Theater Oberhausen: Draußen ist Sehnsucht, draußen ist Angst

Intendant Peter Carp verzahnt in einer Doppelpremiere am Theater Oberhausen Dennis Kellys „Waisen“ und Anton Tschechows „Drei Schwestern“ zu einem hundert Jahre überspannenden Diskurs über Familie. Von unserem Gastautor Honke Rambow.

Das Theater Oberhausen ist ein kleines Haus: 120 Mitarbeiter, 420 Plätze und ein knapper Etat, von dem in der aktuellen Spielzeit 750.000 Euro zusätzlich eingespart werden. Eigentlich Grund genug, um zu jammern. Doch seit Peter Carp vor zweieinhalb Jahren das Haus übernahm, benimmt es sich ganz wie ein großes. Das Schauspiel-Ensemble umfasst gerade mal 22 Personen. Bei den meisten Produktionen im großen Haus ist eher die Frage „Wer steht heute nicht auf der Bühne“. Dazu wird der Malersaal regelmäßig bespielt, Außenprojekte wie die des „Kunstlügners“ Hans Peter Litscher, „Peterchen‘s Mondfahrt“ im Gasometer und „Get Away!“ in einem leerstehenden Ladenlokal kommen hinzu. Und ganz selbstverständlich wird in Oberhausen international vernetzt, ohne dass daraus gleich ein Marketing-Claim oder ein Spielzeit Motto wie in anderen Theatern geschmiedet wird. Für Peter Carp war von Anfang an klar, dass auch eine kleinere Stadt wie Oberhausen mehr verdient als langweiliges Stadttheater-Repertoire – auch wenn das sicherlich oft einfacher wäre. Viel mehr überregionale Beachtung täte dem Haus bestimmt gut und hätte es verdient. Doch das gibt das deutsche Feuilleton nicht her. Kritiker wohnen halt lieber in Köln und da ist der Weg nach Oberhausen weit.

Jetzt hat am 14. und 15. Januar Peter Carp eine Doppelpremiere im großen Haus hingelegt. Ist das der endgültige Größenwahn? „Eigentlich zwingen uns die geforderten Etatkürzungen dazu, eine Produktion zu streichen“, erzählt der Intendant, „aber das wollten wir dem Publikum nicht zumuten.“ Die einzige Möglichkeit: zwei Stücke in der gleichen Zeit und im gleichen Bühnenbild zu proben. „Dazu kam, dass ‚Waisen‘ von Dennis Kelly ein Kammerspiel für drei Schauspieler ist, das allerdings unbedingt auf die große Bühne gehört. Ich wollte aber auch mit den anderen Schauspieler des Ensembles arbeiten.“ Das Ensemble und das technische Team ließ sich auf die ungewöhnliche Herausforderung ein – ohne zu wissen, ob es nicht eine Überforderung werden würde.

Ursprünglich war ein Doppelprogramm mit „Liebe und Geld“ – ebenfalls vom britischen Autor Dennis Kelly – geplant. „Irgendwann in der Planung stellten wir aber fest, dass das zwar ein gutes Stück, aber kein so brilliantes wie ‚Waisen‘ ist.“ Deshalb entschloss sich Carp als zweite Premiere seinen Tschechow-Zyklus mit „Drei Schwestern“ fortzusetzen – ein Klassiker, der die Herausforderung noch einmal verschärfte.

Die inhaltliche Klammer zwischen beiden Stücken ist, dass es um die Strukturen von Familie geht. In „Waisen“ ist es die moderne Kleinfamilie. Danny und Helen haben sich gut eingerichtet. Sie haben beide Jobs – was in London schon eine Leistung ist – einen Sohn, und Helen ist gerade wieder schwanger. Gerade haben sie sich zu einem entspannten Abendessen an den Tisch gesetzt – der Sohn ist bei der Oma ausquartiert –, da steht plötzlich Helens Bruder Liam in der Wohnung. Völlig mit Blut beschmiert. Warum? Das ist erstmal schwer aus ihm herauszubekommen. Er quatscht drauflos, aber die wichtigen Informationen kommen nur stückchenweise zu Tage und so richtig glauben mag das niemand, was Liam da erzählt. Während Helen versucht, von ihrem wegen einer Jugendsünde vorbestraften Bruder Probleme fern zu halten, will Danny einfach nur klären, was „da draußen“ vorgeht. Es ist wohl nicht das beste Viertel, in dem sie leben. Aber ihre Ängste vor der Außenwelt entstehen auch aus dem Übereifer, ihre eigenen schöne Welt zu schützen. Dass die gar nicht so heil ist, wie sie selbst glauben, zeigt sich immer mehr, je weiter sie in Liams Geschichte vordringen. Am Ende stehen sie vor dem Scherbenhaufen ihrer Beziehung, aber auch das ignorieren sie beharrlich. „Mach es weg“, sagt Danny und meint das ungeborene gemeinsame Kind. Dann geht er raus. Helen bleibt einfach sitzen.

Dennis Kelly schreibt hier einen aufregenden Psychokrimi, der sich von einer Überraschung zu nächsten manövriert. Nach einer Viertelstunde glaubt der Zuschauer, er wüsste, wo es drauf hinausläuft, aber schon dreht sich die Geschichte wieder. Das ist alles sehr klug gebaut, aber wie so oft im angloamerikanischen Theater schaut manchmal auch die Konstruktion etwas zu deutlich durch. Trotzdem packt der Abend den Zuschauer über zwei Stunden. Das ist vor allem Martin Hohners Liam zu verdanken. Wie Helen und Danny lässt er auch den Zuschauer immer im Unklaren, was nun Lüge und was Aufrichtigkeit ist, er ist anstrengend, nervig und prollig, aber nie unsympathisch und fast ist man versucht, ihn in Schutz zu nehmen. Henry Meyers Danny ist ihm ein gleichwertiger Gegenspieler. Der rechtschaffende Bürger, der nur die Ordnung wieder herstellen will. Beide gehen mit der sehr artifiziellen Sprache des Stückes ganz selbstverständlich um. Dennis Kelly schreibt eine Umgangssprache, die oft aufs nötigste reduziert ist und in ihrer Bruchstückhaftigkeit hochmusikalisch. Damit hat Manja Kuhl, die mit der Helen die wichtigste, weil variabelste Rolle in diesem Thriller einnimmt, zunächst Schwierigkeiten. Ihr gelingt es nicht immer, sich diese Sprache zu eigen zu machen, einen Rhythmus zu finden.

Hundert Jahre früher, wieder eine Familie, diesmal eine sehr verzweigte. Und das Draußen ist nicht bedrohlich, sondern Sehnsuchtsort: Moskau, die große Stadt. Gerade in der Kopplung der beiden Stücke zeigt sich, wie irreal Vorstellungen von der Großstadt sind. Es sind bloß Bilder – die Realität ist wahrscheinlich eine ganz andere. Würden die drei Schwestern irgendwann wirklich nach Moskau gelangen, stellten sie vielleicht fest, dass es in Wahrheit Dennis Kellys London ist. Kaspar Zwimpfers Bühnenbild sieht an diesem zweiten Abend zunächst gar nicht so anders aus als die Wohnung von Helen und Danny. Ein paar Tapeten und Möbel sind hinzugekommen. Erst im Verlauf von „Drei Schwestern“ zeigt das Modulsystem seine enorme Wandlungsfähigkeit. Während Peter Carp sich in „Waisen“ darauf beschränkte, den Schauspielern Raum zur Entfaltung zu geben, zeigt er in „Drei Schwestern“ eine deutlich stärkere Regiehandschrift. Gleich zu Beginn macht er klar, dass es hier nicht um eine in Melancholie dahindämmernde russische Seelenlandschaft geht. Diese Familie balanciert am Rand der Hysterie und verfällt manchmal plötzlich in eine eisige Schockstarre. Zum Beispiel als Werschinin auftaucht. Der gutaussehende Mann aus Moskau, der die Sehnsüchte aktiviert. Jürgen Sarkiss verkörpert ihn perfekt, er ist ein Spieler, der weiß, dass er irgendwann wieder weg sein wird. Ganz selbstverständlich bricht er in diese Provinzwelt ein und scheint bewusst darüber hinwegzusehen, dass er sie eigentlich zerstört. Seine Schuld ist es nicht, marode war diese Familie auch schon vor seinem Eintreffen.

„Drei Schwestern“ zeigt in Oberhausen ein weiteres Mal, dass die Stärke des Hauses in seinem durchweg sehr guten Ensemble besteht. Elf Darsteller bestreiten dieses große Panorama, ohne dass einer gegen den anderen abfallen würde. Manja Kuhl zeigt sich als Mascha wieder ganz auf der Höhe, die Herren-Rollen sind bei Peter Waros als Baron Tusenbach, Martin Müller-Reisinger als Soljony, Klaus Zwick als Tschebutykin, Mohammad-Ali Behboudi als Anfissa in besten Händen. Anja Schweitzers Olga schwankt zwischen Grande Dame und verhärmter Jungfer und Angela Falkenhans Irina ist das Kind, das tragisch altert, ohne dabei recht erwachsen zu werden. Unmittelbarer als bei Martin Hohner und Henry Meyer, die wiederum Bruder und Ehemann von Manja Kuhl spielen, kann sich die Qualität eines Schauspielers aber kaum zeigen. Mit großer darstellerischer Lust zelebrieren beide ihre enorme Wandlungsfähigkeit. Nora Buzalka als Natalia allerdings, ist die Gewinnerin des Abends. Wenn sie nach der Pause von der geschmacklosen Provinz-Schnepfe zur Business-Zicke mutiert, übernimmt sie nicht nur das Haus der drei Schwestern, sondern auch die ganze Bühne. Sie ist ständig anwesend, modernisiert, baut um, dirigiert und macht alle anderen nur noch zu Positionen in ihrem Business-Plan. Am Ende verfrachtet sie die drei Schwestern in ihr frischeröffnetes Callcenter. Das ist ein radikales Bild, das Peter Carp da am Ende den Zuschauern vorsetzt. Das mag manchem Tschechow-Connaisseur zu viel Regie sein, aber anders als bei Carps „Kirschgarten“ geht es hier perfekt auf – auch, weil der Abend im Rhythmus klar darauf zusteuert und Carp noch mal einen drauf setzt und Henry Meyer als Karnevalsprinzen Kamellen ins Publikum schmeißen lässt. Radikaler Spaßradau, der die Tschechowsche Tragik brutal zuspitzt. In diesen „Drei Schwestern“ findet Peter Carp, der als Intendant von Anfang an Großartiges in Oberhausen geleistet hat, nicht nur enorm viele eindrucksvolle Bilder, sondern auch als Regisseur zu einer klaren Handschrift.

Das sind die Energien, auf deren Freisetzung Peter Carp hoffte, als er sich auf die Überforderung einer Doppelproduktion einließ. Das Experiment ist mehr als geglückt. Trotzdem wollte der Intendant das nach der Premiere nicht als Modell für die Zukunft sehen. Die Selbstausbeutung dieses Teams darf nicht zur Regel werden. Wohl auch ein Zeichen an die Politik, dass hier alles getan wird, um auch in einer finanziell maroden Stadt höchste Qualität zu liefern, aber weitere Einsparungen nicht ohne schwerwiegende künstlerische Verluste möglich sind.

Der Ruhrpilot

Nerdcore: Weblog-Pfändung erbost Blogosphäre…Spiegel

Nerdcore II: Blogger kritisieren Internetfirma…RP Online

Nerdcore III: Niemand will Geld von Euroweb…taz

Online: Bundestag debattiert über Aufhebung des Zugangserschwerungsgesetzes…Netzpolitik

NRW: „Das Land muss sich von Aufgaben trennen“…RP Online

NRW II: CDU spricht nun doch von Neuwahl…Der Westen

NRW III: Etatblockade zwingt Rot-Grün auf Neuwahlkurs…Spiegel

NRW IV: „Die Grünen haben leider einen Linksruck vollzogen“…Welt

NRW V: Bürger laufen Sturm gegen Gasbohrungen…Der Westen

Verkehr: Nahverkehr in NRW droht Kürzung…Ruhr Nachrichten

Ruhrfestspiele: Heike Makatsch, Nena und Edgar Selge sind dabei…Ruhr Nachrichten

Ruhrgebiet: Umverteilung der Landeszuweisungen in Ruhr – insgesamt weniger…Schmidts Katze

Duisburg: Briefe von Bundespräsident Wulff an OB Sauerland existieren nicht…Der Westen

Duisburg II: Sauerland hat seinen Frieden gemacht…Frontmotor

Trinken: Beiträge des Ruhrgebiets für die kulinarische Welt, Teil I: Der entkoffeinierte Kaffee…Genussbereit

Medien: Lena Meyer-Landrut und die Gratis-Praktikanten…Der Westen

Medien II: Geht die Deutsche Welle baden?…Medienmoral NRW

Medien III: Positiver Schritt zurück bei DerWesten…Pottblog

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Opposition hat Angst vor Wählern

"Bremsbalken" und Wendehals: FDP-Fraktionschef Gerhrad Papke

CDU und FDP haben Angst vor den Wählern: Obwohl sie die einmalige Chance auf Neuwahlen in NRW hätten, lassen sie lieber die verbal so scheinheilig bekämpfte Minderheitsregierung an der Macht. Bis zum endgütligen Urteil des Münsteraner Verfassungsgerichts zum Nachtragshaushalt werden sich alle Parteien im Düsseldorfer Landtag zur Ruhe setzen.

Erst wenn das Verfassungsgericht in Münster endgültig über den Nachtragshaushalt 2010 entscheidet, wollen SPD und Grüne über mögliche Neuwahlen entscheiden. Das Urteil vom Dienstag sei ein zu geringer Anlass für diesen Schritt, heißt es intern. Denn die Richter hatten per einstweiliger Verfügung nur die Aufnahme weiterer Kredite untersagt und wird erst Ende März über den Haushalt insgesamt entscheiden. Nach Informationen dieser Zeitung streiten sich sowohl Sozialdemokraten mit den Grünen als auch die Parteien intern darüber, ob der Landtag dann kurzfristig aufgelöst werden soll. Mit ihren glänzenden Umfragewerten haben die Grünen naturgemäß ein höheres Interesse an einem zweiten Urnengang als die SPD. Auch fürchten die Genossen, einen Ministerposten an die Grünen abgeben zu müssen. „Die Grünen werden nach den Prognosen ein übermächtiger Partner“, so ein SPDler aus dem Landesvorstand. So werden beide Parteien die Umfragewerte zum Zeitpunkt des Urteils beachten, bevor sie über Neuwahlen entscheiden.

Eigentlich war das Urteil aus Münster der erste große Erfolg der Opposition aus Liberalen und Christdemokraten. Aber auch am zweiten Tag nach dem Richterspruch mochten sie sich nicht dazu aufraffen, Neuwahlen zu fordern. CDU-Landeschef Norbert Röttgen befand gar die rot-grüne Niederlage für nicht groß genug. „Für Neuwahlen muss zunächst das endgültige Scheitern von Rot-Grün festgestellt werden“, sagte der Bundesumweltminister im Landtag. Wenn das Verfassungsgericht den Nachtragshaushalt für verfassungswidrig erkläre, werde die CDU Neuwahlen „aktiv und offensiv betreiben“.

Die FDP hingegen versucht erst gar nicht, sich erneut zur Wahl zu stellen. Nach letzten Umfragen kämen die Liberalen auf rund drei Prozent und flögen damit aus dem Düsseldorfer Parlament. Stattdessen zeigt sie sich nun „offen für eine Ampel“, so Fraktionschef Gerhard Papke. Über dieses Angebot werden SPD und Grüne allerdings keine Sekunde nachdenken. Schließlich ist die stramm konservative FDP-Fraktion kein möglicher Partner. Und Papke selbst ist bei SPD und Grünen denkbar unbeliebt. Nicht nur wegen seines 80er-Jahre Schnurrbartes wird er intern als „Bremsbalken“ tituliert. Und Rot-Grün konnten bislang in der Minderheitsregierung ohnehin all ihre Wunschprojekte durchsetzen. So wollen Realschulen und Gymnasien zunehmend zu den rot-grünen Gemeinschaftsschulen zusammenschließen, die Kopfnoten auf Zeugnissen wurden abgeschafft, Steuerprüfer eingestellt und den Kommunen finanzielle Hilfen überwiesen. Alles Reformen, gegen die sich die Liberalen bislang wortreich wendeten.

Inhaltlich also ergeben sich auch sieben Monate nach den gescheiterten Ampelverhandlungen keine Gemeinsamkeiten. Aber CDU und FDP haben bei Neuwahlen mehr zu verlieren als bei ungeliebten Koalitionen. Beide Parteichefs sind im Land nicht präsent und haben keine guten Popularitätswerte: Norbert Röttgen ist als Bundesumweltminister seit seiner Ernennung zum Landeschef im vergangenen Herbst in Düsseldorf kaum anzutreffen. Und der Liberale Chef Daniel Bahr arbeitet als Staatssekretär im Gesundheitsministerium ebenfalls in Berlin. Zudem sind die Kassen beider Parteien leer, ein aufwändiger Wahlkampf also unmöglich.

Auch an der direkten Landespolitik wird sich bis zum Urteilsspruch im März wenig ändern. Weil die größten Posten des Nachtragshaushaltes mit seinen 8,4 Milliarden neuen Schulden schon längst bezahlt wurden, ändert sich kurzfristig nichts an Rhein und Ruhr. So wurden die Gelder für mehr Kitaplätze schon ebenso zur Verfügung gestellt wie die Finanzhilfen an die Kommunen. Nicht einmal die ewig strauchelnde WestLb könnte das Hauhaltssystem noch stoppen: Zwar ist es der Regierung untersagt, weitere Schulden aufzunehmen oder Rücklagen zu bilden. Aber wenn für die Risikopapiere der ausgelagerten Restbank weitere Zahlungen fällig würden, müsste das Land trotzdem zahlen. Dazu ist es per Vertrag verpflichtet. Der Münsteraner Beschluss ist also bislang nur eine Warnung. Die wahren politischen Folgen werden beim endgültigen Urteil im März sichtbar.

Probleme mit Euroweb?

Euroweb ist nicht erst seit dem Nerdcore-Skandal im Gespräch. Das Unternehmen aus Düsseldorf steht im Ruf, ein „Abzockunternehmen“ zu sein. Kunden erheben in einem Beitrag des mdr schwere Vorwürfe gegen Euroweb. Stimmen die Vorwürfe? Keine Ahnung. Interessant sind sie allemal. Es gibt also viele Gründe, im Umgang mit diesem Unternehmen vorsichtig zu sein.

 

 

Nerdcore kämpft um seine Freiheit

Es ist ein Kampf, der ungleich zu sein scheint. Der Blogger René gegen die Firma Euroweb. Der Schwache gegen den Starken.

Die Story ist kurz. Fast jeder kennt sie schon. Euroweb hat die Domain nerdcore.de gepfändet, weil René nicht auf eine Abmahnung reagiert hat. Euroweb bespielt die Domain nerdcore.de seither mit einem eigenen Text und verspricht derzeit (19. Januar), die Domain für einen guten Zweck versteigern zu lassen.

Einzelheiten mit den Stellungnahmen der einzelnen Seiten hat netzpolitik

Von uns Ruhrbaronen kann hier nur eine Bewertung der Sache aus unserer Sicht erfolgen.

Danach hat René einen fetten Fehler gemacht, als er nicht auf die Abmahnung von Euroweb, das anschließende Gerichtsverfahren und die Pfändung reagiert hat. Das ist ein Fakt.

René hat diesen Fehler eingesehen und ist bereit dafür zu zahlen. Sagt er bei den blog.rebellen. Die letzte Rate der von Euroweb geforderten Kohle hat er überwiesen – sagt er.

Gut.

Dann kommen wir zur Firma Euroweb. Der Schuppen ist wegen seiner dubiosen Vorgehensweise seit einiger Zeit ins Zweilicht gerückt – einmal googlen reicht.

Fakt ist: Euroweb hat eine gerichtlich anerkannte Forderung gegen René vollstreckt. Über eine Summe von ein paar hundert oder tausend Euro. Das scheint in Ordnung. Würden wir auch so machen, wenn wir von jemanden Geld zu kriegen haben.

Aber bei der Vollstreckung ist Euroweb weit über das Ziel hinaus geschossen.

Zunächst sieht es so aus, als hätten sie gewusst, dass die Domain nerdcore.de als einer der bekanntesten Blogs Deutschland wesentlich mehr Geld wert ist, als die geforderten Summen. Warum sonst versprechen sie die Domain zu versteigern und das Geld Wikimedia oder den Freischreibern zu spenden?

Euroweb scheint es auch mit der Wahrheit nicht so genau zu nehmen. So heißt es, die Domain werde über Ebay versteigert. Tatsächlich aber haben die Euroweb-Leute die Seite schon an einen verbandelten Kerl vermacht. Siehe denic:

Domaininhaber: Daniel Fratzscher
Organisation: New Media Marketing & Vertriebs GmbH
Adresse: Wallstraße 16
PLZ: 10179
Ort: Berlin

Der Streit um das Geld ist die eine Sache. Hier hat René zu zahlen. Das haben die Gerichte gesagt.

Trotzdem halten wir für uns Ruhrbarone fest: Das Vorgehen von Euroweb ist in unseren Augen nicht angemessen, überzogen und dreckig.

Es stellt sich sogar die Frage, ob Euroweb rechtsmissbräuchlich gehandelt hat, wenn sie ihre Forderungen bewusst durch einen Gerichtsbeschluss überkompensieren wollten.

Auf jeden Fall ist das kapern der Domain nerdcore.de in den Augen der Ruhrbarone nicht angemessen. Es geht um eine langjährige Arbeit, nicht um ein paar Euro. Um an ihre Kohle zu kommen, hätte Euroweb auch das Konto von René pfänden können, bis die gerichtlich anerkannten Ansprüche befriedigt sind.

Aber Euroweb wollte offenbar nicht auf diesem Weg sicher an ihr Geld kommen – sie wollten Renés nerdcore.de offline stellen und ihr eigenes nerdcore.de hochschießen. Sie wollten die Domain. Das ist in unseren Augen nicht angemessen.

Das weiterreichen der Domain ist in unseren Augen eine weitere Frechheit. So eine Vorgehensweise ist geeignet, rechtliche Schritte von René gegen Euroweb zu unterlaufen, wenn er versucht, seine Seite zurückzuholen. Gegen Euroweb kann er klagen, gegen den neuen Domaininhaber Daniel Fratzscher/New Media Marketing & Vertriebs GmbH kaum.

Wenn Daniel Fratzscher/New Media Marketing & Vertriebs GmbH beispielsweise die Domain für zweihundert Euro von Euroweb gekauft hätte, würde sie Daniel Fratzscher/New Media Marketing & Vertriebs GmbH vermutlich rechtmäßig gehören. Und René könnte sie nur sehr schwer zurückverlangen.

Wir erklären uns deswegen solidarisch mit René.

Zunächst müssen wir Euroweb zeigen, welcher Fisch hier der dicke ist. Die Schwarm muss den Karpfen stellen.

Niemand darf Geld von Euroweb annehmen – wie dies die Freischreiber und die Jungs von Wikimedia wohl auch sehen. Sie wollen das Drecksgeld von Euroweb und Konsorten nicht haben.

Dann müssen wir René unterstützen. Wir lassen bei den Ruhrbaronen für seinen Rechtskampf den Hut rumgehen. Wenn wir ein Konto von ihm erfahren, werden wir ihm das Geld überweisen.

Wir alle müssen René unterstützen:

– im Netz, durch Aufrufe an Euroweb, die Domain zurückzugeben.

– finanziell, damit sich René ordentlich vor Gericht wehren kann. Sobald wir eine Kontonummer haben, zu der wir ihm Geld schicken können, posten wir sie hier.

– durch Verweigerung: niemand sollte das Drecksgeld von Euroweb aus einer Versteigerung annehmen – wenn die Domain überhaupt versteigert werden sollte. Und falls eine Versteigerung laufen sollte, sollte jeder Bieter deutlich über den Stand der Bemühungen um die Domain nerdcore.de informiert werden.

weil sonst das Beispiel von Euroweb Schule macht und wir alle mit Domain-Pfändungen bedroht werden können.

René ist hier zu erreichen:

Crackajack

Über Twitter kann man den Stand ablesen: klick

Hier sind die (vermutlich unvollständigen) Adressen von den Internetgeschäften der Euroweb und Kameraden, an die man seine Aufrufe richten kann:

Maxclip: http://www.maxxclip.de/impressum.html#randomref

Euroweb Group: http://www.euroweb-group.com/de/index.php

Viscomp: http://www.viscomp-jobs.de/impressum.php

Maxworker: http://www.maxworker.de/impressum.php

European Website Company: http://www.ew.de/impressum.php

Euroweb Internet GmbH: http://www.euroweb.de/de/impressum.php

Je schneller diese Leute unsere Aufrufe kriegen, die Domain nerdcore.de zurückzugeben, umso eher werden sie sehen, dass mehr als die Domain von nerdcore.de bedroht ist. Es geht um uns alle – und damit auch um sie.

Ihr Geld haben die Eurowebs ja schon bekommen – sagt René – mehr Ansprüche dürfen die Leute dann nicht gegen ihn haben.

Am Schluss werden wir dann sehen, wer der Starke ist und wer der Schwache.

Ein Computerwurm auf dem Weg zum Kommunismus

Said Dschalili

Es gibt viele Wege zum Kommunismus, „sehr viele unterschiedliche Wege“ sogar, ließ uns die Parteivorsitzende der Linken, Gesine Lötzsch wissen, und zwar in der Tageszeitung „Junge Welt„. Dies ist auch – marxistisch gesprochen – eine soziale Gesetzmäßigkeit, gewissermaßen eine historische Notwendigkeit. Die „Junge Welt“, das ehemalige „Zentralorgan der FDJ“, ist – so ihr Selbstverständnis – marxistisch orientiert, Frau Lötzsch ist gewiss auch irgendwie orientiert, und selbst wenn man rein bewusstseinsmäßig noch nicht das Level der allseitig entwickelten sozialistischen Persönlichkeit erreicht haben sollte, muss diese Tatsache auch jedem nicht ganz marxistisch Orientierten unmittelbar einleuchten: die vielen Wege zum Kommunismus können gar nicht alle gleich sein. Sie müssen verschieden sein.

Überlegen Sie doch nur einmal: wenn für alle das Ziel gleich ist, nämlich der Kommunismus, alle aber von einem anderen Ort aus starten, dann können die doch gar nicht alle den gleichen Weg nehmen. Es sei denn, man ginge himmelweite Umwege. Obwohl es, wie die Genossin Vorsitzende schon ganz richtig festgestellt hatte, sehr viele unterschiedliche Wege gibt, sollen hier zwei Beispiele genügen, um diese Tatsache zu verdeutlichen. Wenn Sie zum Beispiel von einer sozialistischen Einheitswohnung in einer Ostberliner Plattenbausiedlung aus starten, wie sie Gesine Lötzsch zu belegen beliebt (Beispiel Eins), verläuft der Weg zum Kommunismus freilich ganz anders, als wenn Sie sich in der Islamischen Republik Iran (Beispiel Zwei) auf den Weg machen.

Während Lötzschs Plattenbauwohnung so eine Art sozialistischer Insel inmitten einer imperialistischen Metropole darstellt, haben wir es beim Iran – wie der Name schon sagt – mit einer Islamischen Republik zu tun. Noch kein Kommunismus im engeren Sinne – aber da bekanntlich Islam nichts weiter ist als ein anderes Wort für Frieden, der u.a. auch deswegen der „Jungen Welt“ so sehr am Herzen liegt, weil er gleichsam eine Art Vorstufe zum Sozialismus ist, versteht es sich fast von selbst, dass der Weg zum Kommunismus von Teheran aus beschritten nicht nur anders, sondern auch ein ganzes Stück kürzer ist als von Berlin. Jedenfalls in der realen Welt. Etwas anders mag die ganze Sache aussehen in der virtuellen Welt.

„Am Sonnabend veröffentlichte die New York Times einen sehr ausführlichen Artikel, der sich mit dem »Computerwurm« Stuxnet beschäftigte.  Angeblich“, so formuliert es die marxistisch orientierte Tageszeitung „Junge Welt“. „Angeblich hatte dieser im vorigen Jahr einen großen Teil der Zentrifugen beschädigt oder zerstört, die in Natanz das Urangas anreichern.“ Natanz, oder auch: Natans, liegt, wie Sie sich denken können, in der Islamischen Republik Iran. „Das angebliche iranische Atomwaffenprogramm“, so zitiert die „Junge Welt“ die „NYT“ weiter, wobei sich das „angeblich“ freilich aus der marxistisch orientierten Sicht der Dinge ergibt, „sei dadurch stark verzögert worden“.

Bürgerliche Presse eben; merke: Bürgerblätter machen dumm. Hier zum Beispiel lag indessen die Sache offenbar ganz anders. Originalton des ehemaligen FDJ-Zentralorgans: „Indessen war der Schaden, der im Iran entstand, offenbar nur sehr gering. Es fiel lediglich für einige Tage die Arbeit aus. Daran gemessen müssen die hohen Entwicklungskosten für Stuxnet eine ganz schlechte Investition gewesen sein.“ Zum Brüllen komisch, wie hier die Imperialisten und Zionisten wieder haufenweise Geld versenkt haben! Da macht sich der Klassenfeind monatelang all die Arbeit, und dann fällt in Natans nur drei Tage lang die Arbeit aus.

Said Dschalali ist Vize-Außenminister des Iran für Europäische und Amerikanische Angelegenheiten. Der promovierte Politologe ist Chefunterhändler über das Teheraner Atomprogramm „gilt als unnachgiebig und überaus konsequent“, so die „Deutsche Welle“, derzufolge er „Ahmadinedschad sehr nah“ stehe. „Der Spiegel“ berichtet in seiner aktuellen Ausgabe (3 / 2011), Dschalili habe vier Jahre lang das Büro des religiösen Führers Ajatollah Ali Chamenei geleitet und gelte deshalb „als enger Vertrauter des mächtigsten Mannes im Gottesstaat“. Wie auch immer: zweifelsohne hat Dr. Dschalali innerhalb des Mullahregimes wirklich etwas zu sagen, und das macht er denn auch. Auch er legt Wert auf die Feststellung, dass „die Cyberattacke nicht so viel Schaden angerichtet (habe), wie die Medien berichtet hätten“ (Tagesspiegel). Dschalili erklärte in einem am Montag gesendeten Interview mit dem US-TV-Sender NBC, iranische Ermittlungen hätten Hinweise darauf ergeben, dass die USA für Stuxnet verantwortlich seien.

Auch dem „Spiegel“ hat Dschalili hierzu ein Interview gegeben. Es ist vorgestern, am Montag, den 17. Januar erschienen – also am gleichen Tag wie das NBC-Interview, am gleichen Tag wie der zitierte „Ätsch“-Kommentar in der „Jungen Welt“. Es steht (noch) nicht online; deshalb sei die entscheidende Passage hier zitiert:
Spiegel: „Der in iranische Anlagen eingeschleuste Computerschädling Stuxnet hat offensichtlich einen wesentlichen Teil der Zentrifugen in der Atomanlage Natans lahmgelegt. Wissen Sie, wer dahintersteckt?“
Dschalili: „Unseren verzweifelten, geschwächten Feinden …“
Spiegel: „… Sie meinen damit Israel und die USA …“
Dschalili: „… ist jedes Mittel recht … Aber unsere Experten haben diesen Angriff längst abgewehrt.“

„Längst abgewehrt“ – das schon. Andererseits: wer der Behauptung, die Attacke habe „einen wesentlichen Teil der Zentrifugen in der Atomanlage Natans lahmgelegt“, nicht widerspricht, bestätigt sie. Und wenn es sich dabei um Herrn Dschalili handelt … „Der Spiegel“ hakt nach.
Spiegel: Müssen Sie nicht ständig eine neue noch raffiniertere Stuxnet-Attacke fürchten, der Sie letztlich nichts entgegenzusetzen haben?“
Dschalili: „Richtig ist: Wir müssen vorbereitet sein, immer auf der Hut.“

Trotz der solidarischen Unterstützung durch die „Junge Welt“ scheint es einstweilen nichts zu werden mit der iranischen Nuklearwaffe. Der „angeblichen“. Unter diesen Umständen bleibt den Mullahs nichts Anderes, als sich auf ihre ureigenen Stärken zu besinnen.
Spiegel: „Werden Ihre Glaubensbrüder von der Hisbollah-Miliz im Libanon an Ihrer Seite stehen und Israel angreifen?“
Dschalili: „Das ist deren Sache. Wir bedanken uns bei jedem, der uns verteidigt.“

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NRW: SPD könnte bei Neuwahlen Linkspartei marginalisieren

Auch wenn Rot-Grün so tut, als ob gestern nicht viel passiert sei, ist die Chance hoch, dass es noch in diesem Jahr Neuwahlen in NRW gibt.

Und diese Neuwahlen wollen im Moment so richtig nur die Grünen. Sie könnte mit Zugewinnen rechnen. FDP und Linkspartei zittern um ihr parlamentarisches Überleben in NRW und auch die  Reihen der CDU-Landtagsabgeordneten würden sich wahrscheinlich lichten. In der SPD sieht man zwar die Chance auf stabile Mehrheiten, fürchtet aber einen erstarkten grünen Koalitionspartner. Der einen vierten Ministerposten beanspruchen könnte.

Sicher, im Moment gibt es keine Mehrheit für Neuwahlen. Wenn aber das Landesverfassungsgericht den Nachtragshaushlat ganz kippen sollte könnte Kraft Röttgen auffordern, Neuwahlen zu unterstützten. Dieser Aufforderung, das sagen auch Chrsitdemokraten, würde sich Röttgen nicht entziehen können. Der Chef der größten Oppositionspartei kann eine solche Möglichkeit nicht ablehnen – auch wenn seine Chancen von Neuwahlen zu profitieren eher gering sind und sie ihn sein Ministeramt in der Bundesregierung kosten würde.

Die SPD sollte alles dafür tun, dass es Neuwahlen in NRW gibt, denn das könnte sich bundesweit für die Sozialdemokraten lohnen. Neuwahlen in NRW könnten die Linkspartei ihre Landtagspräsenz kosten. Ein herberer Rückschlag für die Westexpansion der Partei lässt sich kaum vorstellen. Im größten Bundesland der Republik nicht im Parlament zu sitzen ist ein herber Bedeutungsverlust. Und die gerade mit innerparteilichen Konflikten beschäftige Linkspartei hat keine Führung, die einen solchen Schlag auffangen könnte. Ein Ende im NRW-Landtag  könnte die Linkspartei zerreissen. Die SPD hätte  zumindest im Westen ihren populistischen Gegenspieler marginalisiert. Der Preis lohnt fast jeden Einsatz.