Tommy Finke, Freitag, 14. Januar, 19.00 Uhr, Bahía de Cochinos, Castrop-Rauxel
Der Ruhrpilot
Energie: RWE kappt Strombezugsverträge mit Steag…Der Westen
BarCampRuhr4: Wecker stellen!…Hirnrinde
NRW: Post für den Finanzminister…Kölner Stadtanzeiger
NRW II: Letztes Kindergartenjahr soll ab August kostenlos sein…Ruhr Nachrichten
Ruhr2010: Dr. Stratmann kritisiert Macher von Ruhr.2010…Der Westen
Kongress: Miese Geschäfte mit den Loveparade-Opfern?…Bild
Bochum: Käßmann: „Nicht alle Islamisten sind Terroristen“…Ruhr Nachrichten
Bochum II: Käßmanns Antrittsgottesdienst…Spiegel
Bochum III: Wahlkampf an der Ruhr-Uni…Bo Alternativ
Duisburg: Abriss-Diskussion…Der Westen
Essen: „Wir haben die Museums-Schwelle gesenkt“…Der Westen
Petition: Netzzugang – Rechtsnorm für Zugang zu kabellosen Netzwerken…Unkreativ
Online: Erste Remixe des CSU-Werbespots…Netzpolitik
Umland: Peinliche CDU-Finanzmathematik…Zoom
Auflegen ist das neue Problemlösen
In letzter Zeit wurde der Witz „Die vier Feinde des Sozialismus: Frühling, Sommer, Herbst und Winter“ gern abgewandelt zu „Die vier Feinde der Deutschen Bahn …“. Ab heute hat sie einen fünften: mich. Und das, da ich jahrelang dem ganzen Herumgemotze an dem Unternehmen stets ein „Aber mit dem Auto dauert es doch auch immer länger …“ entgegnet hatte.
Ja, es gibt Stau, das ist schlimm – aber im Auto wird man wenigstens nicht behandelt wie auf dem Amt. An der teuren Hotline und beim E-Mail-Dialog – wenn man das Dialog nennen kann, eine Mailadresse bietet die Bahn auf ihrer Webseite nämlich nicht an – bekommt man die AGBs zitiert, die man sich ja auch selbst vorlesen kann. Das ist wie im Zug, wenn die Zugbegleiter per Handy auf bahn.de nachsehen, wie es mit den Anschlüssen steht.
Nein, es geht nicht um das Winter-Chaos im Nah- und Fernverkehr. Sondern um das Kommunikationschaos in den Reisezentren und an der Hotline, mit dem ich inzwischen mehr Zeit zugebracht habe als in verspäteten Zügen. Für die Bahn und ihre Kunden alltäglich. Im Notfall legen die Mitarbeiter an der Hotline eben auf. So einfach ist das.
Demonstration gegen die Sperrzeit des DJÄZZ und ihre Folgen
Dem Club „Djäzz“ in Duisburg droht das aus. Gründe sind ein renitenter Nachbar und die Unfähigkeit des städtischen Ordnungsamtes.
Ein renitenter Nachbar hat durchgesetzt, dass das Djäzz in der Duisburger Innenstadt künftig um 1.00 Uhr schließen muss. Das Ordnungsamt war wohl zu blöde, den Vorwürfen auch nur mit einer Lärmmessung nachzugehen. Peter Bölling heißt der Leiter des Ordnungsamtes und ist wohl eine Zierde seines Standes. Mittlerweile regt sich Protest gegen die Schließung und man kann nur hoffen, dass er sich mit der Forderung verbindet, ein paar vernünftige Leute ins Ordnungsamt zu holen. Ein Bölling, der auf Nachfrage der WAZ noch nicht einmal weiß, ob eine Lärmmessung stattgefunden hat, ist offensichtlich überfordert und würde sicher auch mit einem Besen in der Hand eine gute Figur machen.
Das Djäzz weist auf seiner Homepage die Gäste schon einmal auf die Veränderten Öffnungszeiten hin:
Wie die meisten von Euch sicher bereits erfahren haben, haben wir uns am 10.1.2011 leider nicht mit unserer Klage gegen die Änderung der Sperrzeit durchsetzen können. Dies bedeutet, daß das Djäzz mit sofortiger Wirkung um 1 Uhr Nachts seine Pforten schließen muss. Wir werden dennoch alle angesetzen Konzerte & Sessions in den nächsten Monaten durchführen. Welche Tanzveranstaltungen stattfinden und in welcher Form werden wir in den nächsten Tagen mit den jeweiligen Veranstaltern entscheiden – wir müssen aber leider davon ausgehen, daß wir die meisten Parties absagen müssen.Das Programm auf unserer Webseite wird so schnell wie möglich aktualisiert, bitte informiert Euch bei Interesse an einzelnen Termine kurzfristig über geänderte Anfangszeiten.Wie die meisten von Euch sicher bereits erfahren haben, haben wir uns am 10.1.2011 leider nicht mit unserer Klage gegen die Änderung der Sperrzeit durchsetzen können. Dies bedeutet, daß das Djäzz mit sofortiger Wirkung um 1 Uhr Nachts seine Pforten schließen muss. Wir werden dennoch alle angesetzen Konzerte & Sessions in den nächsten Monaten durchführen. Welche Tanzveranstaltungen stattfinden und in welcher Form werden wir in den nächsten Tagen mit den jeweiligen Veranstaltern entscheiden – wir müssen aber leider davon ausgehen, daß wir die meisten Parties absagen müssen.
Das Programm auf unserer Webseite wird so schnell wie möglich aktualisiert, bitte informiert Euch bei Interesse an einzelnen Termine kurzfristig über geänderte Anfangszeiten.
Am 29. Januar findet dann auch noch eine Demo für das Djäzz und gegen die Dorf-Öffnungszeiten statt. Wo ist noch nicht klar. Wir halten Eich auf dem Laufenden.
Datteln: Neues Gutachten hält Kraftwerksbau für unrettbar
Die Deutsche Umwelthilfe hat ein Gutachten zum Eon-Kraftwerk Datteln veröffentlicht. Es kommt zu dem Schluss, dass das Kraftwerk nicht zu retten ist.
Während das Ruhrparlament des Regionalverband Ruhr im Dezember beschlossen hat, erst einmal rechtlich zu prüfen, ob es überhaupt noch eine Möglichkeit gibt, dass Eon-Kraftwerk Datteln jemals fertig bauen zu lassen, bekommen die Kraftwerksgegner nun Unterstützung durch ein neues Gutachten. In Auftrag gegeben hat es die Deutsche Umwelthilfe. Das Gutachten von Prof. Martin Schulte kommt zu dem Schluss, dass das von der RVR-Verwaltung geplante Zielabweichungsverfahren rechtlich nicht machbar ist:
„Eine Abweichung von den Zielvorgaben der Landesplanung ist für den von E.ON gewählten Kraftwerks-Standort nicht vertretbar. Außerdem verstößt auch der geplante ausschließliche Einsatz von Importkohle gegen den im geltenden Landesentwicklungsplan festgelegten Vorrang für heimische Primärenergieträger. Im Ergebnis müsste ein Zielabweichungsverfahren scheitern, weil es unter raumordnerischen Gesichtspunkten nicht vertretbar wäre und darüber hinaus die Grundzüge der Landesplanung berühren würde“.
Der RVR will selbst Mitte April eigene Gutachten vorstellen. Dann könnte sich das Schicksal des Kraftwerkbaus entscheiden. Kann Eon das Kraftwerk nicht zu Ende bauen hat der Konzern mehr als eine Milliarde Euro umsonst investiert und müsste zudem die Abrisskosten tragen.
NRW-Umweltminister Johannes Remmel kommentierte das Gutachten gegenüber den Ruhrbaronen: „Wir haben immer betont, dass der Bau von Datteln keine Frage von politischen Bekenntnissen ist, sondern von der Erfüllung der rechtlichen und gesetzlichen Vorgaben abhängt. Die Gerichte haben in ihren Urteilen für das geplante Kraftwerk Datteln bereits hohe Hürden formuliert. Mit dem heute von der Deutschen Umwelthilfe vorgelegten Gutachten des renommierten Planungsrechtler Prof. Schulte werden diese Hürden noch einmal eindrücklich und grundsätzlich bestätigt. Als Konsequenz scheint es daher ratsam zu sein, dass der RVR und die Regionalversammlung in dem nun beschlossenen anstehenden Prüfprozess zum Erarbeitungsbeschluss die Ergebnisse des Gutachtens detailliert aufgreift und sorgfältig prüft.“
Rot -Grün in NRW: Das Balu-Prinzip
Die rot-grüne Landesregierung in NRW pflegt einen neuen Politikstil: Möglichst viel soll von den Bürgern selbst entschieden werden. Die Folge: Regierung in Zeitlupe. Doch gibt es für Politiker, die an der Macht bleiben wollen, noch eine Alternative?
Die Unionsparteien fahren gerade eine Kampagne gegen die Grünen. Sie werden als die Dagegen-Partei bezeichnet und in einem peinlichen Video der CSU sogar in die Nähe von Gewalttätern gerückt. Das ist dumm, denn die Politik der Grünen ist populär, weil sie ein Gefühl in der Bevölkerung aufgreift. Nicht die Grünen sind gegen alles, immer größere Teile der Bevölkerung wollen keine Veränderungen mehr. Jede Partei, die in den vergangenen Jahren versucht hat etwas zu ändern, wurde von der Bevölkerung abgestraft. Ob Hartz IV, S21, neue Stromtrassen, Autobahnen, Kraftwerke, Windräder oder Schulreformen – Veränderungen werden immer öfter von vielen Menschen als Bedrohung wahrgenommen. Und das betrifft nicht nur die Wähler der Grünen. Die älter werdenden Deutschen fühlen sich von fast allem bedroht. Früher war es besser und so soll es bitte bleiben. Ob Facebook, Moslems oder Bauprojekte – das Neue ist das Böse, das man ablehnt.
In so einer Zeit ist es für Parteien fast unmöglich, ihre Agenda durchzusetzen ohne abgewählt zu werden. Die erste Regierung die das erkannt hat, ist die Landesregierung in NRW. Sie regiert das Land nicht, sondern moderiert Entscheidungsprozesse: Ob neue Schulformen wie die Gemeinschaftsschule oder die Wiedereinführung des Abis nach neun Jahren: Möglichst vieles soll an der Basis vom Bürger direkt geregelt werden. Die angekündigte Erleichterung von Volksabstimmungen geht ebenfalls in diese Richtung. Andere Regierungen werden ihr folgen. Egal welche Parteien sie stellen. Dumm nur, dass die Addition von Partikularinteressen kein Gemeinwohl ergibt.
Und da wo das nicht geht, setzt man auf die Entscheidung von Gerichten. Zum Beispiel wenn es um das Kraftwerk in Datteln geht, will man möglichst nicht politisch entscheiden. Das wird nicht immer gut gehen – bei Datteln wird es irgendwann zum Schwur kommen – aber vorher holt man Gutachten über Gutachten ein. Entscheidungsfreudig ist man in Düsseldorf nicht.
Und das kommt an bei den Bürgern. Sie werden mitgenommen, einbezogen und nicht regiert. Der Nachteil dieser Konsens-Politik: Alle Veränderungen werden sehr lange dauern. Und will man das Konsensprinzip durchhalten, wird es fast unmöglich, kontroverse, strittige Entscheidungen gegen den Willen lauter Minderheiten durchzusetzen. Aber das ist ja auch nicht mehr gewollt. Man macht es sich gemütlich in diesem Land. Balu der Bär wird zum neuen Wappentier. Und Balu würde grün wählen.
Bloodgroup
Bloodgroup, Donnerstag, 13. Januar, 19.30 Uhr, Café Steinbruch, Duisburg
Der Ruhrpilot
Duisburg: Kritik am Ordnungsamt Duisburg nach Sperrzeit-Urteil gegen Club Djäzz…Der Westen
Duisburg II: Hundertmeister will auf Mietfreiheit klagen…Der Westen
NRW: CDU will Schuldenbremse in der Landesverfassung…RP Online
NRW II: Zittern bei der WestLB…Süddeutsche
Bochum: Margot Käßmann tritt Gastprofessur an der Ruhr-Uni in Bochum an…Welt
Bochum II: Unter Anselm Weber: Beste Auslastung seit 20 Jahren…Ruhr Nachrichten
Essen: Fibo geht nach Köln…Der Westen
Kultur: Zwölf Autoren aus dem Ruhrgebiet auf Lesereise in Las Vegas…Der Westen
Kongress: Fühlst du noch oder denkst du schon?…Achse des Guten
Online: Video des Tages: CSU versucht Negative-Campaigning…Netzpolitik
Medien: Drei Fragen an Sascha Lobo…Girls can blog
Anschlag von Tucson: der Kampf um die Deutungshoheit
Vater unser im Himmel, geheiligt werde Dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie in Amerika so auch hier. Führe uns nicht in die Irre, sondern erlöse uns von den Bösen, sprich: von den politisch Andersdenkenden. Gib nicht ihnen die Deutungshoheit über Deine unergründlichen Wege, sondern uns! Und führe uns nicht in Versuchung, uns zu diesem Zweck einfach irgendetwas zusammenspinnen zu müssen, sondern liefere uns zwecks Preisung Deiner Herrlichkeit in Ewigkeit stichhaltige Belege, auf dass wir nicht so ratlos dastehen mögen, wenn wieder einmal etwas passiert, was Du doch auch nicht gewollt haben kannst.
Aber Gott antwortete nicht. Denn es entsprang, auch wenn Fred Phelps von der Westboro Baptist Church dies anders sehen mag, nicht seinem Willen, was sich am letzten Samstag auf dem Supermarkt-Parkplatz in Tucson / Arizona zugetragen hatte, sondern dem Willen eines gewissen Jared Loughner. Er streckte bekanntlich die demokratische Kongressabgeordnete Gabrielle Giffords mit einem Kopfschuss nieder und schoss danach noch wild um sich. Entgegen ursprünglicher Meldungen der Polizei handelt es sich bei ihm offenbar um einen Einzeltäter, der entgegen meiner ursprünglichen Annahme jegliche Aussage über seine Motive verweigert.
Da selbst Gott den Leuten nur vor den Kopf gucken kann, jedoch nicht in ihn hinein, bleibt zum jetzigen Zeitpunkt nur festzuhalten: unser Vater im Himmel weiß nicht, was das Motiv für Loughners Tat war. Und da es nicht einmal der Allmächtige weiß, wissen wir es schon gar nicht. Der einzige, der es wissen könnte, wäre der 22-jährige Jared Loughner. Aber der junge Mörder ist zweifellos – was recht früh klar war – verwirrt, allerdings auch – was erst bei seiner richterlichen Anhörung zweifelsfrei klar wurde – bei klarem Verstand. Wiederholt hatte Loughner in seinen – in aller Regel recht wirren – Internettexten auf das verfassungsmäßig garantierte Aussageverweigerungsrecht hingewiesen.
Verwirrt, aber bei klarem Verstand – was auch immer unter diesen Umständen von seiner Motivlage zu halten ist, eines seiner vermutlich wirr miteinander verwobenen Tatmotive lebt Loughner in seiner gegenwärtig extrem unkomfortablen Situation konsequent aus: den größenwahnsinnigen Willen nach weltweiter Aufmerksamkeit. In den USA ist, wie es auf stern.de heißt, mittlerweile ein „Bürgerkrieg der Worte“ entbrannt, während hierzulande gerade eher linke und liberale Medien sich eifrig darum bemühen, nicht in den Verdacht zu geraten, das Blutbad von Tucson für ihre politische Agenda instrumentalisieren zu wollen. Hier auf den Ruhrbaronen legen konservative Kommentatoren Wert auf die Feststellung, dass es zwischen dem Attentat von Tucson und der Tea Party keineswegs eine geradlinige Verbindung gibt.
Im Tagesspiegel warnt Malte Lehming vor „schnellen Urteilen“ über „die perfide Tat“, bei Telepolis weist Peter Mühlbauer darauf hin, dass „Literaturlisten nur bedingt etwas über Attentäter aussagen“, und Bernd Pickert regelt in der taz auch gleich noch den korrekten Sprachgebrauch: „Die Legende vom Attentat“, so der Titel seines Beitrags; Unterüberschrift: „Debatte nach Amoklauf in Arizona“. Also Amoklauf statt Attentat; denn, so Pickert, „was Loughner hingegen am Samstag angerichtet hat, erinnert mehr an die Schulmassaker der jüngsten Zeit seit Columbine als an das klassische politische Attentat“. Und deshalb sei es „ein billiger Reflex, jetzt eine direkte Linie von dieser Art aggressiver Rhetorik (der Tea Party, W.J.) zu Jared L. Loughners Massaker zu ziehen“.
Es ist freilich nichts weiter als Rhetorik, wenn Pickert in der taz eine direkte Linie ausmacht, die wer auch immer zu ziehen gedenkt. Und es ist richtig, was auch immer die Motivforschung noch ergeben wird: von einem wie Loughner lassen sich in einer seriösen Argumentation keine direkten Linien ziehen. Alles andere ist falsch: was am Samstag in Arizona passiert ist, war nicht etwa ein Amoklauf statt eines Attentats, sondern ein Massaker und ein Attentat, oder: ein Massaker nach einem Attentat. Ich räume ein, dass es nicht ganz unüblich ist, ein geplantes Massaker als Amoklauf zu bezeichnen. Betrachten Sie diese feine Unterscheidung als Wortklauberei; wichtig ist aber, dass nicht nur das wahllose Abschlachten unbeteiligter Menschen geplant war, sondern auch der gezielte Anschlag auf Gabrielle Giffords.
Warum wird versucht, dieses Attentat semantisch gleichsam ungeschehen zu machen? Oder dort, wo man nicht so weit zu gehen bereit ist wie in der taz, es als ein Attentat von der Art der Anschläge auf Oskar Lafontaine (1990) und Wolfgang Schäuble darzustellen? Pickerts Spekulation, Loughner habe von der Hetzkampagne der Tea Party gar nichts mitbekommen, ist hanebüchen; seine Schüsse auf Gabrielle Giffords waren nicht nur genauestens geplant, sondern auch politisch motiviert. Letzten Samstag ereignete sich in Tucson der erste politisch motivierte Mordanschlag auf einen US-Bundespolitiker seit 30 Jahren. Warum bringt die taz einen Artikel, der diese Tatsache mit semantischen Spielereien wegdrücken will?
Warum wird in Sachen Motivforschung überhaupt so einseitig „ermittelt“? Warum werden die Hinweise des US-Heimatschutzministeriums nicht erwähnt, dass Jared Lee Loughner Verbindungen zu einer antisemitischen Gruppe hatte? Sie waren doch recht leicht zu finden – zum Beispiel auf Wikipedia. Warum wird nicht erwähnt, dass untersucht wird, ob Loughner Verbindungen zu rechtsextremistischen Gruppen hatte? Ist auch der britische Guardian nicht seriös genug, als dass sich lohnte, dies zu erwähnen? Dass Loughners Denken alle Ingredienzien eines Tea-Party-Mitglieds aufweist, wie News One for Black America schreibt? Hat etwa der Glaubenskrieg um die Deutungshoheit über das Attentat von Tucson aus dem atmosphärisch vergifteten Amerika bereits auf das behagliche konsensdemokratische Deutschland übergegriffen?
Es ist zu früh, um auf diese Frage eine politisch befriedigende Antwort geben zu können. Dass es auch hierzulande Interessen gibt, einen aggressiven Rechtspopulismus à la Tea Party hoffähig zu machen, steht außer Frage. Bei den hier zitierten seriösen Medien ist davon auszugehen, dass schlicht der Grundkonsens darüber verteidigt werden soll, dass es unzulässig ist, ein Blutbad für die eigene politische Agenda zu instrumentalisieren. Das Infragestellen eines Zusammenhangs zwischen der aggressiven Tea-Party-Rhetorik und dem Anschlag vom 8. Januar bedeutet in aller Konsequenz jedoch auch, die politische Bewertung des Anschlags von Tucson dem Täter zu überlassen. Das aber ist absurd, ob Loughner nun ein unpolitischer oder ein rechtsradikaler Spinner ist.
NRW-Wissenschaftsministerin Schulze: „Wir müssen mehr in der Breite fördern“
Interview mit der nordrhein-westfälischen Wissenschaftsministerin Svenja Schulze. Sie ist seit Juli 2010 Mitglied der rot-grünen Landesregierung.
Das „Templiner Manifest“ der GEW formuliert Eckpunkte für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen an Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Was wollen Sie dazu beitragen?
Wir haben bereits eine Arbeitsgruppe eingerichtet, an der die GEW und mein Ministerium beteiligt sind. Darin klären wir, welches die konkreten Hebel eines Landesgesetzgebers sind, um die Beschäftigung an den Hochschulen zu verbessern. Der erste Hebel ist das Landespersonalvertretungsgesetz. Dort nehmen wir die wissenschaftlichen Mitarbeiter mit auf und weiten den Vertretungsanspruch an den Hochschulen wieder aus. Allerdings haben wir auf Landesebene durch die Hochschulautonomie nur begrenzte Möglichkeiten einzugreifen.
Die Autonomie der Hochschulen erschwert also Ihre Arbeit?
Ich stehe zur Hochschulautonomie, ganz klar. Niemand will an der Wissenschaftsfreiheit rütteln und natürlich auch nicht an der Autonomie der Hochschulen. Die NRW-Hochschulen bekommen pro Jahr drei Milliarden Euro Steuergelder. Es muss eine stärkere Diskussion darüber geben, wofür diese Mittel verwendet werden. Wir brauchen Leitplanken.
In den letzten Jahren wurde über viele Wettbewerbe vor allem die Exzellenz an den Hochschulen gefördert. Gut so?
Ich bin davon überzeugt, dass Exzellenz nur entstehen kann, wenn man auch die notwendige Breite hat. Man braucht eine Basis, auf der die Spitze stehen kann. In der Breite muss mehr gefördert werden, zurzeit wird zu einseitig auf Exzellenz gesetzt. Und wichtig ist auch, die Förderung nicht nur an kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen auszurichten, sondern die gesellschaftliche Verantwortung der Hochschulen zu stärken.
Wir wollen zum Beispiel unsere Industrie ökologisch umbauen und immer mehr erneuerbare Energie erzeugen und nutzen. Um das zu schaffen, brauchen wir auch Forschung, die sich heute noch nicht rechnet. Der Markt ist bei sozialen und ökologischen Fragen blind. Deshalb ist nicht zuletzt die Aufgabe von öffentlich geförderter Forschung, Lösungen für diese Fragen zu finden. Das Land will dafür gemeinsam mit den Hochschulen Verantwortung übernehmen.
Was tun Sie, um die Breite stärker zu fördern und mehr Menschen für ein Studium zu gewinnen?
Wir schaffen zum kommenden Wintersemester die Studiengebühren ab. Damit senken wir eine entscheidende Hürde, die den Hochschulzugang erschwert hat. Außerdem wollen wir die Hochschulen öffnen für Menschen mit beruflicher Qualifikation. Und wir wollen durch die Änderung des Hochschulgesetzes mehr Demokratie an den Hochschulen einführen. In den nächsten Monaten werden wir mit allen Beteiligten darüber diskutieren und gemeinsame Eckpunkte entwickeln.
Wie wollen Sie den Wegfall der Studiengebühren kompensieren?
Es geht um 249 Millionen Euro, die den Hochschulen aus Landesmitteln ersetzt werden. Das machen wir nach dem Leitmotiv „Das Geld folgt den Studierenden“, das heißt, auch die Hochschulen, die bislang auf Studiengebühren verzichtet haben, erhalten entsprechend ihrer Studierendenzahl Kompensationsmittel. Über die Mittelverwendung vor Ort entscheiden Kommissionen, die zur Hälfte mit Studierenden besetzt sein werden.
Wie sieht die Öffnung der Hochschulen konkret aus?
Wir müssen die Hochschulen zugänglich und attraktiv machen für Menschen, die bisher zu selten studieren. Es gibt immer noch zu wenig junge Frauen, es gibt zu wenig Studierende mit Migrationshintergrund, zu wenige Arbeiterkinder sowieso. Der Zugang für Menschen ohne Abitur, aber mit beruflicher Qualifikation soll erleichtert werden. Für all das brauchen wir neue und flexible Eingangsphasen ins Studium. Zurzeit entwickeln wir mit den Hochschulen ein Konzept dazu. Durch die Fernuni Hagen gibt es in NRW bereits wertvolle Erfahrungen, die wir nutzen wollen. Wenn man Berufstätige an die Hochschule holen will, muss zum Beispiel auch ein Teilzeitstudium möglich sein.
Wollen Sie an der Trennung von Universitäten und Fachhochschulen etwas ändern?
Auf Landesebene sind die Spielräume hier sehr klein. Allerdings denke ich auch, dass sich die Hochschullandschaft künftig weniger als noch heute an dieser Trennlinie orientieren wird. Das spezifische Profil einer Hochschule wird immer wichtiger. Die Universität Duisburg-Essen hat zum Beispiel vierzig Prozent Studierende aus hochschulfernen Schichten und ist gleichzeitig sehr forschungsstark. In dieser Konstellation ist das schon sehr ungewöhnlich und zeichnet die Uni aus. Ein anderes Beispiel ist die FH Aachen am Standort Jülich. Dort gibt es einen hervorragenden Campus mit sehr guter Studierendenbetreuung und ideale interdisziplinäre Forschungsbedingungen, die Forscherinnen und Forscher aus ganz Europa anlocken.
Studierende und GEW kritisieren am Bolognaprozess u. a. die extreme Leistungsverdichtung und Verschulung. Was tun Sie, um das Studium wieder studierbar zu machen?
Im Bolognaprozess sind zum Teil die Ziele aus dem Blick geraten, es wurden Lehrpläne zusammengeschraubt, die nicht funktionieren. Da muss man nachbessern und auch entschlacken. Einige Hochschulen sind bereits dabei. Als Ministerium begleiten und unterstützen wir das. Außerdem rücken wir die Qualität der Lehre mehr in den Mittelpunkt und werden dem Parlament regelmäßig einen Qualitätsbericht vorlegen. Es geht dabei nicht um Zahlenfriedhöfe, sondern um kontinuierliche qualitative Begleitforschung.
Was bedeutet Bologna für die Lehrerausbildung?
Die Lehrerausbildung ist nun auch gestuft in Bachelor und Master. Gemeinsam mit dem Schulministerium sind wir gerade dabei, das Lehrerausbildungsgesetz umzusetzen und dafür zu sorgen, dass das sinnvoll geschieht. Wer unterrichten will, wird schließlich nicht Bachelor-Lehrer, sondern braucht auf jeden Fall den Masterabschluss.
Sie machen offizielle Hochschulbesuche nur, wenn Sie auch mit dem AStA sprechen können. Warum?
So bekomme ich die verschiedenen Sichtweisen am besten mit, das Gesamtbild wird dadurch runder. Es ist schließlich ein Unterschied, ob man eine Hochschule leitet oder dort studiert. Oft sprechen beide Seiten über die gleichen Themen, aber mit anderen Schwerpunkten. Dieser Austausch kostet vielleicht am Anfang etwas mehr Zeit, aber am Ende spart man Zeit, weil es weniger Widerstände gibt, wenn man alle Beteiligten von Beginn an einbezieht.
Das Interview erschien in der Ausgabe 1/2011 des GEW-Magazins „Erziehung und Wissenschaft“.