JMStV: Das rot-grüne Schaulaufen in NRW geht weiter

Die Landtagsfraktion der Grünen will noch einmal mit der SPD über die Zustimmung zum JMStV reden. Herauskommen wird kaum mehr ein lauer Kompromiss. Und der JMStV wird durch den Landtag gehen.

Prokrastination ist ein schönes Wort. Es veredelt banal Alltagshandlungen. Zum Beispiel das ignorieren von Rechnungen. Klar, man hat falsch geparkt, das kostet Geld, aber so genau will man das nicht wissen. Und deswegen macht man einfach den Briefumschlag nicht auf, der da im Briefkasten liegt. Die Lebenserfahrung sagt einem allerdings, dass sich dadurch die Höhe der Strafe nicht ändert.

Und Prokastination ist das, was Grüne und SPD im Moment machen. Vor allem den Grünen ist der Shitstorm nach der Ankündigung, man werden den JMStV gemeinsam mit der SPD Mitte Dezember im Landtag durchwinken unangenehm. Zu schön sind die Umfragen, als das man sich  die gute Laune durch Konflikte vermiesen lassen möchte. Deswegen soll jetzt Zeit gewonnen werden. Deshalb wird noch einmal geplaudert.

Dabei hat man schon im Vorfeld des Konflikts um den JMStV alles versucht,  ihn politisch zu entschärfen. Matthias Bolte, in der Fraktion der Grünen für Netzpolitik zuständig, argumentierte schon vor Monaten, dass die Zustimmung zum JMStV rechtliche und parlamentarische Gründe und keine politischen hätte. Das macht man jetzt bei Grüns so: Anstatt politisch zu entscheiden versteckt man sich hinter den Gesetzen – die man ja als Legislative ändern kann. In Datteln ist das nicht großartig anders. So sieht grünes Konfliktmanagement  im Jahr 2010 aus.

Was wird bei den Gesprächen mit der SPD herauskommen? Nicht die Ablehnung des JMStV im Landtag: Der JMStV ist das Werk der SPD-Landesregierung in Rheinland Pfalz. Problembär Kurt Beck steht dahinter – das eine SPD geführte Landesregierung ihn auflaufen lässt ist kaum denkbar. Das Gleiche gilt für Marc Jan Eumann. Der ist Staatssekretär im NRW Ministerium für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien und Vorsitzender der Medienkommission beim SPD-Parteivorstand. Und Eumann ist ein Verfechter des JMStV. Eine Ablehnung würde ihn beschädigen. Das wird nicht passieren. Der laue Kompromiss wird sein, das Grüne und SPD sich darauf verständigen, möglichst schnell mit den Arbeiten an einer Neufassung des JMStV zu beginnen, um die Fehler des alten auszubügeln. Was auch nicht passieren wird: Der nächste JMStV  wird keine Freiwilligkeit mehr kennen und deutlich härter werden.

Man sollte sich nichts vormachen: Das Landtags-Schaulaufen von SPD und Grünen in NRW wird den JMStV nicht aufhalten.  Es gilt: Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten! Wer war mit dabei? Die Grüne Partei. Aber mal ehrlich: wer hätte was anderes erwartet?

Der Homo Sapiens richtet sich auf

Gestern war „Liegen lernen“, heute zählt „Die Kunst stillzusitzen“ Tim Parks ist ein Skeptiker auf der Suche nach Gesundheit und Heilung. Von Unserem Gastautor Ronald Milewski.

Der Journalist Ronald Reng hat ein Buch über seinen Freund Robert Enke, dessen Todestag sich aktuell jährt, geschrieben. Darf man das? Die Professorin für Corporate Communication Miriam Meckel, Lebensgefährtin von Anne Will, hat schon in der Klinik während der eigenen Behandlung begonnen, ein Buch über ihren Burn-out zu schreiben. Soll frau das?  Der Schriftsteller und Übersetzer Tim Parks, hat ein Buch über das Stillsitzen geschrieben: 364 Seiten. Kann man das? Worte machen über das Schweigen?

Tim Parks hat in Cambridge studiert. Tim Parks ist Master of Arts. Tim Parks ist Dozent und lehrt an der Universitá IULM in Mailand. Tim Parks ist ein Pfarrerssohn aus Manchester. Tim Parks hat 20 Romane und Sachbücher veröffentlicht. Tim Parks ist verheiratet und hat drei Kinder. Tim Parks ist ein Meister der Worte. Tim Parks hat die Geschichte der psychologischen Einzelfalldarstellungen um einen höchst interessanten Fall erweitert, um seinen eigenen. Tim Parks hat jahrelang unter Schmerzen, Verspannungen und anderen Symptomen einer typischen Männerkrankheit gelitten. Tim Parks, der Tausendsassa, hat die Bedeutung seines eigenen Ich in Frage gestellt: Sein 21. Buch ist sein persönlichstes.

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von „Die Kunst stillzusitzen“ ist Parks Mitte 50.  Seine Beschwerden beginnen mit Anfang 30. Die Broschüre, die er zu diesem Zeitpunkt von seinem ärztlichen Behandler in die Hand gedrückt bekommt, ist voller unguter Suggestionen. So heißt es darin, eine vollständige Genesung sei bei einer Prostataentzündung äußerst unwahrscheinlich, ja, „de facto ausgeschlossen“. Prostatitis-Patienten seien in der Regel ruhelose und unzufriedene Menschen. Schlussendlich lasse die überwiegende Mehrheit solcher Patienten nach jahrelangem, manchmal jahrzehntelangem Leiden unweigerlich ihre Probleme auf dem Operationstisch zurück, „sobald sie die fünfzig oder sechzig überschritten haben“. Tim Parks ist 51, als ihm ebendiese Empfehlung von einem „Schulmediziner“ gemacht wird.

Doch Parks weigert sich – trotz Schmerzen, Sextaner-Blase, nächtlichen Toilettengängen und Druckverlust beim Urinieren. Er erinnert sich an den postulierten Zusammenhang von Persönlichkeit und Erkrankung. Statt sich unters Messer zu legen wird Tim Parks in der Selbstbehandlung experimentierfreudig und fündig. Er probiert Ayurveda, paradoxe Entspannung und punktgenaue myofasziale Release-Massage, respiratorische Sinusarrhythmie-Atmung zur Vorbereitung auf die paradoxe Entspannung und Shiatsu aus. Die Belohnung ist erste Linderung und eine Empfehlung: Meditation.

Parallel kramt er seine – gefühlt – erste literarische Liebe aus und liest auf der Suche nach eigenen kritischen Persönlichkeitseigenschaften Samuel Taylor Coleridges Beschreibung seines Abstiegs (!) vom Scafell Pike im Lake District im Jahre 1802. Diese kann laut Parks „als der erste schriftliche Bericht von einer Bergbesteigung zum Zwecke der Freizeitgestaltung“ gelten. Sie ist gleichzeitig die Geschichte von einem, der ständig krank und von Schmerzen gepeinigt auszieht, das (Körper-) Empfinden zu lernen. Coleridge verlässt dafür vorübergehend Frau und Kind und berichtet einer Angebeteten von seinen Abenteuern.

Parks Lektüre dieses Berichts nährt seine Zweifel am Segensreichtum eigener Wortmächtigkeit und der Wortmächtigkeit des Vaters. Die eigene und dessen körperliche Verkrampftheit werden zu stillen Zeugen der unguten Wirkung der „Erfindung der Sprache“. Und Parks beginnt an die Weisheit des Körpers zu glauben – und an dessen Überlegenheit über den Geist.

In Entspannungsübungen vor die Aufgabe gestellt, den eigenen Körper zu erleben, vertiefen sich seine Zweifel am eigenen Lebensstil. Er entdeckt in seinem Körper vorrangig Anspannung und ertappt sich bei der ständigen Begier, seine Erfahrungen sprachlich zu kategorisieren. Die „Reinkarnation“ seiner Erfahrungen betreibt er zunächst punktuell in seiner Körpermitte,  am Ort der Beschwerden. Als Orientierungsrahmen dient ihm wiederum ein Buch, David Wise’ „A Headache in the Pelvis“.

Doch Parks macht nicht bei der symptomatischen Behandlung des Beckens und den Übungen im Liegen Halt. Er wird im Meditationszentrum zum Generalisten. Bei der Vipassana-Meditation gerät sein Körper als Ganzes im Schneidersitz in den Fokus des Gewahrseins. Bühne der Handlung ist ein 10tägiges Schweige-Retreat. Werkzeuge zur Begegnung des Geistes mit dem Körper sind die Atemmeditation, der so genante Body-Scan und die Einübung des liebevollen Gewahrseins für den Mitmenschen, die Metta Bhavana.

Mit der Entdeckung der wohltuenden Wirkung des Stillsitzens in der Meditation umtreibt Parks zeitweilig, die Idee zur vollständigen Genesung, dem Sprachprojekt insgesamt abzuschwören:

„Da hatte ich das Gefühl, eine unwiderrufliche Veränderung in meinem Leben nur erzwingen zu können, wenn ich mich von dem Projekt lossagte, das mich seit ich denken kann angespornt, aufgerieben und krank gemacht hat: DAS PROJEKT DER WORTE.“

Tim Parks fühlt sich genesen, von der Erfahrung in der Meditation mit so enormen körperlichen und geistigen Veränderungen bedacht, dass er beginnt die Krankheit als „Glücksfall“ zu bezeichnen. Und er überwindet stillsitzend die Zweifel an Kategorisierungsgewohnheiten seiner neuen Lehrer, die einerseits zur unmittelbaren Erfahrung auffordern und andererseits die „wahnsinnige Vorliebe“ für Numerierungen pflegen, nämlich in „Drei Juwelen“, „fünf edle Wahrheiten“, „fünf Silas“, „sieben Stufen der Läuterung“, „den achtfachen Pfad der Erleuchtung“, „die zehn Betrachtungen, …“. Sie tun dies  laut Parks in typischer Weise als Glaubensgemeinschaft – nicht als Wissenschaft.

Am Ende kategorisiert auch Parks seine Erfahrungen und kehrt so zum Sprachprojekt zurück. Er teilt sie uns in einem Narrativ unter der Überschrift, „Die Kunst stillzusitzen“, mit, so zu sagen in einer Heilsgeschichte. „Ohne dem“ wäre diese  Buchbesprechung nicht möglich gewesen. Tim Parks Prostata sei Dank!

Um indes seine Erfahrungen zu teilen, bedürfte es regelmäßiger Praxis dessen, was Parks an Übungen beschreibt. Er wird doch wohl noch üben?

Der Ruhrpilot

JMStV: Rot-Grünes Schaulaufen in NRW geht weiter…Pottblog

JMStV II: Parlamentarische Zwänge auch bei der Linken in Berlin…Netzpolitik

JMStV III: Das ausbleibende bloghelferzurucktreten beim JMStV…Blogbar

JMStV IV: Blogger können leidlich gelassen bleiben…Law Blog

JMStV V: Die grüne Chaospartei…Telepolis

NRW: Justizminister fordert elektronische Fußfessel…Hannover Zeitung

RVR: Rache an Willamowski?…Westfälische Nachrichten

RVR II: Klink soll im Amt bleiben, seine Stelle wird dennoch erneut ausgeschrieben…Pottblog

Ruhr2010: Kuck mal an…Zeit

Kultur: Boris Gott im Wohnzimmer…Ruhr Nachrichten

Ruhrgebiet: Guerilla Gardening…Speiseräume

Dortmund: Skandalfirma Envio fast ohne Eigenkapital…Der Westen

Dortmund II: Envio und die vergifteten Menschen…taz

Duisburg: Polizei war gegen Loveparadegelände und Tunnel…Der Westen

Essen: Hochtief verliert Kampf gegen Spanier…RP Online

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Für immer Klink…

Heinz-Dieter Klink wird als RVR-Chef weitermachen. In zwei Wochen wird er für weitere sechs Jahre gewählt. Und wenn wir Pech haben, hört er nicht einen Tag früher auf.

Eigentlich sollte Christoph Dänzer-Vanotti der nächste RVR-Chef werden. Aber der sagte Krankheitsbedingt ab. Jetzt wird Heinz-Dieter Klink im Dezember für weitere sechs Jahre gewählt. Ob er irgendwann mal Platz macht, wenn man jemanden gefunden hat, der den Job im Gegensatz zu ihm auch kann? Keiner weiß es, mancher wird es hoffen, aber Hoffnung allein reicht nicht. Dem Ruhrgebiet stehen mit Klink weitere Jahre der Stagnation bevor.  Aber soll man sich darüber noch aufregen? Vielleicht ist Klink ja genau der Mann, den das Ruhrgebiet an seiner Spitze will: Jemand ohne Ehrgeiz und Ziele, der gerne was von Solidarität erzählt und jammert, dass  man mehr Geld von anderen Leuten braucht. Weil ändern will man ja nix. Passt doch irgendwie ganz gut.

Sarrazin in Duisburg: am Rande ein Streit über die Gaskammern

Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau

Deutschlands Sachbuch-Bestsellerautor Nr. 1 gab sich gestern Abend die Ehre, im Duisburger Lehmbruck Museum die Thesen aus seinem Werk einem geneigten Publikum vorzutragen. Etwa 200 begeisterte Anhänger sind gekommen; sie scheuten weder den hohen Eintrittspreis noch die strenge Personenkontrolle, um ihr Idol persönlich bewundern und ihm zujubeln zu können. Eine „Löwenbräukeller-Stimmung 1933” habe in der Sarrazin-Veranstaltung geherrscht, zitiert xtranews einen örtlichen CDU-Politiker, ohne seinen Namen zu nennen. 

Dabei wollen die Blogger auch gehört haben, dass der Duisburger Alt-Bürgermeister Heinz Pletziger (CDU) am Rande der Veranstaltung geäußert haben soll, dass Millionen vergaster Juden im Dritten Reich doch keine Deutschen waren. Dies werde von Pletziger jedoch bestritten, der deshalb auch gegen diese “Verleumdung” juristisch vorgehen wolle. Die Kollegen von xtranews wiederum nennen zwei eidesstattliche Versicherungen ihr eigen, die der Version des Alt-Bürgermeisters widersprechen. 

Nun steht Aussage gegen Aussage. Wie auch immer: beide Seiten, also auch Herr Pletziger, sind „sich der geschichtlichen Tragweite durchaus bewusst“. Ehe nun die Gedanken zur Frage abschweifen, welche geschichtliche Tragweite überhaupt und grundsätzlich den Aussagen ausgemusterter Duisburger CDU-Bürgermeister zukommt, ist es nützlich, sich die historischen Tatsachen vor Augen zu halten, um auf dieser Basis die wirklich relevanten Fragen zum Tage stellen zu können. 

Ob Pletziger nun darauf hingewiesen haben sollte oder nicht, Fakt ist: Millionen vergaster Juden im Dritten Reich waren keine Deutschen. Nun lässt sich die Anzahl der im Holocaust ermordeten deutschen Juden zwar nicht exakt beziffern. Der bekannte Antisemitismus-Forscher Wolfgang Benz nennt die Zahl 165.000 eine realistische Schätzung. Davon geht auch Burkhard Asmuss vom Deutschen Historisches Museum in Berlin aus. Wikipedia zufolge reicht die Spannweite der Schätzungen von 135.000 bis 195.000 deutscher Juden, die in der Shoa umgekommen sind. 

Bei den sechs Millionen, möglicherweise etwas weniger, wahrscheinlich ein halbe Million mehr, handelte es sich um Juden aus allen von den Deutschen besetzten Ländern Europas. Mehr als vier Millionen Menschen stammten aus Polen und der Sowjetunion. Ebenfalls mehr als vier Millionen Juden wurden in den Vernichtungslagern vergast. So weit der grobe Überblick über die außer Frage stehenden historischen Tatsachen. Eine etwaig gestern Abend gefallene Feststellung, die Millionen vergaster Juden seien doch gar keine Deutschen gewesen, wäre folglich im Grunde genommen ganz und gar zutreffend. 

Es sei denn, mit dieser Bemerkung sollte unterstellt werden, dass nun gar keine deutschen Juden in Auschwitz umgekommen seien. Dies wäre, wie bereits dargelegt, zweifellos unzutreffend. Viele Namen sind bekannt; Vorfahren auch aus meinem Bekanntenkreis haben dort ihr Leben gelassen. Auschwitz zu leugnen – ohnehin eine Straftat – ist auch, wenn sich diese Lüge „nur“ auf deutsche Juden bezöge, haltlos. Aber, schon richtig: „Millionen vergaster Juden“ waren keine Deutsche. 

Zu dieser Anmerkung drängt sich jedoch Frage auf, warum es für nötig gehalten werden könnte, dies festzustellen. Falls es jemand für nötig gehalten haben könnte, dies festzustellen. Denn, wie jedes Zitat, wäre auch dieses selbstverständlich aus dem Zusammenhang gerissen. Sollte es dem mutmaßlichen Autor um die Aufklärung der grundlegenden historischen Sachverhalte gegangen sein, wäre dagegen m.E. naheliegenderweise nichts vorzutragen. Denn sonst würde ich mich ja mit diesem Beitrag strafbar machen oder, was ich schlimmer fände: den Holocaust verharmlosen. 

Oder sollte mit der zitierten Feststellung angedeutet werden, dass weil es sich nicht um Deutsche, sondern „nur“ um Ausländer gehandelt hatte, der fabrikmäßige Massenmord nicht ganz so schlimm war? Oder, dass wenn „nicht einmal“ zweihunderttausend Opfer in Rede stehen, keinerlei Anlass zur Hysterisierung bestehe? Ich weiß es nicht. Ich wüsste es aber gern. Vor allem wüsste ich gern, ob diese Äußerung überhaupt – und wenn, dann mehr oder weniger öffentlich – gefallen ist. Sicher ist, dass wenn Herr Pletziger juristisch gegen diese, wie er sagt, „Verleumdung“ vorgehen sollte, eine Straftat vorliegt. Die Frage ist, ob, wenn keine Verleumdung vorliegen sollte, Pletziger also diese Worte über die Lippen gekommen sein sollten, dann auch eine Straftat vorliegt. Es dürfte dann wohl auf den Zusammenhang und die Absicht ankommen, in dem und in der diese historische Aufklärung vorgenommen wurde.

WikiLeaks enttäuscht – Kein Wort über „Rubber Ratzi“

Der größte Teil der deutschen WikiLeaks-Berichte liest sich, als habe ein Praktikant in der US-Botschaft eifrig Geschichten aus dem Spiegel abgeschrieben und eine heiße Quelle dazu erfunden, um so die eigenen Chancen zu erhöhen den Jahresvertrag verlängert zu bekommen.

Die Enthüllung, dass Dirk Niebel als Entwicklungshilfe-Minister eine „schräge Wahl“ sei, dürfte selbst im Passauer Wochenkurier nicht zu Rekordauflagen geführt haben. Grund zum Ärger über diese feine Nachrede, diesen diplomatisch brisanten Klatsch, dürften die haben, die nicht drin vorkommen. Das war schon bei Michael Graeter nicht anders. Auf einen Politiker jedoch, den deutschstämmigen Regenten eines autokratischen Kleinstaates mit geringem Frauenanteil und hoher Kriminalitätsrate, einen Mann mit Religionshintergrund, wartet man bisher vergeblich in den Terramyriaden von Dokumenten. Bislang ist nichts erschienen über Papst Benedikt XVI.

An seiner Stelle  würde ich schnellstens die Jungs aus meiner PR-Abteilung zusammenstauchen und ein paar gefälschte Dokumente hinterher schieben, auf sowas versteht man sich im Vatikan traditionell. Was hat dieser spröde, hochgebildete Mann (Tipp für WikiLeaks: „Gut vernetzt und hochintelligent ohne das Charisma seines Vorgängers“) nicht alles getan, um den Klatsch zu bereichern, hat sich als Poster in die Bravo geschmuggelt, in einer Ausgabe mit Tokio Hotel und Masturbationstipps des Dr. Sommer-Teams, hat lächerliche Mützen aufgesetzt, um als Nikolaus der Herzen durchzugehen, finstere Holocaustleugner an die nährende Brust der Kirche gedrückt, Zoff mit Teflon-Angie gehabt und jetzt noch das Wort Kondom in den Mund genommen. Die Reaktion: Lau, lahm, liberal lächerlich. Evangelisch irgendwie.

In besseren Zeiten hätte er Schläge und Schlagzeilen kassiert, wäre zum Gummipapst oder Rubber-Ratzi  hochgejazzt worden. Aber ach, kein Mensch zuckt mehr auf die wirren Zeilen in einem Interviewbuch. Dabei schafft es Benedikt XVI., in wenigen Worten vom Kondom über die Banalisierung des Vögelns zu Drogen zu kommen, die man sich selbst verabreicht. Klar ist nach der Lektüre nur, männliche Prostituierte sind  im Vorteil. Da mag es begründete Einzelfälle geben, die den Gebrauch des Kondoms rechtfertigen. Das ist mal wieder ganz großes Gedankenschach, Mysterium der Wandlung inbegriffen. Womit die Wandlung von Einstellungen gemeint ist und nicht jene, die aus einer simplen Backoblate den Leib Christi macht. Was ja auch ein neues interessantes Arbeitsgebiet für durchgeknallte Nonnen mit Hang zur Naturwissenschaft wäre. Ich warte noch auf den Versuch aus einer Hostie Jesus zu klonen.

Natürlich war die verschämte Anerkennung des Kondomgebrauchs längst überfällig und bringt den katholischen Kosmos keineswegs ins Wanken. Denn immerhin steht in den Zehn Geboten an zentraler Stelle „du sollst nicht töten“, grundsätzlich ist Sex dort jedoch nicht verboten, und Kondome wirst du in der ganzen Bibel nicht finden.. Nur des Nachbarn Weib sollte man nicht begehren, so wenig wie dessen Haus und Vieh, seinen Besitz insgesamt also. Da sich heute nur noch äußerst idiotische Frauen im Besitz irgendeines Kerls befinden, dürfte der entsprechende Paragraph eigentlich keine Rolle mehr spielen. Und wenn die katholischen Profis noch ein paar Jahrhunderte nachdenken, werden sie vielleicht auch darauf kommen, dass etwa ein außerehelicher Beischlaf viel geringerer Sündenkraft ist, wenn man die Zeugung von Nachwuchs oder Gefährdung des Sexualpartners dabei ausschließt. Benedikts Projekt indes ist die Versöhnung von Glaube und Aufklärung, bis zur Psychoanalyse ist man im Vatikan noch nicht vorgedrungen.

Um das klar zu machen: Ich liebe den deutschen Papst für seine Eindeutigkeit, nicht nur aus beruflichen Gründen. Jeder Dortmunder Kabarettist neidet dem Kölner Kollegen Kardinal Meißner. Der liefert ständig gute Geschichten, in der Westfalenmetropole muss man erst mal googeln, wie der evangelische Superintendent heißt. Der katholische Bischof hat Standpunkte, der evangelische Verständnis. Während im Frühjahr der katholische Pfarrer nach der Messe und vor der Kirche die Porsches, SUVs und die auffrisierten Mopeds mit dem Christopherussegen versieht, auf dass den Fahrern bei Tempo 180 nichts geschieht, predigt der evangelische nebenan noch für die Beachtung der Tempo-30-Zone, weil so die Schöpfung bewahrt wird. Evangelisch zu sein ist ein schlimmes Schicksal. Da kann man gleich in die Gewerkschaft gehen oder in die SPD. Trete mal auf in einer evangelischen Akademie – die lachen da nicht mal über deine fiesen Katholikenwitze. Endgültig erledigt war diese Religionsgemeinschaft, als mir einer ihrer Priester, natürlich ein politisch engagierter, stolz erzählte, er sei deshalb protestantisch, weil für ihn das evangelische Weltbild das mit den wenigsten Fehlern sei. Wenn das Glaube ist, glaube ich ziemlich fest, dass ich so nicht glauben möchte. Die Kunst der Religion besteht doch darin, die moralische Latte möglichst hoch zu legen und dann virtuos drunter her zu kommen, ohne Niveaulimbo zu betrieben. Darin ist die katholische Kirche unschlagbar.

Man merkt, ich bin glücklicherweise katholisch aufgewachsen. Evangelisch hatte nur einen Vorteil: Die Geschenke zur Konfirmation waren wesentlich praller als die Gaben zu Erstkommunion. Das war fetter Cash gegen eine Timex-Uhr, einen Schlafsack und einen Stapel Bücher. Die Protestanten waren aber spätestens nach einem erschütternden Fernsehspiel für mich auf ewig erledigt. Da muss ich so acht oder neun Jahre alt gewesen sein. Ein Junge und ein Mädchen knien in einer Kirchenbank, also in einer anständigen katholischen Kirche, der Bursche zischt ihr zu: „Ihr habt unseren Heiland ermordet!“. Ich war erschüttert. Das hatte man mir bislang verschwiegen, das hatte ich denen nicht zugetraut. . Da ich von Juden und Antisemitismus bis dahin noch nie gehört hatte, war klar: Ihr“, das mussten die Protestanten sein… Was pädagogisch gemeinte Filme doch alles  anrichten können.

Ich machte also das ganze katholische Zeugs mit, inklusive Ferienlager, in dem die Teamer noch Führer hießen und im Schlafsaal nachts pubertäre homoerotische Feldforschung betrieben wurde, entgegen aller Vorurteile unter Ausschluss der Führer. Vielleicht, weil ich den anderen zu jung war oder weil ich tagsüber dieses furchtbare Kassengestell von Brille tragen musste, war ich nur am Rande beteiligt, was mich damals ziemlich sauer machte, aber nicht der Grund war für meine Abkehr von der besten aller Kirchen. Deshalb zucke ich begeistert, wenn heute der Papst wieder mal so eine Nummer raushaut. Da springt er in der Sexualmoral um ein paar Jahrhunderte vor, versteckt seine Aussage in einem Interview, übergeht wichtige Themen, den Zölibat, den Schwangerschaftsabbruch,  die Frage, ob Vati und Mutti das Licht anlassen dürfen, wenn sie es miteinander treiben, und landet direkt bei männlichen Prostituierten. Der Papst und Arschficken, warum ist das nichts für WikiLeaks?

EC-Karten: Skimming-Attacken nehmen zu

Immer mehr Geldautomaten in Nordrhein-Westfalen werden von Kriminellen manipuliert. Experten raten zur Vorsicht am Geldautomaten.

Für 600 Kunden an Duisburger Geldautomaten gab es im vergangenen Jahr zum Weihnachtsfest keine frohe Botschaft: Insgesamt 600.000 Euro buchten Kriminelle von ihren Konten ab.

Kein Einzelfall: Immer häufiger manipulieren Banden aus Osteuropa Geldautomaten in Nordrhein-Westfalen. Ihre Methode, das so genannte Skimming. Dabei werden die Geldautomaten manipuliert: Vor die Kartenleseeinheit wird ein Aufsatz angebracht, der die Karteninformationen ausliest. Über eine versteckt angebrachte Kamera oder eine aufgesetzte Tastatur wird zusätzlich die PIN ausspioniert. Dann werden neue Karten erstellt. Sie heißen Whitecards – weiße Karten – weil auf ihnen kein Logo einer Sparkasse oder Bank zu sehen ist. Mit ihnen werden dann von EC-Automaten im Ausland die Konten der Betroffenen leergeräumt. Dass sie Opfer einer Skimming-Attacke geworden sind, erfahren sie erst beim Blick auf den Kontoauszug.

Die Zahl der Skimming-Attacken ist in den vergangenen Jahren in NRW stark gestiegen, wie die Zahlen des Landeskriminalamtes belegen: Von 172 manipulierten Geldautomaten im Jahr 2008 stieg die Zahl auf 271 in 2009. Bis zum 7. November dieses Jahres gab es schon 1059 Fälle – mit einer unbekannten Anzahl an Opfern.

Frank Scheulen, Pressesprecher des nordrhein-westfälischen LKA mahnt die Bürger zur Vorsicht an Geldautomaten: „Auch wenn der starke Anstieg der Statistik zum Teil auf eine verbesserte Erfassung der Fälle zurückzuführen ist, hat sich die Zahl der Skimming-Fälle besorgniserregend entwickelt. Vor allem in den Ballungszentren an Rhein und Ruhr ist Skimming zu einer Gefahr geworden, die jeden Bürger treffen kann, der Geldautomaten benutzt: „Die Täter“, sagt Scheulen, „suchen sich bevorzugt Automaten mit einer hohen Besucherfrequenz aus. Dort können sie schnell viele Kartendaten sammeln. Das lohnt sich dann auch, wenn die Manipulation schon nach ein paar Stunden entdeckt wird.

Immer raffinierter werden die Tricks der vor allem aus Osteuropa kommenden Banden: Dort werden immer neue und für den Laien immer schwerer zu erkennende Automatenaufsätze konstruiert. Scheulen: „Da sind qualifizierte Experten am Werk. Was die abliefern ist HighTech.“

Das LKA rät allen EC-Automaten-Benutzern am Lesegerät und dem Tastaturaufsatz zu rütteln. Wackelt was, sollte man den Automaten meiden und Bank und Polizei informieren.

Annabel Oelmann, Expertin für Finanzdienstleitungen Verbraucherzentrale NRW, ist da skeptisch: „Die Tricks der Kriminellen werden immer besser.“

Der Bankkunde hat kaum noch eine Chance, einen manipulierten Automaten zu erkennen: „Wir erleben seit Jahren ein Wettrüsten zwischen den Kriminellen auf der einen und den Banken und Automatenherstellern auf der anderen Seite.“

An diesem Wettrüsten hat sich auch die Sparkasse Düsseldorf beteiligt. Bislang mit Erfolg: „Wir haben seit 2009 keinen Skimming Fall mehr gehabt.“ sagt Dr. Gerd Meyer, Sprecher des Geldinstitutes. Zusammen mit dem Automatenhersteller Wincor-Nixdorf habe man gemeinsam erfolgreich an Lösungen gearbeitet. Wie die aussehen, mag er nicht erzählen: „Wir wollen ja den Kriminellen keine Tipps geben.“

Klar ist nur: Immer häufiger befinden sich die Automaten der Sparkasse Düsseldorf in geschlossenen Räumen. Die Zahl der direkt am Bürgersteig platzierten Automaten ist zurückgegangen.

Je sicherer die Automaten werden, je ausgefeilter die Technik, umso größer der Aufwand, den die Banden treiben, um an das Geld der Kunden zu kommen. Über tausend Euro werden im Durchschnitt illegal abgehoben. Bei der Vielzahl der Fälle wird klar: Hier geht es um viel Geld.

Geld, das die Banken in den meisten Fällen diskret und aus Kulanz erstatten. Oelmann: „In der Regel haben Kunden keine Schwierigkeiten, ihren Schaden ersetzt zu bekommen. Das gilt allerdings nur, wenn es an einem Automaten zu mehreren Fällen kam.

Ist ein einzelner Kunde betroffen, ist es mit der Kulanz der Geldinstitute nicht weit her. „Dann“, sagt die Verbraucherschützerin, „muss man nachweisen, dass man Skimming-Opfer ist.“

Die Banken würden in Einzelfällen argumentieren, der Betroffene habe seine Kartendaten nicht entsprechend gehütet und beispielsweise seine PIN auf die Karte geschrieben.

„Das ist heute doch nicht mehr realistisch. Die meisten Menschen nutzen ihre EC-Karte fast täglich und kennen ihre PIN auswendig. Bei den Einzelfällen haben die Banken noch einen Nachholbedarf in Sachen Kundenfreundlichkeit.

NRW-Verbrauchschutzminister Johannes Remmel (Grüne) sieht die Verbraucherrechte indes ausreichend gesichert und setzt auf Anfrage der Welt am Sonntag auf mehr Technik: „Kreditinstitute müssen sich laufend um die besten Sicherheitsstandards bemühen. So wie die EC-Karten selbst fälschungssicher und vor Manipulationsversuchen geschützt sein müssen, so liegt es auch im Verantwortungsbereich der jeweiligen Bank oder Sparkasse, ihre Automaten

regelmäßig auf Manipulationen zu überprüfen.“ Und das nicht nur in den Großstädten wie Düsseldorf: „Wenn das BKA zudem beobachtet, dass die Täter von Automaten in Innenstadtnähe auf Geräte im Umland ausweichen, weil diese seltener vor Skimming-Angriffen gesichert sind, so besteht hier auf Seiten der Kreditwirtschaft zweifellos Nachbesserungsbedarf.“

Vor allem in grenznahen Gebieten hat es nach Ansicht von Gerd Meyer in letzter Zeit häufig Skimming-Attacken gegeben: „Die Täter sind dann schnell ins Ausland gezogen und haben das Geld mit den gefälschten Karten abgehoben, die an deutschen Automaten nicht funktionieren.

Endgültige technische Lösungen sind bei aller Mühe der Banken und der Industrie nicht in Sicht. LKA-Sprecher Scheulen appelliert daher an die Verbraucher, vorsichtig zu sein: „Jeder sollte am Automaten die Hand über das Eingabefeld halten und nicht immer zu den meist besuchten Automaten gehen.“ Ein hundertprozentiger Schutz ist das allerdings auch nicht.

Der Artikel erschien in ähnlicher Form bereits in der Welt am Sonntag

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