Blitzgrippe erfasst Panik-Politiker

Laute laue Abgeordnete

Liberale und Christdemokraten leiden unter einer unerklärliche Blitzgrippe, die Linke will einen lange bekämpften Nachtragshaushalt passieren lassen: Im Düsseldorfer Landtag sitzt eine Opposition, die um ihre Stellen als Abgeordnete fürchtet und die rot-grüne Minderheitsregierung ganz sicher nicht in Neuwahlen stürzen möchte. Ihre zur Schau gestellte Empörung über die Schulden des Kabinetts von Hannelore Kraft ist dabei schnell vergessen

Die Düsseldorfer Minderheitsregierung ist in einer kuriosen Situation: Nicht sie kämpft um ihr Überleben, sondern die Opposition. Denn nach aktuellen Umfragen kämen SPD und Grüne bei Neuwahlen auf eine komfortable eigene Mehrheit, die FDP hingegen müsste mit den prognostizierten drei Prozent um den Einzug in den Landtag fürchten. Auch die Linke kann nur auf rund fünf Prozent der Stimmen hoffen und will die Landesregierung zwar beeinflussen, nicht aber stürzen.

Deshalb hat selbst die als unberechenbar geltende Basis der Linken am Sonntag für eine Enthaltung zum Nachtragshaushalt gestimmt, der bislang wichtigsten Abstimmung im Düsseldorfer Parlament. Dabei findet sich keine wesentliche ihrer ursprünglichen Vorschläge im Entwurf: So forderte die elfköpfige Linken-Fraktion ursprünglich, die Studiengebühren von 500 Euro pro Semester schon zum Sommersemester 2011 abzuschaffen und nicht erst ein Semester später, auch sollten mehr Steuerprüfer eingestellt werden. Nun heißt es in dem Parteitagsbeschluss vom gestrigen Sonntag plötzlich windelweich, der Entwurf verletze nicht die von der Partei beschlossenen „roten Haltelinien“ wie etwa Personalabbau oder soziale Kürzungen.

So hoffen die schwarz-gelben und linken Abgeordneten inständig, dass der im Landtag verbal hart bekämpfte Nachtragshaushalt passieren wird. Rot-Grün wird damit die Nettoneuverschuldung von 6,6 auf 8,4 Milliarden Euro erhöhen. Dies sei notwendig, weil die alte schwarz-gelbe Landesregierung keine ausreichende Vorsorge für WestLB-Altlasten, Kitakosten und Kommunen eingerechnet habe. CDU und FDP wollen den Haushalt wegen der „unverantwortlichen Schulden“ ablehnen. Sie haben sogar eine Klage vor dem Verfassungsgerichtshof in Münster angekündigt.

Dabei gibt es intern bei CDU und FDP längst Strategien, wie die panischen Abgeordneten mit einem Nein der Linken und damit drohenden Neuwahlen umgegangen wären. Es heißt, die so genannte „Blitzgrippe“ könnte kurz vor der Verabschiedung des Nachtragshaushaltes ausbrechen. Gerade Abgeordnete der CDU, die bei der Landtagswahl im Mai ihren Wahlkreis nur knapp gewonnen haben, könnten zuhause bleiben um ihren Posten zu sichern.

Die seit Monaten heraufbeschworene Hürde für Hannelore Kraft scheint für die Opposition deutlich höher zu sein als für die Ministerpräsidentin.


Wir sind alle Mesut Özil

Sie ist Deutsche mit Migrationshintergrund, Muslimin und alleinerziehende Mutter. Die 40jährige Betül Durmaz unterrichtet an der Malteserschule in der Neustadt in Gelsenkirchen, in der die meisten Schüler als sozial problematisch gelten. Sie ist die einzige Lehrerin mit einer Zuwanderungsgeschichte. Betül Durmaz hat ihr Leben und ihren Alltag in einem Buch aufgeschrieben. Herausgekommen ist dabei eine authentische Geschichte gelebter Integration. Der Name Durmaz heißt übersetzt: Die, die nicht stehen bleibt. Das Buch ist im Herder-Verlag erschienen und trägt den Titel „Döner, Machos und Migranten: Mein zartbitteres Lehrerleben“.

Wie ist die Idee zu dem Buch entstanden?

Vor zwei Jahren habe ich der Tageszeitung taz ein Interview über das Thema Rütli-Schule in Berlin gegeben. Daraufhin kam der Herder Verlag auf mich zu und hat angefragt, ob ich nicht ein Buch über das Thema Integration schreiben will. Am Anfang war ich etwas zurückhaltend, weil ich mir auch nicht vorstellen konnte, dass ein solches Thema viele Leser findet. Man musste mich schon dazu überreden.

Wie einfach war das Schreiben, ist es Ihnen leicht gefallen?

Andere Autoren wie Cornelia Funke schreiben ihre Bücher wahrscheinlich nachts in ihren Träumen. Ich habe mir ein Konzept überlegt und das dann umgesetzt. Das Schreiben selbst war ein Jahr lang harte Arbeit, und ich hatte ja auch keine Erfahrung damit. Den Titel hat der Verlag ausgesucht, um damit die Neugier der Leute zu wecken und möglichst viele Käufer anzusprechen.

Sind Sie deutsch oder wie würden Sie ihre Herkunft bezeichnen?

Meine Eltern waren die Gastarbeiter, ich bin kein Gast mehr und Deutschland ist mein Heimatland. Soziologisch verwendet man ja jetzt den Begriff „Menschen mit Zuwanderungsgeschichte“. Ich lebe hier seit über 40 Jahren, Deutsch ist meine Sprache, die Türkei ist mein Urlaubsland und das Land meiner Vorfahren. Früher hieß es Gastarbeiter, dann hieß es Ausländer, dann Migranten und jetzt Menschen mit Zuwanderungsgeschichte. Ich halte mich mit solchen Begrifflichkeiten nicht auf. Die „Entweder oder Zeiten“ sind einfach vorbei. Warum muss man sich für die eine oder andere Seite entscheiden? Klar gehöre ich zu Deutschland, aber genauso gut bin ich auch Türkin.

Was sind die größten Probleme, die eine gesellschaftliche Integration verhindern?

Bestimmte Ethnien sind hier überproportional vertreten. Die Kinder sind unter ihresgleichen, also unter Einheimischen. Die Amtssprache ist zwar im Unterricht Deutsch, aber das gilt natürlich nicht zum Beispiel für den Weg nach Hause. Die Ghettoisierung im Bildungswesen ist ein Grund dafür. Der zweite Grund ist: In Zeiten wirtschaftlicher Not besinnen sich die Menschen stärker auf ihre Religion. Wir haben es hier in der Schule auch mit sehr strenggläubigen Familien zu tun, wo Freundschaften mit deutschen Kindern kaum zustande kommen, und das wird von den Eltern auch nicht gepflegt. Die Schule ist der einzige Ort, wo sich Deutsche und Zuwanderer begegnen.

Was müsste konkret geändert werden?

Die meisten Kinder leben in ziemlich desolaten Verhältnissen und bekommen keine Förderung. Die Eltern sind oftmals überfordert und die Kinder sind die einzigen Familienmitglieder, die einen geregelten Tagesablauf haben. Wir haben es hier mit der zweiten und dritten Generation von Hartz-4-Empfänger zu tun. Die Lebensverhältnisse sind sehr beengt, es gibt viele Kinder in den Familien, der Fernseher läuft den ganzen Tag und da ist das Lernen für die Schule zweitrangig.

Ist es ein soziales Problem oder doch eher eins der unterschiedlichen Kulturen?

Wir haben es bei uns ausschließlich mit Kindern aus der Unterschicht zu tun. Das ist eindeutig ein soziales Problem, ein Milieuproblem. Dass die Migranten hier so stark vertreten sind, liegt natürlich an dem Stadtteil, in dem wir uns befinden. Ja, auch in der Neustadt ist eine Ghettoisierung zu beobachten, sie ist ein „Stadtteil mit besonderem Erneuerungsbedarf“. Das macht sich in der Schule bemerkbar, denn die gesamte Mittelschicht – auch die türkische – zieht hier weg. Die Politik hat das zugelassen und zu spät reagiert.

Ist die Religion ein Hindernis?

Der Islam steht der Bildung nicht im Weg. Es sind verschiedene Faktoren, die sich hier gegenseitig bedingen. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten suchen die Menschen nach Halt in der Religion.

Wie kann die Schule hier helfen?

Wir vermitteln nicht nur Kulturtechniken, wie an anderen Schulen. Wir vermitteln sozial anerkannte Regeln und Werte, wie zum Beispiel Zuverlässigkeit und den respektvollen Umgang mit den Mitmenschen. Das wäre eigentlich die Aufgabe des Elternhauses. Wenn wir bei den einzelnen erfolgreich sind, dann sind das Bildungserfolge für uns. Der Arbeitsmarkt für Minderqualifizierte ist ja vollständig eingebrochen, aber mit uns haben einzelne vielleicht eine Chance auf die Beschäftigung im Niedriglohnsektor.

Warum werden so wenig Menschen mit Zuwanderungsgeschichte Lehrer?

Die Regierung hat das ja gerade in ihrem Integrationsprogramm gefordert. Da kann man nur sagen „Guten Morgen“, denn in Fachkreisen ist das schon länger eine Selbstverständlichkeit. Man hat keine Sprachschwierigkeiten und kennt die kulturellen Hintergründe. Der NC für das Lehramt ist derzeit so hoch, dass viele Abiturienten ein anderes Studium vorziehen.

Sind Sie mehr Sozialarbeiter oder mehr Lehrer?

Zu 80 Prozent besteht meine Lehrertätigkeit aus Sozialarbeit.

Was müsste anders werden, um die Chancen der Kinder zu verbessern?

Die Schule muss so attraktiv gestaltet werden, dass die Ghettoisierung aufgebrochen wird. Wir brauchen viel mehr Sozialarbeiter, die uns bei der täglichen Arbeit unterstützen. Wir brauchen mehr handwerkliche Angebote, mehr Tanztherapeuten und Medienangebote, damit die Mittelschicht hier nicht komplett wegzieht. Die Rütli-Schule ist ja inzwischen zu einer Vorzeigeschule geworden, weil sie unheimlich viele finanzielle Mittel erhalten hat.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Ich würde mir wünschen, dass in der Politik nicht so viel dummes Zeug erzählt wird.
Es werden oft Verknüpfungen hergestellt, die es so einfach nicht gibt. Da würde es helfen, mit Migrationsforschern zu sprechen, die haben ihre Zahlen und Statistiken. Man muss die Situation differenziert betrachten und man kann das Problem nicht verallgemeinern. Hier werden bestimmte Probleme vermengt, die meiner Meinung nach nicht vermengt werden dürfen. Der Fehler beginnt bei der Vermengung von Migranten im Allgemeinen und Unterschichtsmigranten, die zum Teil in kriminellen Banden ihr Unwesen betreiben. Diese Verknüpfung ist falsch. Es gibt Erfolge in der Migration. Es ist inzwischen bewiesen, dass sich zum Beispiel die Geburtenrate bei der Migration in ein Industrieland ändert und der neuen Heimat anpasst.

4. guerilla-lesung der wattenscheider schule

 

die wattenscheider schule liest: am dienstag, 07.12.2010, im sissikingkong, dortmunder hafen, 20 Uhr.

– neue geschichten – neue bilder – neue gefühle –

 
 
WS Bloglist:

Meine Kritik an “Der Freitag”

Frau Minister Leyen wurde von Hubertus Heil kürzlich unschön bedacht mit “Warme Worte – kalte Taten”. Übertragen auf Jakob Augstein kann man vielleicht sagen: “Warme Worte – leidenschaftslose Taten”. Von unserer Gastautorin Regina Hoffmann.

Die warmen Worte findet man zum Beispiel im dctp-Interview.

Nun zur fehlenden Leidenschaft: Der Freitag möchte in so vielem anders sein als andere. In Ansätzen gelingt das, und der Versuch der Lesereinbindung hat etwas wirklich Neues an sich. Nur wird zuwenig daraus gemacht.

Entgegen der von Augstein bekundeten Absicht anders, frischer und offener zu sein, leidet der Freitag an einem Übermaß an Vorsicht.

Allzu viele Beiträge scheinen sich dem Leser vorsichtig “antragen” zu wollen. Nur nichts schreiben, was dem Zeitgeist der erstaunlich linientreuen “community” zuwider sein könnte.

In bestimmter Hinsicht typisch ist der aktuelle Beitrag von Jakob Augstein über Wikileaks.

Handwerklich sauber geschrieben und mit hübschen Anekdoten versehen enthält der gesamte Artikel allerdings keinen einzigen Satz, der den Leser zum Nach-Denken anregt. Etwas Neues zu erfahren ist noch kein Nachdenken, es ist nur ein Aufnehmen. Es ist ein Zustimmungsartikel.

Der obrigkeitsskeptische Internet-erfahrene Freitags-Leser wird mehrfach mit leicht verdaulichen linksliberalen Häppchen à la “Das Internet ermöglicht Offenheit und Klarheit, wo vorher Herrschaft und Kontrolle gewaltet haben” gefüttert. Dass es sich bei solchen Aussagen um fragwürdige Behauptungen handelt, darf nicht stören. Immer schön nach dem Motto “Wir hier an der Basis sind in Wahrheit die Klügsten”.

Zuspitzungen wie “Desinformation dagegen ist immer der Feind der Freiheit” legen zur klammheimlichen Freude der Leser nahe, dass wir prinzipiell immer davon ausgehen müssen, nicht informiert, sondern desinformiert zu werden. Der Artikel handelt jedoch von den Wikileaks-Veröffentlichungen. Die jüngsten umfassen 250.000 Dokumente,

Wer sich ein paar der Telegramme der US-Botschaften ansieht, wird schnell feststellen, dass Vieles dem entspricht, was man in den besseren Zeitungen, Journalen oder Blogs ebenfalls lesen kann, zumal in den Telegrammen selbst oft auf Zeitungsbeiträge verwiesen wird. Es ist auch einiges dabei, das man mit Wohlgefallen liest, weil durchaus Vernunft und Zurückhaltung darin liegt. Doch das passt nicht zur Sensationslust.

Diese Scheuklappen-Perspektive Augsteins ist nun entweder Schlamperei – eher nicht -, eine bestimmte politische Haltung – vielleicht, aber das träfe eher auf Chefredakteur Grassmann zu – oder reiner Opportunismus. Das kann man annehmen. Augstein weiß oder glaubt zu wissen, wie er seine Leser bedienen kann.

In einem weiteren Absatz kommt eine kleine Medienschelte gegen die “mürrischen” anderen, wie etwa die Süddeutsche. Dann macht er sich sich ein bisschen lustig über die einfältigen deutschen Poilitiker, die den Amerikanern offenbar alles erzählen. Das kommt immer gut an: die dummen Politiker.

Zum Schluß platziert Augstein das größte Ärgernis. Da man den Politikern nicht trauen könne, forderten die Bürger “Akteneinsicht”. Und das sei gut so.

Das hört sich so aufrichtig basisdemokratisch an, dass man vor lauter linker Solidarität fröhlich glucksen möchte. Ich würde mich als links bezeichnen, aber bei diesem Schulterschluß vergeht mir die Freude.

Denn diese abschliessende Forderung Augsteins ist einfach platt und anbiedernd. Wie soll das aussehen, “Akteneinsicht” für jedermann? Eine offene “Debatte” aller über alles? Da scheint jemand das kleine Einmaleins der Politiktheorie vergessen zu haben. Demokratie war noch nie Kakophonie, denn exakt das wäre das Ergebnis von “Akteneinsicht für alle”, sondern gegenseitige Funktions- und Machtdelegation mündiger Bürger in Verbindung mit Gewaltenteilung und gegenseitiger Kontrolle.

Bitte: Diese Art von texten hat wenig mit Journalismus zu tun als mit Plakatkleberei für die nächste linke Demo.

Man kann den Lesern förmlich dabei zusehen, wie sie Zeile für Zeile befriedigt abnicken im Glück ihrer eigenen Zustimmung: Der berühmte Augstein denkt also genau so wie ich „kleiner“ Leser!

Da wird nichts gegen den Strich gebürstet, nichts von drei Seiten beleuchtet. Augen zu und pseudo-links-anarcho-mainstream durch.

Die zahlreichen Kommentare der “community” geben den geistigen Gleichmarsch im großen und ganzen wieder.

Wie könnte Journalismus langweiliger sein?

Schön, dass die community des Freitag so fest geschmiedet ist. Schade, dass sie deswegen noch lange unter sich bleiben wird.

Statt sich über die Beiträge zum Beispiel der Süddeutschen über Wikileaks zu mockieren, könnte sich der Freitag ein Beispiel daran nehmen. Er könnte dazu lernen. Und ein wenig von seinem hohen Roß herab steigen. Es ist bisher nur ein Schaukelpferd.

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Der Ruhrpilot

NRW: Linke segnet Milliarden-Neuverschuldung ab…Welt

NRW II: Linke wird nicht gegen Rot-Grün stimmen…Der Westen

NRW III: Linke blockiert Nachtragshaushalt nicht…Scharf-Links

Datteln: Rot-Grün feilscht um Datteln…Der Westen
JMStV: Medien haben Probleme in der Berichterstattung…Pottblog
JMStV II: Sendezeiten für Katzenbilder?…Netzpolitik
Energie: Bergwerke als Speicherplatz für Ökostrom…Telepolis
Umland: Meine kleine Kuba-Krise…Zoom
Internet: Wikileaks kämpft mit dem Rücken zur Wand…NZZ

UZDO: Ein Wochenende im Museum und die Suche nach einer Idee

Für ein Wochenende hat die Stadt Dortmund der Initiative für ein unabhängiges Zentrum für Dortmund (UZDO) das Museum am Ostwall zur Verfügung gestellt. Der Besuch lohnt und sollte ein Anlass sein, sich mit der Zukunft des Gebäudes zu beschäftigen.

Wer sich gestern durch den Schnee aufmachte, das Museum am Ostwall im Dortmund zu besuchen, wurde gleich mehrfach belohnt. Man erlebte ernsthafte und unaufgeregte Diskussionen über die Zukunft autonomer Zentren, erfuhr viel von ihren Schwierigkeiten und Begrenztheiten. Aber auch davon, wie die Macherinnen und Macher immer wieder neue Wege finden, weiter zu arbeiten.

Die Besucher wurden aber auch durch die Ausstellungen in diesem wunderbaren Gebäude mit seiner ganz eigenen Atmosphäre belohnt. Das Haus stammt  noch aus dem 19. Jahrhundert, beherbergte einmal das Oberbergamt, wurde mehrfach umgebaut und ist heute ein sehr schöner Museumsbau. Von seinem unscheinbaren Äußeren sollte man sich nicht irritieren lassen.

Und in diesem fast schon leer stehenden Museum stellen an diesem Wochenende ungefähr 20 Künstler aus. Das Spektrum der Bilder, Fotos  und Objekte ist groß. Es gibt faszinierende Werke, Arbeiten voller Wut, wunderschöne Fotos aber auch Bilder, bei denen das Wollen größer ist als das Können. Wen stört es? Es ist gut, dass es einen Raum gibt, in dem sich Künstler ausprobieren und zeigen können. Das Scheitern, die Kritik, die Diskussion gehören dazu und es hat unglaublich viel Spaß gemacht, durch die Räume zu gehen, über die Bilder zu sprechen. Mal war man in einem der zahlreichen Museumsräume ganz allein. Dann war es fast intim. Ein anderes Mal stand man in kleinen Gruppen vor den Bildern. Aber immer wurde man überrascht. Nie war es langweilig.

Wie die Party am Abend war? Ich weiß es nicht. Da war ich nicht mehr dabei. Vielleicht kann das ja jemand in den Kommentaren schreiben.

Was auch schön ist: Die Zukunft des Museums am Ostwall ist offen. Klar ist, es wird nicht abgerissen. Ab seine Stelle wird nicht, wie es einige Kaufleute gefordert haben, ein Parkhaus gebaut. Die Stadt will im kommenden Jahr eine Diskussion darüber beginnen, was aus dem Gebäude werden soll. Auch die UZDO-Leute sollen in diese Diskussion wohl mit eingebunden werden. Bis Ende des Jahres wird es noch von der Museumsverwaltung genutzt. Dann steht es leer.

Diese Diskussion wird spannend. Denn so schön das Museum innen auch ist, so schwer fällt einem sich eine andere Nutzung als die traditionelle Museumsnutzung vorzustellen. Aber genau darin liegt der Reiz. Vielleicht wird es auch nicht  eine einzige Nutzung geben, sondern ganz unterschiedliche unter einem Dach: Ausstellungsflächen für Künstler, ein Café im Forum, Büros, Werkstätten, ein Skulpturenpark im großen Garten des Museums. Vieles ist möglich und es ist doch schön, dass es einen solchen Raum mit vielen Möglichkeiten gibt. Hoffentlich  findet man am Ende des Diskussionsprozesses eine gute Lösung.

Mehr Informationen zur Veranstaltung auf der Seite von UZDO.

Ruhr2010: Eine kleine, unerfüllte Wunschliste

Kreativer am Morgen danach

Die Kulturhauptstadt ist fast zu Ende. Und bald ist Weihnachten. Zeit für eine kleine, unerfüllte Wunschliste.

Jetzt beginnt die Zeit des Jubilierens. Ja, die Kulturhauptstadt war ein Erfolg. Auch Abseits der peinlichen Zahlenhuberei, des Protzens damit größer als Liverpool, ja, die Kulturhauptstadt mit den meisten Besuchern überhaupt gewesen  zu sein. Nach dem  der Loveparade-Katastrophe darf eine solche Zahlenprahlerei nicht mehr sein. Da hat die Ruhr2010 GmbH nichts gelernt.

Viele Menschen, auch in den kleinen Städten, wurden durch Local Heroes in das Programm eingebunden und werden sich noch in vielen Jahren daran erinnern, bei der Kulturhauptstadt mitgemacht zu haben. Egal was sie da gemacht haben und auch egal ob es jemanden interessiert hat: Wenn viele Menschen ein gutes Gefühl haben, ist das schon etwas wert. Und das meine ich ohne jede Ironie.

Die Odysse, das Henze-Projekt, das Ruhr Museum, die Schachtzeichen, die Party auf der A40 – das alles war schon gut. Das Ruhr Museum wird bleiben. Das neue Museum Folkwang auch und vielleicht fällt irgendeinem ja noch was Vernünftiges für das Dortmunder U ein.

Aber war da nicht die Rede davon, dass mehr bleiben soll als ein paar Gebäude? Fiel im Vorfeld nicht immer dieses unsägliche Modewort „Nachhaltigkeit“? War das Motto nicht „Kultur durch Wandel – Wandel durch Kultur“ – oder umgekehrt?

Zwei Themen kamen zu kurz. Und das ist schade, weil es ein Projekt gab, dass beide miteinander verbunden hätte. Es hieß Land for free:

Mit den Brachen des Ruhrgebiets als regionale Erscheinung beschäftigt sich das Kulturhauptstadt-Projekt Land for Free, das ab 2007 mit offenem Ende läuft. Zusammengestellt wird ein Pool von Flächen auf der so genannten Emscherinsel, einem etwa 30 Kilometer langen Band zwischen Emscher und Rhein-Herne-Kanal, von Duisburg bis Castrop-Rauxel.

(…)

Land for free ist eine konkrete Utopie. Die Utopie einer Stadt in und zwischen den Städten des Ruhrgebiets. Keine Stadt im herkömmlichen Sinne (mit Planstraßen, Kanalnetzen, Baubehörden, Grundstückswerten), sondern eine Stadt, entstanden einzig aus der Verwirklichung individueller Lebensträume, ermöglicht durch die Aneignung von brachliegendem Ruhrland.

Das übrig gebliebene Land ist der natürliche Boden dieser Stadt; offenes, disparates, nur wenig vorbestimmtes Land, das sich Menschen mit ihren Ideen, ihren Träumen und Sehnsüchten aneignen. Es ist Land, das darauf wartet, neu in Besitz genommen zu werden – von Menschen, die sich auf diesem Stück Ruhrland ihren Traum erfüllen wollen. Könnte dieses Land, genauso wüst, verbraucht, romantisch wie es ist, mit diesen Menschen in Verbindung gebracht werden, es entstünde eine völlig neue Stadt. Eine Stadt der Möglichkeiten.

Für eine schrumpfende Region, in der immer weniger Menschen leben, wäre Land for free ein Projekt gewesen, das über den Tag hinaus gereicht hätte. Es hätte zudem das Potential gehabt, im Ruhrgebiet exemplarisch an der Fragestellung zu arbeiten, wie denn schrumpfende Regionen mit ihren freien Flächen umgehen. Und welche Möglichkeiten, welche Chancen  in den Brachen liegen. Das Projekt wurde nie umgesetzt, obwohl man sich mit ihm um die Kulturhauptstadt beworben hatte. Es war den Machen zu riskant, zu wenig planbar. Und es passte auch nicht in das PR-Gerede von der Metropole Ruhr. Denn Metropolen schrumpfen nicht. Brachen sind in London, Paris oder New York nicht das Problem. Im Ruhrgebiet schon, dass keine Metropole ist. Auch keine der anderen Art. Aber gerne so tut.

Der Ansatz von Land for free hätte sich auch auf die Innenstädte und ihre Randlagen übertragen lassen. Auch hier gibt es längst Leerstände in erheblichem Ausmaß. In unserer kleinen Reihe zur Zwischennutzung haben wir versucht, darauf hinzuweisen.

Das PR-Thema Kreativwirtschaft hätte sich damit verbinden lassen. Wenn man sich denn wirklich dafür interessiert hätte, jungen Künstlern und kleinen Unternehmen Entwicklungsmöglichkeiten einzuräumen. Es wäre vom finanziellen Aufwand her überschaubar gewesen. Man hätte allerdings über Freiräume diskutieren müssen. Und die Städte hätten die Chance erkennen müssen, loszulassen und einfach mal zu schauen, was passiert. Sicher, so etwas wäre nicht ohne Risiko gewesen. Aber ohne den Mut zum Risiko kann es auch keine Erfolge geben.

Und so hat sich die Kulturhauptstadt um das spannende Thema des demographischen Wandels weitgehend gedrückt. Das Versprechen, eine Entwicklung anzustoßen, die auch nach der Kulturhauptstadt weiter geht, wurde nicht eingehalten. Es fehlte den Machern der Kulturhauptstadt das Format, sich mit diesen Fragen ernsthaft zu beschäftigen.

Und was hat Euch gefehlt?

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Letters from Ireland III

Irland steckt in einer tiefen Krise. Nicht nur wirtschaftlich geht es bergab, auch politisch steht das Land an der Abbruchkante. Der seit vielen Jahren in Nordrhein-Westfalen lebende Ire Hugh Murphy reist in seine Heimat zurück und schreibt über das, was er sieht. Hier ist der dritte Brief unseres Gastautors.

„Hello,

„It’s not my money they’re talking about,“ said the chubby man, with half his pint drunk, at the curve of the bar. The full sum of the bail out, 85 billions euros, had just come up on the screen behind the bar.
„That’s what you think,“ says another pint man further along the bar, „wait till you see the budget next week. They’ll have their hands in both your pockets then.“
„For all the good that’ll do them. I’ve been skinnt since I lost me job last May. Give us a pint, Dorris!“ and with that he drained his glass in one go.
„There’s nothing we can do about it, says Dorris as the tawny liquid fills up a new glass, „so I ignore it altogether,“ there are volumes of annoyance in the way she says it.

There’s no way anyone in Europe can understand how the Irish don’t react to the present crisis. Every country has its own way of putting the head in the sand when the facts of life become too painful to face right now. The Greeks riot, the Italians stay at home, the French go on a nation wide strike so that everybody can stay in bed in the morning after they reach sixty. The Irish become an ingrown toe nail. They turn on their politicians and parties and pundits and they dissect them savagely, not that they hope to find and relief for their pain by doing so. The parties in power now – Fianna Fáil et al, caused the disaster and are therefore rotten. The opposition parties – Fine Gael et al, are just as useless. It’s another side of Joyce’s old sow but there’s rarely any sign of Joyce’s courage to try to do something about it. A new government will be elected in the coming weeks or months but they are already known to be useless.

Eventually someone will say, „we could be an awful lot worse off. We are not at war. We do not have tsunamis, famine or earthquakes to deal with and, as those of us who have been through earlier hard times know. We will ride it out.“ (‚Lucinda O’Sullivan, Sunday Independent.) Even the notorious rain is found to be a „psychologically soothing presence in our lives,“ (Marie Murray, ditto)

With such optimism within daily reach who cares if the bailout works or not! Hugh Murphy“

Letters from Ireland I

Letters from Ireland II