dann immer so ein erleuchtetes Funkeln in den Augen, ganz besonders wenn sie „noch wo untergekommen“ sind. War ja auch wirklich wild, die Jugend. Und jetzt, also heute: New labour, ja wow! „Verschwende Deine Jugend!“ bzw. „Wasted german youth“ war schon immer ein SPD-Slogan! Da freuen wir uns doch diese Woche mal ganz besonders drüber!

Wissen Sie was? Ich mache diesmal keine Vorhersagen zu dieser Woche. Die von letzter Woche sind mir nämlich allzu sehr eingetroffen.

Foto: Jens Kobler (feat. „Different Class“ von Pulp. Auch gut von denen: „Cocaine Socialism“ und „Party Hard!“)