Was macht eigentlich die Duisburger Polizei?
Richtig: sie macht alles richtig. Eigentlich immer, und ganz besonders dann, wenn es drauf ankommt. Also auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr. Wird es wirklich wichtig, macht die Polizei es richtig. Dazu drei Beispiele aus der jüngeren und jüngsten Duisburger Vergangenheit.
10. Januar 2009: Gefahr erkannt – Gefahr gebannt. Ein voller Erfolg für die Duisburger Polizei. Mehr als zehntausend Menschen beteiligen sich an einer Demonstration gegen die israelische Militäroperation im Gazastreifen, zu der die islamistische Milli Görüs aufgerufen hatte. Als die Menge zwei israelische Fahnen gesehen hatte, die in die Fenster einer Privatwohnung am Rande der Demoroute gehängt waren, heizte sich die Stimmung enorm auf. Geistesgegenwärtig erkannte die Duisburger Polizei sogleich, dass hier Gefahr im Verzuge ist, und riss die Flaggen runter. Absolut gelungene Gefahrenabwehr: keinem Menschen ist irgendetwas zugestoßen, selbst die beiden weißen Stoffe mit dem blauen Davidstern kamen nur geringfügig zu Schaden. Bedenkt man, wie leicht sie hätten zu Brennmaterial an diesem kalten Wintertag werden können, muss man resümieren, dass die beiden Fahnen eigentlich die Hauptnutznießer dieser besonnenen Polizeiaktion waren. Dass dabei die Tür der Wohnung, die die Beamten aufbrechen mussten, ein wenig zu Schaden kam, war vor diesem Hintergrund zu verschmerzen, wie auch ein Universitätsprofessor der Juristerei in einem Gutachten feststellen konnte.
24. Juli 2010: Dass anderthalb Jahre später auf der Loveparade die Bilanz der Duisburger Polizei nicht in einem ganz so strahlenden Licht erscheinen konnte, ist weithin bekannt. Doch sie trifft, wie inzwischen längst von höherrangigen Behörden bestätigt, keinerlei Schuld an dieser Tragödie. Im Gegenteil: der damals amtierende kommissarische Polizeichef machte in seinem Einsatzbefehl sachkundig und detailliert deutlich, was bei dieser miserabel vorbereiteten Massenveranstaltung so alles passieren könne. Und wer weiß, was sonst nicht noch alles hätte passieren können, hätte die Duisburger Polizei nicht den Point of no Return ausgelöst, indem sie einen Rettungswagen in die Unterführung hatte passieren lassen – und mit ihm die an der Kulturveranstaltung interessierte Menschenmasse gleich mit. Niemand kann im Nachhinein sagen, dass ein Eintreten der Katastrophe zu einem späteren Zeitpunkt weniger Todesopfer gefordert hätte. Auch dass sich die Duisburger Polizei sogleich an die Aufklärung der Ereignisse gemacht hatte, obwohl sie nicht einmal dafür zuständig war, findet heutzutage auch kaum noch Beachtung. Fazit: irgendwie wusste man Bescheid; leider konnte dieses Wissen bei der Gefahrenabwehr nicht vollständig verwertet werden. Dennoch: die Polizei hatte alles richtig gemacht.
Ganz genau so liegt der Fall vom 28. November 2010: die Duisburger Polizei wusste genau, dass große Gefahr droht, konnte oder wollte dieses Wissen jedoch nicht verwerten, um nach dem deshalb eintretenden Schaden gegenüber der Presse zu erklären, dass „wir uns korrekt verhalten haben“. Der Reihe nach: am 18. November wurde der Sexualstraftäter Ricardo K. aus der JVA Werl entlassen, wo er in Sicherungsverwahrung einsaß. Daraufhin ließ er sich im Duisburger Stadtteil Homberg nieder – pikanterweise in direkter Nähe einer Grundschule und einer Kita. Der Duisburger Polizei war dieser Umstand lange im Voraus bekannt. Einige Tage nach K.´s Entlassung erklärte Duisburgs neue Polizeipräsidentin gegenüber der NRZ: „Wir haben uns auf diese Situation vorbereitet und arbeiten eng mit allen beteiligten Stellen zusammen, wie mit der Führungsaufsicht und dem Bewährungshelfer. Der Entlassene hat Auflagen bekommen und muss sich regelmäßig bei der Polizei melden. Diesen Auflagen kommt er bisher nach“.
Und weil sich K. so „kooperativ“ zeigte, stellte die Polizei seine Überwachung am 24.11. ein. Am 28.11. überfiel K. dann ein zehnjähriges Mädchen, das sich Gott sei Dank, obwohl er es am Hals gewürgt hatte, befreien und weglaufen konnte. Vorgestern, also am 06.12., zitierte „Spiegel Online“ aus polizeiinternen Unterlagen, die belegen, dass die Duisburger Polizei den 47-Jährigen für sehr gefährlich hielt. Sie erstellte ein „Personagramm“, das K. „eine starke antisoziale Störung“ sowie die Unfähigkeit bescheinigt, sich an die rechtlichen Normen der Gesellschaft zu halten. Wörtlich heißt es: „Er wird infolge seines Hanges zu erheblichen Straftaten für die Allgemeinheit als gefährlich eingestuft.“ Auch, dass nach Ansicht des Anstaltspsychologen eine Aussetzung der Sicherungsverwahrung nicht verantwortet werden konnte, lag der Duisburger Behörde vor. Mehrere Therapieversuche seien an der „Verweigerungshaltung“ des Häftlings gescheitert, gab der Psychologe zu Protokoll.
Auf diese Veröffentlichung angesprochen, erklärte der Pressesprecher der Duisburger Polizei gegenüber der Lokalpresse, dass „wir uns korrekt verhalten haben“. Die 24-stündige Observation sei personalaufwändig und könne mit den Persönlichkeitsrechten des Entlassenen in Konflikt geraten. Doch genau dies zu meistern, hatte die Polizeipräsidentin öffentlich zugesagt – nämlich „einerseits für die Sicherheit der Bevölkerung zu sorgen und andererseits die Rückkehr des Mannes in ein straffreies Leben zu ermöglichen“.
Nachdem die Duisburger Polizei an dieser selbst definierten „Aufgabe“ gescheitert ist, lässt sich ihr Pressesprecher stets mit dem Hinweis vernehmen, dass „man eine Sicherungsverwahrung nicht auf der Straße nachstellen“ könne. Sehr geistreich. Drinnen ist etwas Anderes als draußen. Das dachten wir uns schon. Eine Frage muss aber zulässig sein: ist diese, sagen wir mal: unglückliche Bemerkung so zu verstehen, dass sich die Polizei außerstande sieht, die Bevölkerung vor einem potenziell gefährlichen Straftäter zu schützen. Die Frage muss deshalb gestellt werden, weil ein weiterer in Sicherungsverwahrung einsitzender Mehrfachtäter angekündigt hatte, sich nach seiner in Kürze anstehenden Entlassung ebenfalls in Duisburg niederzulassen.
Nachtrag: selbstverständlich ist es ein unhaltbarer Zustand, dass hochgefährliche Triebtäter entlassen werden und die Polizei zusehen muss, dass nichts passiert. Innenminister Jäger hat Recht, wenn er sagt, dass dieses Problem entstanden ist, weil der Bundesgesetzgeber zu lange untätig war. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte freilich auch richtig entschieden, dass es nicht angehen kann, Inhaftierten nachträglich eine Sicherungsverwahrung aufzubrummen. Wenn ein Gericht für Menschenrechte solch eine Praxis nicht für widerrechtlich erklärt, kann es sich auch gleich auflösen. Man denke daran, dass es auch in Europa Regime gibt, denen man für dieses rechtsstaatswidrige Instrument keinen Persilschein ausstellen möchte.
Der Deutsche Bundestag hat diese Angelegenheit letzte Woche in Ordnung gebracht und eine Neuregelung der Sicherungsverwahrung mit großer Mehrheit beschlossen. Die Möglichkeit einer Sicherungsverwahrung muss jetzt mit dem Strafurteil verkündet werden. Wichtig ist auch, dass Delikte ohne Gewaltanwendung wie Vermögensstraftaten jetzt nicht mehr Anlasstat für eine Sicherungsverwahrung sein können. Doch das neue Gesetz muss erst noch von den Ländern umgesetzt werden. Es kann also sein, dass der oben erwähnte, aus der Sicherungsverwahrung zu entlassende Mann nicht der einzige bleiben wird, den die Duisburger Polizei im Auge zu behalten haben wird. Ein Grund mehr, sich nicht mit den Einlassungen vom vermeintlich korrekten Verhalten zufrieden zu geben.