Das Ruhrparlament hat gestern für den Ausbau der A52 gestimmt. Für die wirtschaftliche Zukunft des nördlichen Ruhrgebiets ist der Ausbau der B224 zur A52 wichtig.
Vor Gelsenkirchen-Buer hört die A52 auf – und südlich der A40 in Essen geht sie weiter. Damit fehlt dem Ruhrgebiet in seiner Mitte eine wichtige Nord-Süd-Verbindung. Die Folgen: Staus. Vor allem für das nördliche Ruhrgebiet ist das ein Problem: Wer von Marl, Gelsenkirchen-Buer oder Gladbeck nach Essen will, kann sich auf eine lange Fahrt- und Standzeit gefasst machen. Das ist nicht nur lästig, sondern kostet auch Jobs: Die Gewerbegebiete der Region sind schlecht an das Autobahnnetz angebunden. Zulieferer und Mitarbeiter müssen große Umweg fahren – oder sich durch die Staus auf der A52 quälen.
Die Bundesregierung drückt sich um die Finanzierung dieses Autobahnabschnitts, es gibt Streit um die Streckenführung und um die Frage ob die A52 in Teilen – zum Beispiel in Gladbeck – gedeckelt werden soll. Das würde Sinn machen – und ist in anderen Teilen Deutschlands längst üblich. Gestern nun hat das Ruhrparlament für den Ausbau der A52 gestimmt. Mit den Stimmen der FDP, der CDU und Teilen der SPD. Selbst Essens OB-Pass war dafür, obwohl seine Partei in Essen sich wohl auf einem Partei am 7. April gegen den Ausbau entscheiden wird.
Die Grünen und die Linkspartei waren natürlich dagegen. Zwischen den Grünen und der SPD, die im Ruhrparlament eine Koalition bilden, ist die Stimmung nun nicht so gut.
Das der RVR sich für den Ausbau der A52 ausgesprochen hat ist ein mutiges Signal. Es zeigt, dass das Ruhrparlament in einer wichtigen Frage Position bezogen hat. Bequemer wäre es gewesen, dem Mainstream zu folgen und das Verkehrsprojekt abzulehnen.
Eine Antwort auf Gerd Herholz‘ Beitrag zu Duisburg. Von unserem Gastautor Werner Streletz.
Lieber Gerd!
dein Duisburg-Porträt ist wirklich fair, fundiert und fantastisch gut geschrieben. Ich hab’s sehr gern gelesen. Obwohl ich mich in und mit Duisburg beileibe nicht so gut auskenne wie Du, ist mir der Zwiespalt, den Du Duisburg gegenüber empfindest, natürlich nicht unbekannt. Im Hinblick darauf, was „meine“ Revier-Städte anbelangt: Bottrop, Marl, Bochum. Nicht verteufeln, nicht bejubeln: Das ist die einzig mögliche Haltung. Soweit man hier wohnen bleibt. Und aus dieser unausgeglichenen Gemengelage – die andrerseits ja auch so verflixt interessant ist – Humus ebenso wie Widerstand für das literarische Schreiben schöpfen. Das sollte es sein. Für mich jedenfalls. Zeiten des Übergangs waren und sind – wie Du weißt – für die Kultur meist sehr fruchtbar. Und ich glaube, dass das, was man so hölzern Strukturwandel nennt, der hoffentlich nicht mit einem Mentalitätswandel (ins Großspurig-Metropolenhafte) einhergehen wird, noch lange nicht an ein Ende gekommen ist.
Der südafrikanische Völkerrechtler und ehemalige UN-Chefankläger Richard Goldstone legte im September 2009 einen Bericht über Menschenrechtsverbrechen während des Gazakrieges zum Jahreswechsel 2008 / 2009 vor. Darin hat er sowohl der israelischen Armee und als auch der Hamas Verstöße gegen das Kriegsvölkerrecht vorgeworfen. Der UN-Menschenrechtsrat, der den Goldstone-Bericht in Auftrag gegeben hatte, verurteilte daraufhin beide Seiten, während der Militäroperation „Gegossenes Blei“ im Gazastreifen massiv Kriegsverbrechen begangen zu haben.
“Schuldig im Sinne der Anklage“ war, wenn man der Presseberichterstattung in Deutschland glauben schenken durfte, jedoch nur eine Seite, nämlich Israel. “Schuldig im Sinne der Anklage“, hieß die Überschrift in der Süddeutschen Zeitung: „Schuldig im Sinne der Anklage“ lautete das Urteil des UN-Menschenrechtsrats über Israel. Hamburger Abendblatt: „Menschenrechtsrat verurteilt Israel“. Etwas präziser die Rheinische Post: „UN-Menschenrechtsrat verurteilt Israel wegen Verbrechen in Gaza“. Und deutlicher der Stern: „Kriegsverbrechen bei Gaza-Offensive: UN-Menschenrechtsrat verurteilt Israel“.
Die Zeit: „Israel wegen Menschenrechtsverletzungen verurteilt. Ob nun Menschenrechtsverletzungen oder Kriegsverbrechen, so etwas muss jedenfalls Konsequenzen haben.“ Focus: „UN-Menschenrechtsrat – Israelischen Politikern droht Verhaftung“. So weit die kleine Presseschau mit den Überschriften führender Presseorgane zum Thema. Sie hätte sich beliebig erweitern lassen – im Oktober 2009.
Etwa 1400 tote Palästinenser. Es konnte kaum überraschen, dass selbst wenn Goldstone beide Seiten an den Pranger gestellt hatte, die Öffentlichkeit die Schuld eher nicht bei der Palästinenserorganisation gesucht hatte, sondern ihre Schuldzuweisung an Israel richtete. Zumal: ein Jude ist stets ein guter Kronzeuge gegen den Judenstaat.
In Israel dagegen hielt sich die Empörung darüber, mit einer Terrororganisation auf eine Stufe gestellt zu werden, kaum noch in Grenzen. Israel verurteilte den Goldstone-Bericht in äußerst scharfen Worten, und auch die Worte über Richard Goldstone selbst waren, um es so zu sagen: recht unfreundlich – m.E. zu unfreundlich. Ich schrieb seinerzeit: “Der Goldstone-Report mag zu beanstanden sein, er mag unausgewogen sein, er mag Fehler und Unterlassungen enthalten. Es spricht alles dafür, dass dem so ist. Doch nichts spricht dafür, dem bekennenden Zionisten Goldstone ,jüdischen Selbsthass` zu unterstellen.“
Anderthalb Jahre später: Goldstone revidiert seine Vorwürfe (NZZ). Selbst die jeglicher Parteinahme für Israel unverdächtige Süddeutsche Zeitung – also die mit der Überschrift “Schuldig im Sinne der Anklage“ – kommt nicht umhin, darüber berichten zu müssen, ohne freilich auch hier darauf zu verzichten, die verbleibenden Vorwürfe an Israel Punkt für Punkt aufzulisten und über die Fülle an Entlastendem hinwegzugehen.
Immerhin zitiert auch die Süddeutsche den entscheidenden Satz aus Goldstones Beitrag für die Washington Post, den alle erwähnen: „Wenn ich gewusst hätte, was ich heute weiß, wäre der Goldstone-Bericht ein anderes Dokument“. Goldstone legt jetzt einen Abschlussbericht vor, der viele Details, die damals offen blieben, klärt. Man erinnere sich daran, dass für den vielbeachteten Zwischenbericht nur wenige Monat Zeit waren. Inzwischen hat Israel 400 Untersuchungsverfahren wegen des Verdachts auf Kriegsverbrechen zu den Fällen eingeleitet. Die Hamas kein einziges. Inzwischen versteht Goldstone, warum Israel bei seiner Untersuchung nicht kooperierte.
Denn die UNO behandelt Israel „zweifellos einseitig“. Sie habe, so zitiert ihn der Kölner Stadtanzeiger, „Israel verurteilt, weigere sich aber, die Hamas ebenso konsequent zu verurteilen, obwohl sie die belegten Kriegsverbrechen der gezielten Angriffe auf Zivilisten bis heute fortsetze“. Und Goldstone hält fest, dass auch die Zahlen der Hamas inzwischen bestätigen, was aus den israelischen Statistiken schon immer hervorging: dass es sich nämlich bei der deutlichen Mehrheit der Opfer um Hamas-Kämpfer und eben nicht um Zivilisten gehandelt hatte.
Aber klar: auch wenn die Mehrheit der Toten Terroristen waren, heißt dies ebenfalls, dass auch viele Unschuldige unter den Opfern waren. Manche, weil sie von der Hamas als menschliche Schutzschilde missbraucht wurden. Manche aus verfehltem Heldenmut. Manche aber auch, weil es bei israelischen – wie bei allen militärischen – Angriffen „Kollateralschäden“, sprich: unschuldige Opfer gibt. Und manche, weil es in der israelischen Armee – wie in jeder anderen Armee auch – absolute Dreckschweine gibt.
„Goldstone zeigt Größe“, kommentiert der Tagesspiegel. „Er gesteht einen Irrtum ein. Er hätte es sich einfach machen und schweigen können. Werden ihm jene, die ihn damals zu einem besonders glaubwürdigen Kronzeugen erklärten, als er Israel anklagte, auch jetzt folgen? Der entscheidende Unterschied hat sich bestätigt: Israel bemüht sich, ein Rechtsstaat zu sein, der Verbrechen untersucht. Die Hamas ist das Gegenteil.“
Das Ruhrparlament hat heute eine neue Regionaldirektorin und einen Planungsdezernenten gewählt.
Nein, das Wort Ära möchte ich nicht im Zusammenhang mit dem scheidenden RVR-Regionaldirektor Heinz-Dieter Klink verwenden. Eine Zeit geht zu Ende, in der er auf diesem Posten gelungert und nichts bewegt hat. Seine Nachfolgerin ist Karola Geiß-Netthöfel (SPD). Im Gespräch hat sie auf mich einen wesentlich kompetenteren und interessierten Eindruck als Klink gemacht. Von der Ruhrstadt hält sie laut WAZ nix – na gut, das Thema ist sowieso gelaufen. Visionen haben im Ruhrgebiet keine Chance, man ist ja schon froh wenn die Leute, die hier Verantwortung tragen, ordentlich ihren Job machen. Neue Planungsdezernent ist Martin Tönnes (Grüne). Auch er ist eher ein Pragmatiker denn ein Visionär.
Für Ruhrgebietspolitik bleibt der SPD-Chef Frank Baranowski zuständig, was ok ist. Aber es gilt: Im Ruhrgebiet ist der Fortschritt eine solche Schnecke, dass der Abstand zu den anderen Regionen auch in Zukunft größer wird. Und ich habe längst aufgehört, mich darüber aufzuregen. Es gibt wichtigeres im Leben.
Im Stadtpark roch es nach verbranntem Fleisch, ein paar Meter weiter entfernte ein RWE-Angestellter Demo-Aufkleber vom Konzerngebäude. Für eine Party am Vortag im Haus gegenüber (Reggae!) war mit dem Slogan „Tanz gegen die Atomkraft“ geworben worden. Riecht nach einem dieser Kultursommer in Essen.
Als ich wiederum zum Soundcheck von Iso Rivolta im EMO auflief, spielte die Band gerade „Kerosene“ von Big Black. Beim Konzert selbst dann aber nicht. Support war einmal mehr Rudy Radu, der tatsächlich stetig besser wird. Iso Rivolta übrigens auch. Ritalin Ray machen jung und wild eher im klassischen Songwriter-Rockgewand, Interview später hier, ein Video hier, das Konzert im Subrosa war sehr kurzweilig.
Zwischen den Konzerten sprachen Jürgen Trittin und drei andere Mitmenschen im Saalbau über le Ausstieg. „Man muss den Menschen realistische Ausstiegsszenarien darlegen“ war die Devise. Zwei Tage später sollte mir dann auf der Rüttenscheider ein Bekannter sagen, man könne ja richtig stolz sein auf die Deutschen, dass die als einzige ernst machen wollen mit le Ausstieg. Als ich gen Park ging, rief er mir noch „Alles Gute!“ nach. Eigentlich hatte ich für den Abend Ebermann/Trampert im Druckluft eine Chance geben wollen, mir ihre Sichtweise von „20 Jahre deutsche Einheit“ darzulegen, aber es gibt ja noch andere Themen auf der Welt.
Wasserknappheit zum Beispiel. Dazu soll an dieser Stelle schon einmal auf diese (bitte etwas scrollen, gemeint ist die am 8. Septemeber) weit in der Zukunft liegende Veranstaltung hingewiesen werden. Kommenden Dienstag hingegen fragt sich eine weitere dieser Podiumsdiskussionsrunden „Ist Essen eine Messe wert?“ Einem Kollegen erklärte ich meine Auffassung des Themas letzte Woche so: Die Messe ist das S21 von Rüttenscheid. Gerade Familien befürchten durch Reduzierung des Grugaparks Lebensqualitätseinbußen. Andere (Familien) halten dagegen, dass eine Stadt ohne Messe für alle Bürgerinnen und Bürger einen wesentlich niedrigeren Lebensstandard bedeuten würde.
Einen „Schreib doch drüber“-Auftrag habe ich zu diesem Thema bislang nicht bekommen. Es ist eh verstärkt zu bemerken, dass zum Beispiel Dortmunder jetzt wieder gar wenig an Essen denken und sich in punkto Themen und Geldfluss alle im Ruhrgebiet geistig wieder mehr innerhalb ihrer Stadtmauern aufhalten. Aber die Dortmunder sind eh die Franzosen des Ruhrgebietes. Kommen alle irgendwie vom Land und spinnen ein bisschen.
War noch was außer April in Bestform? Auf der Weltbühne und hierzulande läuft ja alles weiter wie gedacht, wenn auch nicht gerade zur allgemeinen Zufriedenheit. Das in der letzten Woche hier angesprochene Svevo-Buch ist übrigens wirklich vorzüglich zu lesen, und ich empfehle auch Twin Sister, vor allem „All around and away we go“, sowie die Seiten daytrotter, stereogum und my spoonful, wenn Sie selber mal ein wenig Legales und Frisches an Musik aus den Staaten suchen wollen. Immer dieser Vorkau durch die Medien – haben Sie doch gar nicht nötig! Schönen Sonntag!