Alice Schwarzer ist Mercator Professorin der Uni Duisburg-Essen. Das ist für dieHochschule eine größere Ehre als für Schwarzer. Trotzdem regt sich Protest.
Es ist einer der Artikel die einen wütend machen, die man nicht versteht. Die WAZ beschreibt die Proteste gegen Alice Schwarzer, Mercatorprofessorin des Jahres 2010 der Universität Duisburg-Essen.
Die Grüne Hochschulgruppe, der Islamische Studierenden Verein (ISV), der ev. Kirchenkreis Duisburg und das Anti-Rassismus Informations-Centrum werfen ihr vor, sich abwertend über Muslime geäussert zu haben und protestieren gegen ihre Professur.
Nun gut, man könnte meinen jeder blamiert sich gerade so gut wie er kann. Aber das reicht nicht. Denn den Vorwürfen gegen Schwarzer haben ihren Grund in einem tiefen Mißverständnis.
Alice Schwarzer setzt sich für die Emanzipation der Frau ein und genau in diesem Wort liegt der Schlüssel für ihr Denken: Emanzipation. Sie will mündigen, selbstbewusste Menschen die über sich selbst bestimmen. Sie ist gegen jede Art der Unterdrückung – der von Frauen sowieso. Wer ihre Bücher liest, weiß das. Und man sollte ihre Bücher lesen, denn es sind gute Bücher: Klug und brilliant geschrieben.
Wer sich für die Emanzipation einsetzt, hat vom ersten Tag an mehrere Gegner: Die Religionen und autoritäre Ideologien. Hier geht es nun um Religionen. Das Christentum war eine blutige und grausame Religion. Der Wahn der Christen vernichtete beinahe das antike Erbe. Das Christentum wurde in Europa in zahllosen Kriegen und Konflikten niedergekämpft. Die Aufklärung setzte sich gegen die Kirche durch und domestizierte diese grausame Institution.
Wer sich für die Freiheit der Menschen einsetzt, steht im Konflikt mit den religiösen Institutionen. In religiös bestimmten Gesellschaften steht es immer schlecht um die Menschenrechte. Die Lage der Frau, das hat Schwarzer einmal geschrieben, ist ein Indikator, für die Freiheit der Menschen. Wo Frauen unterdrückt werden, gelten die Menschenrechte wenig.
Die Lage der Frauen ist in allen islamisch dominierten Länder katastrophal. Die Menschenrechte haben kaum Bedeutung. Liegt das an den Lehren des Islams? Nein, die sind so vieldeutig wie alle religiösen Texte. Man kann aus ihnen lesen was man will. Es liegt daran, dass der Islam eine Religion ist und Religionen wollen gläubige, nicht denkende Menschen.
Es gibt da einen schönen Satz, ich habe ihn schon einmal zitiert:
In jedem Dorf gibt es jemanden, der das Licht der Erkenntnis anzünden will. Das ist der Lehrer. Und es gibt einen, der will es löschen. Das ist der Priester.
Schwarzer ist eine Lehrerin. Sie will Licht in die Welt bringen. Sie hat sich ihr Leben lang gegen jede Art von Unterdrückung gewandt. Und wenn durch den Islam Menschen unterdrückt werden und Schwarzer dagegen aufsteht ist das ein Problem des Islams. Nicht eines von Alice Schwarzer.
In Schulzeiten ärgerte mich mein Geburtstag, so kurz vor Silvester. Nicht, weil ich nie in den Genuss der üblichen Hausaufgabenbefreiung kam – weil ich sportlich untalentiert war, aber für diese Siegerurkunde bei den Bundesjugendspielen immer ein paar Zentimeter weiter springen und ein paar Sekunden schneller laufen sollte als mein Banknachbar, knapp 14 Tage jünger als ich. Als Versager baut man sich seine Ausreden zurecht.
Als gestern der Runde Tisch Heimerziehung seine Ergebnisse vorstellte, freute ich mich fast. Wäre ich nur zwei Jahre früher ins Heim gekommen, könnte ich mich jetzt in die Schlange stellen, um die jämmerliche Rente oder Entschädigung zu kassieren. Aber der 31.12.1975 ist Stichtag für Ansprüche aus Misshandlungen in staatlicher und kirchlicher Obhut. Ganz ehrlich, ich fühle mich nicht benachteiligt. Ich kam 1977 ins Heim, ich wurde nicht geschlagen, in Keller gesperrt, vom Bauern in der Nachbarschaft als Zwangsarbeiter missbraucht, und einen Erzieherschwanz habe ich auch nie in der Hand gehabt. Was man Kindern in den 70-er Jahren in Heimen antat, war nicht böse oder individuellem Fehlverhalten des Personals geschuldet, war kaum sichtbar und tat nicht weh. Es war systembedingt, zwangsläufig, Ergebnis ordentlicher Verwaltungsakte.
Unser Heim, eine städtische Einrichtung am Rande des Ruhrgebiets, hatte nichts zu tun mit den pädagogischen Strafanstalten der 50-er und 60-er Jahre, deren Insassen vor allem eines vorgeworfen werden konnte: Sie hatten sich zur falschen Zeit die falschen Eltern ausgesucht. Auch wenn solche Einrichtungen nicht im düsteren Gewölbe des gesellschaftlich Verdrängten existieren, sondern immer auch den Common Sense vertreten, waren sie besonders perfide. Kein Kind war freiwillig dort, war aber dem Staat oder seinen subsidiären Einrichtungen schutzlos ausgeliefert. Wie man seit den Horrorgeschichten aus dem Dortmunder Vinzenzheim nicht mehr leugnen kann, war es damit auch vollkommen recht- und würdelos.
Ich ertrage die Erzählungen kaum. Vor zwei Jahren, nachts im Winter auf einer Heimfahrt, lief im Radio der Bericht eines ehemaligen Heimkindes. Das Mädchen bot als Zwölfjährige dem Heimpfarrer an, er könne doch sie missbrauchen, wenn er im Gegenzug dafür von ihrem fünfjährigen Bruder abließe. Ich kam an dem Abend eine halbe Stunde später nach Hause.
Das moderne, demokratische Heim der 70-er Jahre war dagegen ein lichtdurchfluteter Freizeitpark. Im schmalen Bücherschrank neben dem prächtigen Aquarium (Hobby des Sozialpädagogen) standen Werke wie „Studien zur politischen Ökonomie“ und „Fürsorgeerziehung im Kapitalismus“. Die 68-er mussten also hier schon durchgegangen sein. Als ich das erste Mal ein Buch ausleihen wollte, musste der Erzieher erst eine Viertelstunde nach dem Schlüssel für den Schrank suchen.
Der Röttgershof war ein reines Jungenwohnheim, die nie mehr als 20 Bewohner waren zwischen 15 und 19 Jahre alt, hatten die übliche Karriere hinter sich. Man kann die Elemente beliebig zusammensetzen. Desaströses Elternhaus, runtergekommenes Kinderheim, Pflegefamilie, kurzzeitige Rückkehr zu den Eltern, Jugendknast, Psychiatrie, Sonderschule, Bahnhofstrich, BTM, abgebrochene Ausbildung. Wie es sich für solche Einrichtungen gehörte, war das Heim am Rande der Stadt versteckt, nur mühselig zu erreichen. Nebenbei betrieb man dort eine Jugendbildungsstätte, die für uns aber im Mittelpunkt stand. Die Gäste bekamen alles, das bessere Essen, wenn es eng wurde, auch einmal unseren Fernsehraum und jeden Wunsch erfüllt. Die Seminarteilnehmer brachten Auslastung, Belegzahlen, Erfolge, die man im Jugendamt wohlig schnurrend zur Kenntnis nahm.
Das Elend des Heims war luxuriös. Wir hatten ein Fotolabor mit zehn Leitz Focomaten, mein Zimmer wurde zweimal die Woche gereinigt, alle drei Monate kam sogar der Fensterputzer, die Wäsche musste nur noch sauber, gebügelt und notfalls geflickt aus dem Keller geholt werden. Wenn wir mal Lust hatten auf ein Zappa-Konzert in der Westfalenhalle, organisierte ein Erzieher Eintrittskarten und Bulli. Nebenbei fand er Zappa auch klasse und konnte sich den Auftritt bei freiem Eintritt während der Arbeitszeit angucken. Nach 22 Uhr bekam er dafür sogar noch Nachtzuschlag.
Die Rundumversorgung führte dazu, dass der Laden reibungslos lief, die später Entlassenen aber unfähig waren, mehr als eine Dose Ravioli zu erwärmen. Mein Vorschlag, einen Kochkurs einzurichten, scheiterte im Ansatz. Wozu kochen, wenn es doch dafür Personal gab? Die Frauen in der Küche, auf der untersten Lohnstufe des öffentlichen Dienstes angesiedelt, sahen aus wie Beschäftigte in der LPG Schweinemast und benahmen sich angemessen. Sie bekamen täglich eine außertarifliche Leistung. Sie durften herabsehen auf die männlichen Jugendlichen und sie entsprechend behandeln. Mittags gab es fünf Mal die Woche Bratkartoffeln, zubereitet in einer quadratmetergroßen Industriepfanne. Ließ mal dieses Mahl nur einige Minuten stehen, setzen sich Öllachen auf dem Teller ab, man hätte BP im Golf von Mexiko spielen können. Maden in den seltener gereichten Nudeln gab es nicht, die wurden beim Kochen mit der Kelle abgeschöpft.
Kaffee stand nicht im Bedarfsplan. Eine große elektrische Thermoskanne, sieben Tage rund um die Uhr im Betrieb, nahm die Reste der Gäste auf. Am Wochenende wurde sie gereinigt. Schüttetest du Milch in den Kaffee, verfärbte sich er sich nicht goldbraun, sondern trüb grau. Viele der Jungs schütteten regelmäßig Maaloxan in sich hinein. Andere Sachen, die auch nicht auf dem Plan standen, wurden von den Küchenfrauen in prallen Plastiktüten nach Hause geschleppt. Es gehörte zu den Pflichtübungen, in unregelmäßigen Abständen nachts in die Küche einzubrechen.
Ansonsten kümmerte man sich um die Bewohner so liebevoll, wie es der Dienstvertrag vorsah. Nachdem ich etwa ein Jahr interveniert hatte, bekam jedes Geburtstagskind einen Marmorkuchen, in Folie verschweißt, vermutlich aus der Metro, immer genau den gleichen Kuchen. Die Geburtstage wurden manchmal vergessen, dann musstest du um das Gebäck betteln. Gesungen hat niemand, gratuliert eher aus Versehen.
Man war besorgt. Einmal kam mittags ein Anruf eines Religionslehrers, mein Zimmernachbar Georg habe einen Suizid angekündigt, ob man mal nachschauen könne. Man schaute und teilte dem Anrufer mit, Georg schliefe. Am Abend erschien der Lehrer persönlich, Georg schlief immer noch, war aber mittlerweile blau angelaufen. Ihm wurde der Magen ausgepumpt, über die Angelegenheit nie wieder gesprochen.
Auch mich traf die fürsorgliche Betreuung. Regelmäßig erhielt mein Amtsvormund, den ich nie persönlich zu Gesicht bekam, Entwicklungsberichte. „Martins Grob- und Feinmotorik ist normal ausgeprägt“ stand da drin, „er hält sein Zimmer und seine persönlichen Sachen in Ordnung.“ Da fühlt man sich in seiner Persönlichkeit hinreichend gewürdigt. Mein angestrebtes Abitur wurde in die Erfolgsstatistik aufgenommen, obwohl das Heim weniger dazu beigetragen hat als der Fahrer des Linienbusses, der mich morgens meist pünktlich zur Schule brachte.
Versuche, der Institution zu entkommen, wurden nicht verhindert, sondern ungläubig zur Kenntnis genommen. Der Pflegesatz betrug rund 2000 Mark pro Monat. Mein pragmatischer Vorschlag: „Gebt mir die Hälfte, und ich ziehe morgen aus!“, passte nicht ins Konzept. Es ging nicht um die Selbständigkeit der Betreuten, sondern um die Existenz der Einrichtung. Die lebte nicht für die Wünsche der Jugendlichen, sondern von einer guten Belegungsquote. Als das Heim schließlich ein Jahr vor meinem Abitur dicht gemacht wurde, erfuhren wir das gerüchteweise aus dem Erzieherbüro, ansonsten aus der Tageszeitung.
Auch der Versuch, der Armut zu entkommen, war schon lange vor Hartz IV verdächtig. Als ich einmal einen Ferienjob annahm, um für das Leben nach dem Heim etwas beiseite zu legen, wollte das Jugendamt den Erlös nahezu komplett kassieren. 50 Mark hätten mir zugestanden, für die Busfahrkarte, ein toller Überschuss, da ich morgens mit dem Fahrrad zur Zeche fuhr, in deren Eisenlager ich schuftete, na ja, tätig war. Die Erzieher waren in diesem Fall top und sorgten dafür, dass ich der Arbeit bezahlt nachgehen durfte.
Meine anschließende Lohnsteuerrückzahlung habe ich jedoch nie gesehen. Die brachte der Postbote. Was ich erst mit einem Nachforschungsauftrag beweisen musste. Die Mitarbeiterin der Verwaltung, die zuvor schon durch hübsche Pelzjacken aufgefallen war, kam dann irgendwann nicht mehr zur Arbeit. Das Geld bekam ich trotzdem nicht, auch vor Gericht musste ich nicht aussagen. Offensichtlich hatte man sich skandalvermeidend gütlich getrennt, die Frau hatte sich ja nicht wirklich was zu Schulden kommen lassen. Dafür erhielt mein Kumpel Thorsten fortan kleine Geldsendungen seines schwulen väterlichen Freundes, ohne dass die Umschläge aufgerissen waren.
Den anderen Jungs wurde Eigenverantwortung systematisch abtrainiert. Wer Glück hatte, bekam eine Lehrstelle als Anstreicher oder Bäcker, meist bei einem Handwerker, der mit der Stadt auch ansonsten gute Geschäfte machte. Wer die Lehre abschloss, galt als König oder Schleimer. Den kurzfristig Denkenden erschloss sich nicht der Sinn des regelmäßigen Frühaufstehens. Wer liegen blieb, wurde dreimal geweckt und anschließend vom Erzieher zur Arbeit gefahren. Wer sich auch dem verweigerte, hatte fünfzig Mark für die Monatskarte weniger, aber ansonsten ein bequemes Leben.
Niemand von uns erwartet neine Entschädigung, es ist ja nichts passiert. Da sind einfach zwei Systeme aufeinander gestoßen. Hier die Sozialverwaltung, die einen reibungslosen Ablauf liebt, da Heranwachsende, die anerkannt werden wollen, respektiert oder geliebt. Das passt halt nicht.
Nach dem Heim hat man sich eingerichtet oder versucht klarzukommen mit dem Gefühl, nie dazu zu gehören. Man sieht sich kaum. Thorsten hat den Job verloren und trinkt. Er schlägt seine Freundin nicht mehr, seit sie ausgezogen ist. Frank hat den Wechsel von Sozialhilfe auf Hartz IV in einem niedersächsischen Kurort verkraftet, wo er sich ein bisschen was dazu verdient und jedes zweite Wochenende seine Töchter sieht. Peter traf ich mal völlig desorientiert an einem Samstag in der Fußgängerzone, unansprechbar. Am Montag darauf erfuhr ich dann, dass er zu diesem Zeitpunkt schon seine Freundin erwürgt hatte, als sie ihn verlassen wollte. Jahre nach der Haft wurde er in Thailand getötet. Udo hatte im Heim den Sozialpädagogensprech gelernt, pendelte jahrelang erfolgreich zwischen Drogen-, Bewährungs- und Obdachlosenhilfe, ehe er an einer Überdosis starb.
Neulich bei einem putzigen Heimkindertreffen unterhielten wir uns entspannt über dies und das, auch über Bücher. Jugenderinnerungen von Frank Goosen oder Sven Regener versteht keiner so recht. Markus fehlte. Er hatte wegen irgendeiner Streitigkeit ein Haus angezündet, anschließend gesessen und schämte sich wohl. Da ich etwas später kam, verpasste ich Stefan. Man berichtete mir von ihm: „Arme Sau, der ist nach ´nem Unfall im Gesicht total entstellt. Hat aber Schwein gehabt, er sieht es nicht. Er ist ja auch blind seitdem.“ Man versucht halt, irgendwie zurecht zu kommen.
Gabi N. ist 24 Jahre alt und kommt viermal in der Woche in das Altenheim im Gelsenkirchener Stadtteil Feldmark. Im großen Aufenthaltsraum wartet schon ein Grüppchen älterer Damen auf den Neuankömmling. Gabi N. ist eine sogenannte Ein-Euro-Kraft. Sie unterhält sich mit den Bewohnern, begleitet sie auf Spaziergänge und hilft beim Mittagessen.
Für die junge Frau ist die Beschäftigung wichtig: Ihr Tag hat eine feste Struktur und sie hat viele soziale Kontakte. Im Altenheim wird man sie schon bald vermissen. In zwei Monaten läuft die Maßnahme aus und eine Verlängerung gibt es nicht. Es wird auch keine Nachfolgerin geben, denn die Gelder für die Ein-Euro-Jobber werden massiv gekürzt.
„Die Bundesregierung wird die Mittel Arbeitsmarktpolitik im Bereich des SGB II um 1,3 Mrd. Euro auf 5,3 Mrd. Euro vermindern“, sagt Ilona Mirtschin von der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. „Welche Auswirkungen dies auf den Mitteleinsatz vor Ort hat, entscheiden die Grundsicherungsstellen in eigener Zuständigkeit“. Die kommunalen Arbeitsgemeinschaften (ARGEn) zwischen der Agentur für Arbeit und der Kommune legen vor Ort fest, wo gespart werden muss. Eine wirkliche Wahl haben sie dabei nicht. Im letzten Jahr wurden bundesweit 1,045 Milliarden für diese Maßnahmen ausgegeben. Allein im Ruhrgebiet gab es 2009 rund 20 200 Ein-Euro-Jobs. Im Amtsdeutsch spricht man „Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung“ und kürzt das mit AGH ab. Das ist eine zusätzliche und im öffentlichen Interesse stehende Tätigkeit für Empfänger von Arbeitslosengeld II und soll die Langzeitarbeitslosen an den sogenannten „Ersten Arbeitsmarkt“ heranführen. Ob das klappt, ist unter Arbeitsmarktexperten umstritten. Für die Statistik macht es auf jeden Fall Sinn, denn die billigen Jobber gelten nicht als arbeitslos und werden nicht in der Arbeitslosenstatistik erfasst. Zusätzlich zum Arbeitslosengeld II wird eine „Mehraufwandsentschädigung“ mit Beträgen zwischen 1,00 Euro und 2,50 Euro pro Stunde gezahlt.
Für die Städte im Ruhrgebiet hat die Kürzung schwerwiegende Konsequenzen. In Duisburg gibt es derzeit 2.686 Stellen und davon sollen 1700 gestrichen werden. „Wenn weniger Maßnahmen angeboten werden können, dann wird voraussichtlich auch die statistische Arbeitslosigkeit in Duisburg steigen“, sagt Johanna Muschalik von ARGE Duisburg. Betroffen sind nicht nur die Ein-Euro-Jobber, sondern auch viele der Anleiter bei den Trägern der Maßnahmen verlieren ihren Job: Pädagogen, Sozialarbeiter und Fachkräfte werden nicht mehr gebraucht. Dabei wollte die Ein-Euro Jobs vor fünf Jahre eigentlich niemand: Die Gewerkschaften nicht, die Arbeitgeber nicht, die Politik nicht, die Berufsverbände nicht und die Handelskammern auch nicht. Die Arbeitsloseninitiativen haben die Jobs immer als versteckte Zwangsarbeit abgelehnt und kritisiert, dass keine versicherungspflichtigen Arbeitsgelegenheiten geschaffen werden.
Bei der Arbeit vor Ort ist man sich der Problematik dieses Instrumentes bewusst, aber man sieht auch den praktischen Nutzen. „Viele der Teilnehmer haben eine ganze Reihe von verschiedenen Problemen, die eine Vermittlung in eine geregelte Arbeit schwierig machen“, sagt Gabriele Ravenstein von der Caritas in Gelsenkirchen. „Bei aller Kritik an den Ein-Euro-Jobs kann das für den Einzelnen ein großer Schritt in die richtige Richtung sein“. In vielen Familien lebt inzwischen die dritte Generation von Arbeitslosenhilfe und Hartz 4-Bezug. Da gibt es keinen geregelten Tagesablauf und morgens muss niemand pünktlich aufstehen. Das wirkt sich auf den regelmäßigen Schulbesuch der hier lebenden Kinder aus und ihre Bildungschancen sinken weiter. Der normale Arbeitsmarkt ist für diese Menschen in weite Ferne gerückt.
Die Bundesregierung hat die vermeintliche Lösung schon fest im Blick und setzt auf das Modell Bürgerarbeit. Nach den Plänen von Ministerin von der Leyen sollen 2011 etwa 34 000 langzeitarbeitslose Menschen gemeinnützige Arbeit leisten. Dafür bekommen sie 900 Euro brutto im Monat und müssen wöchentlich 30 Stunden arbeiten. Wer ein solches Angebot ablehnt, soll mit Sanktionen bestraft werden. Es werden Beiträge zur Sozialversicherung gezahlt und die Jobs können bis zu drei Jahre dauern. Das ist schon wegen der aktuellen Statistik keine wirkliche Perspektive für die große Zahl der Arbeitslosen. So wird es zum Beispiel in Gelsenkirchen 150 Stellen für Bürgerarbeit geben und derzeit leben hier 32 000 Menschen von Hartz 4. In Duisburg sind ebenfalls 150 Stellen geplant und in Dortmund sind es immerhin 400. Die Wohlfahrtsverbände bemängeln die fehlenden Mittel für die Betreuung der Bürgerarbeiter. Ansonsten hält man sich bei den Vertretern der freien Wohlfahrtspflege mit Kritik an der Regierung merklich zurück. Da fallen zwar Vokabeln wie „unsoziale Politik“ und „Spaltung der Gesellschaft“, aber das gehört mittlerweile zum Standardvokabular. Ein Blick auf die Internetseite der Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege ist ernüchternd, denn die letzte Erklärung stammt vom September und beschäftigt sich mit dem Thema Zivildienst. Man will es sich mit den Regierenden und den lokalen Arbeitsagenturen wohl nicht gänzlich verderben – immerhin hängen viele Projekte und viele Mitarbeiter am öffentlichen Tropf.
Die Bundesregierung setzt ihre Politik der sozialen Ausgrenzung weiter fort und wer als nutzlos und untauglich für die „Leistungsgesellschaft“ angesehen wird, der kann nicht mit Unterstützung rechnen. Für Gabi N. wird es in absehbarer Zeit keine neue Beschäftigung geben und damit teilt sie das Schicksal von zu vielen Menschen in diesem Land.
Lesen bildet. Wenn man das Richtige liest, versteht sich. Wenn Lesen also bilden soll, liest man – kleiner Scherz – am besten die Bildzeitung. Des weiteren soll, so erzählt man es sich, wer viel liest, die Rechtschreibung besser beherrschen. Bekanntlich liegen die Dinge bei der deutschen Rechtschreibung ein wenig komplizierter. Sie wissen schon: die Rechtschreibreform, also die Reform der deutschen Rechtschreibung von 1996, deren reformierte Rechtschreibregeln in ihrer dritten Fassung 2006 eingeführt wurden.
Aller guten Dinge sind drei, heißt es. Man hätte annehmen dürfen, dass nach all dem Hin und Her um die Reform inklusive Nachbesserungen, Reform der Reform etc. pp. inzwischen ein Punkt erreicht wäre, an dem allen Konfliktparteien ein Reformstopp in dieser Sache entgegenkommen könnte. Doch weit gefehlt! „Rechtschreibrat fordert alte Schreibweise zurück!“ ist heute in der Onlineausgabe der Bildzeitung zu lesen. Mein erster Gedanke: das hätte ich nicht gedacht, dass sich die Reformgegner am Ende doch noch durchsetzen. Der zweite: wer ist eigentlich der deutsche Rechtschreibrat? Dann habe ich gesehen, dass es nur um „schlimmsten Blüten der Schlechtschreibreform von 2006“ geht.
Wieder einmal hatte mich die Bildzeitung mit einer ihrer Überschriften erschrecken können. Als der Schreck nachließ, fiel mir auf, wie wenig ich im Grunde über das geltende Recht in Sachen rechter Schreibung informiert war und aller Wahrscheinlichkeit nach immer noch bin. Über der fetten Überschrift „Rechtschreibrat fordert alte Schreibweise zurück!“ stand nämlich – zwar in roten Lettern, aber doch deutlich kleiner – geschrieben: „Butike, Scharm, Mohär“. Wie bitte?! Doch tatsächlich: so kann man es machen. In diesem Fall: schreiben. Rechtschreiben.
Man kann ganz scharmant in die Butike gehen und sich eine Mohärmütze kaufen. Wenn man möchte. Man kann und konnte und wird auch in Zukunft ganz charmant in die Boutique gehen und sich eine Mohairmütze kaufen können. Wenn man möchte, versteht sich, und wenn der Kleiderladen diese Kopfbedeckung im Angebot hat und man selbst sein gewinnendes Wesen mit solch einer bescheuerten Mütze verunstalten möchte. Wenn der eigene Kupee jedoch ein Kabrio ist, ist die Maläse offenkundig. Ohne die Mohairmütze hat man dann einen Katarr im Nacken, der eine Behandlung mit Krem oder gar mit Myrre erforderlich machen könnte. Okay, mit der Mütze sieht man freilich aus wie im Sketsch einer von der Maffia, um auch auf diese Fassette der ganzen Schose aufmerksam zu machen.
Mit alledem soll – vielleicht auch deshalb – jetzt endlich Schluss sein. So will es jedenfalls der Rat für deutsche Rechtschreibung, wie er in seinem jüngst fertiggestellten Bericht über seine Arbeit von März 2006 bis zum Oktober 2010 vorschlägt. Die Mitglieder dieses Rates – (fast) nur Professoren und so – hatten nämlich „Gebrauchserhebungen“ durchgeführt und bei der „Einordnung und Diskussion der zur Streichung vorgeschlagenen Variantenschreibungen“ (S. 23 f.) feststellen müssen, „dass ein fester Gebrauch ausschließlich bei den forciert integrierten Fremdwort-Variantenschreibungen beobachtet werden kann.“ Auf deutsch: die „integrierte Fremdwort-Variantenschreibung“, also die eingedeutschte Schreibweise, sorry: „Schreibung“, hat sich irgendwie nicht so recht gegen die „Fremdwort- Variantenschreibung“ durchsetzen können. Die Variantenschreibung wird deshalb Variantenschreibung genannt, weil ja bislang beide Varianten zulässig gewesen sind. Setzt sich also der Rat für deutsche Rechtschreibung mit seiner Anregung durch, ist künftig nur noch die Fremdwort- Variantenschreibung erlaubt, die dann jedoch keine Variantenschreibung mehr ist, weil die integrierte Fremdwort- Variantenschreibung dann verboten ist. Als deutsche Schreibweise, äh: Schreibung wird dann nur noch die Fremdwort-Variante als Recht bzw. Rechtschreibung anerkannt. Armes Deutschland!
Dann muss man ganz charmant in die Boutique gehen und sich eine Mohairmütze kaufen. Weil der eigene Coupé ein Cabrio ist, die Malaise also offenkundig ist, dass man ohne die Mohairmütze einen Katarrh im Nacken bekäme, der eine Behandlung mit Creme oder gar mit Myrrhe erforderte. Auch wenn man mit der Mütze freilich aussieht wie im Sketch einer von der Mafia, um auch auf diese Facette der ganzen Chose aufmerksam zu machen. Kurzum: künftig soll man in Deutschland zur Fremdwort-Schreibweise gezwungen werden. Und warum das Ganze? – Der Rat der Professoren meint, dass die eingedeutschte Schreibweise („integrierte Fremdwort-Variantenschreibung“) nicht angenommen wird, läge daran, dass die Fremdsprachenkenntnisse unserer Jugend immer besser würden. Man stelle sich das vor: englisch können sie. Aber deutsche Rechtschreibung: Fehlanzeige. Mir kann es egal sein. Es wird heute schon schwer bestraft, wenn ich die für meinen Klapprechner üblichen Bezeichnungen in integrierter Fremdwort-Variantenschreibung buchstabiere: Läpptopp oder Notbuk. Gehen gar nicht. Keine Schanse!
Hat wirklich noch jemand damit gerechnet, dass SPD und Grüne in NRW den JMStV blockieren? Seit heute ist endgültig klar: Sie tun es nicht.
Bei Jens im Pottblog kann man die triste, aber nicht überraschende, Wirklichkeit nachlesen. SPD und Grüne stimmen zu. In dem Entschließungsantrag wird ein wenig rumgeblabert: Wäre alles nicht perfekt, in drei Jahren nachbessern. Der ganze Sermon, den man nicht mehr hören kann und will, weil man heute schon weiß, was nachbessern Verschärfung heißt. Und das die aktuelle Version des JMStV nur die Einstiegsdroge der Politjunkies ist. Bald werden sie Lust auf die richtig harten Sachen haben: Netzzensur, volle Kontrolle – alles andere ist doch Kram für Schulkinder. Apropos Schulkinder. Für die wird es kein Problem sein, die Netzsperren zu umgehen. Mehr IT-Sachverstand als der gemeine Politiker dürften die meisten ohnehin. Und was sie noch nicht wissen finden sie hier.
Wenn es um das Eon-Kraftwerk in Datteln geht, sind die Gegensätze zwischen SPD und Grünen sowohl im RVR als auch im Land fundamental. Und weil man keine Lösung findet, spielt man auf Zeit.
SPD und Grüne haben, wenn es um das Kraftwerk in Datteln geht, zwei gemeinsame Ziele: Die Entscheidung und den Konflikt möglichst lange herauszögern. Und wenn es geht den Konflikt von den Gerichten entscheiden lassen.
Das Vorgehen entspricht nicht dem, was man von Politikern erwarten kann. Nämlich dass sie Entscheidungen treffen, um Kompromisse ringen und am Ende zu dem stehen, was sie beschließen. Was man heute in der Verbandsversammlung des RVR erleben konnte, war die Entpolitisierung der Politik. Am deutlichsten war das bei den Grünen. Deren Fraktionschef Tönnies wandte sich mit keinem Wort gegen den Eon-Bau. Für ihn ist das Kraftwerk scheinbar nur ein rechtliches Problem. Anders Thomas Eiskirch von der SPD: Der erklärte, Ziel der neuen Gutachten, die nun über die Möglichkeit des vom RVR vorgeschlagenen Zielabweichungsverfahren klären sollen, sei es, eine Chance für Datteln erst zu eröffnen.
Zu einem Bekenntnis für oder gegen den Standort, wie es CDU und FDP auf der einen und die Linkspartei auf der anderen Seite mit ihren gegensätzlichen Resolutionsentwürfen einforderten, konnten sich SPD und Grüne nicht durchringen. Ein schwaches Bild sowohl für die Industriepartei SPD als auch für die Ökos von den Grünen.
Wie wackelig das von den Grünen und der SPD vorgeschlagene Verfahren ist, zeigte sich schon früh: Die Verbandsspitze hält es für rechtlich nicht tragfähig und geht dagegen vor. Kann sein, dass es von den Aufsichtsbehörden schnell kassiert wird. Dann müssen SPD und Grüne das machen, wovor sie sich am meisten fürchten: Politik.
Heute entscheidet das Ruhrparlament darüber, ob in Datteln ein Kraftwerk gebaut werden darf. Das Problem: Da steht schon eins. Und vielleicht kommen bald die Bagger. Wir berichten live.
10.13 Uhr: Planungsdezernent Thomas Rommelspacher (Grüne) erklärt, dass er heute dem Parlament ein vollkommen neues Verfahren vorschlagen wird. Rommelspacher erklärt, dass der Vorschlag in enger Abstimmung mit der Stadt Datteln und anderen Behörden erstellt worden sei. Das kritisierte Zielabweichungsverfahren bezeichnet er als in NRW übliches Instrument der Planung.
10.15 Uhr Roland Mitschke, Fraktionsvorsitzender der CDU, legt eine Resolution pro Eon-Kraftwerl vor. Er bezeichnet das Kraftwerk als wichtiges Industrieprojekt, an dem viele Arbeitsplätze hängen: „Dieses Projekt ist notwendig und wichtig.“ Land und RVR sollen es positiv begleiten. Das neue Kraftwerk würde zudem helfen, Co2 zu reduzieren.
Mitschke: „Wir müssen deutlich sagen: Wollen wir dieses Kraftwerk – ja oder nein. Es gebietet die Ehrlichkeit, sich nicht hinter Verfahren zu verstecken. Das sind wir der Wirtschaft und den Arbeitnehmern in der Region schuldig.“
10.23 Uhr: Thomas Eiskirch, SPD: Eiskirch bedankt sich bei der RVR-Verwaltung für die Vorlage. Zu Mitschke: „Es geht nicht um „wollen wir Datteln oder wollen wir Datteln nicht“ sondern um „können wir Datteln oder nicht.“ Man diskutiere über den Standort, weil Eon ein Kraftwerk gebaut hat, wo es nicht legal sei und weil die alte Landesregierung sich nicht um die Rechtmäßigkeit des Verfahrens gekümmert habe.
Aufgabe sei es nun aus dem schwarz-gelben Chaos eine Ausweg zu finden. Dieser Aufgabe wolle man gerecht werden. Deshalb ein neuer Einleitungsbeschluss für ein neues Verfahren. Neue Rechtsgutachten sollen noch offener Fragen beantworten.
Eiskirch: „Wir wollen soviel Rechtssicherheit wie möglich. Ein drittes Verfahren wird es nicht geben.“
Während der rechtsgutachterlichen Prüfung wird Eon nach willen von SPD und Grünen nicht weiterbauen dürfen.
10.31 Uhr: Heinz-Dieter Klink, Regionaldirektor, SPD: Es gäbe zwei Resolutionen – eine von CDU und eine der Linken. Klink warnt vor beiden. Das Ruhrparlament sei auch eine Verwaltungsinstitution und die sei schlecht beraten, Grundsatzerklärungen für ein laufendes Verfahren abzugeben. Immerhin sei man auch für die Organisation der Bürgerbeteiligungen verantwortlich.
10.33 Uhr: Thomas Nückel, Fraktionsvorsitzender FDP: „Das von der Verwaltung vorgeschlagene Verfahren ist alternativlos.“ Die Ergänzungen von Rot-Grün seien von den Grünen bestimmt und hätten nur ein Ziel: Das Kraftwerk zu verhindern. Rot-Grün ging es es nur darum Zeit zu gewinnen, um einen Kompromiss zu finden. Die Planungspolitik des RVR hätte zum Ergebnis „Nichts geht mehr“. Das Ruhrgebiet gefährde seine industrielle Basis.
Eon – könne gegen den Beschluss klagen. „Wir brauchen einen Gutachter, der einmal sagt, was dieses planungsrechtliche Geisterfahrt den Bürger kostet.“
10.40 Uhr: Martin Tönnies, Fraktionssprecher der Grünen: Das alte Planungsverfahren ist gescheitert und war rechtswidrig. Das war die Schuld der alten Landesregierung. „Wir brauchen nun ein sicheres und rechtskräftiges Verfahren und wir müssen die Bürger mitnehmen und beteiligen.“ Stuttgart 21 zeige, das man Planungsverfahren nicht mehr mit Machtpolitik durchsetzen könnte. Transparenz und Offenheit seien unabdingbar.
„Wir werden ein Gutachten zum Thema Zielabweichungsverfahren machen lassen.“ Er sei anderer Ansicht als Rommelspacher und glaube nicht, dass das der richtige Weg sei. Es werde auch nichts auf die lange Bank geschoben: „Im Frühjahr haben wir das Gutachten und dann können wir entscheiden.“
10.49 Uhr: Olaf Jung, Linkspartei: Das Ruhrgebiet hätte viele seiner alten ökologischen Probleme wie die Staubbelastung weitgehend gelöst. Heute ginge es um Klimawandel. Es geht bei dem Konflikt in Datteln um den Gegensatz zwischen den Profitinteressen eines Konzerns und den Belangen der Anwohner. Rot-Grün schiebe die Entscheidung auf die lange Bank und spiele auf Zeit. Die Dattelner hätten einen Anspruch auf Rechtssicherheit. Ein nicht ordentlich genehmigtes Gebäude dürfen nicht gebaut werden. Das gelte für ein Kraftwerk ebenso wie für eine Garage. Der Bürger müsse sich auf das Recht verlassen können.
10.56 Uhr: Josef Hovenjürgen, CDU. Die Planungen des Kraftwerksstandortes Datteln begannen in der Zeit von Rot-Grün. Jetzt würden SPD und CDU so tun, als ob sie nichts mit Datteln zu tun hätten: „Scheinheiliger geht es nicht!“
Rot-Grün würde mit zweierlei Maß rechnen: „Bei Windkraftanlagen nehmen sie keine Rücksicht auf die Anwohner.
Bis 2005 sei die SPD noch in der Lage gewesen, Industriepolitik in NRW zu machen. Nun können sich die Sozialdemokraten gegen die Grünen nicht mehr durchsetzen. „Das ist schlecht für den Standort!“
11.05 Uhr: Mitschke, CDU: Weitere Gutachten über das Zielabweichungsverfahren seien überflüssig. Die Staatskanzlei hätte keine Einwende gegen das Verfahren. Rot-Grün würde mit weiteren Gutachten nur Zeit und Geld verschwenden. Mitschke wirbt für die Pro-Kraftwerks Resolution der Union.
11.07 Uhr: Der Vertreter der IGBCE im Ruhrparlament fordert ein klares Bekenntnis zum Standort Datteln. „Dazu gehört Mut.“ Man dürfe sich nicht hinter Planungsrecht verstecken. Politik muss den Willen zur Gestaltung haben. Das Kraftwerk Datteln sei ein Beitrag zum Klimaschutz. Aber auch preiswerte Energie sei für viele Branchen wichtig.
11.10 Uhr: Rommelspacher: Der Beschluss von Ro-Grün ist kein einleitendes Verfahren. Ein solcher Erarbeitungsbeschluss auf Grundlage des Antrags von Rot-Grün sei nicht rechtmäßig. Auch die Fristen für Gutachten seien nicht realistisch. „Man findet in so kurzer Zeit keine qualifizierten Gutachter.“ Gutachter sollten zudem nicht, wie von Rot-Grün gefordert, von der Verwaltung und nicht vom Ausschuss bestimmt werden. Rommelspacher ruft auf, dem rot-grünen Antrag nicht zu folgen.
11.14 Uhr: Tönnies, Grüne, ist erstaunt, sorgt sich nicht um den Rechtsbestand des rot-grünen Antrags und ignoriert weitgehend die Einlassungen Rommelspachers.
11.19 Uhr: Eiskirch, SPD, wirft der CDU Bekenntnispolitik vor. „Wir schaffen hier die Grundlage dafür, dass ein wichtiges Industrieprojekt überhaupt eine Chance bekommt.“
11.23 Uhr: Wolfgang Freye, Linkspartei: „Wir brauchen eine moderne Industriepolitik, die den Klimawandel berücksichtigt und die Interessen der Bürger berücksichtigen.“ Durch die Abschaltung der alten Kraftwerke würden mehr Arbeitsplätze vernichtet als im Neubau geschaffen werden. Freye fordert mehr Arbeitsplätze im Bereich der regenerativen Energien.
11.29 Uhr: Hovenjürgen, CDU: „Ich will von Klink wissen, ob er den Beschluss von Rot-Grün für einen Erabeitungsbeschluss hält. Wenn nicht, muss er den Beschluss sofort bemängeln und sich hinter die Rechtsauffassung seines Planungsdezernent stellen.“
11.32 Uhr: Nückel, FDP: Rot-Grün geht fahrlässig mit den Bedenken von Rommelspacher um. „Das kann teuer für die Bürger werden.“
11.34 Uhr: Eiskirch: „Wir wollen während der rechtlichen Prüfung keine neuen Teilgenehmigungen. Am Ende wird die Staatskanzlei entscheiden müssen.“
11.37 Uhr: Klink: „Die Verbandsleitung hat bei der Auswahl den Fragen zur Auswahl des Gutachters, der Fristen und dem Charakter des Aufstellungsbeschlusses erhebliche rechtliche Bedenken.“ Kommt der Beschluss, wird Klink einen rechtlichen Widerspruch bei der Aufsichtsbehörde einreichen. Damit stellt sich die RVR-Leitung gegen Rot-Grün.
Jetzt geht es um die Resolutionen.
11.43 Uhr: Bernd Tischler, OB Bottrop, SPD, spricht sich aufgrund rechtlicher Risiken gegen Resolutionen aus und fordert FDP und CDU auf, auf ihre Resolution zu verzichten. Roland Mitschke, CDU,sagt, er könne sich gut vorstelle, das Tischler schlecht gegen die Resolution stimmen könne. Mitschke sieht allerdings keine rechtlichen Bedenken.
11.47 Uhr: Resolutionen sind mit Mehrheit von der Tagesordnung genommen worden. Der Beschluss von Rot-Grün hat die Mehrheit bekommen. Ein rechtlich unsicheres Verfahren beginnt nun, dessen Ausgang offen ist.
Nach dem erneuten Angriff von Nazis auf die Kneipe Hirsch-Q in der Dortmunder Innenstadt kam es gestern Abend zu Protesten gegen Nazigewalt.
Gut 100 Menschen trafen sich um 16.00 Uhr am Stadtgarten um gegen Nazi-Gewalt zu demonstrieren. In der NAcht zuvor hatte es einen Angriff von Rechtsradikalen auf die Kneipe Hirsch-Q gegeben, an dem nach Angaben der Bild-Zeitung auch der Nazi Sven K. Teilnahm. K. war wegen Todschlags an dem Punker Schmuddel zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt und erst kürzlich aus de Haft entlassen worden.
Die Demonstranten zogen vom Stadtgarten zur Reinoldi-Kirche. Einem Bericht des Dortmunder Antifa Bündnis (DAB) nach, war die Demo eine bunte Angelegenheit:
Die Demonstration zog – mit Bengalischen Lichtern untermalt – durch die Innenstadt. Auf Transparenten wurde dazu aufgerufen, gemeinsam gegen Nazis zusammenzustehen. Während der Demonstration wurden Flugblätter an Passanten verteilt, die über die Vorfälle in der Nacht auf Sonntag aufklärten.
Am Rande der Demonstration kam es zu einer körperlichen Auseinandersetzung mit einem Neonazi, der sich auf dem Weihnachtsmarkt aufhielt. Die Demonstranten ließen sich davon jedoch nicht beirren und zogen zügig weiter.
Die Polizei versuchte erfolglos der Demonstranten habhaft zu werden und führte danach recht wahllos Personenkontrollen in der Innenstadt durch.
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