Demo für das Djäzz

Das Djäzz in Duisburg steht vor dem Aus. Am kommenden Samstag wird dagegen demonstriert.

Weil sich Nachbarn durch  die Geräusche der Besucher belästigt fühlen und das Duisburger Ordnungsamt einen richtig miesen Job macht droht dem Duisburger Club Djäzz das Aus. Dagegen richtet sich eine Demo am nächsten Samstag, den 29. Januar. Die Djäzz-Anhänger haben mittlerweile auch eine eigen Site. Dort findet ihre die Demoroute. Treffpunkt ist um 12.00 Uhr, vor dem Averdunk-Zentrum. In dem sitzt das Ordnungsamt.

Der Ruhrpilot

NRW: Gemeinschaftsschule ist genehmigt…Kölnische Rundschau

NRW II: Kauder plädiert für Neuwahl…RP Online

NRW III: Staatsverschuldung ist „Dummen-Verführung“…RP Online

NRW IV: SPD will zur OB-Stichwahl zurück…Solinger Tageblatt

Ruhrgebiet: „Münsterland ist innovativer“…BBV

Oberhausen: Ausbau des Centro macht Händlern  in der Innenstadt zu schaffen…Der Westen

Bochum: GM hält Opel-Werk für „nicht konkurrenzfähig“…Der Westen

Bochum II: Premiere für Cyrano de Bergerac…Ruhr Nachrichten

Duisburg: Kirche setzt Ketchup-Spritzer Rolf Karling vor die Tür…Der Westen

Essen: Ausländer müssen noch mal an die Urne…Der Westen

Medien: Alpha 0.7 – Der Feind in Dir…Kaffee bei mir

Karstadt: Streit um Thomas Middelhoffs Millionen-Bonus…Welt

Blogs: Nerdcore vs. Euroweb: Tut sich was?…Nerdcore

Blogs II: Blogkidnapping oder ein kleiner Einblick ins moderne Unternehmertum…Exportabel

Blog III: Bloggerkrise oder Blogkrise?…Blogbar

Geh mich wech mit Englisch!

Dieser Tage einen „Tatort“ nachgeholt, der im Milieu der Unternehmensberater spielte. Sobald da jemand sein Smartphone zückte und in geläufigem („verhandlungssicherem“) Englisch parlierte, war dies ein Zeichen des Bösen und hieß ungefähr: Seht her, so sind und so reden sie, die eiskalten Jobvernichter im Namen der Globalisierung.

Da dachte ich mir, es sei vielleicht an der Zeit für eine Tirade gegen die Allgegenwart der englischen Sprache. Am besten unter einem ruhrbaronisch regional kompatiblen Motto wie „Geh mich wech mit Englisch!“ oder gleich frei nach Frank Goosen: „Englisch is‘ auch Scheiße.“

Ich dachte beispielsweise an den Groll über diverse Handelswaren, die zuweilen nur noch mit englischsprachigen Bedienungsanleitungen daherkommen (welche man zudem nicht fertig gedruckt erhält, sondern erst mal downloaden muss).

Ich dachte missvergnügt an Journalisten-Kollegen, die bei Kinoterminen die Nase rümpfen, wenn die deutsche Fassung und nicht das dialektal vernuschelte US-Original vorgeführt wird. Dabei rezensieren sie fürs heimische Publikum, das die deutsche Version sieht. Doch was schert sie der gemeine Leser?

Ich dachte an dämliche, erbärmliche Anglizismen. Und überhaupt.

Schon wollte ich in irrer Schadensgier ausrufen: Es komme endlich der Tag, an dem auch die anglophone Welt unter der Knute der Wirtschaftszwänge Chinesisch lernen muss – mit allen Tonhöhen und Schriftzeichen! Und zwar bittschön kalligraphisch makellos hingetuscht!

Doch da hielt ich ein, dachte an Shakespeare, Poe & Co., an unsterbliche Zeilen der Rockmusik, andererseits an die ekelhaft nationalistisch getönten Phrasen gewisser deutscher Sprachwahrer…

Und schon war ich kuriert.

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Individuelle Fehler in lageabhängiger Rückzugsstrategie bei Einhaltung der Meldewege

illu: ruhrbarone

„Meine Tochter fällt da nicht einfach runter“, ist sich die Mutter der 25-jährigen Offiziersanwärterin sicher. Aber welche Umstände dazu geführt haben, dass die junge Soldatin im November von der Takelage der Gorch Fock in den Tod gestürzt ist, wolle ihr die Marine nicht mitteilen. Deshalb weiß die Mutter bis heute nicht genau, wie und warum ihre Tochter ums Leben gekommen ist. Der Bundestag weiß es nicht, die Mitglieder des Verteidigungsausschusses wissen es nicht, und wie viel der Bundesverteidigungsminister über diesen Vorfall weiß, was man im Ministerium wusste, ist ebenfalls einstweilen nicht aufgeklärt.

Klar scheint zu sein, dass Gorch-Fock-Kommandant Norbert Schatz kurz nach dem Tod der Kadettin einigen Soldaten den unsinnigen Befehl gegeben hatte, in die Takelage zu klettern, und als diese sich weigerten, den Vorwurf der Meuterei erhoben hatte. „Meuterei auf der Gorch Fock“ – nachdem zunächst diese Schlagzeile es sogar mit den aktuellen Meldungen aus dem RTL-Dschungelcamp aufnehmen konnte, hat nun der Wehrbeauftragte – und nicht nur er – festgestellt, dass diese so nicht stattgefunden hatte. Dafür ist jetzt von sexuellen Übergriffen auf dem Schulungsschiff die Rede und von „menschenunwürdigem Drill“. Minister Guttenberg sah sich veranlasst klarzustellen, dass dieser „nicht geduldet werden“ könne.

Es läuft nicht rund in diesen Tagen für den Shooting Star der deutschen Politik. Vertuschen dürfe nie die Vorgehensweise der Bundeswehr sein, „und das ist es auch nicht“, gibt der Minister zu Protokoll. Und niemand fragt, warum es dann überhaupt erwähnenswert ist. Weil es nämlich inzwischen in allen Medien gemeldet wurde, dass „es da Versäumnisse gegeben hat“. Und wenn das so ist, wenn „die Meldewege nicht eingehalten wurden“, wenn – ja, der Guttenberg! – „es da Versäumnisse gegeben hat“, dann, ja dann – was glauben Sie denn?! -, dann „wird auch das Folgen haben. Das muss alles aufgeklärt werden“. Ein Mann greift durch. „Klare Konsequenzen“; man wird sehen. „Ich bin da wenig geduldig.“ Schön.

Reden kann er ja, der Karl-Theodor zu Guttenberg. Jetzt muss er nur noch die klaren Konsequenzen ziehen, und schon ist wieder alles in Butter. Wenn etwas nicht ganz so rund läuft, klare Kiste, muss man freilich eine Vorstellung haben, woran dies denn wohl liegen könnte. Der junge Minister aus dem Adelsstand weiß Bescheid: „Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, so hätten wir es aller Wahrscheinlichkeit nach mit individuellem Fehlverhalten zu tun.“ Der Verdacht drängt sich auf. Individuelles Fehlverhalten – dieser Schatz auf der Gorch Fock scheint es in der Tat übertrieben zu haben mit dem Drill. Ob der auch allein verantwortlich ist für die angeblichen sexuellen Übergriffe? So ein Schatz. „Sie werden von mir keine Vorverurteilung hören.“ Ja, der Guttenberg; Recht hat er.

Individuelles Fehlverhalten dürfte – jedenfalls aller Wahrscheinlichkeit nach – auch im Fall des in Afghanistan erschossenen Soldaten eine nicht ganz unwesentliche Rolle gespielt haben. Das war ja ohnehin von vornherein klar. Denn ob sich nun bei diesen Waffenspielereien der Schuss aus der Pistole des Verstorbenen gelöst hat, wie wir ursprünglich annehmen mussten, oder aus der Waffe eines Kameraden: tot ist tot. Ein individueller Fehler, wie wir beim Fußball sagen, völlig unnötig. Wahrscheinlich hatte der Kamerad mit seiner Pistole vom Typ Heckler & Koch P8 „gespielt“. Menschlich vielleicht verständlich; aber es leidet natürlich die ganze Mannschaft (in diesem Fall: Truppe) darunter. Blöde Spielerei: ein absolut unnötiger Fehler.

Wahrscheinlich. Denn auch hier gilt Ähnliches wie auf der Gorch Fock: „Zu laufenden Verfahren, die die Ermittlung der tatsächlichen Vorgänge zum Inhalt haben, können wir uns auch mit Blick auf Betroffene nicht äußern“ (Guttenberg). Unschuldsvermutung, Fürsorgepflicht, Kameradschaft, Kameraderie und alles. Im Bundestag wird die Informationspolitik des Verteidigungsministers beklagt. Immer langsam, wie gesagt: zu dieser Sache kann sich Guttenberg auch mit Blick auf Betroffene gar nicht äußern. Falsch informiert, verschleppt, immer wieder Informationen verschwiegen, … – das übliche Gezeter der Opposition. Man scheint vergessen zu haben, dass der Minister erst kürzlich in einer Talkshow direkt aus dem Feldlager aufgetreten ist. Sogar mit Gattin. Informationen aus allererster Hand. Dieses Dschungelcamp dagegen sollte eigentlich verboten werden, sagte Guttenberg beim Wahlkampfauftakt der CDU in Hamburg. Müssen wir uns das antun, was da Menschen angetan wird?

Die Menschenwürde. Menschen werden öffentlich vorgeführt. Befehl und Gehorsam. Anzeichen von Verrohung. Das unbekannte Gelände. Ganz abgesehen vom Risiko, von den Gefahren für Leib und Leben. Der Lagerkoller. Keine Privatsphäre. Keine Intimsphäre. Und immer wieder dieses individuelle Fehlverhalten. Wie jetzt zum Beispiel auch beim illegalen Öffnen der Feldpost. Auch hier: gegenwärtig ist nicht bekannt, wer die Briefe gefleddert hat. Sie werden von mir keine Vorverurteilung hören. Auch hier: „Wenn die Untersuchungen ergeben, dass hier irgendwelche Dinge vorsätzlich geschehen sind, muss das selbstverständlich Konsequenzen haben“ (Guttenberg). Klare Konsequenzen, wie wir annehmen dürfen. Ganz klar: „Das Öffnen von Briefen von Soldaten ist ein unhaltbarer Zustand“ (auch hier: Guttenberg). Genau wie der menschenunwürdige Drill, wie die sexuellen Übergriffe, wie die Waffenspielereien – wie all diese individuellen Fehler.

Jetzt muss er klare Konsequenzen ziehen. Der beliebteste deutsche Politiker in der Stunde seiner Bewährung. Eine Affäre schärfer als die andere; eigentlich hätte er es gar nicht nötig, gegen das Dschungelcamp zu zürnen. Wenn er jetzt eine gute Figur abgibt, hat er seine Dschungelprüfung so gut wie bestanden. Dann sollte der Weg frei sein. Noch hapert es etwas; das heißt aber nichts: bringt Karl-Theodor genug Sterne zurück ins Lager, kann er König werden. König von Deutschland. Das ist aber auch eine geile Show! Dagegen ist das, was die Gattin mit den Kinderschändern macht, direkt langweilig. Sicher: auch Stephanie hat Menschen öffentlich vorgeführt, die Menschenwürde missachtet. Trotzdem: langweilig! Genauso langweilig wie der politische Alltag, mit dem sich ihr Freiherr auch noch herumschlagen muss.

Heute haben im Bundestag die Beratungen über die Verlängerung des Mandats für den ISAF-Einsatz in Afghanistan begonnen. Nächsten Freitag wird abgestimmt; die Mehrheit gilt als sicher – für den Krieg, wie Guttenberg den Auftrag der Truppe zutreffenderweise nennt. Und weil dieser Krieg, wie jeder weiß, nicht zu gewinnen ist, wird diesmal auch gleich ein Rückzugsplan mitbeschlossen. Ein Datum für den Beginn des Truppenabzugs und vielleicht auch noch eine Jahreszahl für das Ende des Abzugs. Wobei es, wie Guttenberg erklärt hat, „wurscht“ ist, welche Jahreszahl genannt wird. Und damit hat der Minister nicht zuletzt auch deshalb Recht, weil er es geschafft hat, den kleinen Nebensatz „soweit es die Lage zulässt“ in den Antrag der Bundesregierung mit reinzupacken. Angenommen, der Bundestag beschließt ein Jahressteuergesetz mit den von der FDP so ersehnten Steuersenkungen. Dann ist es doch völlig wurscht, welche Steuersätze da genau drinstehen, solange sie mit dem Zusatz versehen sind: „soweit es die Lage zulässt“. Zu überlegen wäre, ob der Bundestag nicht nur noch Gesetze beschließen sollte, die von der Regierung nur vollzogen werden dürfen, soweit es die Lage zulässt. Etwas auszuführen, was die Lage gar nicht zulässt, ist schließlich ziemlich unverantwortlich.

Es gab Zeiten, zu denen Sozialdemokraten einem Gesetz dieser Machart nicht zustimmen wollten. Früher. Damals.

Der Ruhrpilot

NRW: Augen zu und durch…Welt

NRW II: Das Grünen-Dilemma…RP Online

NRW III: Angst vor Selbstbetrug und die „N-Frage“…Kölnische Rundschau

NRW IV: Stabil war gestern…Post von Horn

Ruhrgebiet: Die Stadtwerke verbünden sich…Ruhr Nachrichten

Ruhrgebiet II: Essens OB will bei Ramsauer für A52-Ausbau werben…Der Westen

Bochum: Immer noch kein Glücksspiel im Hotel Eden…Ruhr Nachrichten

Bochum II: Rückblick auf Ruhr2010 – Was war, was bleibt, was kommt…Pottblog

Bochum III: Nächster Antifa-Prozess am Montag…Bo Alternativ

Dortmund: ECE zu teuer für viele Händler…Der Westen

Dortmund II: Weitere PCB-Quelle im Hafen neben Envio…Der Westen

Duisburg: Dressler sauer über Verhalten des Rats nach dem Loveparade-Unglück…Der Westen

Essen: Firmen setzen zunehmend auf Kinderbetreuung als Standortfaktor…Der Westen

Liveblog: Aufhebung des Zugangserschwerungsgesetzes…Netzpolitik

Energie: Austieg aus der fossilen Energie: Unsinn, Spielwiese, konkrete Utopie oder Realität?…Zoom

Blogs: Können anal/fäkal-gefärbte Aufrufe das juvenile deutsche Web aus der Pubertät in die Relevanz katapultieren?…Mediaclinique

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Euroweb: Sportförderung in Gefahr?

Das Düsseldorfer Unternehmen Euroweb macht sich durch die Nerdcore-Affäre keine Freunde. Müssen nun auch die Sportler leiden, die sich von Euroweb unterstützen lassen.

Das Internet – ein rechtsfreier Raum, bewohnt von unberechenbaren Irren. Sie sind gereizt, humorlos und haben kaum Verständnis für den Rechtsstaat. Das könnten bald auch Sportler wie Ski-As href=“http://anonym.to/?http://www.euroweb-sportfoerderung.com/maria-riesch“,Turner Fabian Hambüchen, Kicker Andreas Ottl, die Beachvolleyballer Julius Brink und Jonas Reckermann sowie Hella Jurich und Antje Röder erfahren müssen. Sie alle lassen sich von Euroweb unterstützen und geben im Gegenzug ihren guten Namen, mit dem sich dann die Euroweb-Sportförderung schmückt.

Die vom Hass zerfressenen pickeligen und Pizza in sich reinstopfenden Gestalten an ihren Computern werden sicher keine Gelegenheit auslassen, die Sportler auf allen denkbaren Wegen auf das Verhalten ihres Sponsoren aufmerksam zu machen. Sicher werden bald im Internet auch Listen mit Euroweb-Kunden auftauchen, die dann ebenfalls gefragt werden, warum sie nicht zu einem anderen Unternehmen gehen.

Theater Oberhausen: Draußen ist Sehnsucht, draußen ist Angst

Intendant Peter Carp verzahnt in einer Doppelpremiere am Theater Oberhausen Dennis Kellys „Waisen“ und Anton Tschechows „Drei Schwestern“ zu einem hundert Jahre überspannenden Diskurs über Familie. Von unserem Gastautor Honke Rambow.

Das Theater Oberhausen ist ein kleines Haus: 120 Mitarbeiter, 420 Plätze und ein knapper Etat, von dem in der aktuellen Spielzeit 750.000 Euro zusätzlich eingespart werden. Eigentlich Grund genug, um zu jammern. Doch seit Peter Carp vor zweieinhalb Jahren das Haus übernahm, benimmt es sich ganz wie ein großes. Das Schauspiel-Ensemble umfasst gerade mal 22 Personen. Bei den meisten Produktionen im großen Haus ist eher die Frage „Wer steht heute nicht auf der Bühne“. Dazu wird der Malersaal regelmäßig bespielt, Außenprojekte wie die des „Kunstlügners“ Hans Peter Litscher, „Peterchen‘s Mondfahrt“ im Gasometer und „Get Away!“ in einem leerstehenden Ladenlokal kommen hinzu. Und ganz selbstverständlich wird in Oberhausen international vernetzt, ohne dass daraus gleich ein Marketing-Claim oder ein Spielzeit Motto wie in anderen Theatern geschmiedet wird. Für Peter Carp war von Anfang an klar, dass auch eine kleinere Stadt wie Oberhausen mehr verdient als langweiliges Stadttheater-Repertoire – auch wenn das sicherlich oft einfacher wäre. Viel mehr überregionale Beachtung täte dem Haus bestimmt gut und hätte es verdient. Doch das gibt das deutsche Feuilleton nicht her. Kritiker wohnen halt lieber in Köln und da ist der Weg nach Oberhausen weit.

Jetzt hat am 14. und 15. Januar Peter Carp eine Doppelpremiere im großen Haus hingelegt. Ist das der endgültige Größenwahn? „Eigentlich zwingen uns die geforderten Etatkürzungen dazu, eine Produktion zu streichen“, erzählt der Intendant, „aber das wollten wir dem Publikum nicht zumuten.“ Die einzige Möglichkeit: zwei Stücke in der gleichen Zeit und im gleichen Bühnenbild zu proben. „Dazu kam, dass ‚Waisen‘ von Dennis Kelly ein Kammerspiel für drei Schauspieler ist, das allerdings unbedingt auf die große Bühne gehört. Ich wollte aber auch mit den anderen Schauspieler des Ensembles arbeiten.“ Das Ensemble und das technische Team ließ sich auf die ungewöhnliche Herausforderung ein – ohne zu wissen, ob es nicht eine Überforderung werden würde.

Ursprünglich war ein Doppelprogramm mit „Liebe und Geld“ – ebenfalls vom britischen Autor Dennis Kelly – geplant. „Irgendwann in der Planung stellten wir aber fest, dass das zwar ein gutes Stück, aber kein so brilliantes wie ‚Waisen‘ ist.“ Deshalb entschloss sich Carp als zweite Premiere seinen Tschechow-Zyklus mit „Drei Schwestern“ fortzusetzen – ein Klassiker, der die Herausforderung noch einmal verschärfte.

Die inhaltliche Klammer zwischen beiden Stücken ist, dass es um die Strukturen von Familie geht. In „Waisen“ ist es die moderne Kleinfamilie. Danny und Helen haben sich gut eingerichtet. Sie haben beide Jobs – was in London schon eine Leistung ist – einen Sohn, und Helen ist gerade wieder schwanger. Gerade haben sie sich zu einem entspannten Abendessen an den Tisch gesetzt – der Sohn ist bei der Oma ausquartiert –, da steht plötzlich Helens Bruder Liam in der Wohnung. Völlig mit Blut beschmiert. Warum? Das ist erstmal schwer aus ihm herauszubekommen. Er quatscht drauflos, aber die wichtigen Informationen kommen nur stückchenweise zu Tage und so richtig glauben mag das niemand, was Liam da erzählt. Während Helen versucht, von ihrem wegen einer Jugendsünde vorbestraften Bruder Probleme fern zu halten, will Danny einfach nur klären, was „da draußen“ vorgeht. Es ist wohl nicht das beste Viertel, in dem sie leben. Aber ihre Ängste vor der Außenwelt entstehen auch aus dem Übereifer, ihre eigenen schöne Welt zu schützen. Dass die gar nicht so heil ist, wie sie selbst glauben, zeigt sich immer mehr, je weiter sie in Liams Geschichte vordringen. Am Ende stehen sie vor dem Scherbenhaufen ihrer Beziehung, aber auch das ignorieren sie beharrlich. „Mach es weg“, sagt Danny und meint das ungeborene gemeinsame Kind. Dann geht er raus. Helen bleibt einfach sitzen.

Dennis Kelly schreibt hier einen aufregenden Psychokrimi, der sich von einer Überraschung zu nächsten manövriert. Nach einer Viertelstunde glaubt der Zuschauer, er wüsste, wo es drauf hinausläuft, aber schon dreht sich die Geschichte wieder. Das ist alles sehr klug gebaut, aber wie so oft im angloamerikanischen Theater schaut manchmal auch die Konstruktion etwas zu deutlich durch. Trotzdem packt der Abend den Zuschauer über zwei Stunden. Das ist vor allem Martin Hohners Liam zu verdanken. Wie Helen und Danny lässt er auch den Zuschauer immer im Unklaren, was nun Lüge und was Aufrichtigkeit ist, er ist anstrengend, nervig und prollig, aber nie unsympathisch und fast ist man versucht, ihn in Schutz zu nehmen. Henry Meyers Danny ist ihm ein gleichwertiger Gegenspieler. Der rechtschaffende Bürger, der nur die Ordnung wieder herstellen will. Beide gehen mit der sehr artifiziellen Sprache des Stückes ganz selbstverständlich um. Dennis Kelly schreibt eine Umgangssprache, die oft aufs nötigste reduziert ist und in ihrer Bruchstückhaftigkeit hochmusikalisch. Damit hat Manja Kuhl, die mit der Helen die wichtigste, weil variabelste Rolle in diesem Thriller einnimmt, zunächst Schwierigkeiten. Ihr gelingt es nicht immer, sich diese Sprache zu eigen zu machen, einen Rhythmus zu finden.

Hundert Jahre früher, wieder eine Familie, diesmal eine sehr verzweigte. Und das Draußen ist nicht bedrohlich, sondern Sehnsuchtsort: Moskau, die große Stadt. Gerade in der Kopplung der beiden Stücke zeigt sich, wie irreal Vorstellungen von der Großstadt sind. Es sind bloß Bilder – die Realität ist wahrscheinlich eine ganz andere. Würden die drei Schwestern irgendwann wirklich nach Moskau gelangen, stellten sie vielleicht fest, dass es in Wahrheit Dennis Kellys London ist. Kaspar Zwimpfers Bühnenbild sieht an diesem zweiten Abend zunächst gar nicht so anders aus als die Wohnung von Helen und Danny. Ein paar Tapeten und Möbel sind hinzugekommen. Erst im Verlauf von „Drei Schwestern“ zeigt das Modulsystem seine enorme Wandlungsfähigkeit. Während Peter Carp sich in „Waisen“ darauf beschränkte, den Schauspielern Raum zur Entfaltung zu geben, zeigt er in „Drei Schwestern“ eine deutlich stärkere Regiehandschrift. Gleich zu Beginn macht er klar, dass es hier nicht um eine in Melancholie dahindämmernde russische Seelenlandschaft geht. Diese Familie balanciert am Rand der Hysterie und verfällt manchmal plötzlich in eine eisige Schockstarre. Zum Beispiel als Werschinin auftaucht. Der gutaussehende Mann aus Moskau, der die Sehnsüchte aktiviert. Jürgen Sarkiss verkörpert ihn perfekt, er ist ein Spieler, der weiß, dass er irgendwann wieder weg sein wird. Ganz selbstverständlich bricht er in diese Provinzwelt ein und scheint bewusst darüber hinwegzusehen, dass er sie eigentlich zerstört. Seine Schuld ist es nicht, marode war diese Familie auch schon vor seinem Eintreffen.

„Drei Schwestern“ zeigt in Oberhausen ein weiteres Mal, dass die Stärke des Hauses in seinem durchweg sehr guten Ensemble besteht. Elf Darsteller bestreiten dieses große Panorama, ohne dass einer gegen den anderen abfallen würde. Manja Kuhl zeigt sich als Mascha wieder ganz auf der Höhe, die Herren-Rollen sind bei Peter Waros als Baron Tusenbach, Martin Müller-Reisinger als Soljony, Klaus Zwick als Tschebutykin, Mohammad-Ali Behboudi als Anfissa in besten Händen. Anja Schweitzers Olga schwankt zwischen Grande Dame und verhärmter Jungfer und Angela Falkenhans Irina ist das Kind, das tragisch altert, ohne dabei recht erwachsen zu werden. Unmittelbarer als bei Martin Hohner und Henry Meyer, die wiederum Bruder und Ehemann von Manja Kuhl spielen, kann sich die Qualität eines Schauspielers aber kaum zeigen. Mit großer darstellerischer Lust zelebrieren beide ihre enorme Wandlungsfähigkeit. Nora Buzalka als Natalia allerdings, ist die Gewinnerin des Abends. Wenn sie nach der Pause von der geschmacklosen Provinz-Schnepfe zur Business-Zicke mutiert, übernimmt sie nicht nur das Haus der drei Schwestern, sondern auch die ganze Bühne. Sie ist ständig anwesend, modernisiert, baut um, dirigiert und macht alle anderen nur noch zu Positionen in ihrem Business-Plan. Am Ende verfrachtet sie die drei Schwestern in ihr frischeröffnetes Callcenter. Das ist ein radikales Bild, das Peter Carp da am Ende den Zuschauern vorsetzt. Das mag manchem Tschechow-Connaisseur zu viel Regie sein, aber anders als bei Carps „Kirschgarten“ geht es hier perfekt auf – auch, weil der Abend im Rhythmus klar darauf zusteuert und Carp noch mal einen drauf setzt und Henry Meyer als Karnevalsprinzen Kamellen ins Publikum schmeißen lässt. Radikaler Spaßradau, der die Tschechowsche Tragik brutal zuspitzt. In diesen „Drei Schwestern“ findet Peter Carp, der als Intendant von Anfang an Großartiges in Oberhausen geleistet hat, nicht nur enorm viele eindrucksvolle Bilder, sondern auch als Regisseur zu einer klaren Handschrift.

Das sind die Energien, auf deren Freisetzung Peter Carp hoffte, als er sich auf die Überforderung einer Doppelproduktion einließ. Das Experiment ist mehr als geglückt. Trotzdem wollte der Intendant das nach der Premiere nicht als Modell für die Zukunft sehen. Die Selbstausbeutung dieses Teams darf nicht zur Regel werden. Wohl auch ein Zeichen an die Politik, dass hier alles getan wird, um auch in einer finanziell maroden Stadt höchste Qualität zu liefern, aber weitere Einsparungen nicht ohne schwerwiegende künstlerische Verluste möglich sind.